Читать книгу Glaube Liebe Hoffnung. Ein kleiner Totentanz - Ödön von Horváth - Страница 30

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[49] Fünftes Bild

Szene Nummer 1

Polizeirevier . Nach Mitternacht.

Der Schupo (Alfons Klostermeyer) spielt mit einem Kameraden eine Partie Schach . Es regnet draussen, und in weiter Ferne spielt ein Orchester den beliebten Trauermarsch von Chopin – bis Szene 3.

Szene Nummer 2

SCHUPO (horcht). Wer spielt denn da?

KAMERAD. Radio.

SCHUPO. Nach Mitternacht?

KAMERAD. Vielleicht Amerika. Dort ist es jetzt Tag. Du bist dran.

SCHUPO. Sofort.

(Pause.)

SCHUPO (zieht mit dem Turm).

KAMERAD (überlegt). Geh ich daher, geht er dahin. Geh ich dahin, geht er daher. Dunkel wars, der Mond schien helle, als ein Wagen blitzesschnelle - g sieben c drei. Schach!

SCHUPO. Du auch noch.

(Pause.)

SCHUPO. Wer ist denn dran?

KAMERAD. Immer der, der fragt.

(Pause.)

SCHUPO (erhebt sich). Aufgegeben, Matt.

KAMERAD. Matt? In dieser Position?

SCHUPO. Es steckt nichts mehr drinnen.

KAMERAD. Nichts? D fünf d sieben! H zwei g vier!

SCHUPO. Möglich.

[50]Szene Nummer 3

KAMERAD (betrachtet noch immer das Brett). Dass Du da die Waffen streckst, wo Du doch sonst jede Partie zu Ende spielst, auch wenn es für Dich hoffnungslos herschaut.

SCHUPO. Mir scheint, ich bin krank. Schon seit einer ganzen Zeit. Wenn ich mich niederleg, werd ich wach, und wenn ich aufsteh, schlaf ich ein.

KAMERAD. Das sind die Nerven.

SCHUPO (lächelt geschmerzt). Weisst, ich hab halt eine kleine Aufregung hinter mir.

KAMERAD. Dienstlich?

SCHUPO. Nein. Privat. Betreffs eines Weibes. Da stellst Dich hin und machst alles für so ein Menschenkind, zahlst ihr das Leben, schenkst ihr Deine intimsten Gefühle, Deine freie Zeit, Dein gutes Geld -- und das Resultat? Du bist der Lackierte.

KAMERAD. Undank ist der Welt Lohn.

SCHUPO. Manchmal fang ich schon zum Grübeln an.

KAMERAD. Also nur das nicht! Grübeln ist Gift!

SCHUPO. Von mir aus. Schau - zum Beispiel meine erste Braut, mit der ich sehr harmonisiert habe, die ist mir weggestorben. So bin ich beinander. Die eine stirbt, die andere lügt. Lauter blutige Enttäuschungen. Ich find keinen Menschen, dessen Liebe mir etwas gibt.

Szene Nummer 4

Jetzt betritt ein dritter Schupo das Revier, und zwar bringt er den Präparator mit sich, der total betrunken ist - der Vizepräparator ist auch dabei, und ebenfalls nicht mehr ganz auf der Höhe infolge Alkoholgenusses.

[51]DRITTER SCHUPO. So! Da wären wir!

VIZEPRÄPARATOR. Aber lieber Herr Wachtmeister -

DRITTER SCHUPO (unterbricht ihn). Ruhe! (zu seinen Kameraden). Nächtliche Ruhestörung und Beamtenbeleidigung!

VIZEPRÄPARATOR. Wieso hernach Beamtenbeleidigung?

DRITTER SCHUPO. Wieso hernach? Hat er denn nicht gebrüllt und getobt und mit diesem seinem Spazierstock gegen die Rolläden getrommelt, dass die ganze Strass aufgewacht ist? Hat er mir nicht gesagt, Sie Rindvieh, Sie krummgebohrtes?! Oder vielleicht?!

(Stille.)

VIZEPRÄPARATOR. Entschuldigens bitte, aber ursprünglich wollten wir heute abend in aller bescheidenen Zurückgezogenheit den zweiundsechzigsten Geburtstag dieses Herrn dort feiern, aber der Mensch denkt -

KAMERAD (grinst). -- und Gott lenkt.

PRÄPARATOR (scharf). Und wer ist schuld? Der Oberpräparator.

DRITTER SCHUPO. Ruhe! (Er deutet auf das Schachbrett.) Wer hat denn da gewonnen?

KAMERAD. Ich.

DRITTER SCHUPO. Du? Gegen den? Nicht möglich.

SCHUPO. Ich hab heut keinen Kopf.

PRÄPARATOR. Meine Herren! Wer ist mein Feind? Der Oberpräparator und nur der Oberpräparator.

DRITTER SCHUPO. Schluss mit der Debatte!

KAMERAD. Was schwätzt denn der da immer von einem Oberpräparator?

