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Ohne Standpunkt kein Klartext

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Ohne Klartext geht es nicht. Und ohne Standpunkt kein Klartext – so einfach ist das, im Prinzip. Wer nicht weiß, was er will, und trotzdem etwas sagen soll, der kann gar nicht anders, als wolkiges Blabla von sich zu geben. Wobei: Halt! Die einzig sinnvolle Alternative wäre zu sagen, dass die Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen ist. Doch wie oft hören Sie Topmanager oder Politiker sagen: Wir überlegen noch. Bis dann und dann haben wir eine Meinung dazu und werden sie mitteilen? Eher selten, oder? Viel verbreiteter ist es, sich als Macher und Bescheidwisser zu präsentieren und so zu tun, als hätte man immer und zu allem eine Meinung. Selbst wenn man keinen Plan hat. Solche Manager reden dann mal so, mal so, verlangen ständig etwas anderes und verstricken sich irgendwann in Widersprüche.

Ich liebe bild.de. Auch finde ich den Claim »Bild dir deine Meinung« super. Klar ist Bild oft krass. Aber Bild hat immer eine erkennbare Meinung. Die kann ich persönlich gut oder schlecht finden. Tatsache ist: Es gibt einen Standpunkt, an dem ich mich reiben kann. Insofern fordert Bild ihre Leser tatsächlich auf, sich eine Meinung zu bilden.

Es gibt eine aktuelle Untersuchung, warum Twitter in Deutschland ein ziemlicher Flop ist. Facebook lieben ja alle, rund 90 Prozent der Social-Media-Nutzer (das sind wiederum über 70 Prozent der Deutschen) sind auf Facebook. Twitter dagegen nutzen nur 24 Prozent. Selbst das todlangweilige Karriereportal XING hat hierzulande mehr Nutzer als Twitter. Im internationalen Vergleich sind 24 Prozent lächerlich, denn anderswo ist Twitter ein Riesenerfolg. Einer der Gründe soll angeblich sein, dass die deutsche Sprache komplizierter ist als beispielsweise die englische. Das ist Quatsch, denn jedes Kind kann auch mit 140 Zeichen eine Aussage machen.

Der Hauptgrund, den die Untersuchung ans Licht brachte, ist viel aufschlussreicher: Twitter wurde dazu konzipiert, Meinungen zu verbreiten und zu diskutieren. Die Amerikaner und Briten lieben das. Sie nehmen gern Standpunkte ein und wollen darüber diskutieren. Schon als Kinder in der Schule lernen sie das in Debattierklubs. Und die Deutschen? Posten lieber auf Facebook ein Foto von ihrem Mittagessen. Oder von ihrem letzten Auftritt als Redner. Oder ein Selfie von sich mit Anke Engelke. Das ist ja so schön harmlos. Und die anderen können dann alle sagen »gefällt mir« oder »wie schön« oder »wie süß«.

Sich eine Meinung zu bilden und einen Standpunkt zu kommunizieren, ist anstrengend. Jedenfalls anstrengender, als irgendein dummes Foto oder ein Zitat vom Dalai Lama um die Welt zu schicken.

Was die Leute auf Facebook machen, ist mir letztlich egal. Ich will in diesem Buch auf die Situation in den Unternehmen hinaus. Und da sieht es so aus: Je höher man kommt, je abgehobener die Meetings werden, desto einfacher ist es, ohne Standpunkt durchzukommen. Wer es einmal geschafft hat, als Experte zu gelten, wer ein eigenes Büro hat und mit Krawatte zur Arbeit kommt, der kann in Meetings labern, bis die Zimmerpflanzen eingehen. Ich habe Meetings erlebt, da fragt man sich, ob es das geben darf. Erst tastet sich einer ganz vorsichtig vor. Der Chef guckt skeptisch. Schon wird im nächsten Redebeitrag kräftig zurückgerudert. So geht das ewig weiter, bis letztlich niemand etwas gesagt hat, worauf er festgenagelt werden könnte. Anschließend wird das Meeting per E-Mail und mit cc an 23 Leute noch mal durchgekaut, relativiert und eingeordnet.

