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Nachhaltige Produktion Bewusst genießen Nicht nur gesund und lecker sollte heute ein gutes Essen sein, sondern auch nachhaltig produziert. Aber oft ist es gar nicht leicht, die richtigen Lebensmittel zu finden. Küchenchefs, Händler und Erzeuger helfen, gute Entscheidungen zu treffen.
ОглавлениеVon Susanne Schäfer und Stefanie Schramm
Einfach kaufen, was lecker aussieht? Das tun nur Anfänger. Wer sich im Zeitalter des bewussten Essens richtig ernähren will, geht erst einmal in sich: Will ich, dass die Tiere ein schönes Leben hatten? Oder dass die Bauern fair bezahlt werden? Will ich vor allem das Klima und die Umwelt schonen? Oder ist mir meine Gesundheit am wichtigsten? Geht vielleicht sogar alles zusammen?
Selbst wer sich hier entscheiden kann, hat bei der Auswahl der richtigen Zutaten noch viel zu tun. Und wer versucht, komplett korrekt zu essen, hat eine ähnlich schwierige Aufgabe vor sich wie jemand, der am Weltfrieden arbeitet.
Für das perfekte Dinner wären folgende Arbeitsschritte notwendig: rund ums Jahr Gemüse im Garten selbst anbauen (gut fürs Klima, die Kartoffeln zu Fuß in die Küche zu tragen), nicht düngen (Umweltschutz), für etwas Fleisch mit dem Rad zu einem Bauern fahren, der nett zu seinen Hühnern war (Fleisch von Rindern und Schweinen lieber meiden wegen Krebsgefahr). Klingt unrealistisch? Ja.
Wenn es ums Essen geht, ist konsequent sein fast unmöglich. Deshalb genügt es hier, ein bisschen gut zu sein. Viele Menschen entdecken diese Lebensweise gerade für sich und haben dafür Namen bekommen wie Flexitarier, Teilzeit-Vegetarier oder Gelegenheits-Fleischesser. Sie haben ihren Fleischkonsum stark reduziert, aber wenn Freunde einen besonders leckeren Rehrücken auftischen oder ein Restaurant unwiderstehliche Steaks anbietet, gönnen sie es sich als seltenen Luxus. So tragen sie dazu bei, den Fleischkonsum zu senken und alle damit verbundenen Probleme in Bezug auf Tierhaltung, CO2-Ausstoß und die eigene Gesundheit zu lösen. Ein sinnvoller Ansatz, zumal der Durchschnittsdeutsche pro Jahr fast 90 Kilogramm Fleisch verbraucht.
Warum nicht auch in anderen Bereichen ein bisschen gut sein? Wer gerne Fisch isst, brät sich regelmäßig ein Zanderfilet oder eine Forelle, denn diese Arten sind selbst nach dem strengen Fischratgeber von Greenpeace noch erlaubt. Und wenn er ab und zu Lust auf eine Dorade hat, die schon überfischt ist, macht er eben eine Ausnahme. Beim Brot tut man sich selbst etwas Gutes, wenn man bei einem Handwerksbäcker kauft statt bei einer Kette mit industriell gefertigter Ware, weil der weniger Zusatzstoffe verwendet. Biogemüse hilft Gesundheit und Umwelt, denn es ist mit weniger Pestiziden belastet, der ökologische Anbau schont Böden und Gewässer. Totaler Verzicht auf Nichtbio ist aber auch hier nicht nötig – ein paar Zusatzstoffe und Pestizidrückstände kann der menschliche Körper durchaus verkraften.
Auf den folgenden Seiten stellen wir Köche und Händler vor, die mit besten Lebensmitteln arbeiten, und verraten ihre Tipps, woran man bei Fleisch und Fisch, Obst und Gemüse, Brot und Käse Qualität erkennt. Sie alle haben ein Bewusstsein sowohl für Genuss als auch für Verantwortung und zeigen, dass sich beides miteinander vereinbaren lässt – solange man nicht versucht, in allem perfekt zu sein.
Brot: Kross und gesund
Bäcker, die auf Fertigmischungen verzichten und stattdessen Naturteig verarbeiten, brauchen viel Geduld und Fingerfertigkeit.
Wie man gutes Brot herstellt? Darauf hat Ulrich Römer eine Standardantwort: »Mit Gefühl.« Aber wie viel Sauerteig gehört hinein? Wie warm soll das Wasser sein? Wie lange muss das Brot ruhen, bis es in den Ofen geschoben wird? Wann ist es fertig? »Das entscheiden hier Menschen mit Erfahrung nach ihrem Gefühl.«
Römer leitet die Backstube des Springer Bio-Backwerks in Hamburg. Dort wird Brot nur mit Mehl und Wasser, Salz und Sauerteig gebacken. Ohne Backmittel, ohne Fertigmischungen. Dafür braucht man nicht nur Gefühl, sondern auch viel Zeit. »Unsere Teige ruhen 24 bis 48 Stunden«, sagt Römer. Währenddessen machen die Bakterien und Hefen, die im Mehl enthalten sind oder zusätzlich als Kultur hinzugefügt werden, ihren Job: Sie produzieren Milch- und Essigsäure, die dem Brot Geschmack geben, und Kohlendioxid, das den Teig auflockert.
