Читать книгу Kaiserkrieger 13: Flammen über Persien - Dirk van den Boom, Emmanuel Henné - Страница 6

4

Оглавление

Der Schwindel ließ nach und gab allen anderen schlechten Eindrücken Raum: Übelkeit, Gliederschmerzen, einem starken Druck auf dem Kopf, brennenden Augen. Es war keine Grippe, dessen war sich Köhler durchaus bewusst, aber es war durchgehend unangenehm, ein Gefühl von Erschöpfung und Schmerz, das jede Faser seines Körpers durchströmte und durch seine ungemütliche und absolut unentspannte Haltung auf dem Stuhl, festgeschnallt und in jeder Bewegung eingeschränkt, nur noch potenziert wurde.

Es war so unangenehm, es dauert tatsächlich einige Sekunden, bis ihm siedend heiß einfiel, dass er ja nicht alleine war.

»Terzia!« Es war ein Krächzen.

»Wach?« Ihre Stimme klang weitaus entspannter und weniger gestresst als die seine. Ein Gefühl der Erleichterung wusch für einen Moment den Kopfschmerz weg.

»Wie geht es dir?«

»Beschissen. Wir sind da.«

»Wo sind wir?«

Im Halbdunkel der Zeitkapsel war das Gesicht seiner Gefährtin nur undeutlich auszumachen, obgleich die Instrumentenbeleuchtung sowie ein rötliches Notlicht einen Schimmer in das Innere des Gefährts warfen. Die Metallkonstruktion knackte etwas, als müsse sich beanspruchtes Material entspannen.

»Die Frage ist doch eher, wann wir sind.«

Terzia hatte absolut recht. Sie waren dem Attentatsversuch mit Glück entkommen, dem Seliger III. zum Opfer gefallen sein musste, und hatten sich auf eine Jagd begeben, zu der zumindest Köhler eigentlich absolut nicht bereit gewesen war. Aber weder das Schicksal noch Terzia – zwischen beidem waren die Unterschiede sowieso eher vage – hatte sich um seine Einwände gekümmert. Die Kapsel war aktiviert worden, und wie Seliger es ihnen erklärt hatte, folgte sie dem Zeitsprung ihrer Nemesis, des Mannes, der für so viel Unheil verantwortlich war und dessen fortgesetzte Aktivitäten drohten die Struktur von Raum und Zeit dauerhaft in Mitleidenschaft zu ziehen.

Soweit Köhler diese höchst abenteuerliche Geschichte zu glauben bereit war.

Terzia schien diesen Erkenntnissen weitaus offener gegenüberzustehen. Er beneidete sie ein wenig um diese Haltung.

Verdammt, ihm war immer noch richtig schlecht! Er legte eine Hand auf seinen Magen, ritt den aufwallenden Krampf ab und stöhnte kurz, obgleich er es gar nicht wollte. Er spürte Terzias Hand auf seiner Schulter, gleichermaßen Trost wie Aufforderung.

»Wir müssen die Luke öffnen!«, sagte die Frau mit Nachdruck.

»Aber wir wissen nicht, was uns da draußen erwartet!«

»Deswegen müssen wir sie ja öffnen.«

Köhler kam gegen diese entwaffnende Logik nur schwer an, war jedoch darauf bedacht, in der Enge ihres Gefährts keinen Streit zu beginnen. Die Luke hatte ein Fenster, mehr ein glorifiziertes Guckloch, das von innen verschlossen wurde. Er schob die Abdeckung langsam beiseite und versuchte, etwas zu erkennen.

»Es ist dunkel!«, stellte er fest.

»Vielleicht ist Nacht.«

»Vielleicht sind wir mitten in einem Berg gelandet.«

Terzia schüttelte den Kopf und hob das Handbuch in der metallenen Kladde, das sich an Bord befand und in dem, so Seliger, allerlei interessante Informationen zum Betrieb dieser Kapsel niedergelegt waren. Dass Terzia als Wissenschaftlerin in einem ersten Reflex zur Literatur gegriffen hatte, um ihre Fragen zu beantworten, war nicht überraschend. Sie hatte wahrscheinlich auch deutlich weniger Kopfschmerzen.

