Читать книгу Behandlung von chronischen Schmerzen mit dem Biokinematik Therapiekonzept. Körperliche Fitness und Beweglichkeit zurückgewinnen – muskulär bedingte Fehlfunktionen und Arthrose vermeiden - Dirk Ohlsen - Страница 6

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Schmerz ist ein

Bewusstseinsprozess

Für gewöhnlich arbeitet das muskuläre System in den ersten Lebensjahrzehnten einwandfrei – ohne dass ein Mensch im Alltagsbewusstsein Kenntnis davon nimmt. Meistens wird die Bedeutung dieses Systems erst viel später bewusst, wenn plötzlich Schmerzen auftreten.

Um was handelt es sich bei Schmerz?

Die derzeit allgemein medizinisch verwendete Definition lautet: „Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, das mit tatsächlicher oder potenzieller Gewebeschädigung einhergeht oder von betroffenen Personen so beschrieben wird, als wäre eine solche Gewebeschädigung die Ursache.“

Schon diese Definition zeigt, dass es sich um einen Bewusstseinsprozess handelt. Weiterhin wird explizit darauf hingewiesen, dass eine Schädigung eines Körpergewebes nicht zwingend stattgefunden hat, falls es zu Schmerzen kommt.

Alle Menschen kennen Schmerzen, aber warum und wieso Schmerzen wirklich auftreten, ist nach meinen Recherchen bis heute wissenschaftlich weitgehend ungeklärt. Die Schmerzforschung teilt Schmerzen heute weitgehend isoliert nach anatomischen Strukturen ein, z.B. nach der Art der Gewebe oder dem Schmerzort. Beispiele hierfür sind Nervenschmerz (Neuralgie), Meniskusschmerz, Bandscheibenschmerz oder aber auch somatischer bzw. psychosomatischer Schmerz. Je nach Qualität des Schmerzes (bohrend, stechend, dumpf . .) erfolgen weitere Einteilungen und es werden hieraus vermeintliche Schmerzursachen abgeleitet.

Viele dieser Einteilungen sind therapeutisch wenig zweckmäßig und verwirren die betroffenen Schmerzpatienten oftmals noch weiter.

Besser wäre es, die Tatsache anzuerkennen, dass Schmerz erst durch die Verarbeitung von Signalinformationen im Bewusstsein entsteht. Diese Sichtweise und ihre therapeutische Bewertung scheint aber in der Schmerzforschung weitgehend ausgeklammert zu werden – obwohl hier die Lösung zur Vereinheitlichung vieler Schmerztheorien liegen würde.

Selbstverständlich wurden viele verschiedene Erklärungsmodelle hervorgebracht und einige sehr wirksame Schmerzmedikamente erfunden. Eine einheitliche Herleitung, welche alle oder zumindest viele Schmerzen und ihren biologischen Sinn auf einen gemeinsamen Nenner bringen würde, scheint in der medizinischen Lehre aber bis heute nicht gefunden zu sein.

Hierzu einige Zahlen zum Konsum von Schmerzmedikamenten: Nach Angaben des BKK Gesundheitsreports 2015 nimmt jeder Deutsche jährlich durchschnittlich 50 Kopfschmerztabletten ein. Von 2006 bis 2015 stieg der Absatz der extrem starken Schmerzmittel (Opiate) um 31 % an, obwohl die potentiellen Nebenwirkungen ganz erheblich sind. 300.000 Deutsche gelten als opiatabhängig.

In den meisten medizinischen Erklärungsmodellen wird Schmerz mit irgendeinem Schaden oder einer Entzündung in Verbindung gebracht. Vor allem die bei chronischen Schmerzproblemen so häufig aufgesuchte Fachärzteschaft der Orthopädie spricht hiervon regelmäßig – selbst wenn im Blut sogenannte Entzündungsparameter überhaupt nicht festgestellt werden können und sich der Patient ansonsten bester Gesundheit erfreut.

Grundsätzlich bleibt in der derzeit noch gängigen medizinischen Lehrmeinung die Frage unbeantwortet, warum manche (angeblichen) Entzündungen bei ansonsten intaktem Immunsystem jahrelang bestehen können und der Grund für chronische Schmerzen sein sollen. Die Biokinematik geht grundsätzlich davon aus, dass tatsächliche Entzündungen gleichzeitig von den fünf klassischen Entzündungszeichen begleitet sind. Diese sind: Rötung, Schwellung, Übererwärmung, eingeschränkte Funktion und Schmerz. Zudem sind Entzündungen im Regelfall in Blutuntersuchungsparametern nachweisbar (Leukozyten, Blutsenkung, C-reaktives Protein, Procalcitonin...). Fehlt nur eines der Entzündungszeichen oder ist im Blut keine Entzündung nachweisbar, so geht die Biokinematik therapeutisch nicht von einer primären Entzündungproblematik aus. Viele dieser genannten Symptome lassen sich über die Muskelfunktion und deren schon länger eingeschränkte Funktion erklären.

