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3 Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung

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Im Verlauf der Corona-Epidemie im Jahr 2020 hat sich das deutsche Gesundheitssystem im Vergleich zu fast allen seinen Pendants in Europa und Nordamerika als leistungsfähig erwiesen. Ob und inwieweit diese Aussage verallgemeinert werden kann, d.h. wie der Vergleich zur Seuchenbekämpfung in den ostasiatischen Staaten Thailand, Vietnam, Japan, Taiwan und China aber auch zu Australien und Neuseeland langfristig ausgefallen sein wird, dürfte aber nicht vor 2022 beantwortet werden können.

Die relative Stärke des deutschen Gesundheitssystems war vor allem der Tatsache zuzuschreiben, dass es über Reserven – und damit sind nicht nur Notfallbetten gemeint – verfügte. Selbst für eine vorsichtige und temporäre Gesamtbewertung ist dies allerdings deutlich zu wenig.

Die Grundprinzipien unseres Sozialstaats wurden zwar mit Hinblick auf gesundheitliche Krisen und Epidemien entwickelt, ihre Einführung und Durchsetzung liegt aber bei allen Anpassungen ca. 150 Jahre zurück. Die (historisch neue) Alterung der Bevölkerung Deutschlands wird quasi-deterministisch Auswirkungen auf unsere sozialen Sicherungssysteme haben müssen. Einer geringer werdenden Anzahl von Menschen im Arbeitsalter steht – zumindest für eine Transitionsperiode, die mindestens eine Generation andauern wird – eine größer werdende Anzahl von Menschen gegenüber, die nicht in Beschäftigungsverhältnissen stehen (wobei deren überwiegender Teil das Arbeitsleben bereits hinter sich gelassen hat). Dies betrifft ebenso die „Einwanderung“ in die deutschen Sozialversicherungssysteme, die kurz- und mittelfristig die Gesamtbudgetverteilung der deutschen Volkswirtschaft in Richtung Konsumption zulasten von Investitionen verschieben wird.

In Deutschland wird eine rege Debatte darüber geführt, ob und wie die Lebensarbeitszeit gestreckt bzw. verlängert werden kann und wie zukünftige Arbeits- und Lebensmodelle aussehen können. Tatsächlich ist Europa aber weit entfernt von einer auch nur näherungsweisen Konvergenz der Lebensarbeitszeit, die in direkter Beziehung zum Rentenbezug steht. So betrug im Jahr 2018 die durchschnittliche Lebensarbeit in Deutschland 38,4 Jahre (Männer arbeiteten im Durchschnitt ca. 4 Jahre länger als Frauen); in Schweden lag der Durchschnittswert bei 41,7 und in Italien bei 31,6 Jahren. Hauptursachen für die unterschiedlichen Lebensarbeitszeiten sind das nicht einheitliche Renteneintrittsalter und die Ausprägung der Jugendarbeitslosigkeit. Auch wenn die Definition eines gemeinsamen EU-Renteneintrittsalters aus zahlreichen Gründen problematisch ist, wäre diese ein sinnvoller erster Schritt zu einer weitergehenden Harmonisierung. Es wird sonst im besten Fall eine politische Herausforderung bleiben, die Bevölkerungen von Ländern mit hoher Lebensarbeitszeit im gegebenen Fall zu überzeugen, sich solidarisch mit Bevölkerungen mit geringerem Renteneintrittsalter bzw. kürzerer Lebensarbeitszeit zu zeigen.

Herausforderungen der Wirtschaftspolitik

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