Читать книгу Die Rehabilitation des Christus Gottes - Dieter Potzel - Страница 19
Dogmen und Lehrsätze -
Bollwerk kirchlicher Hierarchie
gegen den Freien Geist
ОглавлениеDie Lehre des Jesus, des Christus kennt keinen Zwang, und somit setzte Er auch weder Dogmen, Glaubenssätze noch Rituale oder Kulte ein.
Die Dogmen, Glaubens- und Lehrsätze institutioneller Hierarchien beruhen auf Machtanspruch und Ausgrenzung. Sie bilden das von Menschen erdachte Bollwerk des „Glaubens“, um die eigenen Anhänger gefügig zu machen und Andersgläubige herabzusetzen und auszugrenzen, bis hin zu deren Verfolgung und Ausmerzung.
Was durch die Priesterhierarchie im Verlauf der Jahrhunderte an klerikalem Fesselwerk entstanden ist, erweist sich für denjenigen, der in dieses Lehrgebäude tiefer hineinschaut, als Missbrauch, der gleichzeitig ein Verrat an Jesus, dem Christus, und Seiner Lehre ist.
Dieser Verrat an der Lehre des großen Weisheitslehrers Jesus von Nazareth bildet die Grundlage für die mehr als 1700-jährige Unheilsgeschichte der Großkirchen, die sich in irreführender Weise „christlich“ nennen.
Dieser Verrat bildet auch den ideellen Zündstoff für die Unterjochung der Völker, die mit dem Begriff „Missionierung“ verbrämt wurde. Er führte durch alle Jahrhunderte zur Ausgrenzung, Verfolgung und Unterdrückung all jener, die sich nicht unter das Herrschaftsjoch der kirchlichen Machthaber fügten und fügen. Diese Leidensspur, die sich durch die Geschichte der Menschheit zieht und Abermillionen Opfer im Staub der Geschichte zurückließ, ist beispiellos und umso unfassbarer, als sie unter Missbrauch des Namens des Friedefürsten Jesus, des Christus, mit Feuer und Schwert unter die Menschen gebracht wurde.
Immer wieder haben mutige Männer und Frauen, Gottespropheten, Nachfolger des Jesus von Nazareth, weise Menschen und wachsame Denker diesen Betrug an der Lehre und dem Wesen des Christus Gottes aufgezeigt. Viele davon mussten dafür mit ihrem Leben bezahlen, insbesondere in der Zeit der Hexenverfolgung und der Inquisition.
Wem dient die Kirche? Dostojewskis „Großinquisitor“ entlarvt
Ein großer Denker, der diesen Missbrauch klar erkannte, ist der russische Schriftsteller Fjodor Dostojewski (1821-1881). In der Novelle „Der Großinquisitor“ in dem Roman „Die Brüder Karamasow“ verfasste Dostojewski eine der tiefsinnigsten Analysen der römisch-katholischen Priester-Religion und entlarvte darin deren Beweggründe für den Missbrauch des Namens Christus.
Schauplatz der Novelle „Der Großinquisitor“ ist die spanische Stadt Sevilla im 16. Jahrhundert, in der die Scheiterhaufen der Kirche loderten und die Gesellschaft sich an den Hinrichtungen der „Ketzer“ unter Anleitung des Großinquisitors ergötzte.
In diese Zeit hinein lässt Dostojewski Christus wieder erscheinen. Das Volk erkennt Christus und liegt Ihm zu Füßen – so lange, bis der greise Großinquisitor Ihn verhaften lässt. Am Abend zuvor hatte der Großinquisitor vor der ganzen höfischen Gesellschaft und allen Bürgern Sevillas bereits hundert „Ketzer“ auf einmal verbrannt – „ad majorem Dei gloriam“, das heißt „zur höheren Ehre Gottes“. Dostojewski schildert, wie der mächtige Kirchenmann um Mitternacht die Zelle aufsucht, in der Christus gefangen gehalten wird, und Ihn in Monologen anklagt:
Er bleibt am Eingang stehen und sieht Ihm lange – ein bis zwei Minuten lang – ins Gesicht. Endlich tritt er leise näher, stellt den Leuchter auf den Tisch und sagt zu Ihm: „Bist Du es? Ja?“ Aber ohne eine Antwort abzuwarten, fügt er schnell hinzu: „Antworte nicht, schweig! Und was könntest Du auch sagen? Ich weiß recht wohl, was Du sagen willst. Aber Du hast kein Recht, dem, was Du früher gesagt hast, auch nur ein Wort hinzuzufügen.
