Читать книгу Hochzeit in fremder Galaxie - Der Bukolier - Страница 6

2. Kapitel

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Das Regal mit den Büchern faszinierte ihn, so etwas hatte er am allerwenigsten erwartet, vielleicht konnte er etwas über seine Entführer erfahren. Er ging zu dem Regal und betrachtete es. Aus den Augenwinkeln sah er, dass sie ihn beobachteten. Sie waren wohl neugierig, was er tun würde. Er sah sich die Buchrücken an. Was sollte er mit den Büchern anfangen? Lesen konnte er nichts, er kannte weder die Sprache, noch die Schrift. Es waren natürlich fremdartige Schriftzeichen auf den Buchrücken, sie sahen irgendwie aus wie chinesisch, aber er hatte den Eindruck, dass es nicht chinesisch war, das wäre noch etwas gewesen, Besucher aus dem Weltraum, die chinesisch schrieben, nein, das wäre gar zu fantastisch. Aber es hätte ihm auch nicht geholfen, er konnte kein Chinesisch.

Was für eine Sprache hatten sie überhaupt? War es ein Gezwitscher, wie in manchen Filmen? Oder hatten sie tiefe Bassstimmen? Und was für eine grammatische Struktur hatte die Sprache? War es eine synthetische mit vielen Flexionen, so wie Latein oder Russisch? Oder war sie ohne diese Flexionen, so wie Englisch oder Chinesisch, ohne eigentliche grammatische Strukturen? In den meisten Geschichten wurde das nicht behandelt, vielleicht auch weil die Autoren keine Ahnung von Sprachen hatten. Vielleicht würde er es erfahren, er musste also erst einmal warten. Aber es würde sicher nicht einfach werden. Aber er hatte es aufgegeben, mit ihnen in Kontakt zu kommen, sie hatten ja überhaupt keinen Kontakt zu ihm aufgenommen und auf keine Fragen geantwortet. Er musste daher wohl einfach warten, bis sie mit ihm Kontakt aufnahmen.

Ein Buch fiel ihm auf, es war dunkelblau, hatte lauter kleine helle Punkte darauf, es sah aus, wie der Sternenhimmel. Er nahm das Buch heraus, es war nur der unleserliche Titel darauf zu sehen und ein kleiner roter Pfeil, der auf ein kaum sichtbares Pünktchen wies und an dem ein kurzer Text war. Er schlug es auf, er blätterte es durch, es war nur unleserlicher Text darin zu sehen, enttäuscht schob er es zurück.

Er sah sich die anderen Bücher an, wie üblich, nichts Besonderes. Es gab eine Reihe von Büchern, die ihn interessierten. Es waren mehrere Bücher, die jeweils eine Kugel, die irgendwie bunt war, auf dem Rücken trugen. Sie waren unterschiedlich dick. Es waren neun Stück. Eines war besonders dünn. Er zog es heraus, blätterte darin, es war wohl eine Beschreibung eines unbewohnten Planeten, es war an den Bildern zu sehen. Es fiel ihm auf, es waren neun Bücher, also waren es vielleicht die Bücher über das Sonnensystem, es musste also auch ein Buch über die Erde geben.

Wieder gab es das summende Geräusch, sein Entführer ging zur Eingangstür, öffnete sie. Es stand einer davor, er ließ ihn herein, der Ankömmling kam auf ihn zu, er legte das Buch weg. Der Ankömmling hatte etwas dabei, das aussah wie eine Kamera mit zwei Objektiven. Sie wollten wohl 3-D Aufnahmen von ihm machen. Zwei ergriffen seine Hände, stellten ihn in die Mitte des Raumes, jetzt wurden Fotos von ihm gemacht. Erstaunlich, dass sich die Technik kaum unterschied. Vielleicht für das Archiv, oder wofür sonst, vielleicht für den Metzger, aber dann hätten sie keine Extra-Liege ins „Schlafzimmer“ getragen. Die Fotos waren fertig, der mit der Kamera ging wieder. Er wandte sich wieder den Büchern zu, eins fiel ihm auf, es war wohl das dickste. Es war eine blaue Kugel darauf, das musste der Band über die Erde sein. Er nahm ihn heraus, schlug ihn auf, fing an zu blättern, Bilder von Meeren, Gebirgen, einiges kam ihm bekannt vor von Reiseprospekten. Plötzlich sah er ein Bild, war total erstaunt.

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Es war ein Bild von der Akropolis, auf dem sie völlig unversehrt war! Er sah das Bild genau an, es konnte ja eine Rekonstruktion sein, aber es waren Menschen zu sehen. Das ist meistens die Klippe bei Animation, aber vielleicht waren sie einfach nur weiter in der Entwicklung. Er blätterte weiter, Bilder von Rom, von Jerusalem, er hatte den Eindruck, sie wären echt, das hieße ja, dass sie damals schon mal dagewesen waren, und dass ihre Kultur schon mindestens dreitausend Jahre alt war. Ihm fiel eine Textstelle in der Bibel bei Hesekiel ein, in der eine Erscheinung beschrieben war, die sehr stark an einen Hubschrauber erinnerte, mit zwei Rotoren, oben war eine Glaskanzel, an den Seiten etwas, das an senkrechte Triebwerke erinnerte. Die Flügel der Rotoren bogen sich nach unten, wie bei allen Hubschraubern. Außerdem hatte es eine Art Fahrwerk aus vier kugelartigen Gebilden.

Es gab ja viele Berichte über UFO-Sichtungen, viele davon Spinnereien oder Täuschungen. Es blieben nur ein paar übrig, die nicht so ohne weiteres zu erklären waren. Es gab auch eine ganze Menge von Beschreibungen von Entführungen durch UFOs. Er hatte ein Buch darüber gelesen, die Beschreibungen waren sehr seltsam gewesen, jedenfalls nicht so konkret, wie das, was er jetzt hier erlebte. Der Autor interpretierte diese Geschichten als schamanistische Zustände, weil die Beschreibungen überhaupt nicht konkret waren. Nach seiner Meinung war es eine Form von „Gesichten“ gewesen, vergleichbar mit z. B. Marienerscheinungen. Meistens wurden die „Opfer“ in irgendeiner Form schmerzhaft untersucht, es wurde Gewebe entnommen, teilweise gab es sexuelle Interaktionen. Im Grunde das, was zu einer normalen Forschung gehörte. Hatte er so etwas auch zu erwarten?

Er konnte seine Entführer nicht fragen, und Zeichensprache? Das ging auch nur, wenn eine gewisse Übereinkunft über die Bedeutung der Gesten bestand, und das war unklar. Das ging ja schon auf der Erde los, in einer Gegend bedeutet Kopfnicken Zustimmung und Kopfschütteln verneinen, es gab Gegenden, da war es umgekehrt. Es würde jedenfalls sehr schwierig werden.

Er sah sich in dem Raum um, eigentlich nichts Besonderes, bis auf das Aquarium mit den kleinen gelben Fischen.

Wieder gab es das summende Geräusch, sein Entführer ging zur Eingangstür, öffnete sie. Es stand einer davor, der hatte offensichtlich – Kleidungsstücke – über dem Arm. Vielleicht gab es eine Wäscherei und jetzt wurde etwas zurück gebracht, aber sie hatten ja alle die Raumanzüge an, wo ist die Kleidung? Wahrscheinlich als Unterzeug. Sein Entführer brachte die Kleidung ins „Schlafzimmer“ und – legte sie auf die Extra-Liege, sollte das alles für ihn sein? Die Fotos vorhin waren also zum Maßnehmen gewesen.

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Er war jetzt schon einige Stunden in der Gewalt seiner Entführer, es rührte sich wieder das normale, er verspürte plötzlich Hunger und Durst. Wie sollte es überhaupt mit dem Essen sein? Es war ja die Frage, was aßen sie? Vielleicht war alles künstlich. Egal, was es war, essen musste er. Er sah auf seine Uhr, im Prinzip war ja die Abendessenszeit schon lange vorbei.

Wieder gab es das summende Geräusch, sein Entführer ging zur Eingangstür, öffnete sie. Es stand einer davor, der hatte ein Tablett mit irgendwas, das aussah wie etwas Essbares, und einen Glaskrug mit einer gelblich bräunlichen Flüssigkeit darin, die perlte und eine Schaumkrone hatte, er dachte an Bier, aber das konnte wohl wirklich nicht sein. Am Ende gab es hier sogar auch noch Janxgeist. Das Tablett wurde auf den Tisch gestellt. Es war ein zylinderförmiges Glas dabei, auch wieder völlig normal, wie sollte so etwas auch sonst aussehen?

Er dachte, sein Gewinner hat ihn wohl wirklich als Sklaven gewonnen. Er nannte ihn bei sich seinen „Herrn“. Sein „Herr“ wies auf das Tablett und machte eine Geste, die nur bedeuten konnte, dass er essen und trinken sollte. Also sah er sich an, was auf dem Tablett sonst noch war. Es schien eine Schale mit so etwas, wie einer Suppe zu sein und dann gab es einen Teller mit etwas, das aussah, wie rosafarbene Quader. Ihm war es egal, also schlürfte er die Suppe, leicht säuerlich, könnten auch noch Kräuter drin sein. Dann wandte er sich den Stückchen zu, könnte Lachs sein, aber egal, es war nicht widerwärtig, also aß er alles auf, er hatte gewaltigen Hunger.

Das war also das Essen, es war eigentlich ganz gut. Ein Lichtblick. Dann wies sein „Herr“ auf den Krug und das Glas, das auf dem Tablett stand. Also sollte er trinken, er goss sich etwas ein, probierte davon, es schmeckte wirklich wie Bier. Sein „Herr“ drängte – alles – austrinken, also trank er gehorsam den ganzen Krug aus. Sein „Herr“ wies auf ein Blinklicht über der Tür, das hin und her sprang. Die anderen sahen kurz auf das Blinklicht und verließen irgendwie hastig den Raum. Sein „Herr“ ergriff seine Hand, führte ihn ins Schlafzimmer, hieß ihn sich hinlegen, legte sich selber auch auf die Liege.

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Er hörte ein Signal, es dauerte einen Moment, dann hatte er plötzlich das Gefühl, alles in ihm würde zerrissen. Es drehte sich alles, es durchzuckte ihn ein pochender Schmerz, es blitzte vor seinen Augen, es beengte den Brustkorb, in seinen Beinen klopfte es.

Sein Gehirn war plötzlich in seinem Magen, war total verknotet, stieg wieder in seinen Brustkorb, war wie ein Turban um seinen Kopf geschlungen, der Boden war plötzlich ein Torus mit Henkel.

Langsam begann er sich wieder auszubreiten, sein Gehirn nahm langsam wieder seinen angestammten Platz ein.

Plötzlich war wieder alles ruhig. War das der Übergang in den Hyperraum? War es wohl. Jedenfalls stand sein „Herr“ auf und ging nach nebenan.

Was sollte er jetzt tun? Auch aufstehen? Er wusste nicht, was er tun sollte. Er konnte sich noch einmal die Bücher vornehmen, vielleicht die Bilder ansehen? Vielleicht auch noch sehen, was es da sonst noch so gab. Aus den Einrichtungsgegenständen konnte er vielleicht noch Schlüsse auf seine Entführer ziehen. Vielleicht gab es ja noch mehr Bücher, er kam sich vor, wie ein Kind, das noch nicht lesen konnte, und nur die Bilder ansehen konnte.

Was irgendwie lästig und beunruhigend war, dass sie alle diese seltsamen Raumanzüge trugen, es war nichts zu erkennen, noch nicht einmal, ob sie Roboter oder Lebewesen waren. Und wenn, hatten sie wohl viel Ähnlichkeiten mit Menschen, nichts von irgendwelchen Mollusken, auch nicht überdimensionale Köpfe, wie die Marsmännchen.

Wer weiß, was für Köpfe zum Vorschein kamen, wenn sie doch einmal den Helm abnahmen, vielleicht doch irgendwelche Insektenköpfe mit hässlichen starken Mundwerkzeugen und riesigen Facettenaugen, er erschauerte bei dem Gedanken. Vielleicht hatten sie auch die ganz dünnen Hälse, wie die Fliegen. Aber Insekten? … Konnte doch eigentlich nicht sein, bei den Händen … Ihm fiel der Film „die Fliege“ ein, die Hauptfigur hatte einen ganz normalen Körper, aber einen Kopf wie eine Fliege mit Rüssel etc. Man hörte dann manchmal, wie er aus einer Schüssel Milch schlürfte.