Früher arbeitete auch die Bäckerei Springer mit Fertigmischungen, erzählt Ulrich Römer: »Tüte auf, Wasser drauf, das funktioniert immer.« Doch im Jahr 1999 stellte Wolfgang Springer seinen Familienbetrieb auf Bioproduktion um. Die Mitarbeiter mussten umdenken, vieles veränderte sich. »Da mussten wir plötzlich reihum auch mittags arbeiten, um den Vorteig anzusetzen«, erinnert sich Römer. »Wenn wir das mal vergessen oder zu wenig vorbereitet haben, gab es keinen Plan B. Das ist das Risiko bei dieser Art zu backen.«
Natursauerteig macht ein Brot nicht nur leckerer, sondern auch gesünder. Die Mikroben zersetzen nämlich Abwehrstoffe, die das Getreide vor Schädlingen schützen und auch für Menschen nicht bekömmlich sind: Phytin, das die Aufnahme von Mineralstoffen wie Zink und Magnesium bremst; Enzyminhibitoren, welche die Verdauung von Stärke beeinträchtigen; das Eiweiß Gliadin, das die Darmkrankheit Zöliakie hervorrufen kann. Ob Backmittel und Zusatzstoffe in Fertigmischungen der Gesundheit direkt schaden, ist nicht ganz klar. Die Enzyme, die in den Hilfsmitteln stecken, stehen aber im Verdacht, Allergien auszulösen.
Backwaren aus Naturteig herzustellen erfordert nicht nur Zeit, sondern auch viel Handarbeit. Bei Springer kneten und formen gerade fünf Männer die Brote, umhüllen sie mit Körnern, legen sie in die Backformen. »Unser Teig ist weicher als Industrieteig, damit kommen Maschinen nicht klar«, erklärt Römer. Mit dem Natursauerteig nimmt das Mehl mehr Wasser auf. Das macht das Brot frischer und den Teig klebriger. Nur zwei Maschinen rotierten deshalb in der Springer-Backstube: ein Teigmischer und ein Abwieger, der den Teig portioniert.
Das Getreide für die Brote wuchs auf dem Lämmerhof östlich von Hamburg, gemahlen wurde es von Natursteinmühlen. Für die meisten Brote verwendet die Bäckerei Vollkornmehl, es enthält mehr Ballast- und Mineralstoffe, B-Vitamine und Spurenelemente wie Eisen, Kupfer und Mangan, weil die vor allem in den äußeren Schichten des Korns stecken. Wie viel der Körper davon tatsächlich verwerten kann, ist allerdings umstritten.
Manchmal gibt es sogar hier unzufriedene Kunden. Einer hat sich gerade per Mail beklagt: Beim Holsteiner löse sich neuerdings die obere Kruste von der Krume. Jetzt muss Backstuben-Leiter Römer versuchen, das Problem mit Gefühl und Akribie zu lösen. Etwas mehr Sauerteig, dann sollte das Brot korrekt aus dem Ofen kommen.
»Es ist eine Kunst, mit Natursauerteig zu backen«
Ulrich Römer backt sein Brot ohne Zusatzstoffe, dafür mit Gefühl. Dabei ist traditionelles Backen schwieriger und zeitaufwendiger als industrielles. Die Kunden profitieren davon: Das pure Brot ist gesünder und leckerer.
»Ich arbeite seit 25 Jahren in der Bäckerei Springer, hier habe ich schon meine Lehre gemacht. Damals haben wir noch konventionell gebacken, mit Fertigmischungen und Backhilfen. Dafür muss man eigentlich nicht viel lernen. Als wir auf bio umgestellt haben, musste ich fast bei null anfangen. Mit Natursauer- und Hefeteigen zu backen ist eine Kunst; die Mikrobenkulturen sind empfindlich, da muss man gut aufpassen. Ich selber mag am liebsten das Hamburger Kräftige, das ist ein Sauerteigbrot aus Roggen- und Weizenmehl. Wenn es frisch aus dem Ofen kommt und die Kruste schön aufgerissen ist, freue ich mich richtig. Es sieht richtig lebendig aus. Wenn man dann das ausgekühlte Brot anschneidet, muss es richtig krachen. Das schmeckt mir so gut, dass ich gar keinen Aufschnitt oder Käse brauche. Bei dem würzigen Brotgeschmack reicht mir Butter als Aufstrich. Neben den klassischen Broten, die wir anbieten, denken wir uns aber immer wieder neue Varianten aus, zum Beispiel NTF, ›Nuss trifft Frucht‹. Das ist ein Mischbrot mit Walnüssen und getrockneten Äpfeln. Das schmeckt wirklich gut mit einer ordentlichen Scheibe Wurst.«
Ulrich Römer, Springer Bio-Backwerk
Worauf man achten sollte
Ob ein Brot mit Backhilfen gebacken wurde, ist mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Und der Zusatz »mit Sauerteig« kann auch heißen, dass der Bäcker »Fertigsauer« aus der Tüte benutzt hat. Deshalb am besten nach dreistufigem Natursauerteig fragen.
