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Teil 1: Warum Techniker Philosophie brauchen

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In den letzten Jahrhunderten waren Techniker Untertanen. Sie haben abgegrenzte Probleme gelöst in abgegrenzten Räumen, die Entscheidungen fällten Kaufleute, Könige oder andere Herrscher. Das hat sich geändert: Techniker sitzen am Hebel der Macht. Es ist also Zeit, aus dem geschützten Raum herauszutreten und sich mit den Untiefen der Macht zu befassen.


Die menschliche Intelligenz ist dazu da, Probleme zu lösen.

Mit diesem einfachen Satz könnte alles gesagt sein und es wäre gut. Nur fehlt der Aussage ein ganz wesentlicher Bestandteil: sie gibt uns keine Antwort darauf, was denn überhaupt ein Problem ist.

Das bedeutet, die Aussage, die eigentlich den Anspruch hat, die Frage nach dem Sinn der Intelligenz zu beantworten, verlagert das Problem nur. Tatsächlich wälzt sie die Antwort auf die Frage nach der Existenz und dem Sinn eines Problems ab.

Karl Popper, der vermutlich wichtigste und prägendste Philosoph des späteren 20. Jahrhunderts, also der Zeit nach den Weltkriegen und nach Relativitätstheorie und Quantenmechanik nennt eines seiner Bücher: „Das Leben ist ein Problemlösen“. Er kommt der Sache damit schon näher. Allerdings macht er einen wesentlichen Unterschied: er verzichtet in seiner Aussage auf die Sinnfrage. Er beschreibt ein Charakteristikum des Lebens als technischen Prozess - und er bleibt dabei wertfrei.


Technik ist wertfrei

Und damit sind wir bei der Technik. Sie ist wertfrei. Sie probiert irgendetwas - und etwas geschieht. Das kann einfach sein, wie ein Apfel, der vom Baum fällt, oder sehr kompliziert, wie eine Reise zum Mond oder eine moderne Autofabrik.

Doch die Menschheit hat für ihre Entwicklung auch noch andere Disziplinen entwickelt als die Technik: Den Handel, die Kriegsführung, die Religion, die Politik, um nur einige zu nennen, nicht zu vergessen natürlich die Kunst und den Humor. Alle zusammen tragen zu dem bei, was wir heute Gesellschaft nennen und zwar in einer dramatischen Vielfalt und Dynamik.

Die Philosophie kann, einfach ausgedrückt, als die Disziplin betrachtet werden, die all diese Dinge gemeinsam betrachtet zu einem Verständnis der Welt und unserer Rolle als Menschen darin. Und die frühen Philosophen Griechenlands waren in der Regel auch alles in einem. Mathematiker, Krieger, Politiker, Priester … man nenne nur Pythagoras, den heutige Generationen nur noch vom rechtwinkligen Dreieck her kennen, der aber eine Art Sektenführer war, oder Archimedes. Auch spätere Vertreter der technischen Entwicklung wie Galilei oder Leibnitz waren mehr Philosophen als Naturwissenschaftler und haben sich sehr wohl damit befasst, welche Zusammenhänge bestehen zwischen ihren Erkenntnissen auf technischem Gebiet und der Gesellschaft in der sie lebten.

Sie haben sehr wohl verstanden: Technik ist zwar wertfrei, nicht aber ihre Nutzung und das Mögliche ist nicht notwendigerweise erstrebenswert.


Intelligenz und Wissen – ein Unterschied

Es sollte niemand auf die Idee kommen, zu glauben, die Menschheit sei heute intelligenter als vor 2000 Jahren. In der Tat schätzen Anthropologen, der Höhepunkt der menschlichen Intelligenz war ca. 5.000 v.u.Z. Das ist schlicht der Tatsache geschuldet, dass damals Intelligenz ganz individuell wichtig war, um zu überleben angesichts von Säbelzahntiger und fehlender Straßenbeleuchtung. Mit der Herausbildung und zunehmenden Spezialisierung sozialer Gemeinschaften wurde das anders. Wir sollten daher durchaus Respekt haben vor den intellektuellen Leistungen unserer Vorfahren. Unser Vorteil ist das Mehr an Wissen, das wir angehäuft haben, doch auch das schützt uns weder vor Dummheit noch vor Irrtum.

Denn das ist jetzt unser Problem: Gerade wegen ihrer Wertfreiheit ist die Technik oft unschuldig verliebt in die Grenzenlosigkeit ihrer Möglichkeiten. Dabei läuft sie Gefahr, die Frage nach dem Sinn aus den Augen zu verlieren. Wenn ich heute auf IT Kongressen bin, ist die am häufigsten gestellte Frage die Suche nach attraktiven Anwendungen und Geschäftsmodellen.

Der Techniker läuft, bei allem Respekt, Gefahr, zum nützlichen Idioten zu werden. Das zu verhindern, dazu dient dieses Buch.


Technologie sucht Sinn

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