Fliegen lassen aus dem Rüssel, der am unteren Ende eine Art Platte hat, Speichel austreten, um die Nahrung aufzulösen und dann aufzusaugen. Man kann das beobachten, wenn man eine Fliege betrachtet, die sich zum Beispiel auf eine Stück Fleisch niedergelassen hat. Man sieht dann, dass sie mit dem Rüssel auf das Fleisch tupft.

Er stellte sich vor, dass sein „Herr“ vor ihm saß, mit dem Rüssel das Steak, das vor ihm lag, benetzte und es dann schlürfend auf sog, ein ekliger Gedanke.

In diesem Film experimentiert ein Wissenschaftler mit „Teleportation“, dem Verfahren, Menschen und Sachen mit Wellen zu transportieren, dem „Beamen“, dem alten Traum, ohne Stau etc. von einem Ort zum anderen zu kommen. Aber wahrscheinlich wurde der Stau nur verlagert, er fand dann wahrscheinlich vor dem Gerät statt, wo dann alle anstanden, bis sie endlich drankamen, da konnte man dann vielleicht auch zwei oder mehr Stunden stehen, bis man dann endlich dran kam.

Bei einem seiner Tests mit sich selbst war eine Fliege mit im Gerät gewesen, und sie hatten die Köpfe getauscht, der Wissenschaftler hatte den Fliegenkopf, und die Fliege hatte den Menschenkopf. Er hat dann danach Selbstmord begangen.

„Teleportation“ ist natürlich sehr praktisch, aber total langweilig. Es sei denn, man befasst sich mit den Fehlermöglichkeiten. Eine ist ja schon in dem Film angesprochen, aber vielleicht gibt es ja noch mehr. Wenn man das analog zu einer „Sendung“ z. B. im Radio betrachtet, gibt es dann Rauschen? Materie wurde zur Nachricht und bei der Nachrichtenübertragung gab es immer Rauschen. Und wie sieht das aus? Wenn man an das „UKW-Rauschen“ denkt, dieses „schschsch“, wenn kein Sender eingestellt ist, kommen dann lauter kleine Kugeln, oder gibt es Staub, oder wie sieht das aus? Wie sehen atmosphärische Störungen aus? Hat jemand dann nur einen Arm, oder drei? Oder war er ganz verknittert? Der Phantasie war da gar keine Grenze gesetzt, falsche Farben, oder „invertiert“, was innen war, kam nach außen und umgekehrt. Er dachte sich, die Tests hätte ich gerne gesehen. Vielleicht gab es ja Künstler, die den Teleporter in einer ganz bestimmten Weise einstellten, so dass ganz neue bisher unbekannte Formen entstanden vielleicht sogar unbekanntes Material, eine neue Form der Bildhauerei.

Plötzlich schoss es ihm in den Kopf, warum sie die Anzüge und Helme trugen, sie hatten Angst vor Keimen und Krankheitserregern. Im günstigsten Fall warteten sie erst mal ab, ob er gesund war, also alle Inkubationszeiten. Vielleicht war ja doch noch Hoffnung, dass er irgendwann einmal seine Entführer richtig kennen lernen könnte. Mit ihnen reden war ja offensichtlich nicht möglich, alleine schon wegen der Anzüge, außerdem war ja die Sprache als solche ein Problem, es blieb also nichts übrig, als zu warten, bis sie mit ihm Kontakt aufnahmen. Wenn sie „normale lebendige Wesen“ wären, würde die Neugier sie schon dazu treiben. Also hieß es, sich in Geduld üben.

Ihm fielen die Geschichten ein, von Syphilis etc., die von Südamerika eingeschleppt worden war. In Europa hatte es so etwas vorher nicht gegeben. Er dachte auch an die Geschichten von irgendwelchen Indianern, die von einer simplen Grippe dahin gerafft wurden. Vielleicht drohte ihm ja ein ähnliches Schicksal, eine Krankheit, die sie mühelos überstanden, die er aber nicht überlebte.

Es war wie eine Art Wartezimmer, in dem er sich befand. Es war so ähnlich, wie beim Arzt, nur, dass es hier keine „Grüne Post“ oder andere Klatschzeitschriften oder Illustrierte gab, sondern „Bilderbücher“ über andere Planeten. Wie lange er wohl warten musste? Und was sie dann wirklich mit ihm vorhatten?

Hatten sie ihn vielleicht als Geschenk für den allergrößten aller Herrscher vorgesehen?

„Nehmt aller erhabenster dieses Geschenk als Zeichen unserer Verehrung.“ - „Ja, ja, schon gut. Stellt ihn zu den anderen.“

Als erstes wollte er aus dem Bullauge sehen, ob er etwas herausfinden konnte, wo er war. Ihm fiel ein, dass man früher auf Schiffen gefangenen Seeoffizieren die Uhren abnahm, weil sie damit eventuell den Kurs mitkoppeln konnten, hier war der Gedanke albern. Er hatte außerdem eine Digitaluhr, damit ging das sowieso nicht.

Schließlich stand er doch auf, ging nach nebenan, ging zu dem Bullauge, sah hinaus, schwarze Nacht, die Erde war nicht mehr zu sehen, manchmal blitzte kurz ein kleines Licht auf und verschwand wieder.

Er war plötzlich todmüde, die Spannung war weniger geworden, sie wollten ihn wohl doch nicht fressen, oder sezieren, sonst hätten sie nicht ein zweites Bett und Kleidung gebracht. Aber der „Zoo“ drohte im Hintergrund, und auch die „Zucht“. Er fragte sich, ob sie noch jemanden mitgenommen hatten. Vielleicht waren sie ja noch auf einem anderen Planeten gewesen. Wer weiß, was für seltsame Kreaturen sie da noch gefunden hatten.

Er war wirklich müde, fing an zu gähnen. Sein „Herr“ wies auf das „Schlafzimmer“, also ging er gehorsam dahin… Nein, er wollte sehen, ob er nicht Zähne putzen, oder wenigstens den Mund ausspülen könnte. Sie hatten ja vielleicht gar keine Zähne, oder nur Kauflächen, wie die Schnecken. Und wenn sie wirklich Insekten waren, brauchten sie so etwas auch nicht. Er ging also auf das Bad zu, ging hinein, sah sich um, … und …

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Er sah sich das Bad noch genauer an, es war alles so normal. Es gab einen Spiegel, eine Ablage, und … es waren irgendwelche Fläschchen darauf. Ein Handtuchhalter mit Handtüchern, und sogar eine Dusche. Es gab tatsächlich zwei Zahnbürsten, eine blaue und eine rote, sie sahen tatsächlich etwa so aus, wie er sie gewohnt war. Sein „Herr“ war hinter ihn getreten und wies auf die blaue und auf ihn, er sollte also die blaue haben. Er dachte, eigentlich müsste die andere ja rosa sein, und seine hellblau und nicht so kräftig blau. Es gab auch blaue und rote Handtücher. Jetzt wusste er ja endlich, wo sein Handtuch war, schließlich wussten ja coole Typen immer, wo ihr Handtuch war… Vorhin hatte er das seltsamerweise nicht bemerkt, er war dabei, sich zu erleichtern, und jemand sah zu dabei. Sie hatten sogar an einen Rasierapparat gedacht, sie mussten sich wohl wirklich kundig gemacht haben.

Seltsam, zwei Zahnbürsten... Wieso? Hatte dieses Wesen, das in einem Raumanzug versteckt war, das er seinen „Herrn“ nannte, auch ein Gebiss? Oder sollte er „Zuwachs“ bekommen, hatten sie noch jemanden mitgenommen, und wollten sie den bei ihm einquartieren, und dieses „Apartment“ war gar nicht das seines „Herrn“? Es wäre ein Hoffnungsschimmer, jemand anders von der Erde, mit dem er reden könnte. Aber wenn sie jemand anderen mitgenommen hätten, aus einem Land, dessen Sprache er nicht verstehen konnte?

Es wurde ihm deutlich, wie verschwitzt er war, es gab ja sogar eine Dusche, also warum nicht. Er sah seinen „Herrn“ an und sagte: „Nun geh schon, ich will duschen.“ Aber der rührte sich nicht. Wollte er zusehen? Offenbar, jetzt war ihm alles egal. Er fing an, sich auszuziehen, plötzlich verschwand sein „Herr“ und kam kurz darauf mit einem Kleidungsstück zurück, das vorher auf die Extraliege gelegt worden war. Es sah aus, wie ein Schlafanzug. Jetzt hatte sein „Herr“ ihn bedient, er verstand nichts mehr, er war todmüde, es war egal. Er duschte, es war eine Wohltat, er nahm die Zahnbürste, sah auf die Ablage, sein Herr wies auf eine kleine Flasche, es gab also etwas, das wie Zahnpasta war, er putzte seine Zähne, sein „Herr“ stand dabei und sah zu, sehr seltsam, es war ja immer noch nicht klar, was eigentlich mit ihm geschehen sollte, er hatte ihn ja „gewonnen“. Er trocknete sich ab und zog den „Schlafanzug“ an.

Soviel er auch grübelte, es fiel ihm nichts mehr dazu ein, vielleicht wollten sie ja Verhaltensstudien machen, wie Konrad Lorenz. Vielleicht war sein „Herr“ ja ein aufstrebender junger Wissenschaftler, der eine Arbeit schreiben wollte über „Über das Verhalten von einzelnen Erdlingen an Bord von Raumschiffen“ das würde den Streit und auch das Spiel erklären.

Oh Gott, wenn der andere jetzt richtig neidisch würde? In einem extremen Fall würde er vielleicht Sabotage betreiben, und vielleicht sogar das Studienobjekt vernichten. Er musste also aufpassen. Er hatte in der Süddeutschen Zeitung einen Artikel gelesen, in der eine Wissenschaftlerin so etwas erlebt hatte. Es waren Versuchsanordnungen mit irgendwelchen Bakterien gewesen, ihre Konkurrenten hatten Äthanol in die Behälter gegossen, damit waren die Ergebnisse „Kaputt“. Nun ja, sie würden ihn ja wahrscheinlich nicht mit Äthanol übergießen, aber wer weiß, was ihnen sonst noch so einfiel. Bei einem anderen Experiment hatten sie Fische vergiftet, das konnte ja heiter werden.

Jetzt wollte er einfach schlafen, er nahm sich vor, morgen die Bibliothek genauer anzusehen, vielleicht konnte er etwas in Erfahrung bringen. Eigentlich hatte er ja nichts zu tun, er sollte einfach tätig sein, damit er nicht „einrostete“.

Er ging ins „Schlafzimmer“, sein „Herr“ ging hinterher, er legte sich ins Bett, sein „Herr“ blieb an der Tür, löschte irgendwie das Licht, er dachte, ich muss herausfinden wie, dann ging sein „Herr“, er hörte die Eingangstür. Er dachte: „Konrad sprach die Frau Mama, ich gehe aus und du bleibst da!“

Er schlief also wirklich wo anders, die Theorie mit der Angst vor Infektionen schien zu stimmen. Aber vielleicht feierten sie auch eine wilde Party, wer weiß. Oder sie saßen zusammen und berichteten sich ihre Beobachtungen: „Hast du gesehen, wie er …“ – „Ja, ich fand es wahnsinnig komisch.“ – „Du hast ihn doch nackt gesehen. Wie sieht er aus?“ – „Ach, eigentlich, so wie alle, die Muskulatur ist ganz gut entwickelt…“

Er schlief ein. Er träumte, dass er durch das Raumschiff rannte, eine Gruppe von Marsmännchen mit riesigen Köpfen hinter ihm her, sie lachten über ihn. Im Vorbeirennen warf er einen kurzen Blick aus dem Bullauge, sah so etwas, wie eine Tragfläche mit einem Balkenkreuz darauf. Eine Tür öffnete sich, eine Gruppe marschierte aus der Tür und sang das Horst-Wessel-Lied, den Marsmännchen platzen die Köpfe, und sie fielen hin und blieben liegen. Eine Gruppe von den Gestalten mit den weißen Raumanzügen kam um die Ecke, sie taumelten, nahmen die Helme ab, es kamen Köpfe von Adlern zum Vorschein, sie würgten und kotzten weiße Würmer auf den Boden, Hitler kam aus einer Tür, die Würmer krochen auf ihn zu, an ihm hoch, Hitler tobte: „Ich habe euch doch gesagt, ihr sollt…“ Er bekam nicht mehr mit, was sie sollten, er wachte auf, total erschrocken über den Alptraum.