Wenn das Brot zu kompakt ist, wurde es wahrscheinlich schnell und mit Hilfsstoffen gebacken.
Bei Brötchen ist das anders: Sind sie groß und leicht mit gleichmäßigen Poren, wurden Backhilfen verwendet.
Wenn eine Bäckerei Dutzende verschiedene Brote und Brötchen anbietet, weist das meist auf den Einsatz von Fertigmischungen hin.
Gut aufgehoben ist Brot in Plastikbeuteln und Steinguttöpfen (ohne Luftloch). Nur wenn die Kruste knusprig bleiben soll, wie bei Brötchen, sollte Luft ans Gebäck.
Obst und Gemüse: Nicht nur lecker
Pestizide auf Früchten und schlechte Bedingungen für Erntehelfer verunsichern die Kunden. In Südspanien hat sich die Lage inzwischen aber gebessert.
Bei Früchten aus Almería in Südspanien ist Gemüsehändler Karl Bescherer immer noch skeptisch. Sie könnten mit Pestiziden belastet sein. Zumindest fürchten das seine Kunden, vor allem Frauen mit Kindern fragen im Fruchthaus Bescherer nach der Herkunft der Ware.
Vor rund sieben Jahren geriet die Gemüseproduktion in der südspanischen Region Almería, aus der deutsche Händler einen großen Teil ihrer Ware beziehen, in Verruf. Die Pestizidbelastung von Gemüse aus den Gewächshäusern in Südspanien war damals deutlich höher als zugelassen, wie Greenpeace Deutschland bei Tests feststellte.
2007 begannen die Produzenten und die Regionalverwaltung, die südspanische Landwirtschaft umzustrukturieren. Spätere Tests von Greenpeace ergaben, dass die Belastung seitdem stark gesunken ist. »Gemüse aus Almería ist in den vergangenen Jahren kaum noch negativ aufgefallen«, sagt Manfred Santen, Chemieexperte bei Greenpeace. Etwa 50 Prozent der Bauern arbeiten heute seiner Beobachtung nach mit Nützlingen – also Insekten, die Schädlinge fressen – statt mit Pestiziden.
Allzu große Ängste vor den Spuren von Pflanzenschutzmitteln, die sich auf Obst und Gemüse befinden könnten, brauchen die Menschen in Europa ohnehin nicht zu haben. Hier gelten recht strenge Bestimmungen, was die zulässigen Grenzwerte betrifft. In Tierversuchen ermitteln Wissenschaftler die höchste Dosierung der Stoffe, die nicht die Gesundheit beeinträchtigt. Dieser Wert wird durch einen Sicherheitsfaktor von mindestens hundert geteilt. Das Ergebnis definiert die duldbare Menge, die ein Mensch gefahrlos pro Tag zu sich nehmen kann – und die nicht überschritten werden darf.
Das heißt: Erst wenn sich auf einem Apfel hundertmal mehr Pestizide befinden als erlaubt, könnte es, wie zumindest die Tierversuche zeigten, langfristig zu Folgen für die Gesundheit kommen. Umstritten ist allerdings, ob die Wirkstoffe verschiedener Pflanzenschutzmittel miteinander reagieren – ob also bei einer Kombination unterschiedlicher Pestizide spezielle Gefahren drohen.
Dem Ansehen der Gemüseproduktion in Almería schadeten – neben dem Pestizidskandal – auch Berichte über die Arbeitsbedingungen in den Gewächshäusern. Mehr als 80 Prozent der Arbeiter sind Einwanderer. Sie würden ausgebeutet und gefährdeten beim Umgang mit den Pflanzenschutzmitteln ihre Gesundheit, kritisierten Menschenrechtler.
Doch inzwischen scheint sich auch hier etwas getan zu haben. Die Arbeitsbedingungen seien viel besser geworden, sagt Juan Miralles, Direktor der Organisation Almería Acoge, die sich um Einwanderer in der Region kümmert: »Die Produzenten müssen mit harten Sanktionen rechnen, wenn sie die Gesundheit der Arbeiter gefährden. Deshalb achten sie sehr auf deren Schutz.« Außerdem würde der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln stärker kontrolliert, die Arbeiter seien deshalb weniger gefährdet.