Diese Sichtweise unterscheidet sich klar von der Vorgehensweise der klassischen Schulmedizin, insbesondere im Bereich der Orthopädie. Ich kenne den Leidensdruck von chronischen Schmerzpatienten und er wird dann besonders deutlich, wenn einem Betroffenen am Ende einer langen, erfolglosen Behandlung von Ärzten als Alternative mitgeteilt wird, seine Probleme wären rein psychischer Natur oder lediglich eingebildet, obwohl es sich tatsächlich lediglich um größere muskuläre Fehlfunktionen handelt. Offensichtlich bestehen bezüglich des Schmerzphänomens noch große Defizite in den Theorien der Schulmedizin.

Ich möchte darauf hinweisen, dass Schmerz auch nur in den seltensten Fällen ein Hinweis auf wirklich lebensbedrohliche Erkrankungen ist. Viele Immunerkrankungen oder auch Krebs sind bis zum Endstadium nicht oder nur kaum schmerzhaft. Oftmals werden diese Erkrankungen erst dann sehr schmerzhaft, wenn durch eine Raumforderung oder die Gewebezerstörung die freie Beweglichkeit von Muskelstrukturen beeinträchtigt wird.

Um die Entstehung von Schmerz tiefgreifend zu verstehen, ist es unabdingbar, sich gedanklich von der Stelle wegzubewegen, an der es weh tut.

Es ist erforderlich, die lokale Dimension des Schmerz­ortes zu verlassen und eine Ebene höher zu gehen – in das menschliche Bewusstsein. Denn die Schmerzwahrnehmung ist in erster Linie ein Bewusstseinsprozess. Daher spüren bewusstlose Menschen keinen Schmerz. Diesen Effekt macht sich die Medizin nach schweren Unfällen zu Nutze, wenn Verletzte in ein künstliches Koma versetzt werden. Das Spüren von Schmerz ist eine Empfindung, welche erst im Bewusstsein hervorgebracht wird. Es ist immer eine individuelle Bewertung von Informationen aus dem Körper und der Psyche des Betroffenen. Diese Bewertung erfolgt im (Unter-)Bewusstsein, das alarmiert reagiert, wenn bestimmte Normparameter größere Abweichungen aufweisen. Dies erklärt auch, warum Menschen Schmerz in seiner Ausprägung subjektiv so unterschiedlich empfinden.

Aus eigener Erfahrung sind mir starke Schmerzen aus der Vergangenheit sehr gut bekannt. Doch für mich besteht kein Zweifel, dass Schmerz durch das (Unter-)Bewusstsein lediglich in eine bestimmte Region projiziert wird. Er entsteht erst durch die Verarbeitung von verschiedenen Informationen und nicht bereits an der Stelle, wo es schmerzt. Aus diesem Grund darf man sich nicht täuschen lassen, dass genau an der Schmerzstelle ein Schaden sein muss. Das kann der Fall sein, muss aber nicht. Insbesondere bei chronischen Schmerzen wird häufig am Schmerzort kein Schaden vorhanden sein – auch wenn in der derzeit noch herrschenden Lehrmeinung der Medizin oft Gegenteiliges behauptet wird. So kommt es zur Interpretation vermeintlicher „Normabweichungen“ bestimmter Körperteile, die beim Schmerzgeschehen oftmals überhaupt nicht relevant sind. So geschieht es, dass häufig unnötig oder an der falschen Stelle therapiert wird. Der immer weiter zunehmende Anteil chronisch schmerzkranker Menschen in der Bevölkerung belegt deutlich, dass es offensichtlich große Behandlungsdefizite in der Schmerztherapie gibt.

Wie weit dies die Lebensqualität und die Produktivität von Betroffenen einschränkt, kann nur gemutmaßt werden.

Derartige Schmerzen werden in der Mehrzahl der ärztlichen Diagnosen als unspezifisch bezeichnet. Dies bedeutet, dass die Ursache des Schmerzes aufgrund einer unvollständigen Schmerztheorie unbekannt erscheint. Grundsätzlich möchte ich auch davor warnen, jeden Menschen im Sinne einer einheitlichen Norm optimieren zu wollen, wie dies in zahlreichen Therapien immer wieder geschieht. Es gibt keinen Normmenschen, sondern rund sieben Milliarden Menschen mit variantenreichen Körpern und unterschiedlichen psychischen Prägungen.

