Читать книгу Akte Null - Джек Марс - Страница 9

KAPITEL DREI

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„Entschuldigen Sie bitte”, sagte Null, „glauben Sie, wir könnten ein wenig schneller fahren?” Er saß auf dem Rücksitz eines schwarzen Stadtwagens, während ihn der Chauffeur des Weißen Hauses nach Hause nach Alexandria fuhr, weniger als dreißig Minuten von Washington, DC entfernt. Sie fuhren die meiste Zeit in Stille, wofür Null dankbar war. So hatte er einige wertvolle Minuten zum Nachdenken. Er hatte keine Zeit, um die Flut von neuen Fähigkeiten und Geschichten zu ordnen, die sich gerade in seinem Kopf entschlüsselt hatten. Er musste sich auf die Aufgabe vor ihm konzentrieren.

Denk nach, Null. Von wem weißt du, dass sie darin verwickelt sind? Der Verteidigungssekretär, der Vizepräsident, Kongressmitglieder, eine Handvoll Senatoren, Mitglieder der nationalen Geheimdienstagentur, der nationale Sicherheitsrat, sogar die CIA... Namen und Gesichter blitzten in seinem Gehirn auf wie eine mentale Rotationskartei. Null atmete tief ein, nachdem er spürte, wie ein angespanntes Kopfweh sich in seiner Stirn ausbreitete. Er hatte viele von ihnen beschattet, hatte sogar einige Beweise gefunden - die Dokumente, die er in dem Sicherheitsfach in Arlington verschlossen hatte - doch er fürchtete, dass das nicht ausreichte, um sicher zu beweisen, was da geschah.

In seiner Tasche klingelte sein Handy. Er nahm nicht ab.

Warum jetzt? Er brauchte nicht seine gerade erst wiedergefundenen Erinnerungen für diesen Teil. Es war ein Wahljahr. In etwas über sechs Monaten würde Pierson entweder für eine zweite Amtszeit gewählt oder von einem Demokraten geschlagen. Nichts könnte mehr Unterstützung bringen, als eine erfolgreiche Kampagne gegen einen feindlichen Gegner.

Er war sich sicher, dass Pierson nicht dazugehörte. Null erinnerte sich sogar daran, dass Piersons während seines ersten Amtsjahres einen Gesetzesentwurf unterzeichnete, der die amerikanische militärische Präsenz in Irak und Iran verminderte. Er war gegen weiteren, grundlosen Krieg im Nahen Osten. Deshalb brauchten jene, die sich in den Schatten aufhielten, die Brüderschaft als Auslöser.

Und während die USA ihre Anwesenheit verminderte, haben die Russen ihre vermehrt. Maria hatte erwähnt, dass die Ukrainer nervös waren, weil sie befürchteten, dass Russland vorhatte, ölproduzierende Posten im Schwarzen Meer zu ergreifen. Darum war sie auf eine verhaltene Zusammenarbeit mit ihnen eingegangen, die es beiden erlaubte, Informationen zu teilen. Die amerikanischen Verschwörer machten gemeinsame Sache mit den Russen. Die USA bekäme die Meeresenge und die Russen das Schwarze Meer. Die USA täten nichts, um Russland von ihrem Vorhaben abzuhalten, und Russland handelte ebenso, bot ihnen vielleicht sogar Unterstützung im Nahen Osten.

Zwei der Weltmächte würden reicher, stärker und fast unaufhaltbar. So lange es Frieden zwischen ihnen gäbe, könnte sich ihnen keiner in den Weg stellen.

Sein Telefon klingelte erneut. Der Anrufer wurde als unbekannt angezeigt. Er überlegte kurz, ob es Deputy Direktor Cartwright sein könnte. Nulls direkter Vorgesetzter in der Sonderabteilung der Agentur war spürbar abwesend bei dem Treffen mit Präsident Pierson im Oval Office. Vielleicht war es ein gesellschaftliches Engagement, das ihn abhielt, doch Null hatte Zweifel daran. Dennoch, der Anrufer (oder die Anrufer) hinterließen keine Nachricht auf dem Anrufbeantworter und Null hatte keine Lust, sich an die CIA zu wenden.

Als sie sich an sein Zuhause in der Spruce Straße annäherten, tätigte er zwei Anrufe. Der erste war an die Georgetown Universität gerichtet. „Hier spricht Professor Reid Lawson. Leider habe ich mir irgendwas eingefangen. Wahrscheinlich eine Grippe. Ich gehe nachher zum Arzt. Können Sie nachsehen, ob Dr. Ford meine Vorlesungen für mich übernehmen kann?”

Der zweite Anruf ging an die Third Street Garage.

„Ja”, antwortete der Mann mit einem Grummeln.

„Mitch? Hier spricht Null.”

