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5.

Der Jeep fuhr im Schritttempo die steile Piste aus Lehm und feinen Schottersteinen hoch. Eine Landschaft der wilden Idylle breitete sich bis hinunter ins Tal aus. Da waren verknorzte Teakholzstämme, immergrüne Bergkiefern, Farne und Bambuskolonien, die von kaum sichtbaren Pfaden durchzogen waren. Bauern stiegen mit geschulterten Harken den Hang hinauf. Nebel waberten die Hänge empor. Der Mekong war jetzt am frühen Morgen von hier oben noch nicht zu sehen.

Der Jeep hielt auf eine Siedlung der Akha zu, eines der vielen Bergvölker, die seit Jahrhunderten rund um das Goldene Dreieck siedelten. Bambushütten klebten am Hang unter den Feldern, durch die ein warmer Wind über ein Meer von Schlafmohnblumen strich und sanfte Wogen aus Tausenden von Kapseln erzeugte. Blütenblätter schimmerten feucht und zitterten im Morgenlicht. Papaver somniferum. Allein der Anblick konnte Seelenfrieden vermitteln.

Im Dorf spielten ein paar Kinder unter den Stelzenhäusern. Sie hieben mit krummen Stöcken auf alte Reifen ein und trieben sie so über den holprigen Lehmboden vorwärts. Als der Jeep langsam heranrollte, hörten sie damit auf und schauten neugierig herüber. Nok stieg aus dem Fahrzeug. Sie trug immer noch die schlapp-sackige Kleidung, die Wagner ihr gekauft hatte. Auch der Fahrer stieg aus, ein gut aussehender Mann mit glatten Gesichtszügen und vollem Haar. Er war vielleicht Mitte dreißig. Sein quer gestreiftes Polohemd steckte in einer beigefarbenen Hose mit Bügelfalten. Es war Noks Bruder. Er rief etwas zu einem großen Gebäude mit gekreuzten Giebeln hinüber.

Ein stämmiger Mann in zerschlissenen Jeans kam unter dem Stelzenhaus hervor, begrüßte Noks Bruder in gebrochenem Thai und nickte seiner Schwester stumm zu. Er wies die beiden zu einer schmalen Bambushütte, die gleich nebenan an einen Felsen gelehnt stand. Unter einem der Stelzenhäuser sah man auf einer Liege einen alten, ausgemergelten Mann mit nacktem Oberkörper. Er schickte in kurzen Abständen Schmerzensrufe durch das Dorf, während neben ihm Hühner den Boden nach Essbarem aufsuchten. Vor ihm hatte sich ein Pulk von Neugierigen gebildet: Meist Männer, aber auch Minderjährige, die sich zwischen den Erwachsenen drängten. Eine Frau in schwarzem Rock mit bunten Mustern an den Säumen hielt ein Kind in einem Tragetuch auf dem Rücken. Ein Mann mit Dreieckskopf kauerte am Boden. Neben seinen Füßen lag ein brauner, harziger Würfel und ein kleines Tongefäß, darin ein rußgeschwärzter Löffel. Der Mann griff zur Wasserpfeife, die neben ihm auf dem Boden stand, ein Schlauch mit Mundstück baumelte herab. Er reichte es dem Alten, der seine dürre Hand danach ausstreckte, während der Mann ein Feuerzeug über den Pfeifenkopf hielt.

Ton und Nok achteten nicht weiter darauf. Sie setzten sich auf zwei kleine Schemel aus Rattan, die im Schatten neben der Bambushütte standen. Der Clanchef hatte sich zurückgezogen. Die Sonne schimmerte nun durch die Nebelschwaden.

»Hier wirst du bleiben können, fürs Erste, oder müssen, wie man’s nimmt.« Ton fingerte eine Zigarettenschachtel aus der Brusttasche seines Hemdes. »Es ist vermutlich nicht ganz dein Geschmack, aber du hast keine andere Wahl. Im Übrigen war das mit der Hütte für dich kein Problem. Sie sind uns noch etwas schuldig. Du weißt ja: Mit den Kurierfahrten haben sie ziemlich gutes Geld verdient.«