Hier in diesem Raumschiff ein Zeichen der reichsdeutschen Luftwaffe! Zwar eins, das man noch zeigen darf, ein Hakenkreuz, dem man die Haken ausgerissen hat, und dann zur Stützung noch ein paar Linien hinzugefügt hat. Das Balkenkreuz war auf Tragflächen und Rumpf, das Hakenkreuz war nur auf den Seitenleitwerken, die im Museum mit einem kranken Grün angepinselt sind, damit die Kinder nicht verführt werden, und durch den Anblick des Hakenkreuzes zu Nazis werden.

Er war erschrocken und verwundert über diesen Albtraum, er hatte viele Geschichten über Hitlers UFOs gelesen und gesehen. Er wusste, dass das eine typische Sage war, sie hatte einen wahren Kern.

Man hatte tatsächlich kurz vor Ende des Krieges eine Art fliegende Scheibe gebaut, sie wurde durch Staustrahltriebwerke, angetrieben, und funktionierte nach Art der Kinderspielzeuge, die eine Art sich drehender Propeller waren und nach oben steigen konnten. Ein Staustrahltriebwerk besteht nur aus einer Röhre und ein paar Einspritzdüsen. So ein Triebwerk kann im Stand nicht laufen, sondern muss zuerst auf eine gewisse Geschwindigkeit gebracht werden, kann dann aber sehr hohe Geschwindigkeiten, mehrfache Schallgeschwindigkeit, erreichen.

Diese einfache Konstruktion war für Kriegszeiten besonders gut geeignet. So etwas konnte aber die Erdatmosphäre nicht verlassen. Es hatte vielleicht ein oder zwei Prototypen gegeben, die nur kurz geflogen waren. Aber was die „Anhänger“ daraus gemacht hatten…

Es hieß ja immer, das, was man in der ersten Nacht unter einem fremden Dach träumte, ginge in Erfüllung. Oh Gott! So ein Chaos! Und dann noch Hitler! Aber das hier war ganz sicher keins von Hitlers UFOs. Gott sei Dank! Es wäre ein furchtbarer Gedanke gewesen. Aber vielleicht hatten seine Entführer ja Vogelköpfe, es gab ja in alten ägyptischen Darstellungen Figuren mit Vogelköpfen. Aber dann konnten sie ebenso gut auch Schakale sein, wer weiß. Dann wäre auch die zweite Zahnbürste zu verstehen.

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Was sollte er jetzt tun? Er blieb einen Moment liegen, schließlich stand er auf, ging ins Bad, er war noch allein. Wo war seine Kleidung? Er hörte die Eingangstür, sein „Herr“ kam herein, hatte seine Kleidung über dem Arm, sie hatten wohl alles gesäubert und gebügelt, und sicher auch alles untersucht. Er duschte, als er aus dem Bad kam, stand sogar das Frühstück auf dem Tisch. Es war so ähnlich, wie gestern, kleine Quader, ein Getränk, man konnte es als Kaffee durchgehen lassen. Sein „Herr“ saß wieder bei ihm und beobachtete ihn offenbar, obwohl er mit dem Helm wahrscheinlich gar nicht genau sehen konnte, was er ansah.

Schließlich stand er auf und ging zu den Büchern. Er nahm einige Bücher heraus und begann sie anzusehen. Die meisten enthielten nur Texte. Es gab einige Bücher wohl über Planeten in anderen Sonnensystemen. Die meisten waren wohl unbewohnt. Ein paar hatten eine Pflanzenwelt, einen fand er besonders schön, er erinnerte ein wenig an die Erde, es schien Meere und Strände mit weißem Sand und irgendwelchen großen Pflanzen zu geben, sie erinnerten an Palmen, aber es waren keine Palmen, aber dennoch, diese Strände waren einladend.

Er dachte, wieso gab es so viele Planeten, auf denen es Pflanzen gab? Zumindest sah es so aus. Wozu gibt es eigentlich auf der Erde Pflanzen? Die grünen Pflanzen nehmen das Kohlendioxid aus der Luft auf. Sie dienen zur Nahrung für Mensch und Tier. Sie unterstützen bei der Stabilisierung der Atmosphäre, durch Speichern und Abgeben von Wasser, teilweise auch Speichern und Abgeben von Wärme, weil z. B. Wälder dunkel sind und deshalb Wärme aufnehmen. Wüsten sind tagsüber heiß und nachts sehr kalt, etwas, das bei Wäldern nicht passiert. Das wilde Abholzen von Wäldern, bringt deshalb das Klima durcheinander. Die Existenz früher Pflanzen hatte die Bodenschätze, Kohle, Erdgas und Öl produziert. Wenn man annimmt, dass die Klimaerwärmung durch Kohlendioxid kommt, ist die Klimaerwärmung durch Pflanzen verursacht. Es entstehen aber immer noch neue Lagerstätten von Kohle etc., wenn auch sehr, sehr langsam; überall da, wo durch Erdbeben, Erdrutsche, Vulkanausbrüche etc. größere Mengen von Pflanzen verschüttet werden, wird es in etlichen Millionen Jahren wahrscheinlich Lagerstätten von Kohle etc. geben.

Es scheint so zu sein, dass Pflanzen sozusagen das Substrat für Leben sind.

Manche Planeten erinnerten an den Südwesten der USA mit bizarren Felsformationen, die rötlich waren, gelblich bräunlich, die ganze Farbpalette. Es war erstaunlich, diese Planeten, waren vielleicht sogar Tausende oder gar Millionen von Lichtjahren von der Erde weg, schienen aber ähnlich zu sein, vielleicht waren sie auf einem unterschiedlichen Entwicklungsstand, vielleicht würde es da irgendwann auch einmal menschenähnliche Wesen geben, die sich dann vielleicht auch auf den Weg machen würden, das All zu erkunden.

Wieder hatte er ein neues Buch gefunden mit Bildern, es sah aus, wie Wälder, große Pflanzen, seltsam bizarr, gezackt, obwohl er nicht sehen konnte, ob sie wirklich groß waren, es fehlte ihm der Vergleich. Er blätterte um und...

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Er sah eine Luftaufnahme, lauter Trümmer. Es waren Trümmer von futuristischen Gebäuden. Es gab Nahaufnahmen, er hatte den Eindruck, dass diese Trümmer sehr alt und verwittert waren. Es gab eine ganze Serie von Aufnahmen. Nirgendwo waren Brandspuren, oder die typischen Kampfspuren, Bombentrichter, Granattrichter oder ähnliches. Was war da passiert? Halb verweht waren Straßen zu sehen. Da! Etwas, das aussah wie ein Fahrzeug, es war total verwittert und verrostet, kaum noch als Fahrzeug zu erkennen.

Er fand noch mehr solche Bilder, überall einfach nur Verfall, keine Zerstörungen. War es einfach so gewesen, dass alles einfach so zusammen gebrochen war? Vielleicht gab es keinen Treibstoff mehr? Oder irgendeine Krankheit? Ihm fiel eine Ausstellung ein, die er einmal gesehen hatte, über vorinkaische Kulturen, es gab wunderschöne Tongefäße mit sehr ausdrucksvollen und naturalistischen Gesichtern. Bei einigen konnte man sogar Krankheitssymptome erkennen, von Krankheiten, die längst verschwunden waren. Aber auch nicht alle heutigen Krankheitssymptome gab es. Es war wohl wirklich so, dass Krankheiten entstanden, und irgendwann auch wieder verschwanden. Es war ja immer noch so, die Bakterien machten Genaustausch und verwandelten sich auf diese Weise, wurden gefährlich, oder verloren ihre Gefährlichkeit. Vielleicht war das eine Gesetzmäßigkeit, die woanders auch galt, aber das würde bedeuten, dass es woanders auch Viren und Bakterien gab, oder zumindest ähnliche Lebensformen. In einer Zeitung hatte er gelesen, dass es früher schon Viren gegeben hatte, die HIV-Viren ähnelten, er hatte das gar nicht überraschend gefunden. Viren hatten im Grunde eine „einfache“ Struktur, die sich leicht ändern und anpassen konnte, also war es nicht verwunderlich, dass Krankheiten neu entstanden und auch wieder verschwanden.

Vielleicht war die Erde ja auch irgendwann mal ein toter Planet, aber dieser Planet war ja nicht tot, sondern nur das „intelligente“ Leben war weg. Nun ja „Intelligenz“, sie waren offenbar nicht intelligent genug gewesen, das „Leben“ zu erhalten. Es war irgendwie deprimierend, er legte das Buch wieder weg, schlug ein neues auf.

Wieder Bilder von einem Planeten, wunderschöne Gebirge, Täler, Flächen, die aussahen, wie Wiesen, er dachte, da könnte man ja mal Urlaub machen. Fotos von seltsamen Tieren, die aussahen wie Kraken oder Tintenfische, aber auf den Armen liefen, durch irgendwelche Wälder. Vielleicht waren es gar keine Tiere im eigentlichen Sinn, sondern intelligente Wesen, die einfach keine Lust mehr hatten, sich mit Sachen herum zu schlagen… Bei den Delfinen konnte man ja auch den Verdacht haben...

Eine Bildserie von einer Felswand erregte seine Aufmerksamkeit. Es waren eine ganze Menge Fotos, es gab ein paar Nahaufnahmen, er sah sie genauer an, was war das?

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Er sah das Bild genauer an, es war eine Nahaufnahme von den Felsen, es erinnerte an Kalkstein, vielleicht war es das ja auch. Er sah Fossilien, auch das erinnerte an die Erde, aber das Fossil sah aus, wie ein Bildschirm, ein weiteres sah aus, wie ein Stück Kabel, eins sah aus, wie ein Schuh, eines, wie ein Handschuh, aber der Handschuh hatte nur vier Finger. Soweit er auf den Fotos erkennen konnte, waren es echte Fossilien. Bezogen auf die Erde hätte das Zeug ungefähr sechzig Millionen Jahre alt sein müssen. Diese Bücher zeigten, dass es wirklich ein Werden und Vergehen gab. Vielleicht gab es ja eine Menge Planeten, die irgendwann einmal eine „Zivilisation“ trugen. Die total verrückte Idee: Antennen auf einen Planeten ausrichten, der sechzig Millionen Lichtjahre weit weg ist, ein Signal aussenden, das dann sozusagen rechtzeitig ankommt, wenn die Zivilisation entstanden ist. „Jetzt“ (was immer das zu bedeuten hat) gab es noch keine. Die Antwort kam dann an, wenn die Zivilisation, die die Botschaft geschickt hat, längst untergegangen ist. Er wurde nachdenklich.

Die Erde wird sich sicher auch verändern, und irgendwann wäre auch die Zivilisation verschwunden, aber die Spuren würden sehr lange bleiben.

Vielleicht würden die Reste der Zivilisationen auch total verschwinden, es gab ja die Drift der tektonischen Platten, dabei wurde der „vordere Teil“ nach unten gedrückt und verschwand im Magma. Und „hinten“ kam es aus dem Magma wieder hoch. Wenn man „lange genug“ wartete, waren irgendwann alle Reste der Zivilisation verschwunden. Das konnte aber auch bedeuten, dass es vor sehr langer Zeit auch auf der Erde Zivilisationen gegeben hatte, die total verschwunden sind. Vielleicht stammten ja seine Entführer von da.

Vielleicht gäbe es davon dann auch Fossilien, z. B. einen versteinerten Mercedesstern, oder ein versteinertes IPhone, ja vielleicht würde irgendjemand sogar seine Knochen irgendwann ausgraben und im paläontologischen Museum ausstellen. Dann könnte man sich überlegen, was das für ein Wesen sein würde, das ihn ausgraben würde, ein Mensch wäre es wahrscheinlich nicht, die wird es dann wahrscheinlich nicht mehr geben. Jedenfalls würden diese Wesen alle um ihn herumstehen, sich wundern und wissenschaftliche Theorien darüber aufstellen, was für ein Wesen er gewesen sein könnte. Und dann kämen die Rekonstruktionen, es wäre lustig zu sehen, was sie da zustande brächten.

Er beschloss, eine Pause einzulegen, stand auf, sein „Herr“ saß auf einem Stuhl und beobachtete ihn wohl. Vielleicht machte er sich ja irgendwelche Notizen, es gab aber nichts zu schreiben, aber vielleicht war auch das so, wie auf der Erde, es gab ein Diktiergerät. Er blieb vor ihm stehen und sah ihn an, er versuchte, durch die Helmscheibe zu sehen, aber sie spiegelte sehr stark, aber er hatte den Eindruck, als wenn kurz zwei Augen zu sehen gewesen wären.