Schmerzphänomene sind deshalb höchst individuell, und insofern auch meist unterschiedlich zu therapieren. So häufig Parallelen der Ursachen zu finden sind – ich habe noch keine zwei identischen Patienten in meiner Praxis gehabt. Von einem weit verbreiteten Denken in „Standardschubladen“ sollte sich die Medizinwissenschaft deshalb besser hüten. Sicher spielen häufig auch psychisch-emotionale Probleme eine Rolle, auf die in diesem Buch nicht tiefer eingegangen werden kann. Doch selbst diese müssen zur Entstehung von chronischem Schmerz nicht zwingend vorhanden sein. Es ist also zu kurz gegriffen, wenn Mediziner ohne Nachweis einer körperlichen Schädigung den Schmerz am Ende als psychisch verursacht (psychosomatisch) ansehen.

Schmerz kann ohne einen körperlichen Schaden, ohne äußerliche Fremdeinwirkung und ohne einen Ent­zündungsprozess entstehen. Nervenbeeinträchtigungen müssen ebenfalls keine ­Rolle spielen.Die meisten chronischen Schmerzen fallen in diese Kategorie und werden bislang nicht ursachengerecht therapiert.

Nutzwert von Schmerz

Es mag erstaunen, doch aus Sicht des Körpers hat Schmerz sicher einen großen Nutzen. Nur so lässt sich erklären, dass im Rahmen der menschlichen Evolution die Schmerzwahrnehmung nicht verschwunden ist. Geschätzte 70 Billionen Körperzellen arbeiten im Körper laufend harmonisch und synchron zusammen. Die Medizinwissenschaft ist derzeit nicht in der Lage, die Steuerung einer solchen Komplexität auch nur annähernd zu erklären. Es ist sicher zu kurz gedacht, wenn nun davon ausgegangen wird, dass bestimmte Schmerzphänomene eine Laune der Natur oder ein Fehler seien. Es gibt einen überaus großen Nutzen von Schmerz, und dieser lässt sich aus der Regulationslogik des Körpers heraus erklären. Bei den nachfolgenden Überlegungen zu einem Erklärungsmodell steht deshalb nicht ein „Fehler“ im System Körper im Vordergrund, sondern die Suche nach der „Sinnhaftigkeit des Schmerzes“ im Rahmen der Regulationslogik für den Betroffenen.

Zur Verdeutlichung des Schmerzphänomens werden an dieser Stelle zwei grundsätzliche Arten von Schmerzen unterschieden. Im Gegensatz zu der Einteilung der Schulmedizin, welche Schmerzen gewöhnlich nach dem Ort des Geschehens einteilt, erfolgt hier eine Differenzierung nach der Sinnhaftigkeit bzw. der Logik des Schmerzes:

1) Akutschmerz / Verletzungsschmerz

Hier handelt es sich um einen Schmerz, der seine Ursache in einer (akuten) Verletzung hat. Hier ist ein echter Schaden am Körper eingetreten. Das kann beispielsweise eine Verbrennung, eine Schnittwunde, oder ein Fremdkörper sein. Die Ursache des Schmerzes ist ein von außen zugefügtes Ereignis. Genau in diesem Fall ist es sinnvoll, dass das Bewusstsein über eine Empfindung direkt am Schmerzort mitteilt, an welcher Stelle genau es ein Problem gibt. Der Betroffene kann anschließend bewusst eine logisch-rationale Handlung dagegen unternehmen, wie einen Splitter zu entfernen oder einen Arzt aufzusuchen, der beispielsweise eine Wundverletzung nähen kann. Dies dürfte die Art von Schmerz sein, mit der ein Kind im Leben als Erstes konfrontiert wird.

Menschen neigen (vermutlich aufgrund dieser Kindheitserfahrung) auf der logischen Ebene oft vorschnell dazu, bei Schmerzen vom Zusammenhang „Schädigung oder Verletzung macht Schmerz“ auszugehen. Dieser Hintergrund könnte auch die Ursache sein, warum die Mehrzahl der Medizinwissenschaftler ihre derzeitigen Erklärungsmodelle zum Thema Schmerz darauf aufbauen. Die logische Folge ist, dass die meisten Schmerztherapien auf diesen Ursache-/Wirkungszusammenhang abgestellt werden. Behandlungen finden so vorzugsweise direkt am Ort des Schmerzgeschehens statt.

