Читать книгу Autor oder Autorin werden ... mein erstes Buch - Dieter Aurass - Страница 6
Kapitel 4 – Handwerkszeug
ОглавлениеDas erforderliche Handwerkszeug für Autorinnen und Autoren
Nachdem wir in Kapitel 3 auch über das Handwerk an sich gesprochen haben, stellt sich natürlich sofort die Frage nach dem richtigen Handwerkszeug – und gleich vorab:
Es gibt kein »Richtig« oder »Falsch«. Fast alles ist möglich und die verschiedenen Autorinnen und Autoren, die ich kenne, haben teilweise völlig unterschiedliche Ansätze, auf die ich im Einzelnen noch zu sprechen komme.
Selbstverständlich reichen Papier und Stift, um mit dem Schreiben zu beginnen, und viele Profis machen sich sogar auf diese Weise erste Gedanken oder schreiben Ideen so auf, um später darauf zurückzugreifen.
Natürlich kann man auch einen ganzen Roman auf Papier schreiben, aber spätestens bei der Überarbeitung wird es stressig, weil es dann eben nicht so einfach ist, Sätze umzubauen, Einfügungen zu machen ... und, und, und. Ich bezweifle auch ein wenig, dass heutzutage eine Agentur oder gar ein Verlag ein handschriftliches Manuskript so ohne Weiteres annehmen würden. Manche verlangen von Beginn an einen Ausdruck oder sogar ein elektronisches Dokument.
Was sagt uns das?
Ein Computer wäre schon von großem Vorteil.
Da sind die Anforderungen allerdings nicht wirklich hoch – selbst der älteste Computer mit einem einfachen Schreibprogramm (da gibt es bereits im Bereich der kostenlosen Programme richtig Gute) reicht völlig aus.
Es verhält sich da so ähnlich wie beim Autofahren: Um von A nach B zu kommen, reicht oft ein ganz billiger Gebrauchtwagen, der nur noch 6 Monate TÜV hat. Der Rest ist Schnickschnack ... der ist vielleicht manchmal ganz hilfreich und erleichtert einem das Leben so wie ein Navi im Auto, aber ... um ein Manuskript zu schreiben, ist das zu Beginn gar nicht unbedingt notwendig.
Es gibt viele erfahrene Autoren, die mit einer Zettelwirtschaft arbeiten, oder mit Haftnotizen, mit denen sie ganze Wände vollkleistern. Dann schreiben sie auf separaten Blättern grobe Planungen vor ... und irgendwann fangen sie an, das Ganze in die Maschine zu hacken.
Also gehen wir mal davon aus, dass ihr einen Computer habt und auch irgendein Schreibprogramm. Bis dahin muss das noch nicht viel kosten. Die professionellen Schreibprogramme kosten Geld und bieten tolle Werkzeuge, die bisweilen eine fehlende Fertigkeit zumindest ein wenig ausgleichen können, z.B. Rechtschreibung und teilweise sogar Grammatik. Sie bewahren einem unter Umständen vor gravierenden Fehlern.
Die Betonung liegt auf »unter Umständen«.
Hierzu möchte ich zwei kleine Beispiele anführen:
Eine junge Autorin gab mir ihren Text mit der Bitte, ihn mir mal anzusehen. Ich werde ihren Namen nicht nennen, aber der Text hatte schon fast Comedy-Charakter, obwohl es sich um einen Krimi handeln sollte. Und obwohl sie ein Programm verwendete, das Geld gekostet hatte, blieb sie nicht davor gefeit, Dinge zu schreiben, bei denen ich in lautes Lachen ausbrach.
Was sie zum Beispiel schreiben wollte, war:
Müllers Hund, Erwin, war eine reißende Bestie.
Was aber dort stand, war:
Der Hund von dem Herrn Müller der hieß Erwin und der war eine reizende Bestie.
Wirklich reizend, oder?
Auch nicht ganz unproblematisch war folgender Satz, als sie in Wirklichkeit wohl zum Ausdruck bringen wollte:
Erna Meiers Aktion machte die gesamte Planung des Kommissars zunichte.
Was da aber in ihrem Manuskript stand, war:
Die Aktion von der Frau Meier machte die Planung von dem Kommissar zur Nichte.
Zum besseren Verständnis: In der männlichen Version hätte dort gestanden: zum Neffen!
Was viele vielleicht überraschen wird, ist der Umstand, dass ... keines der von mir getesteten Schreibprogramme, selbst dasjenige, welches viele Profi-Autorinnen und Autoren benutzen, hat bei diesen wirklich lustigen Sätzen einen Fehler angezeigt. Ganz nach dem Motto:
Alles gut, alles in Ordnung, mach dir keine Sorgen!
Weder der durch den Dativ so grauenvoll ersetzte Genitiv (der Hund von dem Herrn Müller) noch die sinnentstellenden Worte wurden moniert.
Wir sind also offensichtlich noch weit davon entfernt, dass Computerprogramme uns jegliche Arbeit abnehmen oder Lektorat und Korrektorat ersetzen können. In den aufgeführten Sätzen waren alle Wörter richtig geschrieben, also hatte das Programm nichts zu meckern.
Das das Geschriebene keinen wirklichen Sinn macht und grammatikalisch grauenhaft ist, interessiert kein Programm der Welt (na ja, zumindest keines das ich kenne – wer ein solches Programm kennt, möge es mir bitte nennen, ich würde es sofort kaufen!)
Was lernen wir daraus? Hilfsprogramme sind nur eines von verschiedenen Werkzeugen. Ein sicherlich noch wichtigeres Werkzeug ist ... die Sprache beziehungsweise die Fähigkeit der Autorin oder des Autors, die Sprache richtig einzusetzen.
