Читать книгу GEOCACHING 2.0 - Der neue Freizeitpark in Oberstdorf - Dieter Krampe - Страница 12
Kapitel 8 - Oytalhaus, Oberstdorf 09.02., 15:45
ОглавлениеDas Oytal liegt oberhalb der Erdinger Arena im Osten der Marktgemeinde Oberstdorf und wurde in Vorzeiten durch den Oybach als nach Osten abzweigendes Tal zwischen Schattenberg, Nebelhorn und Riffenkopf eingeschnitten. Über die Oystraße erreicht man in 1010 m Höhe nach 5 km das Oytalhaus, das in seinen Gasträumen bis zu 120 Personen bewirten kann.
Die letzten Sonnenstrahlen fluten von Westen her das einsame Tal; ein Steinadlerpaar zieht hoch oben seine Kreise, wahrscheinlich auf der Suche nach einem Abendschmaus.
Pächter Xaver Leitner feiert heute seinen 75. Geburtstag. Nach dem Tod seiner Frau Josefine im letzten Sommer ist die Gastwirtschaft leider ziemlich heruntergekommen. Die starke Hand seiner Frau führte die vier 450-Euro-Jobber am kurzen Zügel. Nun wurde das Personal immer phlegmatischer, der Service begann offensichtlich schlechter zu werden. Das vergangene Wintergeschäft sank um fast 35 %.
Dem alten Leitner schwindet zudem der Lebensmut, seine Kinder sind früh in die USA ausgewandert. Daher will er seine Pacht an den Verein der RECHTLER zurückgeben. Eine grundlegende Veränderung steht hier folglich in Kürze an. Wehmütig sitzt der Alte allein auf der Bank im Wintergarten und prostet sich mit einem halb gefüllten Weißweinglas selber zu.
Aus diesem Grund hat der provisorische neue Vorstandsvorsitzende der RECHTLER, Sägewerksbesitzer Ludwig Geiger aus Dietersberg, zu einem quasi geheimen Treffen ins Oytalhaus eingeladen. Von Seiten der RECHTLER sind der 61-jährige Landwirt Wilhelm Gruber aus Gerstruben und die nach der Ermordung des alten Vorsitzenden aufgerückte Kreszentia Schönauer, die Frau vom Förster aus Anatswald, anwesend. Die Delegation der Marktgemeinde Oberstdorf führt der Erste Bürgermeister Korbinian Einödhofer an. Dazu kommen seine Stellvertreter Pia Zorn-Teuffel und Wilhelm Hintertupfer.
Überraschend haben sich auch die Finanziers des Museum-Projektes angekündigt. Etwas verspätet fahren ein weißer Mercedes-AMG S63 und ein dunkelblauer Lexus NX 300h mit der Aufschrift „Projektentwicklung PROFORMA“ vor. Aus dem ersten steigen Katharina Gräfin zu Hohenstein, ihr Bruder Ulrich Winterscheid und beider Justiziar und Anwalt Dr. Werner Brandenburg aus Lindau bzw. Friedrichshafen aus. Der Fahrer des SUV ist der Landschaftsplaner Kurt-Georg Freiwasser aus München, der aus dem Kofferraum des Lexus neben seinem Laptop noch einen Beamer zaubert.
Xaver Leitner hat kurzfristig den Raum mit dem großen, grün gefliesten Kachelofen herrichten lassen. An der gegenüber liegenden Wand ist sogar eine weiße Leinwand aufgestellt. Der Architekt schließt sogleich seinen Laptop und den Beamer ans Stromnetz an.
Nach dem allgemeinen Händeschütteln platzieren sich alle so, dass sie freie Sicht auf die Leinwand haben. Dr. Brandenburg ergreift das Wort und stellt sich vor die Anwesenden.
„Guten Tag, werte Damen und Herren. Wir sind heute hier zusammengekommen, um die Pläne für das Museumsdorf „Hohenstein“ zu diskutieren. Ich darf mich zunächst vorstellen. Mein Name ist Dr. Werner Brandenburg. Ich arbeite für die EUROMIX Gruppe und die Gräfin zu Hohenstein, die wegen der Wichtigkeit heute sogar selbst teilnehmen will.“
Viele der Anwesenden drehen sich zur Gräfin um, die wohlwollend in die Runde winkt. Brandenburg wartet einen Augenblick und nickt dann zum Zeichen, dass es der Ehrerbietung für seine Mandantin nun genug ist.
