Читать книгу Gier auf der Waagschale - Dietmar Steinbrenner - Страница 3

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Narzissten werden nicht geboren, sondern gemacht!

Narzissten leiden an Empathiemangel, neigen zu

Übertreibungen, Lügen, Täuschung und Selbsttäuschung.

Mit Kritik und Zurückweisung können sie nicht umgehen,

fallen dann entweder in Depression oder werden aggressiv.

Sie sind überheblich, arrogant und ausbeuterisch anderen gegenüber.

Pathologische Narzissten können dadurch

sogar zu Mördern werden.


Bei der Lektüre dieses Buches werden Sie auf einen

pathologischen Narzissten stoßen, dessen Kindheit ihn

zu dem gemacht hatte, was er war, denn er wurde nicht

als Narzisst geboren.

Etwas stimmte nicht mit dem dicklichen Mann, der Ende November 1983 das Eiles betrat, seinen Hut abnahm und kurz innehielt. Der seine Augenlider fest aufeinander presste und den abgestandenen Zigarrenrauch tief einatmete, so als hätte er seit einer Ewigkeit keinen richtigen Atemzug mehr genommen. Der sich kurz in dem Wiener Caféhaus umsah und jedes Möbelstück und selbst die Rauchschwaden ungewöhnlich lange musterte, wie um sich zu vergewissern, dass er nicht in eine andere Dimension abgerutscht war. Herrn Karl fiel es sofort auf, dass da irgendetwas nicht stimmte. Er kannte den Stammgast schon seit Jahren, er kam regelmäßig ins Eiles, setzte sich immer an den gleichen Tisch und bestellte immer das Gleiche: ein Glas Sherry Oloroso. Normalerweise war der Mann immer sehr zielstrebig und gefasst. An diesem Morgen sah er zum ersten Mal so aus, als würde er möglicherweise einen Doppelten bestellen. Der Mann nickte ihm kurz zu, marschierte direkt zu seinem Stammtisch in einer Ecke des Cafés, setzte sich seufzend nieder, lockerte seine Krawatte und fuhr sich über den kahlen Kopf. Auch das machte Herrn Karl stutzig, so viel Emotion hatte der Mann in all den Jahren noch nie gezeigt. Normalerweise wartete Herr Karl immer ein paar Minuten, manchmal auch zehn, bevor er die Bestellungen von neuen Gästen aufnahm. Er wollte sie ankommen lassen und nicht sofort belästigen. Das Eiles war schließlich keine Rennbahn und schon gar kein Wirtshaus. Diesmal ging er aber gleich zu seinem Gast, sah er doch so durstig aus.

„Schwere Nacht gestern? Das Gleiche wie immer?“, fragte er lapidar. Die prompte Bedienung schien den blassen Mann, der sich gerade mit geschlossenen Augen die Schläfen rieb, zu überraschen. Er schrak hoch und lächelte unsicher.

„Was? Nein. Also, ja. Einen Oloroso bitte.“

Herr Karl nickte so ausführlich, dass er sich fast verbeugte. Der Mann sah etwas ungepflegter aus als sonst. Auch das war untypisch. Auf dem Revers seines Sakkos konnte Herr Karl einen eigenartigen Fleck erkennen.

„Einen Doppelten?“, wollte er sich empathisch zeigen.

„Nein danke.“

Der Kellner nickte und ging wieder Richtung Theke. Hätte Herr Karl die Gedanken dieses Mannes lesen können, hätte er die Gründe für dessen fahriges Verhalten gewusst, wer weiß, hätte er an diesem Abend nachgebohrt, den Mann genauer unter die Lupe genommen, vielleicht hätte er vielen Menschen einiges an Kopfschmerzen erspart. Aber das kam ihm gar nicht in den Sinn. Wo kämen wir da hin, wenn sich ein anständiger Bürger in einem Wiener Caféhaus nicht mehr entspannen kann?

So saß der blasse Mann wenig später mit einem Glas Sherry Oloroso in der Hand da, starrte aus dem mit schweren, vergilbten Vorhängen verhangenen Fenster neben seinem Tisch auf das Schneetreiben hinaus und wälzte seine Gedanken. War er zu weit gegangen? Nein, sein ganzes Leben lang hatte er sich gegenüber niederträchtigen Neidern und gemeinem Gesindel behaupten müssen. Damit war jetzt Schluss, ab jetzt würde ihm niemand mehr streitig machen, was ihm zustand. Dafür hatte er gesorgt. Er hatte dafür sorgen müssen! Hätten sie ihn nicht alle so weit getrieben, hätten sie ihn nicht bis zum Letzten herausgefordert, dann hätte es gar nicht erst soweit kommen müssen.

Gier auf der Waagschale

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