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Vorwort

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Es stellt sich in Zeiten der kirchlichen Erneuerung von selbst ein, dass uns die Heilige Schrift reicher wird. Hinter den notwendigen Tages- und Kampfparolen der kirchlichen Auseinandersetzung regt sich ein stärkeres Suchen und Fragen nach dem, um den es allein geht, nach Jesus selbst. Was hat Jesus uns sagen wollen? Was will er heute von uns? Wie hilft er uns dazu, heute treue Christen zu sein? Nicht was dieser oder jener Mann der Kirche will, ist uns zuletzt wichtig, sondern was Jesus will, wollen wir wissen. Sein eigenes Wort wollen wir hören, wenn wir zur Predigt gehen. Daran liegt uns nicht nur um unsertwillen, sondern auch um all der vielen willen, denen die Kirche und ihre Botschaft fremd geworden ist. Wir sind wohl auch der Meinung, dass ganz andere Menschen das Wort hören und auch ganz andere Menschen sich wieder abwenden würden, wenn es dazu käme, dass Jesus selbst und Jesus allein mit seinem Worte in der Predigt unter uns wäre. Nicht als wäre die Predigt unserer Kirche nicht mehr Gottes Wort, aber wieviel unreiner Klang, wie viele menschliche, harte Gesetze und wie viele falsche Hoffnungen und Tröstungen trüben noch das reine Wort Jesu und erschweren die echte Entscheidung! Es ist doch nicht nur die Schuld der anderen, wenn sie unsere Predigt, die ja gewiss ganz allein Christuspredigt sein will, hart und schwer finden, weil sie belastet ist mit Formeln und Begriffen, die ihnen fremd sind. Es ist doch nicht wahr, dass jedes Wort, das sich heute gegen unsere Predigt richtet, schon eine Absage an Christus, Antichristentum ist. Wollen wir wirklich die Gemeinschaft mit denen verleugnen, deren es heute eine große Zahl gibt, die zu unserer Predigt kommen, sie hören wollen und doch immer wieder betrübt bekennen müssen, dass wir ihnen den Zugang zu Jesus zu schwer machen? Sie glauben, dass es nicht das Wort Jesu selbst sei, dem sie sich entziehen wollten, aber dass zu viel Menschliches, Institutionelles, Doktrinäres zwischen sie und Jesus träte. Wer von uns wüsste nun nicht sogleich all die Antworten, die man hier geben könnte, und mit denen man sich der Verantwortung für jene Menschen leicht entziehen kann. Wäre es aber nicht auch eine Antwort, wenn wir uns fragten, ob nicht wir selbst dem Worte Jesu oft in den Weg treten, indem wir vielleicht zu stark an bestimmten Formulierungen, an einem für seine Zeit, seinen Ort und seine Gesellschaftsstruktur bestimmten Predigttypus hängen, indem wir vielleicht wirklich zu „dogmatisch“ und zu wenig „aufs Leben“ hin predigen, indem wir gewisse Gedanken der Schrift gern immer wieder sagen und dabei an wichtigen andern Worten zu achtlos vorübergehen, indem wir doch immer noch zu viel eigene Meinungen und Überzeugungen und zu wenig Jesus Christus selbst predigen? Es gäbe ja nichts, was unserer eigenen Absicht tiefer widerspräche und was zugleich verderblicher wäre für unsere Verkündigung, als wenn wir die Mühseligen und Beladenen, die Jesus zu sich ruft, mit schweren Menschensatzungen belasteten und sie so wieder von ihm forttrieben. Wie würde die Liebe Jesu Christi damit verspottet vor Christen und vor Heiden! Weil aber hier nicht allgemeine Fragen und Selbstbeschuldigungen etwas helfen, lassen wir uns zur Schrift, zum Wort und Ruf Jesu Christi selbst zurückführen. Hier suchen wir aus der Armut und Enge unserer eigenen Überzeugungen und Fragen die Weite und den Reichtum, die uns in Jesus geschenkt sind.

Wir wollen von dem Ruf in die Nachfolge Jesu sprechen. Laden wir damit den Menschen ein neues, schwereres Joch auf? Sollen hier zu all den Menschensatzungen, unter denen Seelen und Leiber seufzen, noch härtere, unerbittlichere hinzugefügt werden? Soll mit der Erinnerung an die Nachfolge Jesu nur noch ein spitzerer Stachel in die beunruhigten und verletzten Gewissen getrieben werden? Sollen hier etwa zum soundsovielten Male in der Kirchengeschichte unmögliche, quälerische, exzentrische Forderungen aufgestellt werden, deren Befolgung wohl ein frommer Luxus einiger weniger sein mag, die aber von dem arbeitenden, um sein Brot, um seinen Beruf, um seine Familie sorgenden Menschen als das gottloseste Gottversuchen verworfen werden müssen? Geht es denn der Kirche darum, eine geistliche Gewaltherrschaft über die Menschen aufzurichten, indem sie eigenmächtig unter Androhung irdischer und ewiger Strafen setzt und befiehlt, was alles ein Mensch zu glauben und zu tun habe, um selig zu werden? Soll das Wort der Kirche neue Tyrannei und Vergewaltigung über die Seelen bringen? Es mag ja sein, dass manche Menschen sich nach solcher Knechtung sehnen. Aber könnte die Kirche jemals einem solchen Verlangen dienen?