VIZEPRÄPARATOR. Aber das ist es ja eben -- ich bin nämlich der Vizepräparator, und der Oberpräparator das ist dieser Herr da persönlich. Voriges Monat ist er avanciert, aber wenn er sich betrunken hat, vergisst er es immer wieder, dass er befördert worden ist. Jener bewusste [52]Oberpräparator, den dieser Oberpräparator da meint, den hat ja Gottseidank schon längst der Teufel geholt - der hat sich nämlich infiziert, an einem Leichnam. Aus Brünn.

DRITTER SCHUPO. Jetzt aber Schluss! Setzen! Das Protokoll!

Szene Nummer 5

BUCHHALTER (stürzt herein). Hilfe Herr Wachtmeister! Da draussen liegt ein Fräulein drüben beim Kanal!

KAMERAD. Beim Kanal?

DRITTER SCHUPO. Was für ein Fräulein?

BUCHHALTER. Selbstmord! Wir haben sie aus dem Wasser heraus - das heisst nicht ich, sondern ein tollkühner Lebensretter. Mir scheint, sie lebt noch! Da!

Szene Nummer 6

ZWEI MÄNNER (einer im Smoking, erscheinen nun und auch der tollkühne Lebensretter. Sie tragen die aus dem Kanal herausgerettete Elisabeth und legen sie auf eine Bank. Der tollkühne Lebensretter heisst Joachim und ist total durchnässt und friert ziemlich - der eine Schupo reicht ihm eine Decke, die er sich umhängt. Alle, ausser dem Präparator, beschäftigen sich nun mit Elisabeth. Auch der Schupo Alfons Klostermeyer tritt an sie heran, erkennt sie und starrt sie an).

BUCHHALTER. Es ist noch ein Funke Leben in ihr -

DRITTER SCHUPO. Sofort künstliche Atmung!

VIZEPRÄPARATOR. Kenn ich genau. Darf ich helfen? Hab zwei Semester Medizin, aber dann ist mir das Geld ausgegangen -

KAMERAD. Los los!

PRÄPARATOR. Und etwas Schnaps!

JOACHIM. Auch für mich bitte.

[53]PRÄPARATOR (zu Joachim). Allerhand Schneid. In stockdunkler Nacht im November ins Wasser springen - tollkühn! Sehr tollkühn!

JOACHIM. Aber ich erfüllte doch nur meine normale menschliche Pflicht - (er trinkt aus der Schnapsflasche).

PRÄPARATOR. Zu bescheiden, zu bescheiden. (Er nimmt ihm die Schnapsflasche weg und wendet sich an den Schupo.) Hab ich nicht recht, Herr General?

SCHUPO. Ich bin kein General.

PRÄPARATOR. Also auf das Wohl des tollkühnen Lebensretters! Prost! (Er trinkt.)

JOACHIM (zum Schupo). Ich ging vorbei und hörte etwas in das Wasser plumpsen und sah einen silbrigen Schein - das war ihr Gesicht. Ich sprang sofort hinein und griff zu. Ehrensache. Hätte doch jeder getan. Sie auch.

SCHUPO. Natürlich.

PRÄPARATOR. Das kommt gross in die Zeitung. Mit Photographie. Der tollkühne Lebensretter soll leben! Hoch! (Er trinkt wieder.)

DRITTER SCHUPO (bei Elisabeth). Wo bleibt denn der Schnaps?

PRÄPARATOR. Da!

JOACHIM (zum Schupo). Könnt ich mal telephonieren?

SCHUPO. Dort bitte.

KAMERAD (tritt zum Schupo). Sie hat nichts bei sich. Nur einen ungültigen Wandergewerbeschein --

PRÄPARATOR. Wandergewerbeschein?

KAMERAD. Jawohl.

PRÄPARATOR (wendet sich Elisabeth zu und betrachtet sie aufmerksam).

[54]Szene Nummer 7

Während sich nun alles, ausser dem Schupo und den beiden Männern, die das Polizeirevier bereits wieder verliessen, sowie dem Präparator, um Elisabeth bemüht (künstliche Atmung und dergleichen), telephoniert Joachim mit seiner Mama.

JOACHIM. Halloh! Mama! Bist Du es, Mama? - Oh nein, fürchte Dich nicht, dass ich Dich so aus dem Schlaf heraushol, aber ich habe soeben einer Selbstmörderin das Leben gerettet -- Tollkühn, was? Ehrensache! Komm auch in die Zeitung, mit Photographie, ist doch eine unbezahlbare Reklame für die Firma, so umsonst in der ganzen Presse -- Halloh! Aber jetzt krieg ich doch dann mein Motorrad, was? - Wie? Du hast es mir doch versprochen! Werden sehen? Adieu! (Er hängt wütend ein, für sich.) Altes Dromedar.

Szene Nummer 8

SCHUPO. Ist sie tot?

KAMERAD. Mir scheint, sie atmet.

VIZEPRÄPARATOR. Werden sehen, werden sehen!

Szene Nummer 9

PRÄPARATOR (hat Elisabeth erkannt). Sie ist es. Pfeilgerade. Diejenige welche - (er wendet sich zerknirscht an den Schupo)

Glaube Liebe Hoffnung. Ein kleiner Totentanz

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