»Das hier sagt, so etwas gäbe es nicht.«

»Dann unter Wasser.«

»Die Kapsel ist nur kurze Zeit wasserdicht. Es gibt über der Luke ein Außenlicht. Da, das ist der Schalter.«

»Moment. Dieses Ding sagt uns doch die Jahreszahl an, oder?«

Köhler zeigte auf eine Anzeige. Terzia nickte. Sie lasen beide: 1920.

Das war ein wenig wie ein Schlag mit einem nassen Lappen mitten ins Gesicht. Es vertrieb den Schmerz und Köhler starrte auf die Zahlen. So richtig glauben konnte er es nicht.

»Verdammt!«, murmelte Köhler. »Das ist … sehr, sehr weit in der Zukunft.«

»Es ist, kurze Zeit nachdem die Kaiserkrieger in die Vergangenheit gereist sind«, versuchte Terzia etwas umständlich die richtige Aussage zu treffen. Köhler verstand sie natürlich sofort.

Er zögerte nicht länger und legte den Schalter um. Durch das Guckloch war der Lichtschimmer gut erkennbar und der Mann lugte wieder hindurch.

»Nein, kein Wasser. Es ist Nacht. Wir stehen im Freien, ich sehe Erdboden, einige Pflanzen, aber keine Bewegung, niemanden, auch keine Gebäude. Wir werden gewiss keine unmittelbare Aufmerksamkeit errungen haben.«

»An welchem Ort sind wir herausgekommen?«, fragte Terzia sich sinnierend. »Wird man uns hier verstehen? Und ist unser Gegner bereits hier angekommen und hat irgendwelche üblen Machenschaften begonnen?«

»Angekommen gewiss, wenn unsere Kapsel seiner Spur gefolgt ist.«

»Falls dem so ist.«

Köhler seufzte. »Es passt mir nicht, aber wir sollten die Luke tatsächlich öffnen. Ich brauche etwas frische Luft.«

Sie traten ins Freie. Die Luft war frisch und bemerkenswert kühl. War hier vielleicht Winter? Terzia atmete geräuschvoll ein.

»Sumpf. Es gibt Sumpf in der Nähe, wenn du mich fragst. Oder zumindest ein flaches, stehendes Gewässer mit viel feuchter Erde drumherum.«

Köhler nickte, streckte seine Beine. Es war zu dunkel, um viel zu erkennen, und er wollte sich nicht weit von der Kapsel fortbewegen. Er lauschte, doch außer ein paar fernen Tiergeräuschen war nur das Rauschen eines sehr sanften Windes zu vernehmen, das Geraschel von Blättern oder Gräsern. Über allem lag eine Atmosphäre des Friedens, doch davon ließ er sich nicht täuschen. Das war eine Wahrnehmung, die viel mehr seinem Bedürfnis als den Tatsachen entsprach, vor allem, da in der Dunkelheit Letztere vor ihm verborgen blieben. Er gemahnte sich zur Vorsicht. Doch so angespannt und aufmerksam er seine Umgebung auch beobachtete, keine plötzliche Gefahr machte sich bemerkbar.

Sein Magen grummelte. Das war keine plötzliche Gefahr. Hunger. Aber es konnte ein Problem werden.

»Wir müssen zurückkehren«, sagte er. »Egal, wo wir hier sind, wir müssen in unsere Zeit.«

»Nein.«

Die klare, ablehnende Haltung Terzias kam nicht überraschend. Bereits als Seliger mit seinen Schilderungen begonnen hatte, war Köhler keinesfalls entgangen, wie fasziniert die Wissenschaftlerin darauf reagiert hatte. Ihre Augen hatten einen ganz eigentümlichen Glanz eingenommen, und als Seliger seine Absicht ausgesprochen hatte, Köhler auf diese Reise zu schicken, als Jäger durch die Zeiten, war seine unmittelbare und spontane Abneigung von ihr … nun, jedenfalls nicht halb so energisch unterstützt worden, wie er sich das wünschte.