Er ging wieder zu dem Bullauge, vorbei an dem Aquarium mit den kleinen gelben Fischen, und sah hinaus. Es war dunkel, nur die kleinen Lichter, die ab und zu kurz aufblitzten. Er ging dichter an die Scheibe, sah nach links und nach rechts, ob er etwas von dem Raumschiff selber sehen konnte, aber er konnte nichts sehen. Er dachte an seinen verrückten Traum mit den Tragflächen mit den Balkenkreuzen, total verrückt. Was wollte der Traum ihm sagen? Es fiel ihm nichts dazu ein. Er wurde nachdenklich. Man hatte immer gedacht, man wäre alleine im Raum, das schien nicht zu stimmen, es war wohl ein Werden und Vergehen, und die Erde war wirklich nur einer von vielen Planeten, die entstehen und irgendwann vergehen werden. Irgendwann hatte er mal gelesen, dass es wahrscheinlich Milliarden von Planeten gibt, die der Erde ähnlich sein könnten.

Er kam sich vor, als wenn er schon jahrelang in diesem Raumschiff wäre, es war einfach zeitlos. Am Ende war er schon gestorben und das hier war, ja … was? Himmel? – Hölle? Es war alles gleichmäßig, bis auf die Überraschungen in den Büchern, und er war allein, so schrecklich alleine, es war niemand da. Seine Entführer zählten nicht, es war ja noch nicht einmal klar, ob sie nicht doch Roboter waren. Er dachte an den Turing-Test, sie würden leicht als menschliche Wesen durchgehen, ja … vielleicht waren sie das ja. Er sah seinen Herrn an, dachte sich, wann gibt es wohl den ersten richtigen Kontakt? Sie hatten ja gar nicht reagiert. Vielleicht waren es ja wirklich Roboter, die irgendwelchen „Herren“ dienten, die dann vielleicht wirklich irgendwelche Mollusken waren und keinen Körper mehr hatten, mit denen man irgendwie arbeiten konnte.

Ihm fielen Geschichten von den Robotern ein, die irgendwann einmal einen „freien Willen“ entwickelten. Das ging letztlich nicht, denn dann müsste es ein Programmstück, in irgendeiner Programmiersprache geschrieben, geben, das den „freien Willen“ darstellte. Dann müsste man ganz präzise verstanden haben, was der freie Wille ist. Da gab es eine ganze Menge Philosophen, die das auch nicht geschafft hatten. Der freie Wille ist nicht mit einem „Pseudozufallszahlengenerator“ zu verwechseln. Er ist eine Eigenschaft des menschlichen Systems, genau, wie Intelligenz auch. Letztlich kann keiner sagen, was das ist. Psychologen sagen lapidar, „Intelligenz ist das, was ein Intelligenztest misst“ (Sie wissen es auch nicht.)

Das ist auch gar nicht überraschend, denn hier schlägt wohl auch das „Turingsche Halteproblem“ zu, will sagen, der Satz: „Mit einem System einer Komplexitätsklasse kann man keine Aussage über ein System der selben Komplexitätsklasse machen.“ Dieser Satz ist auch der Grund dafür, dass man kein allgemeines Virenprüfprogramm schreiben kann. Und er ist auch der Grund dafür, dass „Künstliche Intelligenz“ prinzipiell nicht möglich ist. Man hatte ja schon Probleme mit der Sprache, das sah man ja an den Übersetzungsprogrammen, die ja ein ständiger Quell von Heiterkeit sind. Man hatte auch versucht, psychische Störungen zu simulieren und war ebenfalls an der Sprache gescheitert. Die natürliche Sprache ist im Gegensatz zu Programmiersprachen sehr stark kontextabhängig. Wenn solche Dinge funktionieren sollten, war es nötig, fundamentale Aussagen über Eigenschaften des menschlichen Systems zu machen.

Trotzdem haben sich Menschen von dem Programm „Eliza“ von J. Weizenbaum täuschen lassen. Mit diesem Programm konnte man in „natürlicher Sprache“ verkehren. Es reagierte aber nur auf bestimmte „Schlüsselwörter“ mit Floskeln aus dem Therapeuten/Psychiater-Jargon. Es gab welche, die sich damit einschlossen, sehr seltsam und kritiklos.

Aber vielleicht waren die Erbauer dieser Roboter, mit denen er jetzt zusammen war, in einer höheren Komplexitätsklasse als er, dann könnten sie vielleicht Roboter bauen, die in derselben Komplexitätsklasse waren, wie er. Aber wären sie dann nicht Götter?

Aber Roboter waren irgendwie Elektronik, also Bits, Bytes, Register, Und/Oder-Verknüpfungen und so weiter, mit so etwa kam man, bezüglich Komplexität, über eine Turing Maschine nicht hinaus. Also musste ein anderes Substrat her.

Am Ende gehörte er selber auch zu den „Robotern“, die von einer „höheren Intelligenz“ „gebaut“ waren. Wenn man diese Überlegung fortführte, landete man doch bei dem „Schöpfergott“. Stimmte das wirklich? Wenn ja, war das der n+1. Gottesbeweis. Und die anderen n hatten ja auch nicht funktioniert.

Es war wirklich nicht klar, ob es hier Himmel oder Hölle war. Oder vielleicht doch nur ein Raumschiff, unterwegs „nach Hause“ mit einem interessanten Demonstrations-Objekt an Bord.

Oder war das hier schon der Zoo, er sah vielleicht nur die Kameras nicht, weil sie sehr gut getarnt waren. Und draußen an den Monitoren drückte sich „das Volk“ die Nasen platt. Er sah sich um, versuchte zu erkennen, ob irgendwo Kameras waren, aber er sah nur das Aquarium mit den gelben Fischen.

Vielleicht hatten sie diese Umgebung extra für ihn aufgebaut. Und sie selber lebten vielleicht ganz anders.

Er hatte einige Bücher angesehen, eigentlich nichts Besonderes, Landschaften mit seltsamen Pflanzen und Tieren. Dann wieder Bücher nur mit Text. Er nahm sich Zeit, die Bilder in den Büchern zu studieren. Es waren wohl schon einige Tage vergangen. Es war alles gleichförmig, morgens Frühstück, mittags Mittagessen, und dann Abendessen. Und sein „Herr“ war in der Nacht nicht da. Man konnte ja so ganz unauffällig die „Wärter“ austauschen, er konnte ja nicht erkennen, ob morgens derselbe kam, der abends weg gegangen war. Wobei der Begriff Morgen und Abend auch nicht klar war. Es hatte eigentlich nur mit den Mahlzeiten zu tun.

Selbst die Bücher boten nichts mehr wesentlich neues, er kannte das Prinzip schon, unterschiedliche Planeten, mit Leben, ohne Leben, mit „intelligentem“ Leben, und mit Trümmern einer Zivilisation, es gab erstaunlich viele davon.

Er hatte sogar ein paar Darstellungen gefunden, in denen „Zivilisationen“ dargestellt waren, die auf einem frühen Entwicklungsstadium waren, vergleichbar mit dem Mittelalter auf der Erde, es war alles ein bisschen fremdartig, aber man konnte sehen, dass es keine Technik gab.

Es gab Scharen von menschenähnlichen Wesen mit Gegenständen, die offenbar Waffen waren, es schien sich alles zu gleichen. Mehr oder weniger exotische Reittiere. Das war wohl eine Entwicklungsstufe, die es wohl überall gab.

Aber wie lange sollte das so weiter gehen? Wann konnte er endlich Kontakt aufnehmen? Es war schon sehr seltsam, einseitig, beobachtet zu werden, und selbst nichts tun zu können, als in den Büchern zu blättern. Wie eine Laborratte. Wie fühlten die sich bloß? Jetzt bekam er einen kleinen Einblick. Die konnten auch nichts tun, als einfach so weiter machen. Er musste sich wohl in Geduld fassen. Also gut, die Bücher waren wenigstens ein bisschen unterhaltsam. Irgendwann würden sie vielleicht doch mit ihm Kontakt aufnehmen. Vielleicht waren es wirklich die Inkubationszeiten, also erst mal Geduld.

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Er schlug ein weiteres Buch auf. Es gab zwei Bilder, es sah aus wie die Darstellung des ganzen Planeten, es gab sehr viele blaue Punkte auf diesem Planeten, und auch viele rote. Was bedeutete das? Der Planet selber war sehr unterschiedlich, es gab einige Gebiete, die aussahen, wie mit „normalen“ Tieren und Pflanzen, aber das meiste war wohl von irgendwelchen Wüsten bedeckt.

Der Planet sah aus, wie ein „Industrie-Planet“ mit Gebäuden, Straßen etc. Die meisten Gebäude, waren unversehrt, aber verfallen. Die meisten waren in den Wüstengebieten. Da war auch zu sehen, dass es dort auch einmal Wälder gegeben haben musste.

In den Gebieten, die keine Wüsten waren, schien es noch irgendwelche Siedlungen zu geben, es schienen aber sehr primitive zu sein, ganz anders als die Trümmer in den Wüstengebieten. Es waren primitive Hütten. Es gab einige Aufnahmen davon.

Er begann, sich die Bilder genauer anzusehen, es schien Gebiete mit unterschiedlichem „Verfall“ zu geben. Jetzt sah er, was die roten und blauen Punkte zu bedeuten hatten. Die blauen waren unversehrte Gebäude, die roten waren irgendwie geborsten. Was war das? Es waren kuppelförmige Gebäude mit Schloten, teilweise auch riesige zylindrische Gebäude. Es erinnerte an … das konnte doch nicht sein … es erinnerte an Kernkraftwerke.

Er fing an, nachzudenken. Kernspaltung müsste eigentlich überall im Raum funktionieren. Die Chemie und Physik funktionierte überall, sonst konnte man ja nicht spektrografisch in den entferntesten Galaxien chemische Elemente nachweisen, warum sollte es woanders nicht auch Uran geben? Dabei gab es eine ganze Liste von Elementen, die sich für eine Kettenreaktion eigneten, es musste nicht unbedingt Uran sein.

Und für einen Druckbehälter war die optimale Form eine Kugel, das war sicher auch überall so. Es sah also so aus, als ob nach und nach die Kernkraftwerke durchgegangen wären, bis die Strahlung so hoch war, dass alles Leben vernichtet war. Es war zu blöde, dass er den Text nicht lesen konnte und auch niemanden fragen konnte, er war auf die eigene Kombinationsgabe angewiesen. Da gab es natürlich viele Fehlermöglichkeiten.

Er schlug eine weitere Seite auf, es gab ein Foto, offenbar mit einer langen Brennweite gemacht, von Gestalten, die um ein Feuer tanzten. Und bei dem Feuer stand eine Art Plastik, offenbar die Darstellung eines Tieres.

Dahinter war eine Art Tafel zu sehen, auf der Schriftzeichen zu sehen waren, akkurat in Zeilen und Spalten angeordnet.

Er dachte an den Tanz um das goldene Kalb aus der Bibel. Er musste beinahe lachen, es kam ihm die Parallele hoch, der Stier vor den Börsen. (Den Bösen?) War das nicht das allmächtige goldene Kalb? Um das alle tanzten, alle die distinguierten Herren in ihren Nadelstreifenanzügen, mit den Aktenkoffern und Notebooks, in wilden Sprüngen immer um das Kalb herum und herum, bis ihnen schwindelig wurde. Er stellte sich Josef Ackermann vor, wie er um das goldene Kalb tanzte. Ackermann das Schreckgespenst des Kapitalismus, der Superkapitalist, dabei ist er „lohnabhängig“, das bedeutet, ihm gehört die Deutsche Bank nicht, er tut nur so. Er ist also gar kein ordentlicher Kapitalist. Aber wahrscheinlich sind das die schlimmsten, weil sie abhängig sind. Ein echter Kapitalist wäre letztlich unabhängig und könnte ab und zu milde Gnade walten lassen. Um seine Macht zu erhalten, musste Ackermann sich kapitalistischer gebärden, als alle anderen. Das war das Dilemma aller Vorstände in den großen Konzernen, sie mussten „Gewinne vorweisen“ manchmal vielleicht sogar wider besseres Wissen.

Sie tanzten um das Kalb, das aus dem Schmuck ihrer Frauen und den Reserven, die sie mühevoll beiseite geschafft hatten, in der Schweiz und auf den Bahamas, gemacht war.

Es war gemacht worden, während Moses auf dem Berg Sinai mit dem Herrn sprach und sich die zehn Gebote geben ließ. Sie hatten gewartet und irgendwann waren sie ungeduldig geworden und fingen an, das Kalb anzubeten. Sie wollten nicht mehr auf die Gesetze warten.