Warum bist Du denn hergekommen, uns zu stören? Denn dazu bist Du gekommen, und Du weißt es selber. Weißt Du aber auch, was morgen geschehen wird? Ich weiß nicht, wer Du bist, und will auch gar nicht wissen, ob Du es wirklich bist oder ob Du nur Seine Gestalt angenommen hast; aber gleich morgen werde ich Dich verurteilen und als den schlimmsten aller Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrennen; und dasselbe Volk, das heute Deine Füße geküsst hat, wird morgen schon auf einen Wink von meiner Hand hin zum Scheiterhaufen stürzen, um dort die Kohlen zu schüren, weißt Du das?“
Nach dieser Drohung klagt der Großinquisitor Christus an:
„Hast Du nicht damals so oft gesagt: »Ich will euch frei machen!«? Nun, jetzt hast Du sie gesehen, die freien Menschen! (…) Ja, dieses Werk hat uns viel Mühe gekostet,“ fügte er gleich hinzu, indem er Ihn streng anblickte, „aber wir haben es zu Ende geführt, endlich, in Deinem Namen. Fünfzehn Jahrhunderte lang haben wir uns mit dieser Freiheit abgequält, aber jetzt sind wir damit fertig, fertig für alle Zeiten.
Du glaubst nicht, dass wir damit fertig geworden sind für alle Zeiten? Du siehst mich mit Deinen sanften Augen an und würdigst mich nicht einmal Deines Unwillens? So wisse: Jetzt, gerade heute, sind die Menschen mehr denn je davon überzeugt, sie wären frei, ganz frei; und dabei haben sie selber uns ihre Freiheit dargebracht und sie uns gehorsam zu Füßen gelegt. Das war unser Werk.“
Der Großinquisitor gesteht offen die Verdrehung der Lehre des Jesus von Nazareth ein und setzt seine Anklage fort:
„Und dann werden wir auch ihren Turm zu Ende bauen; denn zu Ende bauen wird ihn der, der die Menschen satt macht; satt machen aber werden nur wir sie, in Deinem Namen – denn, so wollen wir es dann sagen und lügen, dass es in Deinem Namen geschehe.
Niemals, zu keiner Zeit, werden sie ohne uns satt werden. Keine Wissenschaft wird ihnen Brot geben, solange sie frei bleiben, und das Ende wird sein, dass sie uns ihre Freiheit zu Füßen legen und zu uns sagen: Knechtet uns lieber, aber macht uns satt!’
Sie werden schließlich selber einsehen, dass die Freiheit und das Brot – beide zusammen – nicht denkbar sind, denn niemals werden die Menschen das Brot miteinander zu teilen verstehen.“
„Wir werden sie abermals betrügen“
Unverhohlen gesteht der Großinquisitor den Betrug an der Menschheit ein. Dostojewski lässt den greisen Kardinal sprechen:
„Und sie werden uns anstaunen und uns für Götter halten, weil wir, die wir uns an ihre Spitze stellen, uns bereit erklärt haben, die Freiheit, vor der sie zurückgeschreckt sind, auf uns zu nehmen und über sie zu herrschen – so entsetzlich wird es für sie geworden sein, frei zu sein. Wir aber werden sagen, wir seien Dir gehorsam und herrschten in Deinem Namen. Wir werden sie abermals betrügen, denn Dich werden wir nicht mehr zu uns einlassen.“
Der Großinquisitor spricht weiter:
„Aber nur der bemächtigt sich der Freiheit der Menschen, der ihr Gewissen beruhigt. Mit dem Brote ward Dir die unbestrittene Macht über die Menschen geboten: Gibst Du Brot, so werden Dich die Menschen anbeten, denn am Brote zweifelt niemand. Wenn aber zu gleicher Zeit einer sich ihrer Gewissen bemächtigt, ohne dass sie darum wüssten – o glaube mir, dann lässt er sogar Dein Brot im Stich und folgt demjenigen nach, der sein Gewissen beruhigt.“
Der Großinquisitor klagt Christus an, dass Er den Menschen das Gewissen vertiefte, statt es zum Schweigen zu bringen. Er spricht:
„Das ist die Wahrheit, aber was tatest Du? Statt das Gewissen zu beherrschen, hast Du es nur noch tiefer gemacht. Oder hast Du vergessen, dass Ruhe, dass der Tod sogar dem Menschen lieber ist als die freie Wahl zwischen Gut und Böse? Nichts ist verführerischer für den Menschen als die Freiheit seines Gewissens; nichts aber peinigt ihn auch mehr.
