Читать книгу Glaube Liebe Hoffnung. Ein kleiner Totentanz - Ödön von Horváth - Страница 29

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[40] Viertes Bild

Szene Nummer 1

Schauplatz: Elisabeths möbliertes Zimmer .

Der Schupo (Alfons Klostermeyer) liegt in Unterhosen im Bett und döst vor sich hin. Elisabeth kocht Café und betrachtet ab und zu die weissen Herbstastern , die in einer Vase neben dem Spirituskocher stehen. Draussen scheint die Oktobersonne, aber die Gardinen sind halb heruntergelassen und das Ganze ist ein Bild des glücklichen Friedens zweier liebender Herzen.

Szene Nummer 2

ELISABETH (riecht an den weissen Herbstastern). Wie lang, dass die sich halten. Schon fünf Tage. Das hätt ich jetzt aber ursprünglich nicht gedacht, dass Du mir weisse Herbstastern kaufen wirst.

SCHUPO. Mir hat das sofort eine innere Stimme gesagt.

ELISABETH. Trotzdem.

SCHUPO. Hast gedacht, so ein schneidiger Schupo, das ist ein leichtlebiger Falter? Der möchte nur eine mit viel Geld? Weit gefehlt! Ich schätze eine Frau höher ein, die von mir abhängt, als wie umgekehrt. Krieg ich noch ein Küsschen?

ELISABETH. Ja.

SCHUPO. Ist der Café bald fertig?

ELISABETH. Sofort.

SCHUPO (nimmt die Kopfhörer vom Nachtkastl und legt sie sich an). Stramm! Schneidig - (er summt den Radetzkymarsch mit, den die Militärmusik im Radio gerade spielt).

ELISABETH. Du Alfons -- gestern abend war das eine wunderbare Opernübertragung. Aida.

[41]SCHUPO (legt die Kopfhörer wieder auf das Nachtkastl). Hast mich also gar nicht vermisst?

ELISABETH. Aber Alfons!

SCHUPO. Krieg ich noch ein Küsschen?

ELISABETH. Hier hast den Café --- (sie bringt ihm eine Tasse). Und hier hast das Küsschen -- (sie gibt es ihm und setzt sich auf den Bettrand).

SCHUPO (geniesst den Café). Ich bin ja nur froh, dass es schon heute ist. Ständig erhöhte Alarmbereitschaft -- gut, dass die blöden Wahlen vorbei sind! Erst vorgestern nacht habens wieder einen Kameraden von mir erschossen.

ELISABETH. Es müssen halt immer viele Unschuldige dran glauben.

SCHUPO. Das lässt sich nicht umgehen in einem geordneten Staatswesen.

ELISABETH. Das seh ich schon ein, dass es ungerecht zugehen muss, weil halt die Menschen keine Menschen sind - aber es könnt doch auch ein bisschen weniger ungerecht zugehen.

SCHUPO. Also das ist Philosophie. Was gefällt Dir eigentlich an mir?

ELISABETH. Alles.

SCHUPO. Aber welches Wort würde denn am besten zu mir passen?

ELISABETH. Ich weiss es nicht.

SCHUPO. Geh das wirst Du doch wissen!

ELISABETH. Du hast Dich etwas verändert, Alfons. Früher warst Du trauriger.

SCHUPO. Wie das?

ELISABETH. Halt melancholischer.

SCHUPO. Oh das bin ich jetzt auch noch! Das wäre ja gelacht!

ELISABETH. Entschuldige -- (sie erhebt sich).

SCHUPO. Wohin? Ach so. Tu Deinen Gefühlen nur kein Korsett an.

[42]ELISABETH (schrickt etwas zusammen, scharf). Wieso Korsett?

SCHUPO (überrascht). Warum?

(Stille.)

ELISABETH (lächelt). Entschuldige bitte, aber ich bin heut halt etwas nervös -- (sie verschwindet).

Szene Nummer 3

SCHUPO (allein). -- melancholisch? Noch melancholischer? -- Wieso noch melancholischer?

Szene Nummer 4

ELISABETH (erscheint wieder).

SCHUPO. Das hat aber lang gedauert.

ELISABETH. Lang?

SCHUPO. Doch nichts besonderes?

ELISABETH. Bitte werde deutlicher.

SCHUPO. Ich hab nämlich immer achtgegeben.

ELISABETH. Ach so.

Szene Nummer 5

Jetzt klopft es an der Türe. Die zwei liebenden Herzen lauschen -- abermals klopft es, und zwar entschiedener.

