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»Sagen, was Sache ist. Machen, was weiterbringt. Ist das selbstverständlich?«

Dominic Multerer

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Seid ihr alle bescheuert? – Sorry, aber das habe ich gedacht, als plötzlich jeder über mich sagte: Der redet Klartext. Ich bin rumgerannt, habe Vorträge vor Krawattenträgern gehalten, und exakt dieses Wort kam ständig als Feedback: Klartext.

Für mich war das damals gar nicht Klartext, sondern einfach das, was ich zu sagen habe. Ich bilde mir eine Meinung und nehme einen Standpunkt ein. Da ich nicht allein auf der Welt bin, erkläre ich meinen Standpunkt anderen. Und zwar so, wie ich glaube, verstanden zu werden.

Ist Klartext etwas Besonderes?

Denn sonst wäre es ja sinnlos, überhaupt den Mund aufzumachen. Falls ich wegen meiner Sicht der Dinge auf die Mütze bekomme – ja, das kommt vor –, denke ich von Neuem nach. Ich setze mich mit den Standpunkten anderer auseinander und dann entscheide ich mich, entweder bei meiner Meinung zu bleiben oder sie zu ändern. Ist das was Besonderes? Für mich war es das nie.

Ich habe mit 21 Jahren mein erstes Buch veröffentlicht – und was meinten die Rezensenten? »Da schreibt einer Klartext«, hieß es. Immer wieder dieses Wort. Irgendwann habe ich mir die Zeit genommen und mal näher hingeschaut und mich umgehört. Ich habe Situationen analysiert und meine Schlüsse gezogen. Warum ist Klartext nicht selbstverständlich? Inzwischen weiß ich: In vielen Unternehmen drücken sich die Leute davor, klare Standpunkte einzunehmen. Und selbst, wer eine Meinung hat, hält damit hinterm Berg. Er taktiert lieber und will erst hören, was die anderen sagen, damit er sein Fähnchen nach dem Wind drehen kann. Eher hat man in der Antarktis Mobilfunkempfang, als dass man in solchen Unternehmen Klartext hört.

Klartext oder nicht, das zeigt sich im Alltag schon darin, ob ein Unternehmen in der Lage ist, verbindliche Auskünfte zu geben und verlässliche Zusagen zu machen. Neulich ruft mich zum Beispiel jemand von einem Verein aus der Fußball-Bundesliga an. Vor zwei Jahren war er noch bei einer anderen Firma, hat damals einen Vortrag von mir gehört und würde mich jetzt gern als Redner buchen. Ich sage, wann ich Zeit habe und was es kostet. Er sagt, okay, bei dieser Honorarhöhe geht das nicht so einfach, aber er klärt das mit dem Sponsor und meldet sich innerhalb von drei Wochen. Das ist Klartext. Ich kann die Sache für mich erst einmal abhaken und muss dem Mann und seinem Verein nicht hinterherlaufen.

Schön, wenn es so läuft. Doch leider untypisch. In den meisten Fällen läuft es nämlich so wie bei der folgenden Geschichte: Der Geschäftsführer einer IT-Firma ruft an und erklärt, dass er seine Marke neu ausrichten will und Ideen fürs Image braucht. So weit, so unkonkret. Aber das macht nichts. Ich fahre hin, wir besprechen alles, inklusive Zeitrahmen, und ich schicke noch eine Mail mit einer ersten Ideenskizze und dem Angebot hinterher. Es folgt das Schweigen im Walde. Erstes Nachfassen nach 14 Tagen. Fehlt noch was? Nein, alles gut. Sie hören von uns. Zweites Nachfassen sechs Wochen später. Gut, dass Sie anrufen, höre ich, wir hätten uns nächste Woche sowieso gemeldet. Aha. Wir brauchen noch Zeit. Soso. Lauter Leute krank. Hm, verstehe. Drittes, viertes, fünftes Nachfassen, immer im Vier-bis-sechs-Wochen-Rhythmus. Ohne klares Ja oder Nein. Was höre ich nach über einem halben Jahr? Also, wir haben eigentlich im Moment überhaupt kein Budget dafür. Wir sind aber weiterhin sehr interessiert an einer Zusammenarbeit. Lassen Sie uns im Gespräch bleiben …