„Am 3. Januar diesen Jahres gab der anwesende Bürgermeister Korbinian Einödhofer auf einer weit ins Land übertragenen Pressekonferenz bekannt, dass der Verein der RECHTLER, er nickt den drei Vertretern zu, „und die Marktgemeinde Oberstdorf“, Brandenburg wiederholt sein Nicken, nun aber in Richtung des Gemeinderates, „zum Zweck der Errichtung eines Museumsdorfes Grundbesitz in Birgsau und am Anfang des Oytales tauschen wird. In dem Dorf sollen einige Bauernhäuser im Stil des vorletzten Jahrhunderts original getreu errichtet werden, in dem dann alte Handwerkskünste präsentiert werden sollen.“
Nun gibt der Anwalt dem Architekten einen kleinen Fingerzeig. Der schaltet beide Geräte ein und der Entwurf eines Vertrages wird an der Wand sichtbar.
„Bevor ich die Diskussion zur Planung eröffne, möchte ich Ihnen diesen Vertragsentwurf vorstellen, in dem die Rechte und Pflichten der drei beteiligten Parteien dokumentiert werden.“
Während der nächsten fünf Minuten studiert jeder die einzelnen Passagen. Dann stecken die verschiedenen Gruppen die Köpfe zusammen. Ein gespenstisches Flüstern und Pispern erfüllt das Zimmer.
„So, werte Damen und Herren, ich glaube, allen sind alle Abschnitte nun bekannt. Möchte sich jemand dazu äußern?“
Ludwig Geiger meldet sich zu Wort: „Zunächst einmal mein Dank für Ihre Arbeit, Dr. Brandenburg. Ich möchte allerdings, dass die Tauschobjekte genauer beschrieben werden. Die Erfahrung hat uns gelehrt, bei Verträgen mit der Gemeinde sehr genau zu sein.“ Dabei schaut er verschmitzt in Richtung des Bürgermeisters.
Brandenburg möchte auf keinen Fall, dass Zwistigkeiten aufkommen und geht dazwischen: „Sehr richtig, Herr Geiger. Aber ich wollte der Diskussion nicht vorgreifen. Daher sind die Lokalitäten im Entwurf noch sehr grob. Zudem haben die Geldgeber noch kleine Veränderungen gewünscht, über die wir nun sprechen müssen. – Uns ist zu Ohren gekommen, dass zudem der Pächter dieses Gasthauses aus Altersgründen die Bewirtung abgeben möchte.“
Bei diesen Worten zuckt Pächter Xaver Leitner sichtlich zusammen. Ohne auf diese Emotion einzugehen fährt der Anwalt fort: „Daher wäre es schön, wenn wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen könnten, wie der Volksmund wohl so treffend formuliert. Und dazu haben wir uns Gedanken gemacht. Ich möchte Ihnen nun Herrn Kurt-Georg Freiwasser, den bekannten Architekten und Landschaftsplaner aus München vorstellen, der maßgeblich die Pläne für den „Europapark“ in Rust und den „Emscher Landschaftspark“ zwischen Hamm und Duisburg entwickelt hat. – Bitte, Herr Freiwasser, Sie haben das Wort.“
Freiwasser erhebt sich von seinem Stuhl und tritt nun vor die Leinwand, in der linken Hand die Fernbedienung, mit der er die nachfolgende Präsentation steuern kann.
In den nächsten zwanzig Minuten stellt er eine gewaltige Planänderung vor, die zunächst stummes Kopfschütteln bei den meisten Zuhören auslöst.
„Bei Ihren ersten Vorstellungen haben Sie bisher außer Acht gelassen, dass selbst bei der Annahme, es kämen ca. tausend Besucher an einem Ferientag, ein PKW- und Busparkplatz von einiger Größe vonnöten ist. Für das Museumsdorf samt ausreichendem Parkplatz ist das bisher angedachte Terrain oberhalb der Schattenbergschanzen zu schmal, zu klein und zu steil.“
Langsam wird Protest und Murren, insbesondere der RECHTLER, laut. Aber Freiwasser spricht unberührt weiter:
„Viel besser sind die Verhältnisse hier um das Oytalhaus herum. Bevor ich weiterspreche, darf ich Sie bitten, mir kurz nach draußen zu folgen, damit wir uns die Gegebenheiten in Natura anschauen können.“
Die ganze Gesellschaft macht sich auf den Weg auf die Sonnenterrasse. Nur Leitner bleibt zurück. Er verfolgt durch die Fensterscheibe, dass der Architekt quasi in alle Richtungen zeigt und Erklärungen abgibt. Nach zehn Minuten kehren alle wieder zurück.