Die Arbeitsbedingungen bei den Produzenten geben auch dem Hamburger Gemüsehändler Karl Bescherer zu denken. So verzichtet er darauf, im Winter Spargel aus Peru anzubieten. Und das, obwohl er dessen Qualität lobt. Der Spargel ist ihm zu billig, ein Pfund kostet im Einkauf nur einen Euro. »Was bleibt denn da für den Erzeuger?«, fragt Bescherer. »Wenn ich für fast nichts arbeiten müsste, würde ich mich auch fragen: Was soll das?«
»Meine Tomaten schmecken auch ohne Salz und Pfeffer«
Der Obst- und Gemüsehändler Karl Bescherer arbeitet vor allem mit Erzeugern aus dem Hamburger Umland zusammen. Was in der Region nicht wächst, kommt per Schiff oder Lastwagen, nur manchmal mit dem Flugzeug.
»Unser Geschäft gibt es seit 1927, meine Großeltern haben es gegründet. Wir arbeiten mit vielen Bauern aus dem Hamburger Umland zusammen, unser Obst und Gemüse kommt also zum Teil aus der Region. Exotische Früchte werden oft mit dem Schiff über Rotterdam geliefert, Ananas hält den langen Transport gut aus und reift noch nach. Bei manchen Obstsorten muss man allerdings auf die eingeflogene Ware zurückgreifen, wenn es wirklich schmecken soll: Mangos und Papayas schmecken fad und gammeln schnell, wenn sie unreif gepflückt und verschifft werden. Deshalb biete ich nur Flugmangos an. Inzwischen haben wir sehr mit der Konkurrenz der Supermärkte zu kämpfen. Manche haben ja heute bis Mitternacht auf. Das können wir nicht bieten, weil ich morgens um halb fünf schon wieder zum Großmarkt muss. Inzwischen beliefern wir auch Büros und Kantinen mit Obst, aber in den Laden kommen immer weniger Kunden. Dabei bieten wir zum Beispiel bei Tomaten viel interessantere Sorten an als die meisten Supermärkte – Glockentomaten oder die Rote Perle. Diese Sorten schmecken mir so gut, dass ich nicht einmal Salz und Pfeffer dazu brauche.«
Karl Bescherer, Fruchthaus Bescherer
Worauf man achten sollte
Der Unterschied zwischen Bioäpfeln und solchen aus konventionellem Anbau ist oft nicht zu schmecken. Die Größe hingegen hat meist Einfluss auf den Geschmack: Die kleinsten Früchte sind häufig die leckersten.
Kälteempfindliche Sorten wie Gurken, Tomaten und Kartoffeln sollte man nicht im Kühlschrank aufbewahren. Auch tropische Früchte, etwa Ananas, Bananen und Mangos, haben es lieber warm.
Äpfel und Birnen müssen separat lagern. Ihr Reifegas lässt anderes Obst und Gemüse altern.
Käse: Frisch von der Alm
Auf der Wiese sind die Kühe glücklicher als im Stall. Ihre Milch und ihr Käse schmecken besser – und sind gesünder, wenn es Gras statt Silage zu fressen gab.
Im »schweizweit« ist es bergkalt. Stefan Caspers hat über Nacht das Fenster offen stehen lassen. »Sonst fällt man hier um vor Käsegeruch«, sagt er. Nicht nur die kontrolliert vergammelte Importware in der Kühltheke dünstet ein strenges Aroma aus; der gelernte Koch Caspers schmilzt auch Käse für seine Gäste. Der Duft des Fondues vom Vorabend ist trotz aller Lüftungstechnik mehr als nur zu erahnen.
In einem ehemaligen Milch- und Buttergeschäft im Hamburger Stadtteil Ottensen hat Caspers vor acht Jahren eine Anlaufstelle für alle von Schweizweh Geplagten eingerichtet. Schoggi gibt es hier, Rivella – und natürlich Käse, inzwischen an die 65 Sorten. Die meisten kommen aus handwerklichen Käsereien in der Schweiz, viele wurden aus Milch von der Alm hergestellt.
Das Grasen auf der Bergweide macht nicht nur die Kühe glücklich, sondern auch ihre Milch etwas gesünder und den Käse leckerer. »Dort fressen sie nebenbei auch bis zu 150 verschiedene Kräuter mit«, sagt Caspers. Und die schaffen es tatsächlich durch den mehrstufigen Kuhmagen bis in den Käse hinein, wie die Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft am Gruyère nachwies: In einer Blindverkostung beurteilten die Tester den Käse vom Berg als deutlich pikanter. In den Alpenkräutern fanden Forscher reichlich Terpene, die sich zu ätherischen Ölen verbinden und als Geschmacksverstärker wirken.