SCHUPO. Pst! Niemand zu Hause.

ELISABETH. Wer kann das sein?

Szene Nummer 6

STIMME. Kriminalpolizei!

ELISABETH. Jesus Maria!

SCHUPO. Polizei? Und ich lieg da. Ausgerechnet Bananen! (Er [43]packt rasch seine Kleidungsstücke und versteckt sich im Schrank.)

Szene Nummer 7

Es klopft nun noch entschiedener an die Türe. Elisabeth öffnet und ein Herr betritt ihr möbliertes Zimmer. Es ist ein Oberinspektor der Sittenpolizei .

Szene Nummer 8

OBERINSPEKTOR. Geduld bringt Rosen. (Er sieht sich um und deutet auf das unordentliche Bett.) Ich habe Sie wohl im Schlaf gestört?

ELISABETH. Warum?

OBERINSPEKTOR. Sie wissen genau warum.

ELISABETH. Ich bin heut nicht ganz auf dem Damm.

OBERINSPEKTOR. Es gibt allerdings Leute, die haben Nachtdienst und sind deshalb untertags ruhebedürftig.

ELISABETH. Wie meinen Sie das?

OBERINSPEKTOR (hält einen Sockenhalter hoch, den er auf dem Stuhle gefunden hat). Fräulein pflegen wohl Sockenhalter zu tragen?

(Stille.)

ELISABETH. Was will man denn von mir?

OBERINSPEKTOR. Sie haben von der Polizei einen Unterkommensauftrag gekriegt, darauf steht, dass Sie sich innerhalb dreier Wochen um ein einwandfreies Unterkommen umsehen sollen. Aber Sie haben weder Arbeit, noch haben Sie nachgewiesen, dass Sie sich um eine solche bemüht haben.

ELISABETH. Kümmern Sie sich doch um die Leut, die kein Unterkommen haben!

[44]OBERINSPEKTOR. Keine Hetzreden bitte! Polizeiwidrig ist nicht, wer kein Unterkommen hat, polizeiwidrig ist nur, wer dadurch die öffentliche Ordnung gefährdet.

ELISABETH. Aber ich gefährde doch nicht die öffentliche Ordnung!

OBERINSPEKTOR. Solange Sie sich nicht über Ihre Einkünfte ausweisen können, ist dies fraglich.

ELISABETH. Für mich wird schon gesorgt.

OBERINSPEKTOR. Eben diese freundliche Fürsorge interessiert uns.

ELISABETH. Das habe ich doch schon früher angegeben. Ich erhalte von meinem Bräutigam zwanzig Mark in der Woche. Davon lebe ich.

OBERINSPEKTOR. Wer ist denn dieser Bräutigam?

(Stille.)

OBERINSPEKTOR. Sie nennen also den Namen nicht?

ELISABETH. Nein.

OBERINSPEKTOR. Und warum nicht?

ELISABETH. Weil ich meinem Bräutigam kraft seiner Position eventuell schaden täte.

OBERINSPEKTOR (grinst). Hübsch! Sehr hübsch -- Eventuell sind bei diesen zwanzig Mark mehrere Bräutigams beteiligt.

ELISABETH. Das ist eine Unverschämtheit --

OBERINSPEKTOR (unterbricht sie). Immer nur schön ruhig, Fräulein! Sie entschuldigen, wenn ich indiskret werde - (er öffnet plötzlich den Kleiderschrank und ist nicht überrascht, einen Mann darin zu finden, aber dass dieser Mann ein Schupo in Unterhosen ist, der von seiner Uniform nur den Rock und die Mütze anhat, scheint ihn etwas peinlich zu berühren).

[45]Szene Nummer 9

SCHUPO (steht stramm im Kleiderschrank).

OBERINSPEKTOR. Sie hier?

SCHUPO. Es ist alles wahr, was das Fräulein gesagt hat, Herr Oberinspektor.

(Stille.)

OBERINSPEKTOR (zu Elisabeth). Bitte, lassen Sie uns mal etwas allein --

ELISABETH (zögert).

SCHUPO (zu Elisabeth). Sei so gut.

ELISABETH. Bitte -- (ab).

Szene Nummer 10

OBERINSPEKTOR. Hier verbringen Sie also Ihre freien Stunden.

SCHUPO (ist aus dem Kleiderschrank heraus und zieht sich nun hastig an). Wenn ich eine Aufklärung geben darf, Herr Oberinspektor -- hier liegt bestimmt ein Irrtum vor.