Klartext statt Rumgeeiere

Wie bitte? Was für ein Gespräch denn? Denen ist wohl der Unterschied zwischen miteinander reden und den anderen hinhalten nicht klar. Ich bekam einen solchen dicken Hals, dass ich froh war, kein Hemd getragen zu haben – bei dem wäre nämlich der Kragen geplatzt. Mal antesten, mal labern und dann Monate später feststellen, dass die Voraussetzungen für einen Auftrag komplett fehlen? Für mich wäre es völlig okay gewesen, auf mein Angebot hin zu hören: Tut uns leid, wir wollen von einem Auftrag absehen. Ich hätte das akzeptiert und keinen Stress gemacht, aber dieses Rumgeeiere machte mich wahnsinnig. Als ich mich wieder beruhigt hatte, fiel mir auf, wie oft ich solche Situationen schon erlebt hatte. Ich hörte mich in meinem Business-Netzwerk um und jeder, wirklich jeder sagte: Ja genau! So was kenne ich auch.

Am Ende war ich sicher: Mein nächstes Buch schreibe ich über Klartext. (Et voilà!) Das vorliegende Buch ist weniger das Ergebnis einer spontanen Erleuchtung als meines weiteren Nachdenkens. Mir wurde deutlich, was das Thema Klartext alles mit sich bringt, ja, welche Konsequenzen der Unterschied zwischen Klartext und Blabla für Unternehmen hat. Ich spreche hier von Verbindlichkeit, von externer und interner Kommunikation. Aber Stopp: Ich bin kein Kommunikationstrainer und dies ist auch kein Kommunikationsbuch. Mir geht es nicht darum, Werbetextern und anderen Sprachakrobaten Konkurrenz zu machen, die verkaufsfördernd von sich behaupten, »Klartext-Experten« zu sein. Ganz und gar nicht.

Worauf ich mit diesem Buch hinauswill, ist, Klartext als Unternehmensstrategie zu begreifen, die auf den Prinzipien Klarheit, Ehrlichkeit, Mut, Bindung und Empathie basiert.

Fünf Klartext-Prinzipien

Warum ist diese Strategie so effektiv? Klartext kann nur reden, wer einen Standpunkt hat und offen damit umgeht. In einem Unternehmen, in dem grundsätzlich Klartext geredet wird, wird auch ständig reflektiert und sich ausgetauscht. Wer reflektiert und sich austauscht, der hat Interesse am vollständigen Bild. Er ist auf der Hut und bleibt kritisch.

Klartext heißt Dialog. Ansagen von oben nach unten sind Tacheles.

Wo Manager dagegen ständig von ihren eigenen Monologen besoffen sind, da ist das Unternehmen in Gefahr. Meistens bemerkt zunächst keiner die Risiken. Wie auch, wenn man kaum miteinander redet? Nur wenn alle permanent Klartext reden, können Gefahren frühzeitig erkannt und abgestellt werden. Und dann entwickelt sich das, was gut funktioniert, ständig weiter. Wenn Sie dieses Buch tatsächlich lesen und nicht als Dekoration auf den Besuchertisch legen, ins Bücherregal abschieben oder bei Amazon weiterverkaufen, dann werden Sie auf den folgenden Seiten noch genauer erkennen, was ich alles unter Klartext verstehe.

Wie bereits in meinem ersten Buch, lasse ich auch diesmal andere zu Wort kommen. Ich habe prominente und kompetente Köpfe um Statements zum Thema Klartext gebeten. Deren Meinungen gebe ich hier ungefiltert wieder und erlaube mir im Gegenzug, zu den Meinungen meiner Gastautoren auch selbst wieder einen Standpunkt einzunehmen. Denn Klartext heißt für mich immer Dialog. Ansagen von oben nach unten sind für mich Tacheles, aber nicht Klartext. Ich werde darauf zurückkommen.

In diesem Sinn wünsche ich mir, dass das Buch Sie dazu anstiftet, Dialoge zu führen, miteinander zu sprechen. Mehr noch, dass es Widerspruch provoziert und Widerspruchsgeist lockt. Denn wie heißt es so schön: Wo alle einer Meinung sind, wird meistens gelogen.

Also, bleiben wir ehrlich. Reden wir Klartext. Los geht’s!

← Ihr Dominic Multerer

Koblenz, im Frühjahr 2015

Klartext

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