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Kapitel 2: Das Frühstück

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Als ich in den Speisesaal kam, stand das Tablett mit den Kristallgläsern auf der goldenen Vitrine. Sie stand halboffen.

Die Kinder saßen zwar schon am eilig gedeckten Tisch, doch vom Essen war noch keine Spur auszumachen.

Die Schwingtür neben mir wurde aufgeworfen. Farrah kam mit zwei großen Tabletts auf den Händen herein und stellte sie hastig auf der langen Holztafel ab.

Das Frühstück war wie immer reichlich. Es gab einen Korb mit frisch gebackenen Vollkornbrötchen, einen Korb mit Brot, kleinere Schalen mit Marmelade und eine Käseplatte. Auf dem zweiten Tablett befanden sich fünf eckige Teller mit dem Emblem des Schlosses, Margarine und die aktuelle Ausgabe der Tageszeitung, welche mein Herr morgens zu lesen pflegte.

Farrah´s Knicks bemerkte außer mir niemand. Die Jugendlichen waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt.

Mark- einer der Siebzehnjährigen- tippte auf seinem bunten Smartphone. Sein mittellanges braunes Haar fiel ihm dabei ins Gesicht.

Andrew, sein gleichaltriger Bruder, hatte kurze blonde Haare. Er schnitt sich eines der Körnerbrötchen auf und strich Marmelade darüber.

Shelley- das einzige Mädchen- holte ein Biologiebuch hervor und steckte den Kopf so tief hinein, dass sie aufgrund ihrer langen schwarzen Haare eigentlich nicht mehr viel von dem Text hätte lesen können.

Ich blieb anstandshalber am Ende der gedeckten Tafel stehen und sah mir das allmorgendliche Szenario an.

Etwa zehn Minuten später stieg mir ein wohlbekannter Duft in die Nase. Ich blickte nach rechts, Lady Elaine- meine Arbeitgeberin- war durch die Tür getreten. Trotz ihres lilafarbenen Morgenmantels wirkte sie auf mich wie eine Erscheinung. Ihr eckiges Gesicht war bereits geschminkt, obwohl sie unter ihrem Mantel meist nie fertig angezogen war.

Sie fasste sich kurz an die Stirn, nickte mir dann zu und ging zu ihrem Tisch. Ich kam ihr auf der gegenüberliegenden Seite entgegen und zog ihren Stuhl nach hinten.

„Danke, Nigel“ sagte Lady Elaine leise und setzte sich.

Ich schob den Stuhl ein wenig nach vorne- die vermögende Frau war nicht allzu schwer- weshalb es mir mühelos gelang. Als ich die Lehne des großen Stuhls losließ, trat Lord Gayle herein.

„Guten Morgen, mein Herr“ sprach ich, nahm die Tageszeitung vom Tablett und reichte sie ihm.

„Ich habe Sie zwar vorhin bereits begrüßt, aber ich wünsche Ihnen natürlich auch einen Guten Morgen.“

Lord Gayle schenkte mir ein kurzes Lächeln, ehe er sich zu seiner Frau setzte. Ich sah, dass er für einen Augenblick über ihren Handrücken strich, welcher auf dem Holztisch ruhte. Ebenfalls entging es mir nicht, dass sie die Hand zurückzog. Die Kinder bemerkten dies nicht.

Nun begann auch Mark mit dem Frühstück.

„Shelley, möchtest du nicht dein Biologiebuch zur Seite legen? Wir würden gerne essen“ sagte meine Herrin in ruhigem Tonfall.

Ihr ging es wohl noch immer etwas schlecht von der gestrigen Feierlichkeit.

„Sind Ihre Kopfschmerzen besser geworden?“ erkundigte ich mich selbst nach ihrem Wohlbefinden, nachdem das Mädchen der Bitte ihrer Mutter nachgekommen war.

„Ach, Nigel“, stöhnte sie, „wenn ich das nächste Mal so eine große Menge Falson trinke, dann sagen Sie mir bitte Bescheid oder verwehren Sie mir gleich einen weiteren Schluck.“

„Jawohl, Lady.“

Lord Gayle lachte kurz auf und riskierte dafür einen bösen Blick seiner Ehefrau.

„Wenn Sie nichts mehr wünschen, werde ich dem Chauffeur sagen, dass er die Kinder in zehn Minuten zum College fahren kann.“

Lady Elaine winkte ab, was für mich Antwort genug war. Als Butler lernte man die Körpersprache anderer Menschen zu beherrschen und im Berufsleben perfektionierte man diese Fähigkeit.

Meine Lackschuhe klackerten, während ich aus dem Speisesaal trat. Im Erdgeschoss ging ich in einen langen Flur, wo sich die Zimmer der Angestellten befanden. Der Gärtner hatte früher sein eigenes Zimmer, doch da unsere Herrschaften ihn nicht mehr so oft beschäftigten, zog er es vor, sich eine eigene Wohnung in der Stadt zu nehmen. Seitdem stand sein Zimmer leer und wurde nur noch gelegentlich genutzt.

Mein Zimmer lag direkt neben Farrah´s. Die erste Tür führte in das Zimmer des Chauffeurs.

Ich klopfte zweimal.

„Herein!“

„George, Sie mögen bitte den Rolls Royce vorfahren. Die Kinder sind in weniger als zehn Minuten fahrbereit.“

Der ältere Mann mit dem kurzen braunen Haar hatte bereits seine Dienstmütze aufgesetzt und steckte auch schon in seiner Dienstkleidung. Lediglich die Schuhe musste er sich noch über die schwarzen Socken ziehen.

Er war etwas älter wie ich, das genaue Alter kannte ich nicht und es ging mich auch nichts an. Ich schätzte ihn aber auf Ende fünfzig.

Was das anging, so hatte unser Personal untereinander strenge Regeln. Wir redeten nicht allzu viel über private Dinge und tratschten auch nicht über unsere Arbeitgeber. Vielleicht war das auch noch eine Angewohnheit der alten Schule. Ich hatte von anderen Landsitzen gehört, wo es drunter und drüber gehen sollte- das aber nicht unbedingt im wohlgesitteten Irland.

Auf unserem Landsitz herrschte eine geregelte und vor allem auch eingehaltene Netiquette.

Jedenfalls hatte ich dies stets geglaubt...

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