»Terzia, das ist unvernünftig.«

»Wenn stimmt, was der alte Mann uns gesagt hat, ist es das Gegenteil.«

»Du glaubst das im Ernst?« Köhler schüttelte den Kopf. »Was ist das überhaupt für eine Geschichte? Ein verrückter Zeitreisender bringt das Gefüge von Raum und Zeit in Erschütterung und droht die ganze Welt zu vernichten? Wer denkt sich so was aus? Wer glaubt so was? Wer will so was ernsthaft hören?«

»Die Fakten passen zu der Geschichte. Dein Vater wäre sonst nicht in unsere Zeit gereist und du würdest gar nicht existieren.«

»Das behauptet Seliger.«

Terzia zeigte auf die sanft im Sternenlicht schimmernde Kapsel.

»Er hat da etwas, mit dem er seine Theorie untermauern kann, und das ist mehr, als jede andere Theorie bisher aufzubieten hatte. Und die Tatsache allein, dass wir Zeuge des Angriffes dieses Irren wurden, der ganz offensichtlich versucht hat – zum exakt richtigen Zeitpunkt! –, uns alle drei auszuschalten – das ist ebenfalls ein starkes Argument dafür, dass Seliger recht hatte. Und dass es jetzt an uns ist, Schlimmeres zu verhindern.«

Köhler rang ein wenig um Worte. Er konnte ja gar nicht abstreiten, dass Terzias Haltung keinesfalls völlig absurd war. Er hatte all das ja miterlebt, er hatte sogar Dinosaurier gesehen, ein weiteres Beispiel für die immer brüchiger werdende Zeit, deren Durchlässigkeit keine Laune der Natur sein konnte.

»Terzia, ich weiß nicht …«, sagte er dann bemerkenswert kraftlos. Er fühlte ihre Hand auf seiner Schulter, wie sie zu seinem Nacken wanderte, sanft seine Wirbelsäule kitzelte.

»Ich weiß, mein Großer«, hörte er sie flüstern und ihr warmer Atem strich über seinen Hals. »Du hast Angst.«

»Du nicht?«

»Oh ja! Aber ich weiß auch, was ich möglicherweise alles zu sehen bekomme, zu hören, zu fühlen, zu erfahren und zu lernen. Es ist nicht nur die Notwendigkeit, eine Katastrophe zu verhindern! Es ist die Chance, ein ganzes Universum menschlicher Geschichte zu erforschen, Dinge zu sehen, die wir nur erahnen, und damit die Menschheit auf eine Art kennenzulernen, wie es niemals sonst jemandem gestattet ist. Wie kann ich diese Chance verstreichen lassen?«

Köhler nickte langsam. So war sie. Aber war er genauso?

»Wenn du es nicht kannst«, hörte er sie leise sagen, mit der Andeutung von Schmerz und Enttäuschung in der Stimme, »dann reise zurück und ich tu es alleine.«

An ihrer Entschlossenheit konnte es keinen Zweifel geben. Dies war nicht die Frau, die solch eine Möglichkeit, so eine faszinierende Reise für einen Mann opfern würde, egal was sie für ihn empfand. Und aus irgendeinem Grunde, den Köhler selbst nicht so recht verstand, machte ihn das mit einem Male sehr stolz – und half ihm, zu einer eigenen Entscheidung zu kommen.

»Ich lass dich nicht hängen«, sagte er.

»Es geht nicht nur um mich.«

»Mir geht es sehr wohl um dich.«

Terzia sah ihn prüfend an, als überlege sie, ob diese Art von Motivation für die Durchführung ausreichend sei, und kam dann offenbar zu dem Schluss, dass sie mit dem arbeiten musste, was sie zur Verfügung hatte.

»Wir warten jetzt, bis es hell wird«, sagte Köhler, der sich nun das Handbuch genommen hatte und darin blätterte. Er verglich die schematischen Darstellungen darin mit dem eher kargen Armaturenbrett der Kapsel. »Wie siehst du das? Dieses Gerät, das uns der anderen Kapsel hinterherrennen lässt, schlägt aus, oder?«

Terzia überprüfte es und nickte. »Absolut. Der Typ ist hier, in dieser Zeit, und wenn ich diese Anzeige richtig verstehe, kann er auch nicht sehr weit von uns entfernt angekommen sein, räumlich wie zeitlich.«

»Bei zeitlich würde ja schon eine Minute reichen«, murmelte Köhler. »Aber das zeigt uns nicht, in welche Richtung und wie weit?«

»Nein, das tut es nicht.«

»Wie lange, bis wir wieder springen können?«

Terzia wies auf eine Anzeige, einen sanft zitternden Pfeil in einer runden Skala.

