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Götterdämmerung im Königreich

Die Wittelsbacher waren die viertreichste Familie Deutschlands. Doch den Niedergang des bayerischen Königshauses im Verlauf des Krieges konnte auch das nicht verhindern. Wie stabil war die Monarchie?


König Ludwig III., neben ihm sein Finanzminister von Breunig (um 1905)

Zu den schönsten Rubriken in der altehrwürdigen "Münchener Zeitung" gehören die "Hofnachrichten". In keiner Ausgabe fehlten Notizen, womit die Mitglieder des bayerischen Königshauses denn so den Tag verbrachten. Am 5. März 1914 zum Beispiel feierte Prinzessin Hildegard Geburtstag. Ihr gingen von der Königsfamilie "herzliche Glückwünsche und Blumenspenden" zu, wusste die Zeitung. Einen Tag später hieß es, dass der König die Ausstellung des Kunstvereins besucht habe. Tags drauf hielt er Audienz und empfing nach der Reihe einen General der Infanterie, einen Ministerialbeamten, einen Bankdirektor und noch einige andere Persönlichkeiten, die die Zeitung alle aufzählte. Wehe, wenn da jemand vergessen worden wäre...

Also alles normal am Hof vor 100 Jahren? Der Schein trügt möglicherweise. Schon in den 1960er Jahren haben Historiker unter Federführung von Karl Bosl herausgearbeitet, dass man Bayern in der Prinzregentenzeit eher als Verfallsgeschichte betrachten müsste – eine antiquierte rückwärtsgewandte Monarchie, während die Bedeutung der Parlamente zunahm.

Die Wittelsbacher waren eine Familie mit immensem Vermögen, geschätzt 300 Millionen Mark. Nur Kaiser Wilhelm II., der Großherzog von Mecklenburg-Strelitz und die Industriellenfamilie Krupp waren in Deutschland noch reicher. Trotzdem erhielt das Haus Wittelsbach jährlich noch staatliche Zuschüsse, die sogenannte Zivilliste, die just im November 1913 erhöht wurde. Die Kritik an diesem Schritt war groß: Der Landesvorstand der SPD etwa, so schreibt der Historiker Stefan März, veröffentlichte eine kritische Abhandlung mit dem Titel "Die Absetzung des Königs, die Erhöhung der Zivilliste und die Sozialdemokratie". Das Ende der Monarchie wurde also schon 1914 durchaus diskutiert.

Aus dem Blickwinkel der "Münchener Zeitung" vor 100 Jahren allerdings sah es so aus, als säßen die Wittelsbacher fest im Sattel. Am 27. Juni brach das Königspaar zur traditionellen Sommerreise auf, die diesmal nach Würzburg führte. Abfahrt am Münchner Hauptbahnhof um 8.40 Uhr – "zur Verabschiedung hatten sich Stadtkommandant Generalleutnant Göringer, Polizeipräsident von Grundherr und Stationsvorstand, Oberbahnverwalter Siegert eingefunden", protokollierte die Zeitung. In Würzburg überraschte Ludwig III. dann die Eilmeldung vom Attentat auf das Thronfolger-Paar in Sarajewo. Eilends reiste das Königspaar vorzeitig zurück nach München. Einen Monat später begann der Krieg.

Auch Mitglieder des Königshauses wurden einberufen. Der 45-jährige Rupprecht führte die 6. Armee südlich von Metz in Lothringen, er errang am 20./21. August 1914 einen umjubelten Sieg. Auch sein Vater Ludwig III., damals schon 69, war im Krieg ein Kümmerer. Schon Ende August brach er zum ersten Frontbesuch auf. Politisch allerdings erwies er sich als Scharfmacher: Er forderte Annexionen, zum Beispiel die Angliederung Elsaß-Lothringens an Bayern.


Prinz Heinrich von Bayern, Aufnahme des Hoffotografen Dittmar (1916) (Lizenz: gemeinfrei)

Zahlreiche Prinzen der Wittelsbacher dienten in verschiedenen Kommandos. Besonders der draufgängerische Prinz Heinrich von Bayern erfuhr nach mehreren Verwundungen "eine hohe Wertschätzung", wie März schreibt. Als Führer des 3. Bataillons des Infanterie-Leibregiments erlitt er am 7. November 1916 westlich von Hermannstadt in Siebenbürgen einen Bauchschuss, an dem er einen Tag später starb. "Die tragischen Umstände des Todes des beliebten jungen Prinzen brachten dem Königshaus zweifellos viele Sympathien der mittrauernden Öffentlichkeit ein", schreibt der Historiker März.

Es ist eine offene Frage, ob das Königreich Bayern im November 1918 untergehen musste. Oder ob es als parlamentarische Monarchie wie in England eine längere Überlebenschance gehabt hätte – zum Beispiel, wenn Ludwig III. rechtzeitig zugunsten seines populären Sohnes Rupprecht abgedankt hätte und schon im Krieg politische Reformen (Verhältniswahlrecht sowie Parlamentsverantwortung der Minister) ergriffen worden wären. Allerdings hat Ludwig III. weder den einen noch den anderen Schritt erwogen, geschweige denn durchgeführt.

BUCHHINWEIS

 Stefan März: Das Haus Wittelsbach im Ersten Weltkrieg, Pustet Verlag, 39,95 Euro

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