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Jeder siebte bayerische Soldat starb

1,4 Millionen Bayern zogen als Soldaten in den Ersten Weltkrieg. Jeder siebte starb. Zum Beispiel auch ein Münchner Infanterist, der ein Tagebuch führte.

Der Münchner Infanterist Erhard Sonnengruber zog am 24. Januar 1915 in den Krieg. Abfahrt 9:17 Uhr ab München-Hauptbahnhof. "Die Musik begleitete uns zum Bahnhof", schrieb er noch in sein Tagebuch. Keine zwei Monate später war er tot: "Den Heldentod für’s Vaterland gestorben am 12. März 1915, morgens 8 Uhr durch einen Kopfschuss beim Sturmangriff", hat sein Bruder Albert vermerkt. Auszüge des Tagebuchs zitiert der Leiter des Haidhauser-Museums Hermann Wilhelm in einem sehr lesenswerten Dokumentarband über "München im Ersten Weltkrieg".

Sonnengruber war einer von amtlich festgestellten genau 198 779 Soldaten aus Bayern, die im Ersten Weltkrieg starben. Die Zahl ermittelte das Zentralnachweisamt München im Jahr 1930. Zählt man Verwundete und Kranke dazu, hatte das Heer eine enorm hohe Verlustquote. Im Schnitt mussten von 100 Soldaten des Feldheeres im Kriegsverlauf 60 ersetzt werden.

Schon vor Kriegsbeginn war die Stärke des bayerischen Heeres hoch, was angesichts der allgemeinen Militarisierung in der ausgehenden Kaiserzeit aber nicht verwunderlich ist: Die Friedensstärke lag bei knapp 90 000 Soldaten (4089 Offiziere und Beamte sowie 83 125 Unteroffiziere und Mannschaften) – bei rund sieben Millionen Einwohnern. In den Zeitungen gab es kaum eine Ausgabe, in der nicht übers Militär berichtet wurde. Selbst kleine Änderungen wie etwa neue Vorschriften bei der Uniform-Ausstattung schafften es auf die Titelseite. Als ein Offizier bei einem "Preußentag" in Berlin im Januar 1914 die bayerische Armee der Feigheit zieh – sie sollte sich beim deutsch-französischen Krieg 1870 angeblich zurückgezogen haben, "während die Preußen aber flott angegriffen hätten" – zog das einen Sturm der Entrüstung nach sich. Halb Bayern war in Aufruhr. "Die Beleidigung der bayerischen Armee", zürnte die "Münchener Zeitung". Wen wundert es, dass die Zahl der Kriegsfreiwilligen nach Kriegsausbruch hoch war. Das Militär hatte – am Anfang – keine Not bei der Rekrutierung von Soldaten, für die dann findige Geschäftsmacher per Annonce allerlei Liebesgaben feil boten – von der Armee-Felddienstuhr bis zum Spezial-Fußstreupulver.

Am 20. August 1914 waren bereits 407 000 Mann an der Front, Anfang 1918 waren es dann über 900 000, das Zehnfache der Friedensstärke. Dabei muss man berücksichtigen, dass die wenigsten Soldaten die ganzen vier Jahre ununterbrochen im Krieg standen. Es gibt Untersuchungen über das Versorgungsamt München-Süd, in dem Soldaten bei nervösen Erregungszuständen Beschwerde einreichten, eine Gruppe von gut 4000 Soldaten. Diese Gruppe war im Durchschnitt 15 Monate an der Front, nur 2,7 Prozent waren die ganzen 52 Monate eingezogen. Bei den Gefallenen gab es erstaunliche Unterschiede: Fast die Hälfte aller Gefallenen war zwischen 19 und 24 Jahre alt. Soldaten, die 35 Jahre oder älter waren, stellten nur ein gutes Zehntel der Toten. Ähnliche Unterschiede gibt es, wenn man die Herkunft der Soldaten betrachtet. Hier hat der Historiker Benjamin Ziemann ältere Darstellungen korrigiert, wonach vor allem Landwirte und Knechte überdurchschnittlich hohe Kriegsverluste erlitten. Im Gegenteil: Ihr Anteil unter den Gefallenen war geringer. Die fortschreitende Technisierung der Kriegführung führte dazu, dass an den vordersten Frontabschnitten Soldaten mit technischem Sachverstand gefragt waren. Formationen wie etwa Maschinengewehrtruppen rekrutierten sich daher vor allem aus Industriearbeitern.

Auch der Münchner Soldat Erhard Sonnengruber stammte aus der Arbeiterschaft. Er war Maschinenschlosser und kam als Kriegsfreiwilliger des Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 16 in dreitägiger Zugfahrt nach Belgien. Im Januar 1915 war die Ernährungslage, wie aus den Tagebuch-Notizen hervorgeht, noch gut. Brot, Wurst, Butter, Käse, Kakao – alles vorhanden. Die Soldaten bekamen sogar Zigarren. Das änderte sich, als Sonnengruber am 6. Februar bei Messines in Flandern in den Schützengraben abkommandiert wurde. "In vielen Unterständen steht eine Statue eines Heiligen oder hängt ein Kreuzzeichen" – nicht ohne Grund. Die Existenz im Schützengraben bedeutete, so erfuhr er rasch, dauernde Lebensgefahr. Bald war der Graben, in dem sich Sonnengrubers Trupp eingeigelt hatte, von englischer Artillerie durchlöchert. Am 4. März wurde er für eine Woche von der Front abgelöst. "Sonst war alles in ausgezeichneter Stimmung", schrieb er. Dann rückte sein Trupp wieder nach vorne. Vier Tage später war Erhard Sonnengruber tot.

BUCHHINWEIS

 Hermann Wilhelm: München im Ersten Weltkrieg, München Verlag, 24,95 Euro

 Benjamin Ziemann: Front und Heimat. Ländliche Kriegserfahrungen im südlichen Bayern, Klartext Verlag, 43 Euro

Bayern und der Erste Weltkrieg

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