Statt nun dem Menschen ein für allemal feste Grundlagen zur Beruhigung seines Gewissens zu geben, wiesest du ihm alles zu, was es Ungewöhnliches, Rätselhaftes und Unbestimmtes gibt, alles, was über die Kräfte der Menschen hinausging, und handeltest ganz wie einer, der die Menschen nicht liebt, Du, der Du doch gekommen warst, um das eigene Leben für sie hinzugeben! Statt die Freiheit der Menschen in Deine Gewalt zu bringen, hast Du sie noch vermehrt und hast die Seele des Menschen für allezeit mit ihren Qualen belastet.
Dein Wunsch war die freie Liebe des Menschen; frei sollte er Dir nachfolgen, entzückt und bezaubert von Dir. Statt sich nach den alten harten Gesetzen zu richten, sollte der Mensch von nun an selbst mit freiem Herzen entscheiden, was gut, was böse sei, mit Deinem Beispiel vor der Seele. (…)
Es gibt drei Gewalten, drei, nicht mehr, auf Erden, die imstande sind, für ewig das Gewissen dieser schwächlichen Rebellen zu besiegen und zu fesseln, zu ihrem Glück.
Und diese drei Gewalten sind: das Wunder, das Geheimnis und die Autorität. Du hast die eine und die andere und auch die dritte von Dir gewiesen und den Menschen also ein Beispiel gegeben.“
Mit diesen Worten beschreibt Dostojewski die Grundfesten der Kirche: Das Wunder, das Geheimnis und die Autorität, die auf den vom Großinquisitor verlangten festen Satzungen und harten Gesetzen basiert, den unveränderbaren Dogmen.
„Wir haben Deine Tat verbessert“
Weiter spricht der Großinquisitor über die Macht der Wunder und der Zauberei, die den Kulten zugrunde liegt und er wirft Christus vor, dass Er diese verwarf. Der Großinquisitor setzt seinen Monolog fort:
„Du wusstest wohl, dass Deine Tat in den Büchern der Menschen aufbewahrt werden und bis ans Ende der Zeiten und bis an die letzten Grenzen der Erde gelangen würde, und Deine Hoffnung war, auch der Mensch werde, indem er Deinem Beispiel folgte, in der Gemeinschaft mit Gott bleiben und des Wunders nicht bedürfen.
Aber Du wusstest nicht, dass der Mensch, sobald er das Wunder ablehnt, zugleich auch Gott ablehnt; denn der Mensch sucht nicht so sehr Gott, als das Wunder. Und da der Mensch nicht imstande ist, ohne Wunder auszukommen, so wird er sich neue Wunder schaffen, eigene Wunder, und wird an die Wunder von Zauberern und an die Hexenkünste alter Weiber glauben, mag er auch hundertmal ein Rebell, ein Ketzer und ein Atheist sein.
Du bist nicht vom Kreuz herabgestiegen, als sie Dir – indem sie Dir die Kleider vom Leibe rissen und Dich verhöhnten – zuriefen: »Steig vom Kreuz herab, und wir werden glauben, dass Du der Sohn Gottes bist.« Du bist nicht herabgestiegen, weil Du wiederum die Menschen nicht durch ein Wunder knechten wolltest und einen freien Glauben wünschtest, keinen Wunderglauben. Du wünschtest eine freie Liebe und nicht das sklavische Entzücken der Unfreien über eine Macht, die ihnen ein für allemal Schrecken einflößt. Aber Du dachtest zu hoch von den Menschen, denn sie sind nun einmal Sklaven, wenn auch zur Empörung geschaffen. Schau um Dich und urteile selbst!“
Der Kardinal erhebt sich daraufhin über Christus:
„Bist Du denn wirklich nur zu den Auserwählten und für die Auserwählten geraden Weges vom Himmel heruntergestiegen? Wenn ja, so ist dies ein Geheimnis, das wir nicht zu begreifen vermögen. Wenn es aber ein Geheimnis ist, so haben auch wir das Recht, das Geheimnis zu verkünden und die Menschen zu lehren, dass nicht der freie Entschluss ihrer Herzen und nicht die Liebe das Entscheidende ist, sondern eben das Geheimnis, welchem sie blind – ja gegen ihr eigenes Gewissen – gehorchen müssen. Und so haben wir auch gehandelt.