»Wenn der mit der gleichen Geschwindigkeit klettert, mindestens acht Stunden.«

»Das gilt dann auch für ihn. Das ist also unser Zeitfenster, egal wo wir auftauchen.«

»Das mindeste. Wenn er sich hier mit etwas beschäftigt, eigene Pläne verfolgt, dann auch länger. Ich glaube nicht, dass er ziellos durch die Gegend fliegt. Er will etwas erreichen.«

»Und wenn wir nicht mitbekommen, dass er sich wieder absetzt, weil wir selbst nicht in der Nähe der Kapsel sind …«

Terzia runzelte die Stirn, griff nach dem Handbuch, blätterte darin. Dann zeigte sie mit dem Zeigefinger auf etwas, und ehe Köhler reagieren konnte, beugte sie sich in die Kapsel hinein und zog unter einem Sitz etwas hervor. Es bestand aus Metall: ein längliches Objekt, groß wie ihre Hand, mit zwei Lämpchen darauf, eines mit rotem, eines mit grünem Glas. An der Seite gab es einen kleinen Schalter.

»Das Handbuch sagt …«, begann sie gedehnt und hielt das Gerät ins fahle Licht aus dem Innenraum der Kapsel, »dass dieses Gerät per Funk mit der Kapsel verbunden ist, und wenn diese bemerkt, dass unser Gegner einen Zeitsprung gemacht hat, leuchtet dieses Lämpchen …« Sie schaltete das Gerät ein. Es dauerte einen Moment, dann schimmerte die grüne Anzeige. Kein Zeitsprung, das musste es wohl heißen. »Rot ist unser Zeichen«, sagte Terzia. »Wir sollten dieses Ding hier immer mit uns führen, damit wir wissen, wann die Stunde geschlagen hat.«

Und ohne Köhler auch nur anzubieten, ihr diese Verantwortung abzunehmen, steckte sie das Ding in einen Rucksack, der sich ebenfalls im Inneren der Kapsel befand und wohl der Aufbewahrung ihrer Ausrüstung dienen sollte. Seliger war gut vorbereitet gewesen, es hatte ihm nur noch an Freiwilligen gefehlt. Jetzt war zumindest eine Freiwillige dabei, zusammen mit einem Kandidaten, dessen Enthusiasmus für die Frau groß, für die Mission eher übersichtlich war.

»Schau, die Sonne geht bald auf!«

Köhler drehte sich um und sah, dass Terzia recht hatte. Ein sanfter, kaum wahrnehmbarer Schimmer war am Horizont erkennbar. Sie würden nicht mehr allzu lange in der Dunkelheit verharren müssen. Ohne Zweifel war Terzia bereit, sofort ihre Umwelt zu erkunden. Köhler hatte dagegen nichts einzuwenden, er hielt es aber für wichtiger, erst einmal gewisse Bedürfnisse zu befriedigen. Sie mussten sich um Nahrung kümmern, um Trinkwasser vor allem. All ihre hehren Ziele und Absichten nützten gar nichts, wenn sie vorher verdursteten.

Als die Sonne so weit aufgegangen war, dass sie ihre Umgebung genauer ausmachen konnten, identifizierten sie einen Bach unweit ihres »Landeplatzes« sowie einige etwas verkrüppelt aussehende Bäume. Viel Flora und Fauna gab es nicht, es war eine steppenähnliche Landschaft. Mit aufgehender Sonne wurde es allerdings schnell warm. Sie schöpften Wasser und Köhler begann, eine Angel zu basteln, wobei ihm eine kleine Säge half, die er zusammen mit anderem Werkzeug in einem Kasten in der Kapsel fand.