Weil Biokühe im Sommer vor allem frisches Gras fressen und im Winter Heu statt Silage, also gegorenes Futter aus dem Silo, ist ihre Milch auch ein bisschen gesünder. Denn Weidemilch enthält 20 Prozent mehr ungesättigte Fettsäuren und 70 Prozent mehr konjugierte Linolsäuren – beides gilt als gesund.
Wissenschaftler von der Newcastle University fanden in Biomilch außerdem mehr Vitamin A und E, Antioxidantien und Omega-3-Fettsäuren. Für die Kühe ist bio allerdings nicht immer besser. Weil sich viele kleine Betriebe keine modernen Laufställe leisten können, stehen die Tiere dort im Winter in Anbindeställen.
»Man schmeckt, ob die Kühe mit Gras oder Silage gefüttert wurden«, sagt Caspers. Und: »Rohmilch kann man nur verwenden, wenn keine Silage gefüttert wurde.« Aus pasteurisierter Milch lässt sich kaum ein kräftiger Käse machen, deshalb ist Rohmilchkäse für Feinschmecker ein Muss. »Außerdem muss Rohmilch frisch verarbeitet werden«, sagt Caspers. »Das bedeutet kurze Wege.« und erhöht somit die Qualität: Je weniger die Milch geschüttelt und gerührt wird, desto weniger Spaltprodukte bilden sich, die zum Beispiel Butter ranzig machen können.
In Rohmilch können aber auch gefährliche Bakterien stecken. Ende der achtziger Jahren starben in der Schweiz 31 Menschen, weil Listerien den Vacherin Mont d’Or befallen hatten. Deshalb wird der Vacherin heute aus thermisierter, also auf 57 bis 68 Grad erwärmter Milch hergestellt – Rohmilch ist in dem Weichkäse nicht mehr erlaubt.
Im Gruyère dagegen sehr wohl. Neben dessen schlichter Variante hat Caspers auch eine vom Schweizer Käsepapst Rolf Beeler veredelte im Angebot. Affineure wie Beeler wählen Käse beim Hersteller aus und lassen ihn im eigenen Keller reifen. In Deutschland ist das professionelle Verfeinern noch nicht sehr verbreitet. Caspers würde gern selbst damit anfangen, aber dafür braucht er mehr Platz, das »schweizweit« ist zu klein. Jetzt säbelt er ein Stück von dem 18 Monate lang gereiften Gruyère ab. Würzig schmeckt der und ein bisschen süß, feine Salzkristalle knuspern zwischen den Zähnen. Viel zu schade fürs Fondue.
»Am liebsten esse ich Käse vom Stück gebrochen«
Stefan Caspers hat viel Käse aus Weidemilch im Angebot. Denn wenn die Kuh auf einer Wiese geweidet und dort Gras gefressen hat, enthält die Milch viele Nährstoffe, und der Käse wird besonders intensiv.
»Ich bin kein Schweizer, aber ein Eidgenießer. Ich komme aus Ostwestfalen, das ist eher flach. Trotzdem gab es bei uns zu Hause Käse mit Geschmack, meist Appenzeller. Die Vorliebe hat meine Mutter aus der Schweiz mitgebracht, da hat sie im Krankenhaus gearbeitet. Heute mag ich den St. Galler Bergkäse besonders gern. Der ist genau so, wie ein Bergkäse sein muss: unspektakulär, einfach lecker. Am liebsten esse ich Käse vom Stück gebrochen, mit Schweizer Ruchbrot, das ist aus grobem Weizenmehl. Ultradunkles Brot passt nicht, außer vielleicht zu Weichkäse. Und keine riesigen Obstgebinde dazu. Ein paar Trauben oder eine Birne und Walnüsse genügen. Richtig lecker finde ich den Fribourger Vacherin, einen Halbhartkäse; den darf man nicht mit dem weichen Vacherin Mont d’Or verwechseln. Er schmeckt cremig und würzig, ein bisschen erdig. Und er ist die Grundlage für das Fondue moitié moitié: halb Vacherin, halb Gruyère. Ich selbst mag am liebsten die klassische Variante, die gibt’s auch bei mir zu Hause. Ich wohne über meinem Laden, da muss ich nur schnell runterlaufen und die Profi-Käsereibe anwerfen.«
Stefan Caspers, schweizweit
Worauf man achten sollte
Kauft man den Käse am Stück, hält sich der Geschmack besser. Länger gereifter Käse lässt sich ohnehin nicht in Scheiben schneiden, er bricht dann. Soll er dennoch aufs Frühstücksbrötchen, empfiehlt sich ein Käsehobel.