Wir haben Deine Tat verbessert und sie auf das Wunder, auf das Geheimnis und auf die Autorität gegründet.
Und die Menschen sind froh, dass wir sie abermals führen wie eine Herde und dass wir aus ihren Herzen die furchtbare Gabe wieder stahlen, die ihnen soviel Qual gebracht hat.
Sprich, haben wir recht gehandelt? Haben wir etwa nicht die Menschheit geliebt, als wir so freundlich ihre Schwäche anerkannten, ihre Bürde liebevoll erleichterten und ihrer schwächlichen Natur sogar die Sünde gestatteten, wenn sie mit unserer Erlaubnis geschah? Warum bist Du also gekommen, uns zu stören?“
„Wir sind nicht mit Dir, sondern mit ihm“
Christus schweigt, was den Kirchenmann zunehmend unruhig macht. Vorwurfsvoll fährt er fort:
„Und warum siehst Du mich so still und durchdringend an mit Deinen sanften Augen? Werde doch zornig! Ich will Deine Liebe nicht, weil auch ich selbst Dich nicht liebe. Und was könnte ich Dir verbergen? Als ob ich nicht wüsste, mit wem ich rede! Was ich Dir zu sagen habe, das weißt Du im Voraus, ich lese es in Deinen Augen. Und ich sollte unser Geheimnis vor dir verbergen? Vielleicht willst Du es gerade aus meinem Munde hören, so vernimm denn: Wir sind nicht mit Dir im Bunde, sondern mit ihm, das ist unser Geheimnis. Schon lange sind wir nicht mehr mit Dir im Bunde, sondern mit ihm, schon acht Jahrhunderte lang. Acht Jahrhunderte ist es her, dass wir von ihm das annahmen, was Du mit Zorn zurückgewiesen hast, jene letzte Gabe, die er Dir anbot, indem er Dir alle Reiche der Erde zeigte: Wir haben von ihm Rom empfangen und das Schwert des Kaisers und haben uns selbst als die Herren der Erde erklärt, als ihre einzigen Herren, wenn auch unser Werk bis jetzt noch nicht zu Ende geführt ist.“
Immer weiter redet der Großinquisitor auf den schweigenden Gefangenen ein und entlarvt darin die wahre Absicht seiner äußeren Institution:
„Hättest Du das Schwert und den Purpur des Kaisers damals angenommen, so würdest Du eine Weltherrschaft begründet und der ganzen Welt ewigen Frieden gebracht haben. Wer soll denn über die Menschen herrschen, wenn nicht der, der ihr Gewissen unterjocht und in dessen Hand das Brot ist? Wir unsererseits haben das Schwert des Kaisers ergriffen und Dich damit für alle Zeiten besiegt und sind ihm nachgefolgt.
