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KÖLSCH IST EINE SCHÖNE SPRACHE

FALLS MAN SIE VERSTEHT

Es lässt sich nicht mehr vermeiden. Ulla lebt in Köln, hat sich in Stefans Wohnung breit gemacht und wird auf absehbare Zeit hier wohnen bleiben. Kurz: Es gibt keine Ausrede, warum sie nicht seine Familie kennenlernen sollte. So sehen das auch Stefan und die Seinen. Sie haben Ulla am Samstag zum Grillabend in ihrem Garten eingeladen. Natürlich nicht sie allein, Stefan kommt selbstverständlich mit. Aber Anlass der Einladung ist, dass sie endlich Stefans Neue sehen wollen. Wie Ulla so etwas hasst! Vermutlich wird sie mit den alten Freundinnen von Stefan verglichen werden. Man wird ihr Geschichten erzählen, die sie nicht hören will, und am Ende werden die Eltern sie nicht mögen.

»Unsinn«, versichert Stefan. Seine Familie hat zwar mehr Macken als der Kölner Dom Steine, aber sie werden Ulla mögen. Weil auch sie einen Knall hat. Das sagt Stefan so zwar nicht, denkt es aber – jedenfalls unterstellt Ulla ihm das.

Man kann es drehen und wenden, wie man will. Es wird Samstag, der Abend naht, und Ulla kommt aus der Einladung nicht mehr raus. Sich krank zu stellen ist keine Option, Stefan würde ihr nicht glauben. Zu viel Arbeit hat sie auch nicht, und sich ewig drücken macht die Sache am Ende nur noch peinlicher. Also Augen zu und durch? Yes. Augen zu und durch!

Auf der Fahrt über die Zoobrücke auf die andere Rheinseite – Stefans Eltern wohnen in Dellbrück – geht Ulla in Gedanken noch mal durch, was Stefan ihr von seiner Familie erzählt hat. Vater Willi und Mutter Heike. Er im Vorruhestand, sie Verkäuferin im Ökosupermarkt. Beide aktiv im Karneval. Willi sitzt bei Sitzungen sogar im Elferrat, was wohl was ganz Wichtiges ist. Ulla kennt sich da nicht aus, mit Karneval hat sie eigentlich nichts am Hut. Mutter Heike soll für ihre selbst genähten Karnevalskostüme berühmt sein. Für Stefan hat sie mal ein Fluch-der-Karibik-Kostüm geschneidert! Stefans Schwester Marie ist sogar die Vorsitzende des Karnevalsvereins. Ihr Freund Tobias Tanzmajor – was auch immer das ist – der Dellbrücker Nasenbären – was auch immer das ist.

Laut Stefan ist das eine (Tanzmajor) was Gutes und das andere (die Nasenbären) eine beliebte und erfolgreiche Tanztruppe im Kölner Karneval. Egal, über solche Details kann sich Ulla gerade keine Gedanken machen. Bei ihr dreht sich im Kopf alles um die Frage: Wird Stefans Familie sie mögen?

In Dellbrück angekommen, geht es gleich über den Nebeneingang in den Garten. Die Holzkohle glimmt bereits und verströmt einen vielversprechenden Geruch. Der Garten ist schön, der Tisch gedeckt, und Vater Willi kommt mit Mutter Heike auch schon auf Stefan und Ulla zu.

Willi reicht Ulla die Hand: »Ich ben dä Willi.« (Ich bin der Willi) Und zu Stefan: »Jung, dä häs de dir ävver a lecker Mädche aanjelaach.« (Junge, da hast du dir aber ein hübsches Mädchen angelacht.)

»What???« Ulla versteht kein Wort.

Überrascht sieht sie zu Stefan, als der antwortet: »Bap, wat häs do dann jedaach.« (Papa, was hast du denn gedacht.)

Dann mischt sich auch noch Heike ein: »Jetz maach ävver ens ne Punkt. Dat ärm Dier kan uns doch nit verstohn.« (Jetzt mach aber mal einen Punkt. Das arme Mädchen kann uns doch gar nicht verstehen.)