OBERINSPEKTOR. Irrtum?! Mensch, wie kommen Sie zu dieser Frau?! Wir haben sie doch im Auge, dass sie zu einer bestimmten Damenkategorie gehört!

SCHUPO. Damenkategorie?

OBERINSPEKTOR. Wahrscheinlich!

(Stille.)

SCHUPO (lächelt). Aber nein, Herr Oberinspektor --

OBERINSPEKTOR. Kennen Sie sie denn überhaupt?

SCHUPO. Kennen jawohl.

OBERINSPEKTOR. Und wollen sie heiraten.

SCHUPO. Ich habe es vor, Herr Oberinspektor.

OBERINSPEKTOR. Wie alt sind Sie denn?

SCHUPO. Vierundzwanzig! Herr Oberinspektor.

[46]OBERINSPEKTOR. Das alte Lied!

SCHUPO (ist nun wieder angezogen). Aber das mit den zwanzig Mark stimmt genau, Herr Oberinspektor.

OBERINSPEKTOR. Monatlich achtzig Mark! Sie sind doch auch nicht fürstlich bezahlt!

SCHUPO. Meine Eltern unterstützen mich.

OBERINSPEKTOR. Was ist denn Ihr Vater?

SCHUPO. Schreinermeister.

OBERINSPEKTOR. Dann hätten Sie lieber Schreiner werden sollen.

SCHUPO. Wie verstehen das Herr Oberinspektor?

(Stille.)

OBERINSPEKTOR. Bedaure, aber Sie scheinen es nicht zu ahnen, wen Sie da an den Traualtar führen wollen -- Ihre Braut hat doch wegen Betrug bereits vierzehn Tage Gefängnis hinter sich.

SCHUPO. Gefängnis?

OBERINSPEKTOR. Betrug. Abgesehen von einer Geldstrafe, die sie sich auch schon mal geholt hat. Dass diesen Damen derlei Verbindungen mit der Polizei ganz erwünscht sind, ist ja menschlich verständlich. Aber ob das Ihrer Karriere sehr förderlich ist --

SCHUPO. Keine Ahnung --

OBERINSPEKTOR. Na also! (Er öffnet die Türe und ruft hinaus.) Kommen Sie herein!

Szene Nummer 11

Elisabeth kommt wieder herein. Sie denkt es sich schon, dass jetzt alles aus ist.

(Stille.)

SCHUPO. Betrug? Stimmts?

ELISABETH. Ich weiss, es ist aus.

[47]SCHUPO. Gefängnis?

ELISABETH. Ja.

(Stille.)

SCHUPO. Du Elisabeth. Warum hast Du mir das alles verschwiegen?

ELISABETH. So frag mich doch nicht so saudumm.

(Stille.)

SCHUPO (steht stramm). Besten Dank, Herr Oberinspektor!

OBERINSPEKTOR. Bitte bitte!

SCHUPO (schlägt die Hacken zusammen und will ab).

ELISABETH. Halt!

(Stille.)

SCHUPO. Du hast mich belogen und das ist für mich der entscheidende Punkt.

ELISABETH. Nein, Deine Karriere, das ist er, Dein entscheidender Punkt.

SCHUPO. Nein! Aber zuerst kommt die Pflicht und dann kommt noch Ewigkeiten nichts! Radikal nichts!

(Stille.)

ELISABETH. Du Alfons. Zuvor -- wie Du da drinnen im Schrank warst, da habe ich Dich beschützen wollen.

SCHUPO. Mich?

ELISABETH. Uns.

SCHUPO. Dich! Dich gegen mich! Ich kenn mich schon aus, Fräulein!

(Stille.)

ELISABETH (grinst). Ich hab Dich halt nicht verlieren wollen, lieber Alfons --

SCHUPO (schlägt wieder die Hacken zusammen). Herr Oberinspektor! (rasch ab).

[48]Szene Nummer 12

OBERINSPEKTOR. Also das war wirklich nicht notwendig von Ihnen, dem Mann seine Karriere so leichtfertig zu gefährden --

ELISABETH. Notwendig? Und meine Karriere?

OBERINSPEKTOR. Sie wollen doch nicht behaupten, dass Sie unschuldig sind?

ELISABETH. Oh nein, das habe ich mir schon längst abgewöhnt. Entschuldigens, aber jetzt muss ich lachen -- (sie setzt sich auf den Bettrand und lacht lautlos).

OBERINSPEKTOR. Lachens Ihnen nur ruhig aus. (ab).

(Dunkel.)

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Glaube Liebe Hoffnung. Ein kleiner Totentanz

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