O gewiss, noch jahrhundertelang wird der Unfug des freien Geistes, ihrer Wissenschaft und Menschenfresserei dauern – denn wenn sie ihren babylonischen Turm ohne uns zu Ende führen wollen, werden sie bei der Menschenfresserei endigen. Dann aber wird das Tier zu uns herangekrochen kommen und uns die Füße lecken und mit blutigen Tränen benetzen. Und wir werden uns auf das Tier setzen und den Kelch erheben, und auf diesem wird geschrieben stehen: Geheimnis.“
Der Großinquisitor zelebriert mit seinen Worten die Macht der Priesterkaste über die Menschen:
„Sie werden zaghaft werden und zu uns aufblicken und sich ängstlich an uns schmiegen wie die Küklein an die Henne. Und sie werden uns anstaunen und Angst haben vor uns und doch stolz darauf sein, dass wir so mächtig und so klug seien, und dass wir es verstanden haben, eine so störrische Herde zu bändigen. (…) Wir werden sie von ihren Sünden lossprechen, denn sie sind schwach und erbärmlich, und sie werden uns wie Kinder dafür lieben, dass wir ihnen gestatten zu sündigen. Wir werden ihnen sagen, jede Sünde könne wiedergutgemacht werden, wenn sie mit unserer Erlaubnis begangen sei; wenn ihnen aber von uns gestattet werde zu sündigen, so habe das seinen Grund in unserer Liebe zu ihnen; die Strafe aber für diese Sünden seien wir bereit, auf uns zu nehmen. Und wir werden sie auch auf uns nehmen, sie aber werden uns als ihre Wohltäter vergöttern, weil wir vor Gott ihre Sünden auf uns nehmen. Und sie werden keinerlei Geheimnisse vor uns haben.
Wir werden ihnen bald erlauben, bald verbieten, mit ihren Frauen oder Geliebten zu leben, Kinder zu haben oder nicht; es wird alles von ihrem Gehorsam abhängen, und sie werden sich unserem Willen mit Freude und Entzücken ergeben. Auch die quälendsten Geheimnisse ihres Gewissens – alles, alles werden sie uns bringen, und wir werden sie davon befreien, und sie werden unserer Entscheidung frohen Herzens glauben, weil diese sie von dem großen Kummer und der Qual der freien persönlichen Entscheidung befreien wird. Alle werden sie glücklich sein, alle diese Millionen von Untertanen, alle mit Ausnahme der Hunderttausend, die über sie herrschen; denn nur wir, wir, die Hüter des Geheimnisses, wir allein werden unglücklich sein.“
„Morgen werde ich Dich verbrennen!“
Zynisch spricht der Großinquisitor über den Tod der Menschen:
„Still werden sie sterben, still verlöschen, mit Deinem Namen auf den Lippen, und jenseits des Grabes nur den Tod finden. Wir aber werden das Geheimnis hüten und die Menschen zu ihrem eigenen Glück durch die Verheißung einer ewigen, himmlischen Belohnung locken. Denn selbst, wenn es dort oben etwas wie Belohnung gäbe, so wäre es doch nicht für solche wie sie.“
Als Höhepunkt seines Monologs kündigt der Großinquisitor dem schweigenden Christus die Hinrichtung an:
„Was ich Dir sage, wird in Erfüllung gehen, und unser Reich wird errichtet werden. Ich wiederhole Dir: Morgen wirst Du selber die gehorsame Schar sehen, die auf den ersten Wink meiner Hand sich zum Scheiterhaufen stürzen wird, um die Kohlen zu schüren, auf welchen Du dafür brennen sollst, dass Du gekommen bist, uns zu stören; denn wenn jemand lebt, der mehr als alle Ketzer unseren Scheiterhaufen verdient, so bist Du es. Morgen werde ich Dich verbrennen.“
Mit seiner Ankündigung, den wiedergekommenen Christus töten zu wollen, spricht sich der Großinquisitor selbst die Niederlage zu. Denn es gelingt dem Kardinal nicht, Christus zu unterwerfen wie die vielen Untertanen, über die seine Institution mit eiskalter Berechnung herrscht.
Der russische Literat Fjodor Dostojewski hat mit dieser Rede tief in die Abgründe der äußeren Religion hinein geleuchtet, die nur dem Namen nach etwas mit Christus zu tun hat. In Wirklichkeit fürchtet sie jedoch nichts mehr als Sein Wiederkommen, nichts mehr als den redenden Christus Gottes, der nicht schweigt. Dann würde ihr Geheimnis nämlich entlarvt, welches lautet: „Wir haben Deine Tat verbessert.“ Und: „Wir sind nicht mit Dir im Bunde, sondern mit ihm.“
Behalten wir diese Rede im Bewusstsein, wenn wir in den folgenden Kapiteln die Grundfesten der Kirche näher betrachten, ihre Dogmen und Lehrverkündigungen, die in den kirchlichen Institutionen bis heute unverändert verbindlich sind.