Die Rinde kann man meist mitessen, auch wenn alte Rinden oft nicht besonders gut schmecken. Wenn der Käse erst nach der Reifung mit Kunststoff überzogen wurde, schadet das dem Geschmack nicht.
Am besten lagert man Käse im Kühlschrank, verpackt in Frischhaltefolie, die man fest auf die Schnittstellen drücken sollte.
Fleisch: Seltener Luxus
Dass Fleisch von Tieren stammt, vergisst man bei der abgepackten Ware aus dem Supermarkt leicht. Erste Köche und Bauern setzen sich nun für ein neues Bewusstsein ein.
Viele Gäste fragen, wo das Fleisch herkommt, das wir servieren«, sagt Artur Celuch, Küchenchef des Hamburger Restaurants Goldfisch. »Das Interesse an der Haltung der Tiere ist in den vergangenen Jahren eindeutig gestiegen.«
Zum Glück kann er auf solche Fragen mit einer guten Geschichte antworten: »Die Rinder, von denen unser Steak stammt, leben in Nebraska anderthalb bis zwei Jahre lang auf Weiden, Cowboys scheuchen sie durch die Gegend, die Tiere können sich richtig austoben. Dan Morgan, der die Ranch betreibt, habe ich einmal kennengelernt – der sieht selbst aus wie ein Cowboy, und wenn man ihm die Hand schüttelt, hat man das Gefühl, man greift in pures Leder.« Die letzten Wochen ihres Lebens verbringen die Rinder in Ställen und werden mit Mais gemästet. »Dadurch setzen sie in den Muskeln Fett an, das macht das Fleisch zart und gibt ihm ein buttriges, leicht süßes Aroma.«
Schwer vorstellbar, wenn man Artur Celuch in den Keller des Restaurants Goldfisch folgt. Als er die Kühlkammer öffnet, schlägt einem ein derber Geruch entgegen, roh, süßlich, streng. Hier lagern zwölf Brocken Rindfleisch, jeder etwa zehn Kilogramm schwer. Die Stücke in der unteren Reihe sind ganz mit einer weißen Schicht bedeckt, die Köche haben sie gerade erst mit einer Pilz-Lösung eingesprüht. So bildet sich außen um das Fleisch herum eine Art Rinde wie beim Käse. Diese soll das Fleisch während des Abhängens schützen. Das Fleisch in der oberen Reihe hat sich schon verändert, optisch nicht gerade zum Positiven – die trockene, kühle Luft und der Pilz haben das Fleisch an der Oberfläche ausgetrocknet, an einigen Stellen sprießt Schimmel, an anderen ist das Fleisch rotbraun und gummiartig geworden.
Wenn das Fleisch fertig gereift ist, schneiden die Köche die schimmelige Schutzhülle ab und legen so die Delikatesse frei (das Gesundheitsamt hatte nichts zu beanstanden). Sie teilen die Brocken mit einer Säge in Portionen und braten die Steaks am Knochen. Ein enormer Aufwand für einen seltenen Genuss.
Wer Fleisch als etwas Besonderes schätzt und nur selten isst, kann sich auch Bioqualität leisten. Und zwar am besten von Bioland, Naturland oder Demeter, denn diese Erzeugerverbände haben sich für die Tierhaltung strengere Regeln auferlegt, als es die EU verlangt.
Geschichten wie die von den Rindern und den Cowboys aus Nebraska tragen vielleicht dazu bei, das Bewusstsein dafür zu stärken, dass Fleisch nicht aus der Kühltheke kommt, sondern von Tieren. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch das Projekt »Meine kleine Farm«: Ein Biobauer und ein Student vermarkten »Fleisch mit Gesicht« – auf jedem Wurstglas ist ein Foto des Schweins zu Lebzeiten abgebildet, von dem das Produkt stammt.
Die Wurst von Schwein 1 (frischer Schlamm am Rüssel) bis Schwein 3 (lustiges Schlappohr) ist bereits ausverkauft, von Schwein 4 (rosa im Schnee) gibt es noch Rotwurst und Schlackwurst im Internet zu bestellen. Ihr Anliegen beschreiben die Initiatoren auf der Homepage: »Wer nur Fleisch mit Gesicht isst und auf anonymes Massenfleisch aus dem Discounter verzichtet, der reduziert seinen Fleischkonsum insgesamt und lernt Fleisch wertzuschätzen.«
Man kann sich unter www.meinekleinefarm.org auf Bildern davon überzeugen, dass die noch lebenden Schweine sich auf Wiesen, im Matsch und auf Stroh vergnügen – und die Wurst schon vorbestellen.
