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2 Die Waldbrandsituation in Deutschland

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Der Begriff der »Waldbrandgefahrenklassen« wurde schon vor dem zweiten Weltkrieg erdacht. Hierzu wurde durch Professor Weck eine Statistik der preußischen Staatsforsten ausgewertet, welche sich inhaltlich über einen Zeitraum von 60 Jahren erstreckte. Die Ergebnisse dieser Statistik kamen jedoch erst nach dem zweiten Weltkrieg – zunächst in den Ländern der Sowjetischen Besatzungszone, dann im Hoheitsgebiet der entstehenden DDR – zum Tragen (Sobczyk, 2014). So wurden die Waldbrandgefahrenklassen nach langen aber praxisnahen Diskussionsprozessen, beginnend ab dem Jahre 1950 (König, 2007), in der DDR eingeführt. Hierzu wurden alle Oberförstereien zunächst in drei, später, durch Einwirkung der »Arbeitsgemeinschaft Waldbrandschutz« (Sobczyk, 2014), in vier Waldbrandgefahrenklassen eingestuft:

A Gebiete mit über 50 ha Vollbrandfläche pro 100.000 ha Wald und Jahr

B Gebiete mit über 5 - 50 ha Vollbrandfläche pro 100.000 ha Wald und Jahr

C Gebiete mit weniger als 5 ha Vollbrandfläche pro 100.000 ha Wald und Jahr

Hinzu kam zu einem späteren Zeitpunkt die zusätzliche Waldbrandgefahrenklasse A1, welche besonders gefährdete Gebiete noch einmal besonders hervorhob:

A1 Gebiete, die im Zeitraum von 1925 bis 1964 mehr als drei Brände über 100 ha Größe und über 50 ha Vollbrandfläche pro 100.000 ha Wald aufwiesen.

Ähnliche, aber nicht direkt vergleichbare Einstufungen in Gefährdungsbereiche lagen im Hoheitsgebiet der damals noch jungen Bundesrepublik Deutschland nur in Bayern, Niedersachsen und Hessen vor (König, 2007).

Im Jahr 1992 schloss sich die mittlerweile wieder vereinigte Bundesrepublik Deutschland dann den Vorstellungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, dem Vorläufer der heutigen Europäischen Union an, das Staatsgebiet auf Ebene der Landkreise in Waldbrandrisikogebiete zu unterteilen. Infolge dieser europaweit einheitlichen Einordnung auf rechtlicher Grundlage der EWG-VO Nr. 2158/92 ff werden die Waldbrandrisikogebiete wie folgt eingeteilt (König, 2007):

Landkreise mit hohem Waldbrandrisiko,

Landkreise mit mittlerem Waldbrandrisiko und

Landkreise mit geringem Waldbrandrisiko.

Auf Basis dieser Einteilung ergab sich für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland die durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Jahre 1995 erstellte Karte für Waldbrandrisiken (Engel, 2014). Der Karte ist zu entnehmen, dass der Nordosten Deutschlands das Gebiet mit dem höchsten Risiko für einen Waldbrand ist. Das Agrarministerium des Landes Brandenburg mit Sitz in Potsdam begründet diese hohe Waldbrandgefahr mit einem hohen Anteil an Kiefernwäldern, leichten Sandböden und geringen Niederschlagsmengen (König, 2007). Daher ist es nicht verwunderlich, wenn im Land Brandenburg bzw. im Nord-Osten der Republik vergleichsweise hohe Anstrengungen für den Schutz des Waldes vor Bränden unternommen werden. Bis zum Jahre 2013 wurde die Waldbrandgefahr in den einzelnen Bundesländern auf Basis inhaltlich nicht einheitlicher Parameter ermittelt und mittels unterschiedlicher Begrifflichkeiten zum Ausdruck gebracht. Hierdurch kam es insbesondere in den Grenzbereichen der Länder immer wieder zu Irritationen.

Seit 2014 (SMUL, 2014) verwenden alle Länder der Bundesrepublik Deutschland das gleiche fünfstufige Modell, über welches die Waldbrandgefährdung einheitlich definiert wird. Dieses als Waldbrandgefahrenindex (WBI) bezeichnete Prognosemodell basiert auf der von George M. Byram entwickelten Feuerintensitätsgleichung, in welcher die Laufgeschwindigkeit eines Brandes in Abhängigkeit der Waldstruktur (z. B. Bodenbeschaffenheit, Streuauflagen, Ausbildung der Kronen) und die gegebenen bzw. prognostizierten Wetterdaten (z. B. Luftfeuchte, Temperatur, Windgeschwindigkeit, Niederschlagsmenge, Schneehöhe, Strahlung innerhalb der Atmosphäre) berücksichtigt werden.