„Hm.” Der stämmige Mechaniker sagte es, als ob er den Anruf schon erwartet hätte. Mitch war ein Mann weniger Worte und half außerdem auch der CIA. Er hatte Null geholfen, als er seine Töchter aus den Händen Rais’ und eines Menschenhändlerringes retten musste.

„Ich habe da ein Problem. Ich brauche möglicherweise einen Unterschlupf für zwei. Kannst du dich bereithalten?” Die Worte taumelten aus seinem Mund, als wären sie gut geübt - was sie auch waren, bemerkte er, selbst wenn er sie seit einiger Zeit nicht ausgesprochen hatte. Er wollte es nicht riskieren, Watson oder Strickland darum zu bitten. Die würden wahrscheinlich genauso beobachtet wie er. Doch Mitch arbeitete versteckt.

„Kein Problem”, gab Mitch einfach zurück.

„Danke, ich melde mich.” Er legte auf. Zuerst hatte er darüber nachgedacht, seine Töchter sofort in einen geheimen Unterschlupf zu bringen, doch jegliche Abweichung von ihrem normalen Tagesablauf könnte Verdacht hervorrufen. Mitchs Unterkunft war ausfallsicher, falls er Grund hatte, zu glauben, dass die Leben seiner Töchter in unmittelbarer Gefahr stünden - und trotz der Sorge um seinen erhöhten Sinn von Paranoia hatte er ausreichend Grund, um zu glauben, dass sie gerechtfertigt war.

Sein Zuhause war ein zweistöckiges Eckhaus in der Vorstadt von Alexandria. Auf der anderen Seite stand ein leeres Haus, das gerade zum Verkauf angeboten wurde. Es war das ehemalige Zuhause von David Thompson, eines pensionierten CIA Einsatzagenten, der in Nulls Eingangshalle ermordet worden war.

Er schloss die Tür auf und gab schnell den Sicherheitscode für das Alarmsystem ein. Er hatte es so eingestellt, dass man den Code jedes Mal eingeben musste, wenn jemand kam oder ging, egal, wer sonst noch zu Hause war. Gab man den Code nicht binnen sechzig Sekunden nach dem Öffnen der Tür ein, so erklang ein Alarm und die örtliche Polizei würde informiert. Zusätzlich zu dem Alarmsystem hatten sie außerdem Sicherheitskameras, die Außen und Innen installiert waren, Riegel an den Türen und Fenstern und einen Panikraum mit einer Stahlsicherheitstür im Keller.

Dennoch fürchtete er, dass dies nicht ausreichte, um seine Töchter in Sicherheit zu wissen.

Maya lag auf ihrem Rücken auf dem Sofa und spielte etwas auf ihrem Handy. Sie war fast siebzehn und schwankte oft zwischen impulsiven Launen eines Teenagers und der Andeutung, eine anspruchsvolle Erwachsene zu werden. Von ihrem Vater hatte sie das dunkle Haar und die scharfen Gesichtszüge geerbt, von ihrer Mutter die scharfe Intelligenz und den beißenden Witz.

„Hallo”, begrüßte sie ihn, ohne dabei vom Bildschirm aufzublicken. „Hat es beim Präsidenten was zu Essen gegeben? Ich hätte heute nämlich wirklich Lust auf was chinesisches.”

„Wo ist deine Schwester?” fragte er schnell.

„Esszimmer.” Maya legte die Stirn in Falten und setzte sich auf, erkannte die Dringlichkeit in seiner Stimme. „Warum? Was ist los?”

„Noch nichts”, antwortete er rätselhaft. Null eilte durch die Küche und fand seine jüngere Tochter, Sara, dabei, wie sie ihre Hausaufgaben am Tisch machte.

Sie blickte beim plötzlichen Eindringen ihres Vaters auf. „Hallo Papa.” Dann machte auch sie ein ernstes Gesicht, bemerkte scheinbar, das irgendetwas nicht stimmte. „Alles in Ordnung?”

„Ja, mein Schatz, alles in Ordnung. Ich wollte nur wissen, was du machst.” Ohne ein weiteres Wort ging er schnell nach oben in sein Büro. Er wusste schon, was er brauchte und wo genau er dies fände. Oben auf der Liste stand das Handy, ein älteres Modell, dass er mit Bargeld gekauft hatte und das einige hundert Minuten Guthaben hatte. Maya hatte die Nummer. Als Zweites brauchte er den Schlüssel für das Sicherheitsfach. Er wusste, wo er war, geradeso als ob er es niemals vergessen hatte, obwohl sich ein paar Stunden zuvor an diesem Morgen nicht mal daran hätte erinnern können, wozu er diente oder warum er ihn hatte. Der Schlüssel befand sich in einer alten Kiste in seinem Schrank, die er seine ,Müllkiste’ getauft hatte, gefüllt mit allen möglichen alten Dingen. Er konnte sich nicht dazu überwinden, sie loszuwerden, obwohl sie es kaum Wert schienen, aufbewahrt zu werden.