»Fleisch sollte ein Genuss sein, den man sich selten gönnt«
Wochenlang lässt Küchenchef Artur Celuch das Rindfleisch abhängen, dann schmecken die Steaks zart und buttrig. Er findet, dass man nicht täglich Fleisch essen sollte – aber wenn, dann nur allerfeinste Qualität.
»Das Fleisch, das wir anbieten, stammt von Black-Angus-Rindern aus Nebraska. Im Keller des Restaurants haben wir eine Kühlkammer, in der wir die etwa zehn Kilo schweren Stücke Rindfleisch nach der Dry-Aged-Methode vier bis sechs Wochen lang abhängen lassen. Das Verfahren, bei dem die Fleischstücke in einer Art Pilz-Rinde ruhen, wurde im New Yorker Restaurant Wolfgang’s Steakhouse entwickelt. In Deutschland sind wir die Einzigen, die Fleisch auf diese Weise reifen lassen. Das wochenlange Abhängen macht das Fleisch ganz zart und saftig. Das Steak-Menü kostet im Goldfisch für zwei Personen hundert Euro und ist für unsere Gäste etwas Besonderes, niemand leistet sich das jeden Tag. So mit Fleisch umzugehen, finde ich genau richtig: Es sollte ein Genuss sein, den man sich nur manchmal gönnt. Für meine Familie koche ich im Alltag oft Pasta und Gemüse, Fleisch gibt es nicht täglich. Vielleicht zweimal im Monat mache ich zu Hause zum Beispiel ein Schmorgericht, eine Rinderbacke oder eine Kalbshaxe, die vier bis sechs Stunden im Ofen gart. Dazu eine kräftige Soße, so esse ich Fleisch besonders gern.«
Artur Celuch, Küchenchef im Hamburger Restaurant Goldfisch
Worauf man achten sollte
Wichtig ist, auf die Maserung zu achten. »Wenn im Muskelfleisch feine Fettadern gleichmäßig verteilt sind, wird das Steak oder der Braten später saftig«, sagt Artur Celuch, Küchenchef im Restaurant Goldfisch.
Die Farbe verrät, ob das Fleisch frisch ist. Graue oder grün schimmernde Stellen sind ein schlechtes Zeichen. »Leider täuschen hier viele Anbieter die Käufer, zum Beispiel indem sie die Ware mit Infrarotlampen anleuchten«, sagt Celuch. »Diese Lampen sollten einen skeptisch machen, denn sie haben keinen anderen Zweck, als das Fleisch schön rot aussehen zu lassen.«
Beim Braten sollte nur wenig Fleischsaft austreten. »Sonst bedeutet das, dass die Ware gefroren war oder von vornherein mindere Qualität hat«, sagt Celuch.
Fisch: Guter Fang
Fisch essen mit gutem Gewissen – geht das überhaupt noch? Wichtig ist, auf die Arten und die Fangmethoden zu achten und bei Zuchtfischen auf Bio-Aquakultur.
Seit Hauke Neubeckers Kindheit hat sich viel verändert. »Damals war Lachs etwas Besonderes, es gab ihn nur zu Weihnachten«, sagt der Inhaber des Restaurants Jellyfish. »Aber in den vergangenen zwei Jahrzehnten ist er zur Massenware verkommen und in der gehobenen Gastronomie fast verpönt.« Der Besuch einer Aquakultur in Norwegen war ein einschneidendes Erlebnis. Ihn irritierte, dass so viele Fische auf engem Raum gehalten wurden und unnatürliches Trockenfutter aus einem Spender bekamen.
So beschloss Neubecker, in seinem Lokal keinen Fisch aus Aquakultur anzubieten. Lachs etwa kommt nur in seltenen Fällen auf die Karte, und wenn, dann wild gefangener.
Grundsätzlich sind Aquakulturen ein wichtiger Beitrag dazu, wilde Fischbestände zu schonen. Problematisch ist aber die Art der Tierhaltung: Zuchtlachse zum Beispiel leben meist in Netzkäfigen im Meer, wo sie zwischen Artgenossen eingepfercht sind. In konventioneller Aquakultur werden um die 25 Kilogramm Lachs pro Kubikmeter Wasser gehalten, was etwa zwei ausgewachsenen Tieren entspricht.
Ob es dem Lachs gut ging, kann man schmecken: Weiches Fleisch ohne klare Struktur, dafür große Fettablagerungen weisen darauf hin, dass der Fisch schlecht gehalten wurde.
In Bio-Zuchtfarmen haben Lachse etwa doppelt so viel Platz wie in konventionellen. Auch müssen Bio-Farmer darauf achten, dass für das Futter der Zuchttiere nicht extra gefischt wurde, wie es in konventionellen Farmen üblich ist – denn so wird der Ansatz, mit Aquakulturen die Meere zu entlasten, ad absurdum geführt. Fisch aus biologischer Aquakultur kann man also mit besserem Gewissen kaufen.