Dazu zählt als einer der wichtigsten Faktoren ... der Wortschatz der Person, die schreiben möchte.
Der gesamte Wortschatz der deutschen Sprache wird (je nach Quelle der Angaben) mit 300.000 bis 350.000 Wörtern angegeben.
Zum Vergleich: Goethe soll über einen Wortschatz von 80.000 Wörtern verfügt haben, was wirklich schon beeindruckend ist. Man darf dabei auch nicht vergessen, dass es zu Goethes Lebzeiten noch wesentlich weniger Wörter gab als heute.
Ein durchschnittlich gebildeter Sprecher der deutschen Sprache soll auf etwa 4.000 bis 10.000 Wörter zurückgreifen können. Im Alltag genügen angeblich 400 bis 800 Wörter, um sich adäquat zu verständigen.
An dieser Aussage wage ich ein wenig zu zweifeln, aber vermutlich kommt es darauf an, was man unter adäquat versteht.
Um im Urlaub auf Mallorca zu überleben und mich mit Essen und Getränken zu versorgen, reichen sie auf den Fall.
Dann unterscheidet man noch zwischen dem »aktiven« und dem »passiven« Wortschatz. Aktiv ist das, was ich in Gesprächen oder beim Schreiben, ohne nachzuschlagen, benutze – passiv ist das, was ich verstehe, wenn ich es höre.
Ihn einer Publikation habe ich gelesen, dass man einen »passiven Wortschatz« von etwa 20.000 Wörtern benötigt, um die Werke angesehener Autoren lesen und komplett verstehen zu können.
Ich glaube schon, dass es viele Menschen gibt, die über diesen Wortschatz verfügen (passiv) und nicht alle paar Seiten nachschlagen müssen, was ein bestimmtes Wort bedeutet. Aber hier zeigt sich wieder, was ich schon im 3. Kapitel angesprochen habe:
Wer viel liest, wird seinen passiven Wortschatz immer mehr erweitern und so verfestigen, dass zumindest ein Teil auch in den aktiven Wortschatz wandert.
Wer hätte vor einigen Monaten noch gedacht, dass vermutlich 80 - 90% der Deutschen einmal wüssten, was ein Virologe oder ein Epidemiologe ist und was die so machen.
Ein begrenzter Wortschatz führt dann manchmal zu Ergüssen, bei welchen zwar jeder versteht, was da gerade passiert, es sich aber nicht wirklich schön anhört oder liest:
Ein kleines Beispiel gefällig?
»Erst ist er ins Kino gegangen, danach nach Hause gegangen und als er dann zum Einkaufen gegangen ist, hat ihn der Kaufmann gefragt, wie geht`s und er hat gesagt, geht so.«
Es gibt wirklich sehr viele verschiedene Möglichkeiten, dafür zu sorgen, dass in dem obigen Satz nur ein einziges Mal eine Abwandlung von »gehen« vorkommt – was deutlich besser wäre.
Obwohl ... jeder hat sicherlich verstanden, worum es ging ... oh nein, besser: worum es sich drehte.
Nun aber noch zu einem anderen Werkzeug, das nicht wirklich viele Autorinnen oder Autoren einsetzen, dessen Gebrauch mich aber wirklich fasziniert hat:
Ein befreundeter Autor setzt sehr erfolgreich eine Diktat-Software ein.
Wenn jemand unter Legasthenie oder einer starken Rechtschreibschwäche leidet, oder aber mit lediglich zwei Fingern nur sehr langsam tippen kann und sich dabei noch oft vertippt ... für den wäre eine solche Software sicherlich eine große Hilfe.
Natürlich ist diese Software nicht ganz billig, aber wer das nötige Kleingeld hat, sollte, wenn er zu einer der vorgenannten Gruppen zählt, nicht an der falschen Stelle sparen.
Ich möchte natürlich nicht unerwähnt lassen, dass der befreundete Autor NICHT zu diesen Gruppen zählt ... er findet es einfach bequemer, hat sich nach einer Handverletzung eingearbeitet und möchte diese Art, seine Gedanken zu Papier zu bringen, nicht mehr missen.
Wie gesagt, es gibt viele Werkzeuge und Hilfsmittel, aber keines davon ist richtig, falsch oder unverzichtbar. Lasst euch nicht einreden, dass ihr ein bestimmtes Programm braucht oder am besten diese oder jene Vorgehensweise benutzt, um euch dem Schreiben zu nähern.
Wenn mir ein Autor berichtet, die besten Ideen kämen ihm auf dem Klo und er schreibe diese dann mit einem Filzstift an eine hellgrün getünchte Wand, die er später abfotografiert und den Text von einer Schreibkraft nach dem Foto übertragen lässt ... dann kann ich nur sagen:
»Toll, wenn du damit am besten zurechtkommst, ist das für dich genau das Richtige. Weiter so!«
Für mich wäre es vermutlich eher nichts, allerdings habe ich es auch noch nie ausprobiert.
Die allerbesten Werkzeuge sind unser Verstand, unser Gedächtnis und unsere Fähigkeit, beides vernünftig einzusetzen.
Ein weiterer Leitsatz für alle Autorinnen und Autoren sollte sein:
Schreibe nicht über etwas, von dem du keine Ahnung hast, und wenn doch, dann frage zuerst jemanden, der Ahnung hat oder recherchiere sehr sorgfältig im Vorfeld des Schreibens.
Auf das Thema Recherche und recherchieren komme ich später auch noch in einem eigenen Kapitel zu sprechen.