»Seliger hat wirklich an alles gedacht«, murmelte er, als er im gleichen Kasten auch Angelhaken fand. »Schau mal – ein Fernrohr, eine Waidmesser, eine Lupe und weitere nützliche Dinge. Er wusste, dass Zeitreisende sich selbst versorgen müssen, auf die eine oder andere Art.« In dem Bach waren Fische gut zu erkennen, das Wasser selbst aber war von eisiger Kälte. In Ermangelung anderer Kleidung wollte Köhler darin nicht umherwaten, solange es sich vermeiden ließ.

Er hatte die Angel fast fertig und war bereit, sich auf die Suche nach einem geeigneten Köder zu begeben, als Terzia sich abrupt aufrichtete und in eine Richtung zeigte.

»Ist das Rauch?«

Köhler schaute in die angegebene Richtung. Einige feine Rauchfahnen kletterten in der bewegungslosen Luft nach oben, fast senkrecht, faserten vor dem Hintergrund des blauen Himmels auseinander und verloren sich in der Weite des Firmaments.

»Lagerfeuer?«, fragte Terzia. Köhler griff nach dem Fernrohr, justierte es und schaute hindurch.

»Sieht für mich danach aus. Ich kann auch Zelte erkennen, vielleicht sogar ein Gebäude, vielleicht eine Wegstation. Schau es dir genau an. Es sind auf diese Entfernung keine Details erkennbar, aber die Feuer und die schwarzen Punkte sind in festen Abständen voneinander entfernt. Und da, einige Fahnen sind eine Spur weiter hinten. Ein Lager, und es wird das Frühstück zubereitet.«

Terzia nahm das Glas und kam zu einer ähnlichen Einschätzung. Das Wort Frühstück löste bei ihnen beiden erwartbare Reaktionen aus. Außerdem teilten sie die Neugierde, herausfinden zu wollen, wo sie hier gelandet waren.

»Wie weit ist es von hier entfernt?«, fragte Terzia.

Köhler kniff die Augen zusammen. »Wir sollten definitiv vorher etwas essen. Vielleicht müssen wir wegrennen.«

Die Frau sah ihn stirnrunzelnd an. »Du erwartest immer das Schlimmste.«

»Berufskrankheit. Und in letzter Zeit sind wirklich verdammt viele schlimme Dinge passiert.«

Terzia konnte dagegen nicht viel sagen. Sie stieß einen leisen Seufzer auf, beugte sich am Rande des Bachufers hinab, griff in das Erdreich und zog einen sich träge windenden Wurm daraus hervor.

»Dein Jagdinstinkt ist unübertroffen«, lobte Köhler sie. »Ich geh jetzt angeln.«

Er tat wie angekündigt und er hatte Erfahrung darin. Nicht nur, dass es zum Überlebenstraining eines römischen Marineoffiziers gehörte, es war auch eine beliebte Art, sich auf langen Seereisen die Zeit zu vertreiben. Nicht immer wollte man alles essen, was man fing, und manch panischer Meeresbewohner wurde nach kurzer Inspektion wieder in die Freiheit entlassen. Aber Angeln war gleichermaßen beruhigend wie nährend, zumindest dann, wenn man etwas Zeit mitbrachte.

Hunger hingegen war nicht dazu geeignet, zur Geduld anzuhalten. Köhler musste sich etwas beherrschen, um den Köder den mit nachlässiger Neugierde heranschwimmenden Fischen nicht allzu aufdringlich vor die Augen zu halten. Das klare Wasser half, die Tiere gut zu erkennen. Vielleicht wäre es doch sinnvoller gewesen, sich einen Speer zu schnitzen und im Zweifelsfall kalte und nasse Füße in Kauf zu nehmen.

Von dieser Idee nahm er erst einmal Abstand, umso mehr, als trotz aller Behäbigkeit der erste Fisch anbiss. Das kurze Triumphgefühl unterdrückend und darauf achtend, die Angel nicht zu ruckartig aus dem Wasser zu ziehen, bemühte sich Köhler um professionelle Arbeit. Sein leiser Ausruf, Ausdruck seiner Siegesfreude, blieb aber nicht ungehört. Terzia, die sich zwischenzeitlich um ein Feuer gekümmert hatte, betrachtete das Ergebnis von Köhlers Bemühungen, als es zuckend auf dem Boden landete.