Ulla nimmt Stefan beiseite. »Wieso hast du mir nicht gesagt, dass deine Familie Migrationshintergrund hat?«

Leck mich en de Täsch, wat für ’n Malör

Auch wenn Ulla Stefans Familie nicht verstanden hat, so sind sie mindestens in neunter Generation Kölner*innen und sprechen deshalb eben die typische Mundart, die kölsche Sproch oder einfach Kölsch genannt. Alle gebürtigen Kölner*innen, zumindest die, deren Familien schon länger in Köln verwurzelt sind, verstehen Kölsch. Fast jeder spricht es oder, besser gesagt, könnte es noch sprechen. Im beruflichen Alltag empfiehlt es sich allerdings, hochdeutsch zu reden, es sei denn, man hat ausschließlich Kund*innen aus der Kölner Region, arbeitet hauptberuflich für den Kölner Karneval oder will sich als Politiker*in volksnah geben. Letztere werden womöglich nur ein paar authentisch kölsche Begriffe einfließen lassen. Vielleicht mit dem erklärenden Nebensatz »Wie man bei mir in der Heimat sagt«, oder man beschränkt sich auf eine rheinische Sprachmelodie, die Einheimische sofort erkennen und die Sprechenden als Ihrige identifizieren. Für alle anderen ist in Zeiten fortschreitender Globalisierung davon abzuraten, in das kölsche Sprachidiom zu wechseln – man versteht sie einfach nicht. Umgekehrt ist es kein Problem: Wer Kölsch spricht, versteht auch Hochdeutsch.

Unentschuldbar ist es aber, als Immi Kölsch zu reden. Das geht immer in die Hose und könnte dazu führen, dass man nicht mehr zu Festivitäten eingeladen wird. Nichts schmerzt Kölner*innen mehr als falsches Kölsch.

Schwaadschnüss

Kölsch ist keine eigene Sprache, es ist nicht einmal ein eigenständiger Dialekt, es ist eine Klangfarbe des Rheinischen. Kölsch wird in Köln und leicht variiert auch im Umland gesprochen. In der Regel hört man auf der Straße und in den Gaststätten anstelle der original Kölner Mundart eine Art Kölsch light, einen abgemilderten rheinischen Regiolekt. Das ist ein mit kölscher Sprachmelodie gesprochenes Hochdeutsch, in das authentische kölsche Begriffe eingesprenkelt werden. Außenstehende empfinden es bereits als Fremdsprache. Für die Kölner*innen ist es nur ein freundliches Entgegenkommen für diejenigen, die nicht mit so einem schönen Regiolekt gesegnet sind.

Die Sprachwissenschaft zählt das Rheinische unter den Regiolekten auf und unterteilt es in vier Kategorien:

 Das Moselfränkische: Man trifft es im Süden des Rheinlands von der Mosel bis etwa Siegen.

 Das Ripuarische: Das spricht man in Köln, auch im Osten von etwa Siegen bis in den Westen bei Aachen.

 Das Südniederfränkische (zusammen mit dem Südrheinmaasländischen, Südlimburgischen oder Limburgischen): Es fängt im Westen nördlich von Aachen an, geht über Krefeld, Neuss und Remscheid bis nahe von Wuppertal im Osten.

 Das Kleverländische oder Niederfränkische: Es beginnt bei Kleve und Venlo bis Wesel und Duisburg, Mülheim an der Ruhr bis Wuppertal.

Richtiges Kölsch ist eine Herausforderung für alle Außenstehenden. Nicht-Kölner*innen werden bei älteren Alben der kölschsprachigen Band BAP (»Papa«) schnell an ihre Grenzen kommen.

Selbst innerhalb Kölns werden unterschiedliche Varianten Kölsch gesprochen. Das Kölsch aus einem Arbeiterviertel wie Niehl, Ehrenfeld oder Kalk unterscheidet sich stark vom dem eines eher bürgerlichen Vororts wie Dellbrück. Die einen sprechen eher derb, die anderen karnevalistisch.

Typische Eigenheiten der kölschen Sproch: Es jibt, ähm, gibt kein »g«. In der Rejel (Regel) wird es zu »j«. Dazu wird der folgende Vokal gedehnt. So haben die Kölner*innen nicht gedacht, sie haben jedaach. Sie kennen auch keine »ch«-Laute, sondern ersetzen sie kurzerhand mit einem breit ausgesprochenen »sch«. Also: »Jib mir mal dä Milsch.« (Gib mir mal die Milch.)

Anders als im Hochdeutschen kennt der Rheinländer das, was im Englischen als Continuous-Form, also Verlaufsform, bezeichnet wird. Auf der Insel sagte man schon vor dem Brexit »I’m making love«. Die Kölner*innen sagen zwar nicht »Ich bin am Liebe machen«, aber »Ich bin am Autowaschen« ist absolut geläufig. Kommt man in ganz urkölsche Gefilde, könnte einem auch ein »Ich bin am Auto am waschen« begegnen.

Auch grammatikalisch gibt es Unterschiede zum Hochdeutschen. Wichtig: Der Genitiv existiert praktisch nicht und wird konsequent durch den Dativ ersetzt. Also nicht: »Das ist Peters Fahrrad«, sondern: »Dat is dem Pitter sing Fahrrad«.

Fettnäpfchenführer Köln

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