Die Formel der Brandintensität nach George M. Byram lautet (Johnston et al., 2017):


FI = Fire Intensity= Brandintensität (kW m-1)
H = Low heat of Combustion= Verbrennungswärme (kj kg-1)
w = Fuel consumed= Gewicht brennbarer Stoffe (kg m-2)
R = Rate of Spreading= Laufgeschwindigkeit des Bodenfeuers (m s-1)

Der WBI entspricht dem internationalen Standard und gibt den Stand der Waldbrandforschung wieder. Das Prognosemodell des täglich aktualisierten WBI wird seitens der Länder dazu benutzt, die Waldbrandgefahr einzuschätzen und auf Basis dieser Erkenntnisse Waldbrandwarnungen bzw. Handlungsempfehlungen auszusprechen, die weitreichend bis hin zur Erteilung des Verbotes zum Betreten der Wälder reichen können (Bild 3).

Die Ausgabe des Waldbrandgefahrenindex erfolgt in fünf Stufen (DWD, 2018):

Auch weltweit lassen sich Aussagen zu Häufigkeiten und Risikogebieten treffen. Werden so z. B. die Häufigkeit von Waldbränden, deren Verlaufsformen und Hauptursachen zusammengefasst, entsteht die Weltkarte der Feuerregime (Lavorel et al., 2007). Bei der eingebrachten Häufigkeit (»freq« = frequency) wird zwischen


Bild 3: Gefahrenstufen nach Waldbrandgefahrenindex

geringer (»low«), mittlerer (»medium«) und hoher (»high«) Häufigkeit unterschieden. Die Häufigkeit gibt dabei ein periodisch wiederkehrendes, gleichartiges Brandereignis an, welches bei geringer Häufigkeit bis zu seiner Wiederholung über 200 Jahre dauert, bei mittlerer Häufigkeit zwischen 20 und 200 Jahren und sich bei hoher Häufigkeit innerhalb von 20 Jahren wiederholt (Hirschberger, 2012). Bei den Verlaufsformen des Brandes wird zwischen Boden- (»Surface«) und Kronenfeuern (»Crown«) unterschieden. Die Brandursachen (vgl. Kapitel 3) werden gemäß ihren Hauptursachen in natürliche (»N« = natural) und anthropogen (»H« = human) bedingte Schadensereignisse eingeteilt (Lavorel et al., 2007).

Die Verwendung des Begriffes »Kronenfeuer« (auch als »Wipfelfeuer« bezeichnet) entspricht dem herkömmlichen Sprachgebrauch, stellt jedoch keine eigenständige Waldbrand- oder Verlaufsform dar, da ein »Kronenfeuer« ausschließlich mit einem Vollbrand (auch als »Totalfeuer« bezeichnet) einhergeht (König, 2007). Wald- und Vegetationsbrände lassen sich somit in

Moor- bzw. Erdbrände (Abbrand unterirdischer organischer Schichten),

Bodenbrände (Abbrand des brennbaren Bodenbelages und -bewuchses),

Stammbrände (Abbrand eines einzelnen Baumstammes) und

Vollbrände (Totalfeuer)

unterscheiden (König, 2007 und Schott/Ritter, 2013).

Eine Besonderheit bei den Erdbränden ist der Abbrand unterirdischer Kohleschichten, der sehr zur globalen Luftverschmutzung und Treibhausemissionen beiträgt. Infolge dieser weltweit bestehenden Problematik des ungewollten Abbrandes von Kohlevorkommen beschäftigt sich das interdisziplinäre geowissenschaftliche Verbundprojekt »The Sino-German Coal Fire Research Initiative« mit den Möglichkeiten der Erkundung, Bekämpfung und Überwachung von unterirdischen Kohlebränden.

Die Einteilung bzw. Unterscheidung von unterschiedlichen Verlaufsformen der Brände in Wald- und Vegetationsgebieten ist für die Auswahl und Anwendung geeigneter und nachhaltig wirkender Maßnahmen zur Brandbekämpfung durch die Feuerwehr von Bedeutung (Cimolino, 2014 und Cimolino et al., 2015). Die Beschreibung taktischer und strategischer Einsatzmaßnahmen sowie der hierfür benötigten Ausrüstung der Feuerwehr ist jedoch nicht Gegenstand des Buches. Vielmehr stellt dieser Themenkomplex ein eigenes Tätigkeitsfeld dar, welches sich nach präventiv wirkenden Maßnahmen des Waldbrandschutzes (Waldbrandprävention) nahtlos an die Früherkennung von Wald- und Vegetationsbränden anschließt.

Die Gesamtheit der durch Schadenfeuer verbrannten Waldfläche in der Bundesrepublik Deutschland weist derzeit, betrachtet ab dem Jahr 2002 (Bild 4), eine zunehmende Tendenz auf (Quelle: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, 2020). Im Einsatzjahr 2018 kam es dabei nicht nur zu den meisten Waldbränden seit 15 Jahren, sondern auch zur in Deutschland größten vernichteten Waldbrandfläche seit 26 Jahren. Die vernichtete Fläche von 2348,81 Hektar entspricht dabei ungefähr einer Fläche von 3290 Fußballfeldern (Quelle: Deutscher Landwirtschaftsverlag GmbH, 2020)


Bild 4: Verbrannte Waldfläche in der Bundesrepublik Deutschland seit dem Jahre 2002 (Quelle: Forstpraxis.de)

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