»Etwas klein«, sagte sie. »Zu klein für uns beide.«

»Es kommt nicht auf die Größe an, sondern nur auf die Technik«, wandte er ein.

Terzia verengte ihre Augen zu einem sehr prüfenden Blick. »Das gilt nicht für Fische, mein Bester. Das gilt nicht für Fische.«

Dies war der Zeitpunkt, an dem sich Köhler erneut seiner Tätigkeit widmete. Ob klein oder groß, nach einer guten halben Stunde, in der ihm das Anglerglück hold war, schien das Frühstück vollständig zu sein. Terzia zeigte sich als Expertin im Ausnehmen der Tiere, sodass Köhler sich darauf konzentrieren konnte, in der Vegetation nach weiterem Essbaren zu suchen. Er fand einen Strauch mit Nüssen, die er prüfend pflückte und deren bitterer Geschmack nach kurzem Kosten nicht überzeugend war. Es schien, als müssten sie sich mit dem Fisch begnügen, der, als er zum Feuer zurückkam, bereits aufgespießt auf zurechtgeschnitzten Holzstücken über dem Feuer gedreht wurde. Der fertig gebratene Fisch schmeckte etwas fade, aber die erhoffte Sättigung trat ein.

Als sie noch mit den Resten der Mahlzeit beschäftigt waren, ruckten ihre beiden Köpfe gleichzeitig hoch. Ihre Wahrnehmung hatte sich an die Umgebungsgeräusche gewöhnt, sodass ihnen sofort eine Ergänzung aufgefallen war, die eigentlich nicht hierhergehörte.

Das leise Geräusch war absolut unverkennbar.

»Pferde!«, sagte Köhler und Terzia nickte. Es war nicht auszuschließen, dass es sich um Wildtiere handelte, doch der Instinkt eines Soldaten weckte in Köhler sofortiges Misstrauen. Auch Terzia war auf den Beinen, in ihrem Gesicht ein sorgenvoller Ausdruck.

Köhler entfernte sich einige Schritte, lauschte, nickte dann. Er hatte sich wieder mit dem Fernrohr aus der Ausrüstungskiste Seligers bewaffnet.

»Sie sind nicht hierher unterwegs. Schau selbst!«

Eine Gruppe von Reitern, keine Wildtiere, zog ihre Bahn, eindeutig in Richtung auf die Lagerfeuer, die immer noch gut erkennbar waren.

»Waffen. Schusswaffen. Und Uniformen, soweit ich das erkennen kann«, sagte Köhler. »Ich kenne die Uniformen nicht, aber es sind zweifelsohne Soldaten. Wirken recht diszipliniert und aufmerksam. Hm.«

»Hm?«

»Ich habe nur kurz einen Blick in die Gesichter einiger Männer blicken können. Aber diese Menschen haben eine große Ähnlichkeit mit den Chinesen, die uns unsere Expedition gen Osten beschrieben hat. Ich möchte daher mal vermuten, dass wir uns irgendwo im östlichen Asien befinden.«

»In China?«

»Asien ist groß. Wir sollten uns nicht festlegen.«

»Was will dieser Engelmann hier?«

Dr. Engelmann war ihre Nemesis, wenn sie Seligers Schilderungen richtig verstanden hatten, derjenige, den sie nun, mehr oder weniger freiwillig, durch die Zeiten jagten, um Schlimmeres zu verhindern.

»Vielleicht sucht er hier Verbündete. Vielleicht sucht er nur nach einem Ort, an dem er selbst etwas Ruhe findet. Egal was er vorhat, er benötigt Hilfe dabei«, mutmaßte Köhler.

»Also sollten wir uns auch dorthin begeben«, erklärte Terzia und zeigte auf die Rauchfahnen.

Köhler nickte, so richtig ohne Begeisterung.

Aber es würde schwer sein, Terzia von der Alternative zu überzeugen, einfach nichts zu tun. Dagegen sprach schon die Aussicht, sich tagelang nur von Fisch zu ernähren – oder wie lange Engelmann auch immer hier zubringen wollte.

»Gut«, sagte er also.

Er meinte es aber nicht so.

Kaiserkrieger 13: Flammen über Persien

Подняться наверх