Sie hatten über die Stränge geschlagen, während Moses sich die Gesetze auf dem Berg Sinai geben ließ. Als er endlich kam, gab es ein Donnerwetter. Und der Zorn des Herrn traf sie, das Kalb wurde zu Staub zermahlen, und sie mussten das Gold, in Wasser gelöst, trinken.

Die Parallele war für ihn unverkennbar. Die Nadelstreifentypen waren ja ebenfalls total gesetzlos, sie verkauften Dinge, die sie gar nicht hatten, damit deren Preis fiel und sie diese Dinge wieder zurück kaufen konnten, natürlich mit Gewinn. Es war nichts entstanden dabei, es gab keinerlei Leistung dabei, im Grunde ein echter Betrug. Er fragte sich, ob es in der Wirtschaft den Energieerhaltungssatz nicht gab. Ob sie wirklich darauf warteten, dass sie Gesetze übermittelt bekamen? Doch wohl nicht, denn dann würden sie erkennen, dass ihre „Leerverkäufe“ Betrug waren. Aber sie hatten die Macht, die teilweise so weit ging, dass sie Kritiker in der Psychiatrie verschwinden ließen.

Es war der verzweifelte Versuch, Wachstum zu erzeugen, auch da, wo das nicht möglich schien, Wachstum um jeden Preis!

Vielleicht waren sie ja so, wie die Kinder, die immer sehen mussten, wo die Grenzen sind, so lange, bis harte Grenzen gesetzt wurden.

Es war abzusehen, dass auch auf der Erde dieses ungebremste Wachstum zur Katastrophe führen musste.

Vielleicht war das hier auf diesem Planeten geschehen, vielleicht wussten sie gar nicht mehr, was sie da eigentlich taten.

Hatte dieser Typ, dieser Angeber doch recht? War es wirklich so, dass es keine technischen Systeme gab, von denen man sagen konnte, dass sie fehlerfrei waren? Offensichtlich war es so. Widerwillig musste er ihm recht geben. Der andere Planet mit einer verfallenen Zivilisation schien ja auch auf so etwas hinzudeuten.

Und was war das, wovon er geredet hatte, von den Methoden und Verfahren? Es war wirklich so gewesen, dass das System, an dem sie gearbeitet hatten, mehr schlecht als recht funktionierte, mit vielen Blockaden und Abstürzen. Wäre es vielleicht doch besser gewesen, ihm zu zu hören? Aber er war furchtbar unangenehm gewesen, furchtbar überheblich. Man konnte ihm gar nicht zuhören. Auf diese Weise hatte er im Grunde den Weg zu diesen Verfahren verstellt. Wenn man ein bisschen Selbstachtung hatte, machte man es anders. Er fing an zu lachen. Das System, an dem sie gearbeitet hatte, war militärisch. Er dachte, alle Sabotagemethoden, von denen er gehört hatte, waren laienhaft gewesen, gegen das, was da passiert war. War der Typ ein ausländischer Agent, der den Leuten die richtigen Verfahren mies gemacht hatte? Er hatte im Grunde dafür gesorgt, dass sie aus schierem Trotz alles anders gemacht hatten, es war unglaublich komisch.

Sein Weltbild, dass alle, die von fremden Planeten kommen, so außergewöhnlich überlegen waren, natürlich und ganz besonders moralisch, hatte einen gehörigen Knacks bekommen. Die Kernkraftwerke weiter zu betreiben, obwohl schon einige hochgegangen waren, zeugte im Grunde von einer überdimensionalen Dämlichkeit, aber auch davon, dass das Prinzip Hoffnung nicht tot zu kriegen war.

Es war ja auch auf der Erde so: Leute, die wirklich etwas von Physik verstanden, plädierten für längere Laufzeiten von Kernkraftwerken. Es gab sogar staatliche Unterstützungen für neue Kernkraftwerke. Es war das, was er schon oft gehört hatte, Entscheidungen wurden zu dreiviertel, oder sogar mehr, „aus dem Bauch“ (also nicht rational) gefällt. Eine Tatsache, die allen, die irgendwie mit Verkauf, Vertrieb und Reklame zu tun hatten, bekannt war. Genau das war ja gerade ihre Arbeits- und Lebensgrundlage.

Und dann die Merkwürdigkeit, überall versagten irgendwelche technischen Systeme, bloß bei Kernkraftwerken konnte das nicht passieren, dieses Buch zeigte etwas Anderes. Waren vielleicht auf anderen Planeten, entgegen anderer Annahmen, technische Systeme ebenfalls fehlerhaft? Offensichtlich. Es ärgerte ihn insgeheim, dass dieser blöde Typ doch recht hatte. Im Grunde war es ja auch auf der Erde schon zu sehen, es gab ständig irgendwelche Unfälle, wegen technischer Fehler, die keiner vorher gesehen hatte. Er hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, aber der Typ schon. Irgendwie ärgerlich.

Und es schien nicht nur sozusagen „interne Fehler“ gab, also irgendwelche Programmfehler in irgendwelchen Systemen, sondern auch noch so etwas wie „Epi-Fehler“, so, wie in Fukushima auch, irgendwelche Notstromaggregate, die man eilig herbei geschafft hatte, passten irgendwie nicht. Und überall war zu sehen, dass den Leuten die Projekte „über den Kopf wuchsen“, das bedeutete, niemand hatte mehr den Überblick. Ein Beispiel war ja der Berliner Flughafen, aber die Fehler waren ja nicht so schlimm. Man wusste z.B. nicht, wie bestimmte Beleuchtungen auszuschalten waren. Das war im Grunde nicht schlimm.

Und dann das große Erstaunen bei allen denen, die vermeintlich, oder wirklich etwas davon verstanden, darüber, dass so ein Unfall passiert war. Nun müsse man umdenken, fürwahr. Aber viele hatten es immer noch nicht begriffen und bauten munter neue Kernkraftwerke. Und in der EU wollte man sogar staatliche Unterstützung für den Ausbau der Kernenergie, eben gleiches Recht für alle. Dann würde man in ein paar Jahren, wenn dann wieder ein schwerer Unfall passiert war, wieder sagen: „Jetzt müssen wir aber umdenken...“ Es passierte eben das, was sie als „Umdenken“ bezeichneten, es bedeutete aber nur, dass zunächst das Problem eine Zeit lang nicht erwähnt wurde und dann eben beim Antechambrieren die Preise stiegen.

Gerade die EU, sie war ein Paradebeispiel für subtile Korruption. Gesetze und Bestimmungen wurden offen unter Mitwirkung von irgendwelchen Firmen gemacht, die natürlich von einer unglaublich großen Selbstlosigkeit waren. Und alles wurde an private Firmen und Konzerne gegeben, damit noch mehr gerafft werden konnte. Staatliche Firmen sollte es wohl gar nicht mehr geben. Damit wurde den staatlichen Stellen immer mehr an Einwirkungsmöglichkeiten genommen.

Er war verwundert darüber gewesen, es hatte den großen Unfall in Fukushima gegeben und auch die anderen Unfälle, aber es war offenbar alles schon wieder vergessen, obwohl es wieder neue Sperrgebiete gab, die Jahrzehnte lang nicht betreten werden durften. Man ging wieder zur kommerziellen Tagesordnung über.

Und wenn man die Verantwortlichen damit konfrontierte, kam: Ja, ganz schön und gut, aber ich muss doch Gewinn machen, … also wissen Sie es gibt da gewisse Sachzwänge, … also das sind ja philosophische Fragen, das Tagesgeschäft lässt Uns gar keine Zeit dazu. … Na ja, wenn das wirklich so weit ist, dann bin ich nicht mehr im Amt. Vielleicht lebe ich dann ja gar nicht mehr. Und der markige Spruch von Bush: „Klimaschutz schadet der Wirtschaft.“ Und ähnliche Phrasen, die davon zeugten, dass diejenigen nicht nachdenken wollten, und dass ihnen die anderen, die nachfolgenden Generationen, man kann es nicht anders sagen, scheißegal waren. Etwas, das bei diesem Planeten offensichtlich auch so gewesen war. Also auch ein überdimensionaler Egoismus. Ihm kam als Bild in den Sinn, ein kleines grünes Männchen, das aus einer fliegenden Untertasse gestiegen war und das voller Eindringlichkeit sagte: „Aber der Gewinn muss stimmen…“, irgendwie war das grotesk.

Er wusste, dass der Grund dafür, dass man die Kernkraftwerke nicht abschalten wollte, darin bestand, dass diese schon abgeschrieben waren und deshalb keine Kosten mehr verursachten, also letztlich Gelddruckmaschinen waren. Und das war das Einzige, das zählte, ob der Planet dabei vor die Hunde ging, oder nicht, war gleichgültig.

Es war klar, dass die Gefahren, Jahrhunderte, vielleicht sogar Jahrtausende bestehen würden. Diese Dinge wurden von Leuten entschieden, die einen Planungshorizont von zwei Jahren hatten. Es fehlte die intellektuelle Leistungsfähigkeit, oder sie waren Verbrecher. Es waren sogar schon welche auf die Idee gekommen, dass sich eventuell in Jahrhunderten die Sprache verändert haben könnte, und fragten sich, wie man das Problem mit den Warnhinweisen für Endlagerstätten lösen wollte.

Er dachte, was denn wohl wäre, wenn irgendwo Gebäude, Stollen oder dergleichen wären, vor denen Warnhinweise in Mittelhochdeutsch wären, der Sprache des Nibelungenliedes ca. achthundert Jahre alt, oder aber in Althochdeutsch, der Sprache des alten Atliliedes, ca. zwölfhundert Jahre alt. Das könnte heute außer irgendwelchen älteren Abiturienten, die so etwas noch in der Schule gelernt hatten, oder Germanisten, keiner mehr lesen.

Wenn man sich die Auswirkungen in Tschernobyl, Fukushima und den anderen Unfallorten ansah, war es abenteuerlich in diesem Zusammenhang von „Kosten“ zu reden. Es war einfach frevelhaft. Dieser altertümliche Ausdruck erschien angemessen dabei. Man sollte einmal die Vorstände der Energiekonzerne in Fukushima ein Referat halten lassen, darüber, warum es zu teuer ist, Kernkraftwerke abzuschalten. Er dachte sich, ich wäre auf die Reaktion gespannt.

Es hatte ja schon ungefähr ein Dutzend sogenannter „Kernschmelzen“ gegeben, bei denen der Reaktor „durchgegangen“ und nicht mehr zu kontrollieren war. Die „Kettenreaktion“ war nicht mehr zu stoppen, und der Reaktor musste einfach irgendwie möglichst strahlendicht abgeschirmt werden, in der Hoffnung, dass man es schaffte, zu verhindern, dass etwas davon in die Umgebung kam, bis die Kettenreaktion nach ein paar Jahren zum Stillstand gekommen war. Die letzten waren in Tschernobyl und Fukushima gewesen, aber es war abzusehen, dass es noch mehr davon geben würde, man weiß nur noch nicht, wann und wo. Es war im Grunde unausweichlich.

Er fragte sich, ob es auf anderen Planeten ebenfalls so etwas wie Kapitalismus gab. Kapitalismus in dieser Form ist letztlich die Fortsetzung des Neandertals. Und es sieht wirklich so aus, als wenn das eine Eigenschaft von Leben schlechthin wäre: wenn wirklich Besuch von fremden Planeten kommt, so werden die es irgendwie geschafft haben, trotz schlechter Moral, ihren Planeten einigermaßen zu erhalten, oder eben nicht, und dann geht es eben um verdrängen, vernichten oder ausbeuten. Und von daher erscheint der Film „Independence Day“ einigermaßen realistisch. Und daraus folgt, dass man eigentlich nicht sehr viele Signale aussenden sollte, die von Fremden aufgenommen werden können. Und man sollte auch Waffensysteme installieren, die nach außen gerichtet sind.

Im Grunde hat sich der ungezügelte Kapitalismus letztlich durch den technischen Fortschritt überlebt. Diese Form von Kapitalismus kann man zulassen, wenn die Auswirkungen von übermäßiger Ausbeutung nicht zu groß sind.

Auch in früheren Zeiten hatte der Kapitalismus Schaden angerichtet. Es hatte auch schon früher ökologische Probleme gegeben, sogar in der Antike schon, die Karstgebirge auf dem Balkan waren letztlich dadurch entstanden, dass man die Wälder zum Bau der römischen Flotte abgeholzt hatte. Die Holzhändler hatten das sicher nicht umsonst getan. Verglichen mit den heutigen Möglichkeiten ist das eine Kleinigkeit.

