Читать книгу GEOCACHING 2.0 - Der neue Freizeitpark in Oberstdorf - Dieter Krampe - Страница 5
Kapitel 1 - Krankenhaus Bielefeld 31.01., 17:30
ОглавлениеDicke Regentropfen klatschen an das geschlossene Fenster des Krankenhauszimmers. Draußen werden die kahlen Zweige der Kastanienbäume hin und her geschleudert. Ein Nordwesttief fegt über den Teutoburger Wald und peitscht durch die Straßen der Leineweberstadt. Die Parkplatzlaternen werfen gespenstische Schatten an die gegenüberliegende Wand des Zimmers, die wie Spinnenbeine nach unsichtbaren Gegenständen greifen. Die Rollos an den zwei Kippfenstern sind halb heruntergelassen.
Die Notbeleuchtung neben der Zimmertür wirft ein zusätzliches bleiches Licht in den Raum. Nur mühsam lassen sich in der Dunkelheit der hereinbrechenden Nacht zwei Krankenbetten ausmachen. Das rechte ist leer und frisch bezogen, im linken hebt und senkt sich der Brustkorb eines Patienten, der schwer atmend auf dem Rücken liegt und offensichtlich eingenickt ist.
Robert Schibulsky dreht sich um. Ein breites Lächeln lockert das ernste Mienenspiel. Die Abendsonne lässt das „Krantor“ erstrahlen. Hier muss der Treffpunkt sein. Er holt seine Lesebrille aus der Westentasche und betrachtet nachdenklich die Gedenktafel. Er steht vor dem Häckertor in Danzig, dem „Brama Straganiarska“, und betrachtet die daran befindliche Gedenktafel:
Tatsächlich, er traut seinen Augen nicht. Da steht sein Name. Nur in seltsam ungewohnter Schreibweise. Noch ganz in Gedanken versunken, vernimmt er plötzlich ein Klicken wahr, ein Klicken aus mindestens fünfzig Metern Entfernung, ein Klicken, das er in seiner Dienstzeit als Hauptkommissar in Bielefeld mehrmals gehört hatte. Irgendwo hinter ihm wird gerade ein zerlegbares Gewehr zusammengesetzt.
Robert dreht sich langsam um und schaut dabei zunächst unauffällig in die Luft. Es sieht so aus, als verfolgt er aufmerksam ein imaginäres Flugzeug, das durch den Abendhimmel schwebt. Dann senkt er blitzschnell den Blick. Auf der anderen Seite des Flusses blitzt im Licht der letzten Sonnenstrahlen direkt neben dem Schiffsmuseum Sołdek ein Gewehrlauf auf. Robert reagiert intuitiv und wirft sich augenblicklich auf die rechte Seite, gleichzeitig peitscht ein Schuss über die Wasserfläche.
Ein brennender Schmerz durchzuckt seinen rechten Oberschenkel. Schlagartig reißt er die Augen auf. Die Dunkelheit reicht gerade aus, dass Robert realisiert, dass die Türklinke zu seinem Krankenzimmer von außen vorsichtig gedrückt wird. Langsam öffnet sich die Tür mit leichtem Quietschen. Robert hält den Atem an, seine Hirnzellen starten von null auf hundert. Aber er ist noch verwirrt. Was war das gerade - Traum oder Wirklichkeit? Das ist hier die Frage. Er liegt bewegungslos unter seinem schweren Federbett.
Von außen schiebt sich ein massiger Körper in das Zimmer. Die Person trägt offensichtlich eine eng anliegende Kappe und einen Mantel. Fast auf Zehenspitzen nähert sie sich dem Krankenbett. Robert lässt ein leichtes Schnarchen ertönen. Jetzt greift die rechte Hand des Unbekannten in Richtung Roberts Nase.
Das ist der Moment. Blitzschnell schnellt Roberts linker Arm nach oben, greift sich den Arm des Unbekannten, zieht ihn nach unten aufs Bett. Gleichzeitig rammt er sein linkes Knie in den Magen des anderen, der vom Angriff des Patienten vollkommen überrascht wird und perplex nach hinten auf den Rücken stürzt. Solarplexus, das haut den stärksten Neger um!
Robert drückt euphorisch den Lichtknopf hinter dem Krankenbett und schwingt sich gleichzeitig mit einem Schmerzschrei auf die Bettkante hoch. Seine linke Hand zieht bereits die oberste Schublade des Krankentischchens auf und greift nach seiner „Notfallwaffe“.
Der am Boden liegende Mann trägt eine grüne Schutzhaube und einen grünen Schutzkittel. Trotz dieser Verkleidung erkennt Robert jetzt den Angreifer; unverzüglich stellt er seine Aktionen ein, kann sich aber trotz des Schmerzes im Oberschenkel ein lautes Lachen nicht verkneifen. Unbemerkt vom Opfer lässt Robert das kleine Küchenmesser, mit dem er stets seinen „apple a day“ schält, wieder ganz in der Schublade verschwinden.
„Baranowski, Mensch, Siggi, was schleichst du denn hier herum?“ Sein Ex-Kollege Siegfried Baranowski, der korpulente 58-jährige Hauptkommissar der Mordkommission in Bielefeld, rappelt sich auf und zieht sich am Bettrahmen hoch.
