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EINE NICHT ERWIDERTE LIEBE

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Die „Amalia“ ankerte im kleinen Hafenbecken von Godthaab, der Hauptstadt von Grönland. Es wurde Wasser gebunkert. Der Hafenarzt hatte das Schiff verlassen. Vorher hatte er jedes Besatzungsmitglied in der Messe im Beisein des Ersten Steuermanns augenscheinlich auf das Vorhandensein von Geschlechtskrankheiten untersucht. Er war sehr gewissenhaft. Die persönliche Untersuchung erfolgte anhand der vorliegenden Besatzungsliste und der mit einem Passbild versehenen Seefahrtsbücher.


Hafen von Godthaab

Das Bunkern des Wassers begann am späten Abend und war am frühen Morgen des folgenden Tages beendet. Der Übergabeschlauch wurde gelöst und durch die Hafenarbeiter eingeholt. In der Nacht waren Männer und auch Frauen über die Tauleiter an Bord geklettert. Sie kamen mit leichten beweglichen offenen Booten, die sie am Schanzkleid vertäuten. Alle trugen warme Pelzbekleidung. Einige dieser Boote hatten einen Außenbordmotor.

Unter den Ankömmlingen waren auch junge hübsche Mädchen, die sich eine Abwechselung in der sehr kalten und dunklen Winternacht erhofften. Die Decksleute baten sie in ihre warmen Kammern. Gemeinsam tranken sie Bier und rauchten Zigaretten. Die Grönländer schenkten den Gastgebern Pelzbekleidung und bescheidene selbst hergestellte Souvenirs, die gern angenommen wurden. Es war ein freundliches Beisammensein von unterschiedlichen Kulturen. Grundlage aller Verständigung war die Körpersprache, die jeder in irgendeiner Form beherrschte.

*

Es war früh am Morgen. Der Kapitän, Fred Senner, war an Land gefahren, um von dort aus mit der Verwaltung der Reederei zu telefonieren. Den Wachdienst hatte er seinem Zweiten Steuermann übertragen.

„In einer Stunde bin ich wieder zurück. Nach dem Frühstück sind das Netz an Deck zu überholen und der hintere, etwas verbogene Bügel des vorderen Scherbrettes sowie die verschraubbare Hacke auszuwechseln“, war die Order an den Zweiten, bevor er mit einem kleinen motorisierten Boot des Hafenkapitäns das Schiff verließ.

Vorher hatte er den Zweiten Steuermann noch beauftragt, die Besucher aufzufordern, dass Schiff zu verlassen. Nach seiner Rückkehr wollte er auslaufen.

Der Gezeitenstrom setzte nördlich. Das Schiff lag fest verankert, mit dem Vorschiff in südlicher Richtung, unweit der Pier.

*

Fritz, der Auszubildende, hatte Naje, eine kleine hübsche Grönländerin, in seine Wohnkammer eingeladen. Sie zeigte ihm alles, was ein junger Mann wissen sollte. Fritz war total verliebt. Er war entschlossen, das Schiff zu verlassen und in Grönland zu bleiben. Seinen Entschluss teilte er Rudi Voß, einem Decksmann, dem er vertraute, mit.

„Du willst also achteraus segeln. Hast du in den letzten Stunden zu viel Bier getrunken oder wirkt bei dir die Polarnacht?“, fragte Rudi ungläubig.

Naje ist meine große Liebe. Ich weiß es. Ich fühle es. Ich bleibe hier in Grönland“, antwortete Fritz mit Bestimmtheit.

„Weiß das Mädchen überhaupt von deinem Entschluss?“, fragte Rudi und schaute zu Naje, die auf einer mit Kunstleder bezogenen Sitzbank saß und schon die dritte Flasche Bier trank.

„Sie weiß es noch nicht“, antwortete Fritz.

„Vielleicht ist sie mit deinem Entschluss nicht einverstanden“, meinte Rudi.

Fritz fragte mit Hilfe der Körper- und in englischer Sprache. Er zeigte mit der Hand in Richtung Land, begann sich anzuziehen und persönliche Sachen in eine Tasche zu packen. Naje verstand nichts. Sie verlangte durch Handzeichen nach einer weiteren Flasche Bier.

„Hör auf mit deinen Spinnereien. Glaube bitte nicht, dass die Grönländerin sich mit deinen Träumereien anfreunden kann. Die Menschen haben eigene Probleme und eine andere Kultur. Sie kann mit dir nichts anfangen“, sagte Voß ernsthaft.

„Woher weißt du das?“, fragte Fritz.

„So, wie sie mit dir auf deine Kammer gegangen ist, geht sie auch mit mir und Steffen“, behauptete Rudi.

„Das glaube ich nicht“, sagte Fritz.

„Pass auf. Ich winke ihr mit dem Zeigefinger. Sie steht auf und geht mir nach, sobald ich die Kammer verlasse“, sagte der Decksmann.

Er winkte mit dem Zeigefinger. Es trat ein, was er gesagt hatte. Naje stand auf, nahm ihre Tasche und verließ die Kammer. Vorher nahm sie noch zwei Flaschen Bier aus dem Kasten. Fritz traute seinen Augen nicht.

„Bleib hier“, rief er ihr hinterher.

Naje verstand kein Wort. Sie verließ ruhig und freundlich mit Voß die Kammer.

*

Vor dem Frühstück forderte der Zweite Steuermann die Decksleute auf, sich von ihren Besuchern zu verabschieden. Hierfür ging er in jede Kammer und sprach mit den Männern. Die Grönländer kamen der Aufforderung nach. Sie wurden zur Relingstreppe begleitet und durch Handzeichen aufgefordert das Schiff zu verlassen. Sie stiegen über die angebrachte Tauleiter in ihre vertäuten Boote, wobei die Decksleute ihnen behilflich waren. Naje war auch dabei. Als sie über die Tauleiter das Schiff verließ, winkte sie fröhlich mit ihren Fellhandschuhen. Fritz war enttäuscht.

„Na Fritz, hatte ich recht? Deine große Liebe wurde nicht erwidert“, sagte Rudi tröstend.

Fritz verließ bedrückt das Deck und ging in seine Kammer. Er hatte etwas dazugelernt.

*

Nach einer Stunde kam der Kapitän mit dem Hafenboot zurück. Er erkundigte sich nach den Gegebenheiten.

„Wir können den Anker hieven und auslaufen. Die Besucher sind von Bord“, informierte der Zweite den Kapitän.

Der Kapitän übernahm den Wachdienst. Er beauftragte den Zweiten, den Anker hieven zu lassen.

„Anker klar zum Hieven!“, rief der Zweite, nachdem die Vorbereitungsarbeiten abgeschlossen waren.

„Hiev Anker!“, befahl der Kapitän.

Der Zweite ließ den Anker hieven.

„Anker ist aus dem Grund! Anker ist aus dem Wasser!“, rief der Zweite.

„Anker in die Klüse hieven! Anker seefest machen“, war die Order des Kapitäns.

*

Langsam fuhr der Trawler aus dem Hafen. Naje stand gut sichtbar allein in der Nähe der Ausfahrt und winkte noch lange dem Schiff hinterher.


Maritime Erzählungen - Wahrheit und Dichtung (Band 3)

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