Außerdem ist der Kapitalismus gelegentlich zutiefst unanständig und unmoralisch, das zeigte sich z. B. dadurch dass in Europa, wo schon lange die Leibeigenschaft aufgehoben war, dennoch mit Sklavenhandel z. B. von ehrbaren Hamburger Kaufleuten riesige Vermögen gemacht wurden.

Wenn nur genügend demonstriert wird, und man fürchten muss, dass man ins Gerede kommt, und dadurch Umsatz- und Gewinneinbußen hinnehmen muss, zeigt man dann schon mal ein wenig Einsicht, und überlegt, ob man denn wirklich mit Grundnahrungsmitteln spekulieren muss, damit man sich durch die Preiserhöhung für Reis und Getreide für die Ärmsten, den Ferrari und den Nerzmantel für die holde Gattin endlich leisten kann, während durch die Preiserhöhung manche sich die Nahrungsmittel nicht mehr leisten können und hungern müssen. Je nun, die sollten doch schon ein wenig Solidarität zeigen, wir sitzen ja alle in einem Boot, die einen angeln und die anderen rudern. Und außerdem ist ja auch die Überernährung nicht gesund, wie man ja an den vielen übergewichtigen Kranken in den Industrieländern sieht, da ist ja ein bisschen hungern gar nicht so ungesund.

Er fragte sich, ob es auf anderen Planeten auch solche Politiker gab, solche Dummschwätzer wie auf der Erde, die auf eine subtile, juristisch nicht nachweisbare, Art käuflich waren. Für Wohlverhalten gab es später lukrative Aufsichtsratsposten, das wurde aber nie ausgesprochen, aber alle wussten das. Bei diesem Planeten war deutlich, wohin das führte.

Und wenn er daran dachte, wozu die Energie genutzt wurde, jedenfalls auf der Erde: für Kinkerlitzchen, wie elektronische Bilderrahmen, und natürlich für Verschwendung ohne Ende, Licht in Räumen, in denen keiner war, Licht am hellen Tag, Heizung von hohen Temperaturen, warmes Wasser über 24 Stunden, die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Wirklich gebraucht wurde nur ein Bruchteil. Andererseits bedeutet es ja eine Unbequemlichkeit, eine Einschränkung, darüber nachdenken zu müssen, ob man diesen Verbraucher wirklich braucht, ob jener Verbraucher wirklich eingeschaltet sein muss etc., also lässt man ihn vorsichtshalber eingeschaltet.

Und dann dachte er an die Unsitte, ständig etwas Neues haben zu müssen, auch wenn das alte noch funktionierte. Andererseits, wie sollte das ständige Wirtschaftswachstum sonst funktionieren? Aber es gab ja das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, also gab es im Grunde auch das Recht auf Verschwendung als Grundrecht. Und er dachte an die „Werbung“ die oft mit einem Schrei: „Neu!!!“ begann, mehr war ja nicht wichtig.

Aber weil die Wirtschaft ja wachsen musste, war es eben keine Unsitte, sondern folgerichtig. Er wunderte sich darüber, dass auch keiner zu bemerken schien, dass es immer wieder Krisen und Rezessionen gab, in denen die Wirtschaft schrumpfte, damit sie dann wieder wachsen konnte. Diese Krisen waren nötig, damit die Wirtschaft wachsen konnte, was wiederum ein ehernes Dogma war, noch wichtiger als das Dogma von der unbefleckten Empfängnis bei den Katholiken. Die Krisen waren inzwischen nicht mehr so sehr gravierend, folgten aber schneller aufeinander. Vielleicht würde dann irgendwann jeden Monat eine Krise kommen. Und Wirtschaftswachstum braucht eben viel Energie. Kernenergie scheint zunächst das einfachste zu sein.

Die Bevölkerung expandierte ja ebenfalls. Irgendwann müsste es auch da eine „Krise“, geben, damit die Bevölkerung wieder wachsen konnte. Die Weltkriege waren da ganz hilfreich gewesen. Aber Kriege waren nicht mehr geeignet, wenn man dann „im Eifer des Gefechts“ doch Kernwaffen einsetzte, war vielleicht der ganze Planet nicht mehr bewohnbar.

Übernahm jetzt die Kernenergie diese „Aufgabe“? Die Unfälle hatten ja bislang noch nicht viel bewirkt, aber es ist noch nicht klar, was mit den Spätfolgen ist. Bislang war die Zahl der Toten ja nur in der Größenordnung von Tausenden, das war, bezogen auf die Gesamtbevölkerung, nichts. Die Weltkriege hatten etliche zehn Millionen Tote ergeben, die Bürgerkriege, Aufstände etc. hatten über die gesamte Zeit gesehen schon ähnliche Zahlen ergeben, aber dennoch war die Weltbevölkerung auf sieben Milliarden angewachsen. Aber die Zahl der Kernkraftwerke wuchs ja auch ständig.

Hier konnte er sehen, dass die Bevölkerung stark dezimiert war, sie könnte jetzt wieder wachsen, aber es sah so aus, als ob der Planet die Eigenschaft, mehr Leben zu tragen, nicht mehr hätte. Die Kultur war wohl auch verschwunden. Jetzt hatten sie vielleicht ein paar Tausend Jahre Zeit, eine neue Kultur aufzubauen.

Die Darstellung in dem Buch warf noch ganz andere Fragen auf, nämlich, war Verstand etwas, das ganz selten ist? Oder war das nur auf der Erde so? War Intelligenz überall normalverteilt? Also die meisten um den Mittelwert herum, einige nicht sehr begabt, wenige ganz dumm, einige intelligent, und einige wenige hochintelligent.

Die Normalverteilung wirft noch ganz andere Probleme auf. Weil auch Intelligenz normalverteilt ist, gibt es nur eine beschränkte Anzahl von Menschen mit einem höheren Intelligenzniveau, das bedeutet, dass es auch nur eine beschränkte Zahl von Spezialisten geben kann, die nicht gesteigert werden kann. Das bedeutet, dass viele Stellen nicht besetzt werden können, und viele komplexere Aufgaben von niemandem mehr wahrgenommen können, das wird zur Folge haben, dass es mehr technische Störungen geben wird, die niemand mehr beheben kann, einfach, weil niemand da ist.

Gab es überall so etwas wie Emotionen?

Außerdem erschien es ihm jetzt besonders wichtig, dass es eine Moral gab, etwa so etwas, wie z. B. Konfuzianismus, denn die Auswirkungen von Fehlverhalten wegen Habgier waren erheblich größer als vor Jahrhunderten, ja noch vor Jahrzehnten. Da reichte eine „Bestrafung“ nicht mehr, es war wichtiger, dass eine Ächtung fest verankert war: „Wer so etwas macht, mit dem rede ich nicht mehr, den sehe ich gar nicht mehr an. - So etwas tut man nicht!“ Bestrafung ist ja im Grunde nur da notwendig, wo die Menschen nicht einsehen wollen, dass ihr Tun verwerflich ist. Wenn niemand einem anderen etwas wegnimmt, braucht man Diebstahl nicht zu bestrafen. Wahrscheinlich gäbe es sogar den Begriff nicht. Irgendwo geisterte da doch noch eine heimliche Bewunderung herum, die Leute waren ja besonders clever, und durchsetzungsfähig. Außerdem lebten solche Menschen oft in einem großen Luxus. Etwas, was in einer „verdinglichten“ Gesellschaft besonders wichtig war.

Und in dieser Gesellschaft werden immer neue Verbrechen erfunden, Dinge, auf die vorher niemand gekommen war. Das Strafgesetzbuch wurde immer dicker, weil das Recht immer hinterher hinkte, und die Kriminellen immer einen Schritt voraus waren.

Er hatte selbst gesehen, dass die Kriminalität schon unerkannt, schleichend im normalen Handel angekommen war. Es gab Packungen, die auf eine bestimmte Weise gestaltet waren, so dass man glaubte, es sei mehr darin, letztlich ein Täuschungsmanöver, das eigentlich als Betrug bestraft werden müsste. Oder es gab Packungen, auf denen „Hühnersuppe“ stand, in denen aber nur 0,1 % Hühnerfleisch war.

Seltsamerweise befassen sich nur Verbraucherschutzorganisationen damit, wofür doch eigentlich Gerichte zuständig wären. Denn, wenn irgendwo Hühnersuppe drauf steht, erwartet man Hühnerfleisch in solcher Suppe, etwas, das teurer ist, aber in Wirklich ist es etwas billiges, das bedeutet, dass der Gewinn höher ist, weil die Menschen getäuscht werden. Dieser Tatbestand ist aber im §263 StGB beschrieben. Das bedeutet, die Hersteller müssten eigentlich bestraft werden.

Aber so etwas wurde „Werbung“ genannt, und es wurden mit wissenschaftlichen Methoden Verfahren entwickelt, die Menschen zu täuschen. Die Frage ist zu stellen, wo hörte dieser Betrug auf?

Wahrscheinlich nirgends, also war es eigentlich auch kein Betrug, zu behaupten, die Kernenergie sei völlig gefahrlos, oder war es das doch?

Es ist zu fürchten, dass diese Konzepte von Sitte, Anstand und Moral sich nicht mehr etablieren lassen werden. Es wird immer welche geben, die sich bestechen lassen. Und außerdem ist wahrscheinlich bei vielen der Intellekt nicht so weit entwickelt, diese Zusammenhänge zu verstehen, und das dürfte die Mehrheit sein. Und da auf der Erde viele in einer Demokratie leben, entscheidet die Mehrheit, und dann ist auch klar, dass die Erde in nicht allzu ferner Zukunft so aussehen wird, wie in diesem Buch beschrieben.

Vielleicht war es in einer Gesellschaft, die eine derartig starke Technik entwickelt hatte, die fähig war, intergalaktische Entfernungen zu überwinden, zum Überleben unabdingbar, eine solche Ethik zu entwickeln. Da konnte man es sich noch weniger leisten, dass irgendwelche habgierigen Typen gewaltige Kräfte entfesselten wegen irgendwelcher finanzieller Vorteile für sie, so, wie es ja jetzt gerade auf der Erde passierte.

Vielleicht war es ja doch so, dass die Gesellschaften auf anderen Planeten moralisch weiter waren. Vielleicht gab es so etwas, wie eine „Auslese“, wer nicht rechtzeitig ein „moralisches Konzept“ (= „So etwas tut man einfach nicht!“) entwickelt hatte, richtete seinen Planeten zu Grunde.

Wenn man das „Bewusstsein” betrachtet, und annimmt, dass es da eine Steigerung geben kann, landet man vielleicht irgendwann bei einer Gottheit. Da entsteht die Frage was ist das überhaupt? (Auch eine Frage, die sich beliebig viele Menschen schon vor ihm gestellt hatten, dicke Bücher darüber geschrieben hatten, aber letztlich auch keine befriedigende Antwort darauf gefunden hatten.)

Die nächste Frage für ihn war, gibt es so etwas, wie Kunst überall? Bei einigen Darstellungen, die er gesehen hatte, konnte man so etwas vermuten. Im Grunde war es ja so, dass immer dann, wenn irgendetwas hergestellt wurde, meistens die Frage nach der Gestaltung auftauchte, und das mündete dann unausweichlich in so etwas, wie Kunst. Kunst war auch als Begleiterscheinung von irgendwelchen religiösen Zeremonien entstanden.

Da schloss sich dann zwingend die Gretchenfrage an: „Wie haltet ihr es mit der Religion?“ Glaubten sie an irgendwelche Götter? Oder hatten sie irgendwelche philosophisch/religiösen Konzepte? Vielleicht so etwas wie Zen-Buddhismus? Vielleicht gab es ja zu jedem Planeten, oder zu jedem Sonnensystem oder Galaxie einen Gott oder auch eine Göttergemeinschaft. Vielleicht bekriegten sich die auch untereinander. Das gäbe dann viel Material für irgendwelche Fantasy-Geschichten. Es wäre besonders interessant, ihre philosophischen Bücher zu lesen, aber er konnte nicht lesen, er konnte nur „Bilderbücher“ ansehen.

Spielten sie? Offenbar, denn so, wie es aussah, war er ja selber eine Trophäe in einem Spiel. Vielleicht war er ja als Souvenir, als Spielzeug vorgesehen, vielleicht für die Kinder. „Aber nicht kaputt machen!“ Es war alles möglich.

Mit all diesen Fragen war er völlig allein gelassen, sollte das so etwas, wie eine Schulung, eine Ausbildung sein? Lernten die Kinder so etwas in der Schule? Falls es so etwas wie Schule überhaupt gab.