Nok nickte. Sie sah übermüdet aus. Als sie ihr Foto in den Zeitungen gesehen hatte, war sie sofort mit dem Taxi zum Busbahnhof Mo Chit gefahren und hatte den nächsten Nachtbus nach Mae Sai genommen, einer Kleinstadt im äußersten Nordwesten des Landes, fast 900 Kilometer von Bangkok entfernt. Im Dunkel des Busses brauchte sie sich kaum Sorgen zu machen, erkannt zu werden, zumal sie schon im Taxi ein Kopftuch und eine Sonnenbrille getragen hatte. Mochte man sie für eine Muslimin halten, die es ja überall im Land gab, auch im hohen Norden. Im Morgengrauen hatte Ton mit seinem Jeep am Busbahnhof von Chiang Rai, der Provinzhauptstadt, gewartet, um die Kontrollposten der Armee und der Polizei zu umfahren, die vor allem dafür eingerichtet waren, um Drogenkuriere abzufangen. Noks Eltern in Mae Sai aufzusuchen, erschien ihr und Ton zu riskant, auch wegen der Nachbarn. Es war alles vorbereitet. Ton hatte Klebreis und Hühnerfleisch am Spieß gekauft, das Nok mit einer scharfen, grünen Chilisauce aus einer winzigen Plastikblase würzte, während Ton die Straße hinauf in die grün bewaldeten Berge nahm, die die Grenze zu Burma bildeten.

»Gut, dass er tot ist«, sagte Ton und beugte sich auf dem wackligen Schemel vor, während er die qualmende Zigarette zwischen den Lippen hielt. »Wir übernehmen quasi seinen Part wieder, wie vorher auch. Ich habe mir das schon überlegt. Du bringst die Steine nach Bangkok, sobald wieder Gras über diese Geschichte gewachsen ist. Du siehst schmal aus im Gesicht.«

»Ich war das nicht!«

»Das glaubt dir sowieso niemand. Es ist außerdem egal. Du wirst ohnehin gesucht, weil du ja nach Deutschland solltest.«

Nok schüttelte energisch den Kopf. »Das glaube ich nicht. Das wird den Behörden ziemlich egal sein, ob die Farang da zu ihrem Recht kommen. Die werden sich nicht viel Mühe geben, solange mich nicht wieder jemand auf dem Präsentierteller überreicht. Aber du hast recht: Gut, dass er tot ist. Und ich werde herausfinden, wer das getan hat, damit man mich in Ruhe lässt.«

»Nichts wirst du tun«, antwortete Ton hart und schnippte die Kippe weit von sich. »Du kannst ab und an mit nach Burma kommen, damit du die Wege kennenlernst. Das kann nicht schaden. Was ist mit diesem Farang?« Ton wandte sich seiner Schwester zu. »Der scheint ja unberechenbar zu sein. Wie kommt er dazu, dich einfach so aus dem Gefängnis zu ziehen? Ich meine, ist ja gut, dass er es gemacht hat, aber spinnt der? Sollen wir dafür sorgen, dass er geschnappt wird? Vielleicht glätten sich dann die Wogen etwas schneller.«

»Nein. Lass das!« Das war deutlich und bestimmt. Nok schaute hinunter ins Tal, aus dem die Nebelschwaden immer höher stiegen. Sie hatte Sehnsucht nach ihren Eltern, ihrer jüngeren Schwester, dem Haus, das sie ihnen dort unten gebaut hatte, als sie aus Deutschland zurückgekehrt war – mit dem Geld Lochners, das er beim Backgammon gewonnen oder ergaunert hatte, so ganz klar war das nicht. Jedenfalls hielten sich dadurch Noks Skrupel ziemlich in Grenzen, als sie es an sich genommen hatte. Und eigentlich auch, was seinen Tod anging. War nichts wert gewesen, der Kerl. Der Einzige, der sie jemals dermaßen über den Tisch gezogen hatte, dass sie … aber das war Vergangenheit.

»Nächste Woche kommst du am besten schon einmal mit«, schlug Ton vor. »Wir fahren hier über die Berge nach Burma, über Schleichwege. Wir nehmen wie immer einen der Akha mit. Die wissen, wie man an den Grenzern vorbeikommt. Und gleich im nächsten größeren Ort sitzt mein Händler. Zuverlässiger Typ. Hat saubere Steine.«

Nok nickte gedankenverloren. »Sauber, ja. Aber mit deinen dreckigen Amphetaminen lass mich in Ruhe. Damit will ich nichts zu tun haben.«

»Was ist? Denkst du an diesen Farang? Nok, ich kenne dich!«

German Cop

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