„Bevor ich in eine detailliertere Planung einsteige, muss ich natürlich wissen, ob Sie mit meinen Vorstellungen „d´accord“ gehen.“ Freiwasser verschränkt die Arme.
Katharina Gräfin zu Hohenstein sieht die Verunsicherung der meisten und bittet unaufgefordert um Gehör: „Liebe Damen und Herren, zunächst möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen, und zwar dafür, dass wir heute eine Änderung unseres Projektes vornehmen müssen. Mein Bruder und ich hatten in der Euphorie meiner Befreiung aus den Händen der Entführer spontan zugesagt, die Investitionslücke selbst zu schließen, die durch das Aussteigen der Partnerfirma entstanden ist. Die Analysten meines Konzerns haben das neue, kleinere Projekt akribisch unter die Lupe genommen und selbst mit spitzestem Bleistift eine sehr wahrscheinliche Unrentabilität festgestellt. In einem Satz gesagt, ein Museumsdorf mit fünf Bauernhäusern lohnt die Investition nicht. Vorher hatten wir auch nicht an das Parkproblem gedacht. Ein erfolgversprechendes Konzept sieht aber unweigerlich einen ausreichenden Parkraum vor, eventuell durch ein Parkhaus. Würden wir an den Museumsbereich, der mir wirklich sehr am Herzen liegt, eine abgespeckte Version des ursprünglich vorgesehenen Erlebnisparks angliedern, könnte sich Dr. Kunze, Sie wissen, der Vorstandschef der CHAT Medical Germany aus Berlin, vorstellen, wieder bei uns einzusteigen. Und ich glaube, der Chemiekonzern möchte seine vorher getätigten Investitionen nicht abschreiben.“
Bei diesen Worten blendet Freiwasser eine Skizze der Neuplanung im hinteren Oytal ein und erklärt weiter:
„Im nördlichen Teil des Tales könnte man sich zudem eine weitere Skiabfahrt mit Seilbahn vorstellen, ein Projekt für die Zukunft. Ein gutes Hotel und eine Klinik oder Kuranlage sorgen für weitere Einnahmen. Hierzu würde ich die Gründung einer unabhängigen Investitionsgesellschaft vorschlagen, die aus Mitteln der EUROMIX Technology und meinem Privatvermögen und wahrscheinlich der CHAT finanziert wird. Bei der Gewinnausschüttung sollen alle in einem noch zu verhandelnden Schlüssel beteiligt werden, folglich auch die Gemeinde Oberstdorf und der Verein der RECHTLER. Weitere Anteileigner könnten noch die Klinik, der Restaurationsbetrieb in beiden Parkteilen und eine namhafte Hotelkette werden.“
Der Landschaftsplaner setzt sich und schaut erwartungsfroh in die Runde. Die ist erst einmal sprachlos, dachten doch die meisten, heute würde nur die Verpachtung des Oytalhauses anstehen.
Korbinian Einödhofer steht auf. „Ich brauche nicht zu betonen, dass ich immer der Meinung war, wir müssen neue Anreize für den Tourismus im Ort schaffen. Aber was soll das denn die Gemeinde kosten?“
Auch Ludwig Geiger sieht sich genötigt, eine Frage zu stellen: „Genau, was soll das unseren Verein kosten?“ Mehr fällt ihm ad hoc nicht ein. Er denkt aber augenblicklich an die Proteste, die sicherlich von einigen fanatischen Vereinsmitgliedern ins Feld geführt werden.
Nun erhebt sich Freiwasser erneut: „Ich sehe Ihre Sorgenfalten. Es geht sicherlich um eine zweistellige Millioneninvestition. Aber wie Sie den Worten der Gräfin zu Hohenstein bereits entnommen haben, gibt es für Sie beide“, er schaut dabei abwechselnd Einödhofer und Geiger an, „höchstens geringfügige finanzielle Belastungen bei der Errichtung der erweiterten Infrastruktur. Sie müssen nur die benötigten Weideflächen im Oytal bzw. bei Birgsau zur Verfügung stellen und den Tausch grundbuchamtlich festschreiben. Außerdem müssen Sie natürlich für die Akzeptanz Ihrer Mitglieder sorgen. Aber das können Sie sicherlich auch im kommenden Wahlkampf zur Bürgermeisterwahl thematisieren.“
Die beiden Angesprochenen nicken, um damit anzuzeigen, dass sie die Antwort verstanden haben.