Wenn die Heilige Schrift von der Nachfolge Jesu spricht, so verkündigt sie damit die Befreiung des Menschen von allen Menschensatzungen, von allem, was drückt, was belastet, was Sorge und Gewissensqual macht. In der Nachfolge kommen die Menschen aus dem harten Joch ihrer eigenen Gesetze unter das sanfte Joch Jesu Christi. Wird damit dem Ernst der Gebote Jesu Abbruch getan? Nein, vielmehr wird erst dort, wo das ganze Gebot Jesu, der Ruf in die uneingeschränkte Nachfolge bestehen bleibt, die volle Befreiung der Menschen zur Gemeinschaft Jesu möglich. Wer ungeteilt dem Gebote Jesu folgt, wer das Joch Jesu ohne Widerstreben auf sich ruhen lässt, dem wird die Last leicht, die er zu tragen hat, der empfängt in dem sanften Druck dieses Joches die Kraft, den rechten Weg ohne Ermatten zu gehen. Das Gebot Jesu ist hart, unmenschlich hart, für den, der sich dagegen wehrt. Jesu Gebot ist sanft und nicht schwer für den, der sich willig darein ergibt. „Seine Gebote sind nicht schwer“ (1. Joh. 5,3). Das Gebot Jesu hat nichts zu tun mit seelischen Gewaltkuren. Jesus fordert nichts von uns, ohne uns die Kraft zu geben, es auch zu tun. Jesu Gebot will niemals Leben zerstören, sondern Leben erhalten, stärken, heilen.

Aber noch bedrängt uns die Frage, was der Ruf in die Nachfolge Jesu heute für den Arbeiter, für den Geschäftsmann, für den Landwirt, für den Soldaten bedeuten könne, die Frage, ob hier nicht ein unerträglicher Zwiespalt in das Dasein des in der Welt arbeitenden Menschen und Christen getragen werde. ist das Christentum der Nachfolge Jesu nicht doch eine Sache für eine gar zu kleine Zahl von Menschen? Bedeutet es nicht ein Zurückstoßen der großen Massen des Volkes, eine Verachtung der Schwachen und Armen? Wird aber nicht gerade damit die große Barmherzigkeit Jesu Christi verleugnet, der zu den Sündern und Zöllnern, den Armen und Schwachen, den Irrenden und Verzweifelnden kam? Was sollen wir dazu sagen? Sind es wenige oder sind es viele, die zu Jesus gehören? Jesus starb am Kreuz allein, verlassen von seinen Jüngern. Neben ihm hingen nicht zwei seiner Getreuen, sondern zwei Mörder. Aber unter dem Kreuz standen sie alle, Feinde und Gläubige, Zweifelnde und Furchtsame, Spötter und Überwundene, und ihnen allen und ihrer Sünde galt in dieser Stunde das Gebet Jesu um Vergebung. Die barmherzige Liebe Gottes lebt mitten unter ihren Feinden. Es ist derselbe Jesus Christus, der uns aus Gnade in seine Nachfolge ruft und dessen Gnade den Schächer am Kreuz in seiner letzten Stunde selig macht.

Wohin wird der Ruf in die Nachfolge diejenigen führen, die ihm folgen? Welche Entscheidungen und Scheidungen wird er mit sich bringen? Wir müssen mit dieser Frage zu dem gehen, der allein die Antwort weiß. Jesus Christus, der Nachfolge gebietet, weiß allein, wo der Weg hingeht. Wir aber wissen, dass es ganz gewiss ein über alle Maßen barmherziger Weg sein wird. Nachfolge ist Freude. Es scheint heute so schwer zu sein, den schmalen Weg der kirchlichen Entscheidung in aller Gewissheit zu gehen und doch in der ganzen Weite der Christusliebe zu allen Menschen, der Geduld, der Barmherzigkeit, der „Philanthropie“ Gottes (Tit. 3,4) mit den Schwachen und Gottlosen zu bleiben; und doch muss beides beieinander sein, sonst gehen wir Menschenwege. Gott schenke uns in allem Ernst des Nachfolgens die Freude, in allem Nein zur Sünde das Ja zum Sünder, in aller Abwehr der Feinde das überwindende und gewinnende Wort des Evangeliums. „Kommet her zu mir alle, die Ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet Ihr Ruhe finden für eure Seelen. denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht“ (Matth. 11,28 ff.).

Nachfolge

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