Nur ein kleiner Anteil von chronischen Schmerzpatienten ist mit dieser ersten Art von Schmerz konfrontiert – bei der primär eine äußerliche Ursache vorliegt. Es handelt sich hier in der Mehrzahl um Akutereignisse im Rahmen von Verletzungen. Ein Schädigungs-/Verletzungsschmerz kann auch auftreten, falls innere Erkrankungen bestehen. In diesem Fall ist die jeweilige Erkrankungsstelle mit dem Ort des Schmerzes ebenfalls identisch. Das Bewusstsein wird durch Gewebshormone, die beispielsweise bei einer Entzündung am Problemort ausgeschüttet werden, über den Krankheitszustand informiert und reagiert mit der Projektion eines Schmerzes auf die jeweilige Körperregion. Die Veränderung von elektrischen Potentialen in zerstörten Zellen und die Weiterleitung dieser Informationen über Nervenbahnen sind weitere Erklärungen für das Auftreten eines Schmerzes dieser Art.

Sinn dieser Schmerzart ist es grundsätzlich, den Betroffenen auf eine Gefahr, eine innere Erkrankung oder eine Verletzung aufmerksam zu machen und gegebenenfalls die Immunabwehr und Reparaturmechanismen in Gang zu bringen. Die Situation erschließt sich dem Menschen meist sofort logisch-rational und bringt ihn dazu, beispielsweise ärztliche Diagnostik einzusetzen, um die Schmerzstelle genauer zu untersuchen.

Wie kann der Körper das Ausmaß einer verletzungsbedingten Schädigung abschätzen?

Der Körper verfügt über Dehnungsrezeptoren in den Muskeln und Sehnen. Je mehr eine Muskelstruktur „aufgebläht“ wird, beispielsweise bei einer verletzungsbedingten Prellung mit einem nachfolgenden Ödem, umso stärker werden diese Rezeptoren auseinander gezogen. In Verbindung mit zusätzlichen Sensoren in den Gelenken hat der Körper hiermit ein perfektes System zur Eigenwahrnehmung, um die Größe eines Problems zu interpretieren. Dieses Körperempfinden, auch Tiefensensibilität genannt, wird zuweilen als der sechste Sinn eines Menschen bezeichnet. Tritt beispielsweise durch eine Akutverletzung eine Raumforderung (Bluterguss, Ödem …) ein, wird ein bestimmter Schwellenwert der Gewebeausdehnung überschritten. Diese Informationen werden über die Nervenbahnen weitergeleitet. Aus den ankommenden Daten kann das (Unter-)Bewusstsein so automatisch Umfang und den genauen Ort einer Schwellung ermitteln. Es wird dann, falls alle Daten auf eine Verletzung hindeuten, mit der Einleitung entsprechender Heilungsprozesse gegensteuern und kann auch mit Schmerz reagieren, wenn dies individuell sinnvoll erscheint.

Insgesamt verfügt der Körper über ein perfektes System, mit dem Störungen in Art und Umfang wahrgenommen werden. Im Rahmen der anschließenden Regeneration sind zusätzlich viele andere Mechanismen beteiligt, insbesondere elektro-magnetische Feldeinflüsse. Die meisten dieser Prozesse sind noch wenig erforscht. Deshalb werde ich nicht tiefer darauf eingehen. In der Regel weiß der Körper jedoch selbst sehr genau, wie seine Leistungsfähigkeit wieder optimal hergestellt werden kann.

2) Schmerz zum Schutz des Körpers vor eigener Verletzung (Warnschmerz)

Diese andere Art von Schmerz wird absichtlich vom Bewusstsein selbst hervorgebracht, ohne dass eine äußere Verletzung stattgefunden hat. Ein derartiges Symptom soll auf eine – meist sinnvolle – Weise dem Schutz des Betroffenen dienen. In diesem Fall kann an dem Ort, wo ein Schmerz gespürt wird, ein Problem sein. Es muss aber nicht zwingend ein Schaden, eine Verletzung oder eine innere Erkrankung bestehen. Diese Art von „Warnschmerz“ ist das hauptsächliche Behandlungsfeld der Biokinematik.

