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LEICHT VERSPÄTETER INTERIMSPROLOG

Es war nicht sehr schwer gewesen, den einfältigen Sicherheitsmann um den Finger zu wickeln. Sie hatte ihm gesagt, dass sie dringend auf die Toilette müsse. Als er zögerte, bot sie ihm an, dass er sie auf die Toilette begleiten dürfe. Sie ließ ihn zuschauen. Als er sich hinkniete, überraschte sie ihn mit einem fachmännisch getränkten Stofftaschentuch. Er wehrte sich nur kurz.

Sie nahm seinen Schlüsselbund an sich und sein Smartphone. Sie verriegelte die Toilette von außen und sperrte dann auch die Eingangstüre zu.

Als sie die Treppe in die Chefetage hinaufstieg, überkam sie Ekel und auch Angst. Sie überwand beides und ging weiter. Der lange Gang lag im Dunkeln. Sie holte das Pfefferspray aus der Handtasche und zog schwarze Schweinslederhandschuhe an.

Sie betrat das Büro des Geschäftsführers, wobei sie die Hände und das Pfefferspray in den Jackentaschen versteckte.

Der Geschäftsführer erschrak, als sie eintrat. Er war um Fassung bemüht.

Oh, guten Abend. Sieh an, sieh an, vermissen Sie uns doch? Oder was verschafft mir die Ehre?

Er stand auf und ging auf sie zu. Er streckte ihr seine rechte Hand entgegen. Sie zog das Pfefferspray aus der Tasche und sprühte ihm eine große Ladung ins Gesicht. Sie selber trug eine Brille und hatte einen Seidenschal, der ihr etwas Atemschutz bot.

Pfefferspray / Wirkung

Augen: Eine Schwellung der Schleimhäute bewirkt das sofortige Schließen der Augenlider für ungefähr fünf bis zehn Minuten.

Atmung: Ein Einatmen des Pfeffersprays führt zu Husten und Atemnot, selten Ersticken.

Haut: Die besprühten Stellen „brennen“ und zeigen für 15 bis 40 Minuten einen Juckreiz. Je nach Dosierung kann es aber noch 48 Stunden dauern, bis die Wirkung nachlässt.

Alle Symptome treten sofort oder nach wenigen Sekunden auf.

Der Geschäftsführer hielt sich die Hände vor sein Gesicht und begann erbärmlich zu husten und zu jammern. Sie trat ihm mit voller Wucht zwischen die Beine. Als er zusammensackte, holte sie das Küchenmesser aus ihrer Tasche. Die Klinge drang einundzwanzig Mal in seinen Körper ein. Bei ihrem letzten Stoß fühlte sie endlich, dass er genug hatte.

Sie packte das Messer wieder in ihre Tasche, blickte sich noch einmal im Raum um und betrachtete ihr Opfer für einige Sekunden. Sie fühlte nichts.

Sie verließ das Gebäude und kämpfte gegen die aufkommende Angst.

Nach wenigen Minuten erreichte sie eine kleine Grünanlage. Ihre Beine zitterten und ihre Schritte waren unsicher. Sie sah die kleine Parkbank und konnte nicht widerstehen.

Nur eine Minute.

Kurz durchschnaufen.

Und dann nichts wie weg.

Zu Hause stand ein gepackter Rucksack auf dem Sofa.

Daneben lag das Flugticket nach Thailand.

Von dort aus würde sie mit dem Bus nach Kambodscha gelangen.

In Kambodscha lebte ein Freund aus Schultagen.

Er erwartete sie.

Er wusste nichts.

Er würde sie trotzdem aufnehmen und verstecken.

In der zehnten Klasse hatte er ihr seine ewige Liebe geschworen.

Er hatte Wort gehalten.

Er lebte allein.

Aussteigerleben.

Sie würde zu Hause keine Spuren hinterlassen.

Ein paar falsche Fährten hatte sie gelegt. Kontakte nach Russland und nach China.

Ihre Dokumente würde sie verbrennen, sobald sie in Kambodscha ankam.

Die Minute war längst vorbei. Gerade wollte sie aufbrechen, als ein Mann in ihre Richtung gelaufen kam. Ein junger Mann, den sie irgendwoher kannte.

Ruhig bleiben, sagte sie sich, einfach nur ruhig bleiben.




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