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ОглавлениеBlutiges Kapitel im Luftfahrt-Zeitalter
Der Erste Weltkrieg ist zugleich der Beginn der Luftwaffe. Auch von Bayern aus starteten junge Piloten zu den Fronten in Frankreich. Zum Beispiel ein junger Mann aus Ebenhausen.
Piloten vor einem Doppeldecker. Das Datum und der Ort der Aufnahme sind unbekannt, das Foto entstand kurz vor oder während des Ersten Weltkriegs. Unter dem linken Propellerflügel stehend ist der Pilot Josef Groiß zu sehen.
Foto: Privat (Claudia Groiß)
Wunder der Technik anno 1914: "Ein neues Militärluftschiff", meldete die "Münchener Zeitung" am 8. Januar. Zeppelin "Z VII" war soeben vom Militär abgenommen worden. "Der Luftkreuzer ist das erste Militärluftschiff, das mit einer rein militärischen Besatzung ausgestattet worden ist." Einen Monat später war Fernflug: Berlin-Friedrichshafen. Der Zeppelin "kann sich über 50 Stunden in der Luft halten und besitzt einen Aktionsraum von 2500 Kilometern", staunte die Zeitung.
"Z VII" kam, wenn man so will, gerade noch rechtzeitig – ein Dreivierteljahr später begann der Erste Weltkrieg. Erst die schnelle Technisierung des Kriegs führte zu den ungeheuren Zahlen an Toten und Verwundeten: Panzer (Tanks genannt), Maschinengewehre und nicht zuletzt der erstmalige Einsatz von Fluggerät machten diesen Krieg so mörderisch. Der Begriff Fluggeräte ist bewusst gewählt, denn neben Flugzeugen setzte die junge Luftwaffe auch auf Fesselballone und Zeppeline.
Das Luftfahrtzeitalter in Bayern hatte erst einige Jahre zuvor begonnen. Im Mai 1910 entstand in Puchheim bei Fürstenfeldbruck das erste Flugfeld Bayerns. Die ersten Piloten waren Helden. Tausende bestaunten in Puchheim die Flugvorführungen. Noch im Mai 1914 war auch das französische Fliegerass Adolphe Pégoud ein in Puchheim gern gesehener Flugkünstler. "Der Name Pégoud hat immer noch Zugkraft", berichtete die "Münchener Zeitung". Der Franzose sei "ein vollendeter Beherrscher des Flugzeugs" – "sein altes Programm, die Sturzflüge, Salti, Loopings, Gleitabstürze und Abfangen der Maschine, ist durch neue Nummern bereichert." Pégouds zweitägige Vorführung war die letzte in Puchheim – schon im August 1914, unmittelbar nach Kriegsbeginn, wurde das Flugfeld beschlagnahmt und zu einem Kriegsgefangenenlager umfunktioniert.
Auf dem Foto hat sich der Pilot Josef Groiß (re.) mit einem Kameraden fotografieren lassen. Foto: Privat (Claudia Groiß)
Weniger in der Öffentlichkeit stand zur gleichen Zeit das zweite oberbayerische Flugfeld: Bei Schleißheim hatte 1912 die Königliche Bayerische Fliegertruppe mit ihrem Training begonnen. Als einer der Pioniere mit dabei war Josef Groiß. "Er wurde 1892 in Ebenhausen bei Ingolstadt geboren und hat seine Ausbildung als Pilot in Schleißheim absolviert", berichtet seine Enkelin, Claudia Groiß aus Planegg. Sie hat ein Fotoalbum ihres Großvaters – eines zeigt ihn mit einem Doppeldecker-Propeller-Flugzeug.
Die Luftwaffe hatte, anders als im Zweiten Weltkrieg, keine primäre Bedeutung als Angriffswaffe zur Bombardierung. Diese Aufgabe hatten vielmehr die Zeppeline, die zum Beispiel 1915 gezielte Angriffe flogen (in London starben so insgesamt 127 Menschen). "Die Zeppeline bildeten einen Präzedenzfall für neue Formen des Angriffs auf die Zivilbevölkerung und schärften die Wahrnehmung der britischen Öffentlichkeit, dass die Deutschen zu unerlaubten Mitteln griffen", schreibt der britische Historiker David Stevenson.
Bei den Flugzeugen war das anders. Weil sie zumindest anfangs nur eine geringe Bombenlast tragen konnten, dienten sie zusammen mit den damals eingesetzten Fesselballons vor allem für die Aufklärung. Die Fesselballone wurden dabei zur direkten Feindbeobachtung eingesetzt, über Telefondrähte war die Besatzung direkt mit den jeweiligen Kommandos verbunden. Der Historiker Olaf Jessen hat das für die Schlacht um Verdun detailliert beschrieben. Zehn Kilometer hinter der vordersten Linie, so schreibt Jessen, standen im Februar 1916 zwölf Fesselballone am Himmel. Aufgabe der Besatzungen war es, Artillerieangriffe zu justieren. Die Geschütze schossen zum Teil 30 Kilometer (!) weit, da waren Echtzeit-Berichte über die Treffsicherheit das A und O. Zumindest aus Sicht der Militärs. Natürlich setzten auch die Franzosen Fesselballone ein.
Die Ballone hatten jedoch den Nachteil, ein leichtes Ziel zu sein. Bald entbrannten um sie herum regelrechte Luftschlachten feindlicher Flugzeuge, die sich gegenseitig jagten, dabei aber danach trachteten, die Fesselballone abzuschießen. Auch der junge Oberbayer Josef Groiß wurde mit diesem Befehl nach Frankreich geschickt. "Auftrag, feindliche Fesselballons anzugreifen", diesen Befehl hat seine Enkelin Claudia Groiß im Militärpass entdeckt.
Die Flieger waren Helden des Weltkriegs. Berühmt-berüchtigt waren Max Immelmann, Oswald Boelcke und vor allem Manfred Freiherr von Richthofen, der "rote Baron", der 80 "Luftsiege" errang, jedoch am 21. April 1918 an der Somme in Frankreich abgeschossen wurde und starb. "Auch mein Großvater hat oft vom Roten Baron geschwärmt. Die Flieger waren etwas Besonderes", sagt Enkelin Claudia Groiß. "Die Luftfahrt hat meinen Großvater auch später noch brennend interessiert." Pilot Josef Groiß wurde in Frankreich abgeschossen. Er überlebte schwer verwundet – durch einen Kopfschuss war er künftig fast taub. Die lederne Fliegerhaube mit einem Einschussloch war noch lange in Familienbesitz. Leider ist sie heute nicht mehr auffindbar, sagt die Enkelin.
BUCHHINWEIS
Olaf Jessen: Verdun 1916: Urschlacht des Jahrhunderts, C. H. Beck Verlag, 24,95 Euro