Er war unversehens ins Philosophieren geraten, etwas, das er bislang kaum gemacht hatte. Hier im „Wartezimmer“ hatte er plötzlich Zeit dazu, er musste sich ja um die täglichen Dinge nicht mehr kümmern, das wurde erledigt. Vielleicht war das ja die Voraussetzung zum Philosophieren, große Philosophen waren vermögend, oder achteten die „irdischen Dinge“ so gering, dass sie mit ganz wenig auskamen. Es bleib ihm nichts Anderes übrig, es gab ja keinen Kontakt.

Er hatte eine ganze Weile so nachgedacht und kam zu dem Ergebnis, dass in den meisten Sciencefiction Geschichten, bis auf wenige Ausnahmen, diese Fragen kaum, oder gar nicht behandelt wurden. Meistens glaubte man, dass alle, die von einem anderen Planeten kamen, total überlegen waren, auch und gerade in moralischer Hinsicht. Diese Idee entsprang der eigenen Unfähigkeiten, mit den anstehenden Problemen fertig zu werden, es war die Sehnsucht nach dem Übervater, der alle Probleme löst. Die anderen waren so etwas wie ein Gottersatz.

Allerdings gibt es auch einige Geschichten, die etwas anderes annehmen, z. B. „Independence Day“, ein Film über eine Rasse, die aus dem Weltraum kam. Sie hatten ihren Planeten total ruiniert. Sie brauchten deshalb einen neuen. Deshalb wollten sie die Menschheit vernichten und die Erde übernehmen. Es steht zu vermuten, dass es wahrscheinlicher ist, dass so eine Art von Besuch kommt, als das, was üblicherweise so angenommen wird: Wesen, die moralisch überlegen sind, und die Erde retten wollen. Es gab auch noch weitere dieser Art. Andererseits war das ein Widerspruch, denn zum Überleben war moralische Integrität nötig, oder wenn der eigene Planet ruiniert war, suchten die Überlebenden, die dann naturgemäß die stärksten und skrupellosesten waren, einen neuen Planeten.

Gerade aus diesem Film war ihm eine lustige Szene im Gedächtnis geblieben. Einer hatte die, eigentlich gar nicht so dumme, Idee, das Rechnersystem der Angreifer mit einem Virus lahm zu legen. Und hat dann diesen Virus in das System der anderen, das natürlich auch ein Microsoft Windows-System war, übertragen. (Erhebt sich die Frage, hatte es Microsoft geschafft, heimlich, unbemerkt, seinen Schrott auch schon auf anderen Planeten zu vertreiben?) Man hat dabei offenbar völlig übersehen, dass man mit einem Windows-System eigentlich den Raum gar nicht bereisen konnte, denn dieses System ist viel zu fehlerhaft dazu. Man hätte wahrscheinlich noch nicht einmal den Planeten verlassen können.

Sie hatten bestimmt Linux, oder sogar UNIX. Vielleicht auch das klassische System VMS. Die Idee, die Rechner der anderen auf die eine oder andere Weise zu stören, kam schon in den Siebzigern auf. Wobei natürlich die Frage auftauchte, hatten sie überhaupt Rechner, oder hatten sie schnelle und große Gehirne, dass so etwas gar nicht nötig war? Man könnte natürlich auch auf die abwegige Idee kommen, dass sich ihre Rechner von der Struktur her total von den „irdischen” unterschieden.

Eine technische Überlegenheit musste schon da sein, denn sonst schafften sie es ja nicht, durch den Raum zu reisen.

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Und wieder gab es ein neues Buch, er schlug es auf, wieder unleserlicher Text. Aber jetzt kamen die Bilder. Es gab etwas Neues, das er bislang nicht gesehen hatte. Der Planet schien fast unbewohnt zu sein. Aber er war wohl bewohnt gewesen, es gab Gebäude, die aber in Trümmern lagen, auch Straßennetze. Vereinzelt gab es noch ein paar primitive Siedlungen.

Außerdem gab es noch Gruppen mit irgendwelchen altertümlichen Waffen, und mit irgendwelchen exotischen Reittieren, wie er sie auf anderen Planeten auch schon gesehen hatte.

Es war wohl ein Industrieplanet gewesen. Es gab riesige Krater, große Flächen, die total glatt poliert waren. Es gab einige Totalaufnahmen, dadurch konnte man sehen, dass diese Flächen gigantisch waren.

Was war hier geschehen? Es sah so aus, als ob da ein Krieg gewesen wäre, viele von den Kratern, waren offensichtlich mitten in Städten gewesen. Die Gebäude waren irgendwie „weg gepustet“, es sah so aus, als ob da irgendwelche Explosionen stattgefunden hätten. Wahrscheinlich irgendwelche Kernwaffen. Es war irgendwie tröstlich, aber auch deprimierend, es war letztlich kein Unterschied zu sehen, überall dasselbe, es galten ja auch überall dieselben Naturgesetze, also konnte man davon ausgehen, dass diese glatt polierten Flächen von Wasserstoffbomben stammten.

Auf der Erde gab es ja auch so etwas, 800 Kernwaffentests in der Atmosphäre und 1200 unterirdisch. Es hatte eine gigantische Wasserstoffbombe gegeben, 57 MT (=57 Millionen Tonnen gewöhnlicher Sprengstoff), der Test hatte eine riesige verglaste Fläche hinterlassen, die Druckwelle war fünf Mal um die Erde gerast. Chruschtschow, der damalige Sowjetische Staatschef wollte einmal zeigen, was sie so alles können. Ursprünglich wollte er 100 MT haben, aber das hatten ihm aber die Wissenschaftler ausgeredet.

Jetzt waren sie wohl wieder auf eine Stufe von weit vor der Industrialisierung zurück geworfen worden. Aber Kriege gab es wohl immer noch.

Bislang hatte man es ja nach dem zweiten Weltkrieg geschafft, in Europa große Kriege zu vermeiden, manchmal nur knapp, weil irgendjemand so einen „Countdown“, der durch einen Fehler in Gang gesetzt worden war, gestoppt hatte, weil er misstrauisch geworden war. Dafür gab es in anderen Teilen der Welt zahllose kleinere Konflikte und Kriege, Bürgerkriege, Grenzstreitigkeiten, „ethnische Säuberungen“. „Ethnische Säuberungen“ beruhten letztlich auf der Naziideologie, obwohl diese Ideologien sich alle irgendwie anders nannten. Es gab „Untermenschen“, von denen man die Welt „säubern“ musste. Sie nannten sie natürlich nicht so, aber dennoch gab es die Idee, dass Menschen gab, die man vernichten musste. Diese Art von Ideologie war immer noch in der ganzen Welt aktiv und wurde, wie die Bezeichnung ja sagte, von „Idealisten“ vertreten und unter großen Opfern (unter den anderen natürlich) vertreten und verbreitet.

Es ist seltsam, dass so ein Begriff wie „Ethnische Säuberungen“ heute noch geprägt und auch benutzt wird. „Säuberung“, kommt man dann mit der Flit-Spritze? Oder gleich mit Cyclon B? Schade, dass A. Eichmann nicht mehr lebt, er wäre als Berater sicher sehr hilfreich gewesen. Hier wurde mal wieder ein tiefer Griff ins Wörterbuch des Unmenschen getan. Und die Position der „Untermenschen“ wurde inzwischen von den „Ungläubigen“ eingenommen, die ja ebenfalls wertlos waren, und die man vernichten durfte, ja sollte. Damit rutschten dann diese „Gläubigen“ unversehens in die Position der „ethnischen Säuberer“...

Ihm fiel der Film „War Games“ ein. In diesem Film hatte ein Computer-System einen Alarm ausgelöst, weil irgendwelche Bomber im Anflug sein sollten. Man bereitete schon alles für den „Gegenschlag“ vor. Aber ein Fliegergeneral war vernünftig und misstrauisch geblieben und gab Befehl, dass Abfangjäger starten sollten, um nachzusehen, was da im Anflug war. Es kam die Meldung: „Hier ist niemand und nichts.“ Daraufhin unterblieb der „Gegenschlag“, was sich dann als richtig erwies.

Plötzlich bekam dieser Satz von diesem Angeber: „Es gibt kein System, von dem man mit letzter Sicherheit sagen kann, dass es fehlerfrei ist.“ noch eine andere Dimension. Es sah so aus, als ob man auf der Erde unglaubliches Glück gehabt hatte, dass sie nicht durch einen Nuklearkrieg verwüstet worden ist. Aber jetzt stand der Erde möglicherweise doch so etwas bevor.

Bislang hatte ja die Gefahr bestanden, dass Ost und West aneinander gerieten. Das war ja vorbei, weil der Ostblock nicht mehr existierte. Aber es hatten inzwischen auch andere Länder Kernwaffen. Es fiel ihm ein Ausspruch seiner Mutter ein: „Wenn jetzt die anderen auch Atombomben haben, werden sie demnächst ihre Stammesfehden mit Atombomben austragen.“ So etwas musste man wohl befürchten, vor allem, weil irgendwelche seltsamen Machthaber Zugriff auf Kernwaffen bekamen. Es war wirklich von einer unglaublichen Komik, alles konzentrierte sich auf die Untaten von Hitler, nahm aber die anderen nicht als eine ähnliche Gefahr wahr. Ihm selber war das Ganze sehr auf die Nerven gegangen, weil sich in der Gegenwart wieder genau solche fanden, der Ablauf war fast derselbe.

Diese Diktatoren hatten offenbar alle massive Persönlichkeitsstörungen, etwas in Richtung Paranoia. Hitler hatte eine „bipolare“ Störung, war also manisch-depressiv, hat unglaublich viele Tabletten geschluckt, darunter auch Amphetamine und ähnliches. Außerdem hatte er Parkinson. Aber am Ende der Fernsehdokumentation, in der das dargestellt wurde, hat man dann treuherzig versichert, er sei in seinen Entscheidungen nicht beeinträchtigt gewesen. Wie schön!

Das größte Übel sind die Idealisten, da geht es oft um das Sterben für irgendwelche Ideale, der anderen versteht sich natürlich, und wer sich nicht anschließt ..., - es gab ja den markigen Spruch: „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.“ - Es war im Grunde immer dasselbe, die „Ideale“ und Diktatoren waren im Grunde austauschbar. Auch dazu gab es einen Spruch von Stanislaw Jerzy Lec: „Analphabeten müssen diktieren.“

Es gab inzwischen viele Menschen, die die Ansicht vertraten, man sollte gar keine Religionen mehr haben. Das wäre gar nicht so gut, denn dann könnte man die Motive für viele Kriege, die begonnen wurden, um Macht, Rohstoffe oder strategische Vorteile zu bekommen, oder darum dass die andern keine Macht, keine Rohstoffe oder keine strategischen Vorteile bekamen, nicht so schön unter irgendwelchen hehren Idealen verstecken. Und Religionen eigneten sich für so etwas hervorragend.

Stanislaw Jerzy Lec hatte es auf den Punkt gebracht: „Wenn zwei Mythen kollidieren, gibt es ein ganz reales Ereignis.“

Religionen scheinen immer dieselben Stadien zu durchlaufen: Zu Anfang bedeutungslos, dann bekommen sie Zulauf, dann „Wir haben die alleinige Wahrheit“ mit fürchterlichen Exzessen (z. B. Inquisition etc.), dann gibt es „interne Streitigkeiten“ z.B. „Das ist mein Leib – Das sei mein Leib“, Streitigkeiten, die einen ganzen Kontinent erfassen können (dreißigjähriger Krieg, der aber letztlich auch nur um Macht ging), bis dann diese Religion einigermaßen zur Ruhe kommt. Das scheint so ca. 2000 Jahre zu dauern. Und es gibt Religionen, die diese Zeit noch nicht hinter sich gebracht haben, und deshalb noch „giftig“ sind. Und es gibt Religionen, die eigentlich keine Religionen sind, sondern Vereinssatzungen z. B. mit Manipulierungen am Körper, damit die Zugehörigkeit sofort sichtbar wird. Da gibt es dann „religiösen Hass“, ein Widerspruch in sich. Man stelle sich vor, ein Paradies, das von Leuten wimmelt, die „Untermenschen“ beseitigt haben. „Gewöhnliche Sterbliche“ würden solche Menschen als Mörder bezeichnen. Als gewöhnlicher Mensch sollte man dann nach seinem Ende lieber zum Teufel gehen und um politisches Asyl bitten.