Um bei dieser zweiten Art von Schmerz die Ursache herauszufinden, müssen daher die Selbstregulierungsprozesse und die Anpassungsfähigkeit des Körpers tiefer betrachtet werden. Insbesondere bei chronischen Schmerzen ist von dieser Schmerzursache auszugehen. Von den derzeit häufig angewandten, standardisierten Schmerztherapieansätzen der klassischen Schulmedizin wird dieser Zusammenhang aus meiner Sicht allerdings bislang grundlegend falsch interpretiert. Für eine zielführende Therapie ist es erforderlich, die Sinnhaftigkeit des (eventuell chronifizierten) Schmerzes ausreichend zu erfassen. Warum bringt das (Unter-)Bewusstsein absichtlich einen bestimmten Schmerzzustand hervor? In der richtigen Beantwortung dieser Frage findet sich der Schlüssel für eine erfolgreiche Schmerzbehandlung.

Sinnhaftigkeit von Schmerz zur Warnung undOptimierung der SelbstheilungEin Kind bricht sich bei einem Unfall den Unterarm. Die Verletzungsstelle schmerzt kurz. Dann tritt durch den Unfallschock häufig eine zeitweilige Schmerzfreiheit ein (diese konnte in früheren Zeiten sinnvoll zur Flucht genutzt werden). Nach Abklingen des Schocks wird neben der Verletzungsstelle meist auch der gesamte Arm inklusive Schulter schmerzen.Der Körper versucht mit diesen zusätzlichen Schmerzempfindungen, die außerhalb der ursprünglichen Verletzungsstelle empfunden werden, den Arm ruhig zu stellen. Er wird regelrecht in eine Körperposition gezwungen, in der er natürlicherweise wieder perfekt zusammenwachsen kann. Hierzu dient auch die (von der Evolution her gesehen) sinnvolle Schwellung, welche die Knochen auf natürliche Weise zu repositionieren versucht. Dies ist Teil unseres Überlebensprogramms, als noch keine medizinische Versorgung gewährleistet war.Wird dieser Arm akutmedizinisch gerichtet und eingegipst, verschwindet der Schmerz in der Regel schnell. Das Unterbewusstsein hat selbständig richtig kombiniert, dass der Schmerz nun nicht mehr erforderlich ist, um die dauerhafte Ruhigstellung des Arms und damit die idealen Heilungsbedingungen zu gewährleisten.

In diesem fiktiven Beispiel wurde dargestellt, wie das Unterbewusstsein zusätzlich beliebige Schmerzen, beispielsweise im Schultergelenk, hervorbringen kann, um entweder die Selbstheilung zu optimieren oder weiteren, zusätzlichen Schaden abzuwenden.

Bei dieser zweiten Art von (zusätzlichen) Schmerzen, die mit der Ursprungsverletzung direkt nichts zu tun haben, liegt somit die Ursache im Inneren des Körpers – genauer im Regulationsprogramm des Unterbewusstseins. Diese Schmerzen können chronisch werden, falls das Unterbewusstsein die Aufrechterhaltung von Schmerz als dauerhaft sinnvoll ansieht. In vielen Fällen kann dies als eine Art „Warnschmerz“ interpretiert werden.

Allgemeiner Grundsatz bei Schmerzen:Je weniger Bewegung, umso weniger Schmerzen. Doch auch in vermeintlicher Ruhe können Schmerzen bestehen, denn Bewegung ist permanent im Körper vorhanden – alleine durch das Atmen werden viele Muskeln vom Kopf bis zum Fuß in Arbeit versetzt. Chronische Schmerzen sollten deshalb immer im Zusammenhang mit den jeweiligen Muskelbewegungen betrachtet werden.

Selbstverständlich haben viele Schmerzpatienten die Erfahrung gemacht, dass körperliche Bewegung manchmal auch zu Schmerzlinderung führt. Der hier aufgestellte Grundsatz behält dennoch Gültigkeit. In der Regel wird eine ganz bestimmte Bewegung erst einmal zu einer (kurzfristigen) Schmerzverschlimmerung führen. Dies ist therapeutisch eine wichtige Information, weil sie beispielsweise die beteiligten Muskelstrukturen aufzeigt, die möglicherweise funktionsgestört sind. Somit wird die Muskulatur zum Dreh- und Angelpunkt bei einer Vielzahl chronischer Schmerzen. Der Begriff „Muskulatur“ wird hier umfassend verwendet: Er schließt auch das gesamte Bindegewebssystem (Faszien) in dieser Struktur mit ein, da es sich funktional im Alltag nicht trennen lässt.

Persönlich durfte ich vor einigen Jahren zu diesem Thema tiefgreifende Erfahrungen bei einem diagnostizierten Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule machen:

Behandlung von chronischen Schmerzen mit dem Biokinematik Therapiekonzept. Körperliche Fitness und Beweglichkeit zurückgewinnen – muskulär bedingte Fehlfunktionen und Arthrose vermeiden

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