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Kapitel 2 Zwischengedanke – Die Vielen1

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Wenn der Eine auch überragend wirklich ist, so sind „die anderen“, die Vielen, nicht unwirklich. Die Welt ist nicht ein Produkt des Mentals.

Einheit ist die ewige Wahrheit der Dinge, Verschiedenheit ein Spiel der Einheit. Das Wahrnehmen der Einheit wurde daher Wissen, Vidya, genannt, das Wahrnehmen der Verschiedenheit, Unwissenheit, Avidya. Doch Verschiedenheit ist nicht falsch, außer wenn sie von der Wahrnehmung ihrer wahren und ewigen Einheit abgetrennt ist.

Brahman ist eins, nicht numerisch, sondern dem Wesen nach. Numerische Einheit würde entweder die Vielfalt ausschließen oder eine pluralistische und teilbare Einheit sein, wobei die Vielen ihre Teile wären. Das ist nicht die Einheit des Brahman, das nicht verringert noch vergrößert noch geteilt werden kann.

Die Vielen im Universum werden manchmal Teile des universalen Brahman genannt, wie die Wellen Teile des Meeres sind. Doch in Wahrheit sind diese Wellen, jede von ihnen, jenes Meer, ihre Unterschiede nur die der äußeren oder oberflächlichen Erscheinung, die durch die Bewegung des Meeres verursacht wird. Wie jeder Gegenstand im Universum wirklich das ganze Universum in einer jeweils anderen frontalen Ansicht ist, so ist jede individuelle Seele das ganze Brahman, das Sich selbst und die Welt von einem Zentrum des kosmischen Bewusstseins aus betrachtet.

Denn Das ist identisch, nicht einzig. Es ist immer und überall in Raum und Zeit identisch, wie es auch jenseits von Raum und Zeit identisch ist. Numerische Einheit und Vielfalt sind gleichermaßen gültige Formen seiner essenziellen Einheit.

Diese beiden Seinsweisen, wie wir sie sehen, sind, wie alle anderen, Vergegenwärtigungen in Chit, in dem freien und allschöpferischen Selbst-Gewahrsein des Absoluten, das sich selbst vielfältig, unendlich, unzählbar betrachtet und formuliert, was es betrachtet. Chit ist eine Kraft nicht allein der Erkenntnis, sondern des ausdrückenden Willens, nicht nur der wahrnehmenden Schau, sondern der formenden Vergegenwärtigung; diese beiden sind in der Tat eine Kraft. Denn Chit ist ein Handeln des Seins, nicht der Leere. Was es sieht, das wird. Es sieht sich selbst jenseits von Raum und Zeit; und das wird in den Bedingungen von Raum und Zeit.

Schöpfung ist nicht ein Erschaffen von etwas aus dem Nichts heraus oder von einem Ding aus einem anderen, sondern eine Selbst-Projektion des Brahman in die Bedingungen von Raum und Zeit. Schöpfung ist nicht ein Machen, sondern ein Werden in den Bedingungen von Raum und Zeit.

Im Werden ist jedes Individuum Brahman, das sich vielfältig vergegenwärtigt und in dem Spiel des göttlichen Bewusstseins in verschiedene Beziehungen zu Sich selbst tritt; im Sein ist jedes Individuum das ganze Brahman.

Als das Absolute oder das Universale hat Brahman die Möglichkeit, im Relativen von Sich selbst zurückzustehen. Durch eine untergeordnete Bewegung des Bewusstseins begreift Es das Individuum als unterschieden vom Universalen, das Relative als verschieden vom Absoluten. Ohne diese trennende Bewegung würde das Individuum immer dazu neigen, sich im Universalen zu verlieren, das Relative, im Absoluten zu verschwinden. So unterstützt Es eine entsprechende Haltung im Individuum, das sich selbst als vom Transzendenten und universalen Brahman „verschieden“ und als „verschieden“ vom Rest der Vielen betrachtet. Das Individuum verbirgt die Identität und führt das Spiel des Seins im getrennten Ego durch.