Das Problem ist: Womit Leute hier durchkommen, das funktioniert an der Basis nicht. An der Basis muss jeder wissen, was Sache ist. Was ist heute zu tun? Knopf drücken oder Knopf nicht drücken? Lagern oder liefern? Betonverschalung oder Holzvertäfelung?

Eine Meinung macht noch keinen Klartext

Was ich mich frage: Jeder dieser Experten und Oberbosse hat doch schon mal privat einen Handwerker beauftragt. Hat er dann auch gesagt: »Ich hätte gern mal ein bisschen renoviert?« So wie er zum Unternehmensberater sagt: »Wir würden gern mal ein bisschen was für unser Image tun?« Sagt jemand seinem Gärtner etwa: »Mach mal den Garten schön«? Oder geht er ins Autohaus und sagt: »Ich hätte gern ein neues Auto, aber ich weiß noch nicht, ob ich dafür ein Budget habe, lassen Sie uns doch schon mal ins Gespräch kommen«?

So läuft das nicht, auf keinen Fall! An der Basis müssen Sie wissen, was Sie wollen, und klare Ansagen machen. Das weiß auch jeder DAX-Vorstand.

Klartext heißt: einen Standpunkt haben

Einem Maler muss ich zum Beispiel sagen: »Diesen Raum hätte ich gern rot gestrichen.« Dann kann der Maler mich immer noch beraten – er ist ja der Experte – und etwa sagen: »Bei diesem Raum würde ich das nicht machen, der hat zu wenig Tageslicht.« Dann kann ich es mir überlegen, und entweder schließe ich mich der Meinung des Handwerkers an oder ich bleibe bei meiner ursprünglichen Vorstellung. In jedem Fall macht der Handwerker am Ende das, was ich sage. Ich kann auch zu Porsche gehen und sagen: »Ich hätte gern einen 9IIer, aber die Konditionen müssen stimmen.« Dann kann der Kundenberater als Experte sehen, wie günstig er das Leasing oder die Finanzierung anbieten kann. Und dann entscheide ich mich.

Was ich damit sagen will: Klartext heißt ja nicht, dass man sofort die richtige Lösung hat. Klartext heißt auch nicht, mit dem Kopf durch jede Wand zu gehen. Klartext heißt, einen Standpunkt zu haben, bevor man den Mund aufmacht. Und Klartext heißt auch, diesen einmal kommunizierten Standpunkt nicht willkürlich, das heißt ohne Diskussion und ohne Rat von Leuten, die sich besser auskennen, zu ändern.

Rund 65.000 Mängel wurden laut Medienberichten nach dem Baustopp auf der Baustelle des neuen Hauptstadtflughafens Berlin-Brandenburg erkannt. Andere Quellen sprechen von 150.000 Mängeln. Die Frage ist, was man als Mangel definiert, doch das interessiert ja keinen. Tatsache ist, dass hier ein Großprojekt in den Sand gesetzt wurde. Und zwar unter anderem deshalb, weil kein Handwerker mehr wusste, was er eigentlich machen sollte.

Schauen wir mal genauer hin, was da passiert ist. Im Aufsichtsrat wurde geredet und geredet, da saßen Manager, Politiker, Geldgeber, ohne Kontakt zur Basis. In der Geschäftsführung änderte man gleichzeitig ständig seine Meinung. Das zumindest ist der Vorwurf von Flughafen-Architekt Gerkan, der von »Hunderten von Planänderungen in der Bauphase« spricht, während gleichzeitig »mangelhafte Kommunikation« geherrscht haben soll. Ergebnis: An der Basis, auf der Baustelle, weiß keiner mehr, was er machen soll. Und was macht der schlaue Handwerker dann? Er behilft sich irgendwie. Motto: Passt schon.

Passt eben nicht. Kürzlich hieß es im Focus: Sogar die Bäume wurden falsch gepflanzt! Wenn es nicht so tragisch wäre, könnte man sich schieflachen. Leider kostet das ganze Chaos unsere Steuergelder.

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