„Du machst mir Spaß, Robby. Anstatt mir dankbar zu sein, dass ich meinen alten Kumpel hier im Krankenhaus besuchen komme, schlägst du mich selber krankenhausreif.“
Seine ernste Miene kann Siegfried aber nicht lange halten, dann prustet er los und fällt Robert um den Hals. „Du solltest doch deinen Ruhestand genießen und nicht länger James Bond spielen.“
„Tut mir leid, altes Haus, aber ich hatte wohl gerade einen furchtbaren Traum. Darin wollte mich jemand hinterrücks um die Ecke bringen.“
Baranowski fällt ihm ins Wort. Dabei schüttelt er zunächst den Kopf, dann nickt er: „Das habe ich mir doch schon immer gedacht. Nach vierzig Jahren Bulle hat jeder ´nen Dachschaden. Auch du, mein Lieber.“
Robert hält inne, dann schüttelt er zunächst den Kopf, um anschließend zustimmend zu nicken. „Vielleicht hast du ja Recht. Aber du hast mir noch nicht erklärt, warum du hier herumschleichst, und dann in dieser Maskerade.“
„Ich hatte deine Kerstin heute Morgen am Kesselbrink getroffen. Die hat mir erzählt, dass du noch immer hier im Krankenhaus liegst. Da dachte ich, besuch mal deinen armen, alten Kumpel Robby.“
„Das ist ja auch fein von dir.“ Beide schneiden eine Grimasse und strecken sich gegenseitig die Zunge heraus.
„Ich war nach dem Dienst kurz nach fünf hier, aber du hast geratzt, als würdest du gerade den gesamten Teutoburger Wald umsägen. Da bin ich erst mal runter in die Cafeteria im Erdgeschoss und hab mir ein Fläschchen genehmigt. Du weißt ja, die Luft in Krankenhäusern ist überall so furztrocken.“
„Aber, Siggi, Alkohol im Dienst? Du lernst es wirklich nie mehr!“
„Nix da, Alkohol im Dienst, hast du schon mal was von „Erdinger alkoholfrei“ gehört?“
Schibulsky schüttelt ungläubig den Kopf. „Und weiter jetzt, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen.“
„Als ich jetzt gerade zu deinem Zimmer zurückkomme, entdecke ich das Warnschild an der Tür:
Bitte vor Eintritt beim Pflegepersonal melden!
Daneben steht ein Spender mit Hygieneausrüstung. Da weiß natürlich jeder, was das bedeutet. Und ich habe mir rasch den Schutzkittel, die Handschuhe, die Schuhüberzieher und den Mundnasenschutz angezogen.“
„Ja, toll, Siggi, und so schleichst du hier rein wie ein Einbrecher. Hoffentlich hat´s wenigstens weh getan.“
Baranowski reibt sich den Rücken, lässt sich in den Besucherstuhl fallen, wechselt jetzt abrupt das Thema: „Was ist denn nun mit dir? Ich denke, du hast nur dein Bein gebrochen? Müsstest du nicht längst wieder zu Hause sein?“
„Schön wär´s!“, nickt Robert. „Meine Knochen sind leider morscher als ich gedacht habe. Osteoporose, auf Deutsch: Knochenschwund.“
„Und das bedeutet?“, fragt Siegfried mit großen Augen.
„Mit guten Knochen hätte ich bei so einem leichten Oberschenkelhalsbruch ein paar Schrauben bekommen, jetzt haben die mir gleich ein ganz neues Hüftgelenk verpasst“
„Das Ersatzteillager lässt grüßen“, prustet Siggi dazwischen. „Aber das hat mein Vater doch auch, und das mit über neunzig.“
„Damit komme ich ja auch gut klar. Ich muss täglich gehen und mein Bein belasten. Aber meine Operationsnarben wollen nicht richtig heilen. Ich muss mir in Oberstdorf wohl diese MRSA eingefangen haben.“
„Ach, jetzt verstehe ich, was Kerstin meinte“, nickt Siegfried seinem alten Kollegen zu. „denn sie weiß noch nicht, wie lange du hier bleiben musst.“
„Ja, Siggi, das ist eine ganz schöne Scheiße. Die Ärzte haben schon zwei verschiedene Medikamente ausprobiert, aber die Wunden wollen und wollen nicht heilen.“
„Na, immer mit der Ruhe, altes Haus. Das wird schon wieder werden.“
„Dein Wort in Gottes Ohr.“ Robert wundert sich selbst über seine Erwiderung, zumal er doch mit der Kirche nicht mehr viel am Hut hat.
Nach einem Augenblick absoluter Stille beugt Baranowski sich verstohlen vor und flüstert: „Und wieso hast du diesen Oberschenkelhalsbruch, Robby? Bist du bei einer deiner berühmten Verfolgungsjagden versehentlich gestolpert?“ Dabei lächelt Siggi seinen Kumpel Robby süffisant ins Gesicht.
„Quatsch, du Scherzbold. Dieser Bobo, du weißt schon, dieses Bürschchen aus Münster, über das du für mich recherchiert hattest, wollte mit zwei Millionen Lösegeld mit einem Motorrad abhauen und hat mich dabei rücksichtslos umgenietet. Später wurde er dann auf der Flucht erschossen. Das war die gerechte Strafe, oder?“
„Ja, sicher, Robby, Nasreddin Babayigit, ich erinnere mich, Dreifach-Mörder. Stand sogar hier in unserem Käseblatt.“
Robert nickt: „Und seinen Komplizen aus Münster haben wir auch gleich einkassiert. Aber von ihren beiden Freundinnen habe ich nichts mehr gehört. Die müssen sich wohl schnell verdünnisiert haben.“
„Keine Ahnung, aber du kannst ja den Hauptkommissar Thiel aus Münster selbst fragen, wenn du wieder auf den Beinen bist. Vielleicht erzählt er dir mehr als mir?“