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Vorwort

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Unter den sich verdichtenden Zeichen von globaler Krise und Bedrohung hatten wir etliche Jahre gewagt zu verdrängen und zu hoffen. Grüne Technologien, regenerative Energien, Emissionsrechtehandel, Nachhaltigkeits-Konzepte, Mikrokredite, Unternehmensethik oder Fair Trade – vielleicht lassen sich dem Kapitalismus doch ökologische Vernunft und soziales Gewissen einhauchen. Und Gott sei Dank – dann könnten wir bleiben, wie wir sind. Wir alle könnten uns weiter aus dem Bauch heraus und in voller Freiheit entfalten, könnten weiter hemmungslos konsumieren, wegwerfen, fahren und fliegen. Die unsichtbare Hand der grün belehrten Märkte würde die Dinge schon trotzdem zum Guten wenden. Der rasende Zeitgeist des Immer-Mehr würde sich schon irgendwie selbst überholen und vor dem Großen Crash das Ziel erreichen. Und eine Alternative gibt es ja ohnehin nicht: Denn Hand in Hand mit dieser bequemen Illusion geht das Diktum, dass die Natur des Menschen nicht zu ändern sei, dass es einen Neuen Menschen nicht geben könne, ja, nach den blutigen Diktaturerfahrungen galt es nachgerade als Tabu, an diese Fragen zu rühren.

Es ist höchste Zeit, aus diesen angenehmen Träumereien zu erwachen und sich den Realitäten zu stellen: Jahr um Jahr wächst die globale Ressourcenvernichtung, Jahr um Jahr steigt der globale Energieverbrauch, jedes Jahr bringt einen neuen Rekord im Kohlendioxid-Ausstoß. Und all das wächst nicht nur, es wächst auch immer schneller. Mit dem weitgehend „naturbelassenen“ und nur im überwiegend technischen Sinne „ausgebildeten“ Menschen ist eine grüne Marktwirtschaft nicht zu machen. Immer kommen Mechanismen in Gang, die die menschliche Giernatur stimulieren und am Ende in ein alles verschlingendes exponentielles Wachstum münden.

Diese heute nicht mehr zu leugnenden Realitäten erzwingen einen Paradigmenwechsel: Die Gier nicht kanalisieren, sondern sie bekämpfen, nicht Wachstum sondern Beschränkung. Was die Geschichte tatsächlich und unwiderruflich lehrt ist: Mit Diktatur geht all dies nicht. Wenn man vor diesem Hintergrund die Situation durchdenkt, bleibt exakt ein einziger Ausweg: Wir brauchen ein Bildungswesen, das die Menschen zu freiwilliger Selbstbeschränkung befähigt.

Man kann die menschliche Natur nicht ändern, aber man kann sie eingrenzen und kulturell überbauen. Was dies im Einzelnen heißt und wie es gelingen könnte, ist die zentrale Frage, auf die wir in diesem Buch Antworten suchen. Gerade als Ärzte und Psychotherapeuten fühlen wir uns von diesem Thema herausgefordert – und auch ausreichend gerüstet, zumal wir dabei zusammenfassend und erweiternd an umfangreiche Vorarbeiten anknüpfen können.

Wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass ein solches Konzept von Zukunftsbildung die eigentliche, zentrale Frage des globalen Überlebens ist, die weder im Bildungs-Diskurs noch im „Weltrettungs-Diskurs“ adäquaten Raum einnimmt. Die Lösung dieser Bildungsaufgabe ist nicht alles. Aber ohne Fortschritte hierbei wird sich alles andere als nichts erweisen. Mülltrennung, Solardächer, Fahrradfahren, Spenden und Stiftungen – diese und alle anderen Ihrer Weltrettungsbemühungen würden am Ende für die Katz gewesen sein. Sie würden die Katastrophe nur ein wenig verzögern. Abwenden lässt sie sich nur durch einen massiven Einsatz von Mitteln am Hebelpunkt Persönlichkeitsbildung: Es muss gelingen, eine überkritische Zahl der Heranwachsenden dazu zu befähigen, den Hauptanteil ihrer Lebenszufriedenheit nicht aus materiellen Konsumgütern zu gewinnen, sondern aus immateriellen Kulturgütern. Wir wollen zeigen, dass eine solche Bildung heute möglich wäre.

Wir führen aus, inwiefern dieses Bildungsprojekt unverzichtbare Grundlagen neuer Gemeinschaftsbildung entstehen ließe. Es muss den Kern eines ökologischen Humanismus bilden und wäre damit die Gelingensvoraussetzung für ein zu wünschendes rot-grünes Fortschrittsprojekt.

Zukunftsbildung

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