Die Erkenntnis, dass Religionen etwas Transzendentes haben, also die allumfassende Vergebung, oder das Mitgefühl mit jeglicher Kreatur oder ähnliches, hat sich wohl noch nicht so weit herumgesprochen.

Nun ist ja die Vergebung ein Akt des Egoismus für den, der vergibt. Die Selbstlosigkeit zeigt sich dann in glühendem Hass. Und es gibt eine Gegend auf dieser Erde, die von Selbstlosen nur so wimmelt, etwas das dazu geführt hat, dass dort seit mehr als einem halben Jahrhundert Krieg und Hass tobt. Das hat dann auch dazu geführt, dass ein Friedensnobelpreisträger dazu angestiftet hat, Flugzeuge zu entführen. Und jetzt besteht auch die Gefahr, dass von dort aus ein großer Krieg ausgeht, weil dort Kernwaffen zur Verfügung stehen.

Jedes Mal, wenn man ein Flugzeug besteigen will, wird dann die Gedächtniszeremonie für diesen Friedensnobelpreisträger durchgeführt, die dann darin besteht, dass der gesamte Tascheninhalt ausgeleert werden muss, und man sich für jeden Gegenstand, der nicht der Norm entspricht, verantworten muss. Manchmal sieht es aber eher so aus, als ob es darum ginge, jemanden zu disziplinieren, der aus der Reihe tanzt, und es geht letztlich wieder um Machtansprüche. Hier bestimme ich! Und Zwangsmaßnahmen sind der geeignete Rahmen, kleinen Geistern zu Macht zu verhelfen. Das ist ein Effekt, der in jeder Diktatur zu beobachten ist, man betrachte sich einmal die Blockwarte und WABs. Das ist wahrscheinlich auch einer der Gründe, warum Diktaturen bei kleinen Geistern so beliebt sind.

Militärs sind eine besonders seltsame Spezies, die meistens irgendwelche Einheiten führen, mit Blech behangener Brust. In Kriegszeiten laufen sie manchmal zu Hochform auf „... bis zum letzten Mann...“ Tucholsky hat das mal schön beschrieben: „An der Spitze ihres Generals stürmt die Truppe nach vorne, der General mit geschwungenem Telefonhörer hinterdrein ...“

Eigentlich sollen sie ja das Land verteidigen. Sie tun und taten dieses oft auf eine sehr seltsame Weise, unter Einsatz von Waffen, die das Land oft nicht aushielt und aushält, die Verhältnisse nach einem Krieg kümmerten sie wohl überhaupt nicht, wie war es sonst zu erklären, dass mit Uran versetzte Granaten verschossen wurden und auch noch werden. Man hatte ?Neutronenbomben gebaut, die einen „Neutronenblitz“ aussandten, der die Menschen töten, aber die Gegenstände heil lassen sollte. Diese Deppen hatten offensichtlich übersehen, dass Neutronenstrahlung Isotope, strahlende und nicht strahlende, produzierte. Sie hatten ?Kobalt-Bomben gebaut, die die Umgebung radioaktiv verseuchen sollten und das teilweise für einen sehr langen Zeitraum, und ähnlich unsinnige Dinge.

Z. B. gab es in den 60-Jahren die Idee, an der Zonengrenze (der Grenze zwischen DDR und BRD, also mitten in Deutschland) „Atomminen“ zu installieren, nur bei Bedarf, versteht sich. Irgendwelche Politiker, die noch einigermaßen bei klarem Verstand waren, sind dann gegen solche Ideen eingeschritten.

Sie sind eben Spezialisten, und Spezialisten leisten eben etwas Besonderes. Das können sie auch nur deshalb, weil sie sich um die Umgebung und die Folgen nicht zu kümmern brauchen. Genau wie jener italienische Spezialist, der sich Sorgen macht, warum man in Deutschland so ängstlich sei, und Kernkraftwerke abschalten wollte. Es könne einem ja auch ein Blumentopf auf den Kopf fallen, je nun, kommt auf dem Blumentopf an.

Es war deprimierend, sollte es überall diesen Unsinn geben? Man hatte doch immer gemeint, alle, die von einem anderen Stern kamen, wären so unendlich überlegen, auch moralisch, sozusagen Gott ähnlich. Und nun das!

Er fragte sich, wohin brachten sie ihn? Es war alles offen, war es die Arche? Dann mussten sie noch eine Frau für ihn haben, Gott hatte ja gesagt, Noah sollte von jedem ein Paar mitnehmen, damit nach der Sintflut wieder neu angefangen werden konnte. Oder doch der Zoo? Ihm fiel der Film Terminator III ein, die Hauptfigur der „Roboter“ hatte ein einziges Paar mit allen Mitteln vor der totalen Vernichtung gerettet. Damit sie als Adam & Eva II wieder neu anfangen konnten.

Er griff nach einem weiteren Buch, er dachte, eigentlich kann mich nichts mehr überraschen. Das Muster war immer das Gleiche. Er schlug das Buch auf, aber … weit gefehlt, es gab doch noch etwas, das er nicht kannte …

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Es waren diesmal Bilder von Lebewesen, aber sehr seltsame. Das erste, was er sah, ähnelte einem Frosch, nur dass dieser Frosch aufrecht ging. Die Füße waren kräftig ausgebildet, geeignet, das Wesen zu tragen, außerdem Arme, die eine Art Hände hatten. Es gab zwei Exemplare, offenbar weiblich und männlich. Dann sah er etwas, wie ein Fellwesen, es sah aus, wie der vielbeschworene Yeti. Gab es den am Ende doch, waren es welche, die vor langer Zeit auf der Erde gestrandet waren? Auch hier gab es zwei Exemplare. Dann kamen die furchtbaren Insekten, aber auch sie gingen aufrecht, hatten aber an ihren Extremitäten etwas, wie Hände.

Dann gab es ein Wesen, das an eine Echse erinnerte. Seltsamerweise gab es davon nur ein Exemplar. Sie mussten eine andere Methode der Fortpflanzung haben. Da er den Text nicht lesen konnte, blieb es ein Geheimnis für ihn.

Er hielt eine Weile inne, sie gingen alle aufrecht, irgendwo hatte er mal gelesen, dass sich das Gehirn dann besser entwickeln könne. Es war ja auch wichtig, die Umgebung besser wahrzunehmen. Außerdem war es wohl so, dass die Fortbewegung auf zwei Beinen effizienter war, als auf vier Beinen. „Langstrecke“ war besser zu bewältigen, was ein Vorteil für Nahrungssuche, Jagd etc. war.

Außerdem war man auf vier Füßen dem Boden näher und konnte nicht so weit sehen. Und die Hände waren notwendig, um Werkzeuge zu entwickeln, wobei es wahrscheinlich nicht so wichtig war, ob man vier, fünf, oder sechs Finger hatte. Die Hand musste nur zum Greifen und für feine Arbeiten geeignet sein.

Die Insekten waren da klar im Vorteil, sie hatten vier Hände. Sie konnten sogar alleine vierhändig Klavier spielen. Aber vielleicht gab es da Komponisten, die Stücke geschrieben hatten, die man achthändig spielen musste. Und sie konnten vielleicht sogar zwei Gitarren gleichzeitig spielen. Jedenfalls für das Musizieren ergaben sich ungeahnte Möglichkeiten. Er dachte an den armen Slarti Bartfast, der gerne gelernt hätte, das Hebifon zu spielen, aber dabei übersehen hatte, dass er nicht die richtige Anzahl von Mündern hatte.

Also war wohl die Mindestvoraussetzung für Evolution bis zu einer Zivilisation, aufrechter Gang und Hände. Eigentlich ein wenig dürftig. Eigentlich erwartete man ja Intellekt als Grundlage für eine Zivilisation. Wenn es dann die Zivilisation endlich gab, gab es auch Hierarchien und da war der aufrechte Gang wieder hinderlich. Er fragte sich, ob das wohl immer so sein müsste. Wahrscheinlich, denn vieles, das gemacht wurde, große Bauten, Fahrzeuge etc., wurde sicher von Gruppen gemacht, denn einer alleine konnte das wahrscheinlich nicht bewältigen. Und da gab es dann Vorgesetzte etc. …

Er hielt wieder inne, er ärgerte sich wieder einmal, dass er nicht lesen konnte, und dass er auch nicht fragen konnte, denn hier könnte er vielleicht der Frage auf den Grund gehen, was allen gemeinsam war, also was das Leben wirklich ausmachte. Er sah sich um, sein „Herr“ saß auf dem Stuhl, sah ihn offenbar an. Er sah sich im Raum um, sah die Bibliothek, das Aquarium mit den gelben Fischen.

Er wandte sich wieder dem Buch zu, blätterte um und … was er da sah, war eindeutig eine Frau. Er sah den Busen, es waren wirklich zwei, dann sogar die Scheide, die typisch weiblichen Formen, die Hüften, die Taille. Auch das Gesicht hatte die entsprechenden Formen, sie sah aus, wie von der Erde, sie wäre dort nicht aufgefallen. Aber wo war der Mann? Es gab kein Bild dazu. Er sah das Buch genau an, hatte jemand die Seite herausgerissen? Er blätterte das ganze Buch durch, es gab kein Bild von einem Mann. Es tauchte die spannende Frage auf, wer aus diesem Katalog waren seine Entführer? Und weshalb hatten sie ihn entführt?

Er sah sich noch einmal das Bild an, dann sah er sich seinen „Herrn“ an, er hatte einen runden Helm, der schmaler als der ganze Körper war, also fielen der Frosch, und die Insekten schon einmal heraus. Die Insekten hatten breite Köpfe, außerdem noch Facettenaugen, die noch bis zur Seite reichten. Es blieb also nur der Yeti und die Frau. Der Yeti schied aus, weil er eine gedrungene Figur hatte, sein „Herr“ war schlank. Also blieb eigentlich nur die Frau, oder ein Wesen, das in dem Buch nicht dargestellt war.

Dieses Buch sollte doch wohl alle bekannten Lebewesen verschiedener Zivilisationen darstellen und wohl auch die Fortpflanzung. Warum tauchte da kein Mann auf? War es das ultimative Matriarchat, dass Männer überhaupt nicht mehr wahrgenommen wurden? Wie sollte eine Frau alleine Kinder kriegen? Vielleicht waren Männer so „selbstverständlich minderwertig“, dass man auf die Darstellung verzichtete? Er begann nachzudenken, warum machte man so etwas? Warum hatten sie gerade ihn eingefangen? Warum nicht eine Frau? Wollten sie vielleicht wissen, ob Männer anderswo auch minderwertig waren? Vielleicht hatten sie auch eine Frau mitgenommen, er hatte sie vielleicht nur noch nicht gesehen. Vielleicht war für sie die zweite Zahnbürste vorgesehen. Wollten sie vielleicht doch eine „Zucht“ aufbauen. Vielleicht doch auf die „direkte“ Methode, nicht mit der „Becher-Methode“. Er spürte, sein Hormonpegel fing an, ihn zu narren, und ließ ihn auf seltsame Ideen kommen.

Er sah sich seinen „Herrn“ noch einmal ganz genau an, war es gar kein „Herr“, sondern eine … „Herrin“? Er sah sich den Oberkörper genau an, waren da nicht zwei Erhebungen? Er war sich nicht sicher, es könnte sein, aber genau war es nicht zu sehen, und die Hüfte? Der blöde Raumanzug verdeckte alles. Kontakt aufbauen ging ja auch nicht.

Wenn das wirklich stimmte, dann wäre das auch eine Erklärung dafür, dass dieses Wesen unbedingt beim Duschen zusehen wollte und auch ganz besonders, wenn er zur Toilette ging.

Der Streit und das Spielen um ihn erschienen plötzlich in einem ganz anderen Licht. Er fragte sich, wie lange er noch warten musste, bis er seine Entführer wirklich sehen konnte. Jetzt wurde es wirklich spannend.

Er wandte sich wieder den Büchern zu, aber er konnte sich kaum konzentrieren, die Spannung war zu groß. Es war auch wieder Abend geworden, d. h. es gab kein Gefühl für Abend aber auf seiner Uhr sah er, dass Abend war. Das Abendessen stand auch wieder auf dem Tisch. Es lief das übliche Ritual ab. Es fiel ihm auf, dass sein „Herr“ oder seine „Herrin“ irgendwie unruhig war. Was war los? Sollte er das Buch eigentlich nicht sehen? Oder? War der Zeitpunkt der „Enthüllung“ gekommen?

Aber er ging trotzdem ins Bett, das Licht wurde gelöscht.

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Hochzeit in fremder Galaxie

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