Trotzdem bietet Küchenchef Ludwig Ernst seinen Gästen nur Fisch an, der wild gelebt hat. Denn der ist sein Leben lang geschwommen und hat viel Muskelfleisch aufgebaut.
Beim Einkauf achtet Ludwig Ernst darauf, wie die Fische gefangen wurden. Die hoch industrialisierte Fischerei mit Schleppnetzen, in denen ganze Schwärme gefangen und sofort verarbeitet werden, lehnt er ab: Es werden dabei viele Tiere versehentlich mitgefangen und weggeworfen oder zu Fischfutter verarbeitet.
Wichtig ist ihm auch, ob die Arten schon überfischt sind. Statt Rotem Thun, der stark bedroht ist, nimmt er lieber Gelbflossenthun, der in vielen Fanggebieten noch in ausreichender Zahl zu finden ist. Ganz konsequent ist er hier allerdings nicht – Schwertfisch ist schon stark überfischt und steht trotzdem auf der Karte.
Eine gewisse Sicherheit, dass die Fischfang-Unternehmen auf umweltverträgliche Fangmethoden geachtet haben und die Bestände schonen, gibt das MSC-Siegel auf Verpackungen. Zwar wird das Label der Organisation Marine Stewardship Council dafür kritisiert, dass die Anforderungen zu gering seien. Umweltschützer bewerten das Gütesiegel dennoch in der Regel als hilfreich.
Wer im Fischgeschäft Lachs auswählt, sollte sich auf ein Kriterium nicht verlassen: die Farbe. Zwar hat Lachs, der wild gelebt hat, oft dunkelrot gefärbtes Fleisch. Die Farbe entsteht, weil sich der Fisch unter anderem von rötlichen Krebsen ernährt. Es gibt aber auch wilden Lachs, der andere Nahrungsquellen hatte und dessen Fleisch deshalb blass aussieht.
Lachs, der in Gefangenschaft gelebt und Pellets aus Fischmehl gefressen hat, entwickelt auf natürliche Weise kein rosiges Fleisch. Damit er in der Packung nicht fahl aussieht, versetzen die Produzenten das Futter oft mit Farbstoffen, meist Carotinoiden.
Leuchtet der Lachs also appetitlich orange, kann das auch ein Trick sein.
»Es soll auch in 20 Jahren noch Fische in den Meeren geben«
Küchenchef Ludwig Ernst serviert nur Fisch, der mit Leinen oder Angeln gefangen wurde. Schleppnetze, mit denen Industriefischer die Meere im großen Stil leeren, lehnt das Restaurant Jellyfish dagegen ab.
»Ich fahre jeden Morgen zu unseren Fischhändlern hier in Hamburg und gehe direkt in die Abteilung für Fische, die mit Leinen geangelt wurden. Bei dieser Fangart gehen von einem Boot etwa 20 Angeln aus. So kann der Fischer in der Bretagne gezielt einen Loup de Mer mit Ködern, die nur diese Fischart gern frisst, fangen. Während in der industriellen Großfischerei viele Tiere aus Versehen in den Netzen landen, ist Beifang bei dieser Methode so gut wie ausgeschlossen. Und der Fisch hat die Qualität, die wir in unserem Restaurant anbieten wollen, in Bezug auf Geschmack und Nachhaltigkeit. Ich serviere zum Beispiel Filets, auf der Haut gebraten, dazu nur einen Salat oder die südamerikanische Spezialität Ceviche, also in Limettensaft gegarte Filetstücke etwa vom Skrei – so esse ich selbst Fisch auch gerne. Natürlich kostet ein Fisch bei uns auch viel mehr als in Lokalen, die ihre Ware von Großfischereien beziehen, deren Fangmethoden den Meeren schaden. Deshalb erklären wir jedem Gast unsere Mission: Es soll auch in zwanzig Jahren noch Fische in den Meeren geben. So bekommen die Gäste bei uns nicht nur ein gutes Essen, sondern auch ein gutes Gefühl.«
Ludwig Ernst, Küchenchef im Restaurant Jellyfish
Worauf man achten sollte
Wenn mehrere Fische exakt gleich groß sind, deutet das darauf hin, dass sie aus einer schlechten Aquakultur stammen, in der die Fische alle exakt gleich viel Futter bekamen, gleich wenig Bewegung hatten und im gleichen Alter geschlachtet wurden.
Klare Augen und kräftig rote Kiemen gehören zu den Kriterien, die zeigen, dass der Fisch frisch ist. Allerdings tricksen manche Anbieter und färben die Kiemen künstlich ein.
Rote Flecken in Filets können Blutergüsse sein. Sie können entstehen, wenn die Fische mit Schleppnetzen gefangen und dabei stark zusammengequetscht werden.