Das Individuum mag sich selbst als ewig unterschieden von dem Einen betrachten, oder als ewig eins mit Ihm und doch verschieden, oder es mag in seinem Bewusstsein vollständig auf die reine Identität zurückgehen.2 Aber niemals kann es sich selbst als unabhängig von irgendeiner Art der Einheit betrachten, denn eine solche Betrachtungsweise würde keiner vorstellbaren Wahrheit im Universum oder jenseits von ihm entsprechen.

Diese drei Wahrheiten entsprechen drei Wahrheiten des Brahman, die gleichzeitig gültig sind und von denen keine ohne die anderen als ihre Ergänzung vollständig wahr ist. Ihr gleichzeitiges Bestehen, dem logischen Intellekt schwer vorstellbar, kann durch Identität mit Brahman im Bewusstsein erfahren werden.

Selbst dann, wenn wir von Einheit sprechen, müssen wir uns daran erinnern, dass Brahman jenseits unserer mentalen Unterscheidungen liegt und eine Tatsache nicht des unterscheidenden Denkens, sondern des absoluten, unbegrenzten Seins ist, das sich der Unterscheidung entzieht. Unser Bewusstsein ist (nur) darstellend und gleichnishaft; es kann das Ding-an-sich, das Absolute, nicht erfassen, außer durch Negation, in einer Art Leere, indem es dieses von allem, was es im Universum zu enthalten scheint, entleert. Doch Das Absolute ist nicht eine Leere oder Negation. Es ist alles, was hier in der Zeit und jenseits der Zeit ist.

Selbst Einheit ist eine Repräsentation und existiert nur in Bezug auf Vielfalt. Vidya und Avidya sind gleichermaßen Mächte des höchsten Chit. Weder Vidya noch Avidya ist das absolute Wissen.

Dennoch ist Einheit, nicht Vielfalt die geheime Grundlage aller Beziehungen. Einheit begründet und erhält die Vielfalt aufrecht. Vielfalt begründet und erhält nicht die Einheit aufrecht.

Daher haben wir Einheit als unser Selbst und als die wesenhafte Natur des Seins zu verstehen. Vielfalt als Darstellung des Selbstes und als eine Werdensweise. Wir müssen uns Brahman als Ein Selbst von allem vorstellen und dann auf die Vielen zurückkommen als auf die Werdensweisen des Einen Seins (bhutani ... atman). Aber sowohl das Selbst wie die Werdensweisen sind Brahman; wir können nicht das eine als Brahman und die anderen als unwirklich und nicht Brahman ansehen. Beide sind wirklich; das eine als grundlegende und umfassende, die anderen als abgeleitete oder abhängige Wirklichkeit.

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1 Die Gedankenfolge unter dieser Überschrift scheint mir die unabdingbare metaphysische Grundlage der Upanishad zu sein. Die Isha-Upanishad lehrt nicht einen reinen und ausschließlichen Monismus; sie verkündet das Eine, ohne die Vielen zu leugnen, und ihre Methode ist, den Einen in den Vielen zu sehen. Sie versichert die gleichzeitige Gültigkeit von Vidya und Avidya und zeigt als das Ziel von Tätigkeit und Wissen eine Unsterblichkeit, die mit Leben und Geburt in dieser Welt in Einklang steht. Sie betrachtet jeden Gegenstand als sich selbst, das Universum und jede Seele als sich selbst, den göttlichen Purusha. Die Gesamtheit dieser Ideen stimmt nur mit einem synthetischen oder umfassenden, im Gegensatz zu einem illusionistischen oder exklusiven Monismus überein.

2 Das entspricht, in umgekehrter Reihenfolge, den Standpunkten der drei philosophischen Schulen des Vedanta: Monismus, modifizierter Monismus und Dualismus.

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