Als er zurück in die Küche kam, war er nicht besonders überrascht, seine beiden Töchter mit erwartungsvollen Blicken vor sich stehen zu sehen.

„Papa?” fragte Maya unsicher. „Was ist los?”

Null nahm sein Handy aus seiner Tasche und legte es auf die Küchentheke. „Es gibt da was, das ich tun muss”, erklärte er vage. „Und es ist...”

Unglaublich gefährlich. Monumental idiotisch, es alleine zu tun. Bringt euch direkt in Gefahr. Mal wieder.

„Es bedeutet, dass wir vermutlich beschattet werden. Gründlich. Und wir müssen darauf vorbereitet sein.”

„Müssen wir wieder in einen geheimen Unterschlupf?” fragte Sara.

Es brach Nulls Herz, dass sie eine solche Frage überhaupt stellen musste. „Nein”, antwortete er. Dann tadelte er sich selbst und erinnerte sich daran, dass er ihnen Ehrlichkeit versprochen hatte. „Noch nicht. Dazu könnte es später noch kommen.”

„Hat es etwas damit zu tun, was in New York geschehen ist?” fragte Maya gerade heraus.

„Ja”, gab er zu. „Aber hört bitte einfach nur zu. Es gibt da einen Mann, der die Agentur unterstützt, der sich Mitch nennt. Er ist ein großer Typ, stämmig, mit einem buschigen Bart, der eine Fernfahrermütze trägt. Ihm gehört die Third Street Garage. Wenn ich es ihm anweise, dann kommt er hierher und bringt euch an einen sicheren Ort, von dem noch nicht mal die CIA weiß.”

„Warum gehen wir da nicht sofort hin?” fragte Sara.

„Weil die Möglichkeit besteht”, erwiderte Null ehrlich, „dass wir jetzt schon beobachtet werden. Oder dass man mindestens darauf achtet, dass etwas außergewöhnliches geschieht. Wenn ihr nicht zur Schule geht oder ich etwas anders als gewohnt tue, dann kann das diese Leute aufmerksam machen. Ihr wisst schon Bescheid: lasst niemanden rein, geht mit niemandem mit und vertraut niemandem außer Mitch, Agent Strickland oder Agent Watson.”

„Und Maria”, fügte Sara hinzu. „Stimmt’s?”

„Ja”, murmelte Null. „Und Maria. Natürlich.” Er griff nach der Türklinke. „Ich brauche nicht lange. Schließt hinter mir ab. Ich habe das alte Handy, falls ihr mich braucht.” Er ging aus der Tür und schritt schnell auf sein Auto zu, bestürzt, dass die Erinnerung an seine Nacht mit Maria ihm wieder durch den Kopf ging.

Kate. Du hast sie betrogen.

„Nein”, murmelte er zu sich selbst, als er das Auto erreichte. Das hätte er nie getan. Er liebte Kate mehr als alles, mehr als jeden. Während er sich hinter das Steuer setzte und den Motor zündete, suchte er in seiner Erinnerung nach einem Hinweis, der ihm sagte, dass er falsch lag, dass er und Maria keine Affäre hatten, während Kate noch am Leben war. Doch er fand keinen. Seine Beziehung zu Hause war eine glückliche. Kate hatte keine Ahnung, dass er als CIA Agent arbeitete. Sie glaubte, dass seine häufigen Reisen Gastvorlesungen an anderen Universitäten, Recherche für ein Geschichtsbuch, Gipfel und Tagungen waren. Sie unterstützte ihn vollkommen und kümmerte sich um die zwei Mädchen. Er versteckte seine Verletzungen vor ihr und wenn dies nicht möglich war, dann fand er Ausreden. Er war tollpatschig. Er war gefallen. Wenigstens einmal wurde er überfallen. Die Agentur half ihm bei seinen Deckungsgeschichten aus und mehr als einmal stellten sie sogar gefälschte Polizeiberichte aus, um seine Behauptungen zu untermauern.

Sie wusste es nicht.

Doch Maria wusste es. Maria wusste die ganze Zeit, dass sie zusammen waren, während Kate noch am Leben war, und sie hatte nichts gesagt. Solange Nulls Gedächtnis geschädigt war, konnte sie ihm sagen, was immer er hören wollte und unterschlagen, was er nicht wusste.

Er bemerkte plötzlich, wie fest er sich am Lenkrad gekrallt hatte. Seine Fingerknöchel waren weiß und seine Ohren brannten vor Wut. Kümmere dich später darum. Jetzt gibt es wirklich wichtigeres zu tun, sagte er sich auf dem Weg zur Bank, um die Beweise zurückzuholen, von denen er nur hoffen konnte, dass sie ausreichten, um dies aufzuhalten.

Akte Null

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