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Metaphysik – der Aufbau der Welt

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Von ‚Flach oder Kugel?‘ bis ‚Was war vor dem Urknall?‘

Die Fragen zur Beschaffenheit der Welt gab es, seit die Menschen denken konnten und sie werden auch nicht aufhören.

Der Aufbau der Welt hat aber einen ganz wesentlichen Einfluss auf unser Selbstverständnis, einerseits individuell, vielmehr jedoch als Gesellschaft. Ein durchschnittlich gebildeter Bürger im mittelalterlichen Lyon hatte sicher ganz andere Ideen und Wertmaßstäbe als ein Revolutionär in Russland im Oktober 1917, obwohl beide vermutlich von edelsten Motiven geleitet waren.

Die Entwicklung vom Verständnis der Welt ist es daher wert, in einem historischen Aufriss betrachtet zu werden.


Wahrnehmung und Glaube

Diese zwei treibenden Faktoren bestimmten seit Jeher die Vorstellung vom Aufbau der Welt.

Die Wahrnehmung betraf zunächst den Verlauf der Gestirne und Planeten sowie der Jahreszeiten und das Wesen der unterscheidbaren Elemente. Die Unterscheidung in Feuer, Wasser, Luft und Erde ist beispielsweise so eine Form der Untergliederung. Dabei war die Erde nicht immer flach. Entgegen der verbreiteten Meinung war etwa auch bereits Pythagoras der Ansicht, die Erde sei eine Kugel, wie viele andere Größen der Antike auch. Allerdings kannten sie nicht die Schwerkraft und ordneten die Planetenbewegung gottgewollten Kreisbahnen zu. Die Begründung war die, dass nur die Kreisbahn eine Bewegung in einem von Materie durchdrungenen Raum erlaubt.

Die damaligen Erklärungen für die Effekte der Schwerkraft sind aus heutiger Sicht amüsant, aus damaliger durchaus bemerkenswert und ich möchte nicht wissen, über welche heutigen Überlegungen spätere Generationen herzlich lachen werden. Die Rolle der Götter hatte dabei zwei Kernfunktionen: Zum einen, das nicht verstandene erklärbar zu machen, wie etwa die Kreisbahnen der Planeten, zum anderen, das eigene Temperament zu zügeln und dem ständigen Wechselspiel von Naturgewalten, Gefahren und eigener Maßlosigkeit eine verhandelbare Form zu geben.


3000 Jahre alte Geschichten prägen uns bis heute

Die Menschen der damaligen Zeit standen ja durchaus vor der schwierigen Frage, wieso sie sich denn von den anderen Tieren so unterschieden. Warum sie einerseits klüger waren und sie beherrschen konnten, andererseits von Zweifeln geplagt waren, von Trieben und Maßlosigkeit. Warum die Frauen ihre Kinder unter großen Schmerzen gebaren, während alle Tiere in ewigem Gleichmut ein vergleichbar paradiesisches Dasein pflegen. In dieser Zeit entstanden die Kernaussagen der Religionen, wie etwa die Schöpfungsgeschichte, die die westliche Welt bis heute prägen und die in ihrem Tiefgang ihresgleichen suchen.


Pragmatismus zwischen Göttern und Menschen

Das Verhältnis zu Göttern war bei aller Mystik dabei lange Zeit pragmatisch geprägt. Mit geeigneten Opfern ließ sich gut Handel mit den Götter treiben und die Grenze zwischen Menschlichem und Göttlichem war gerne fließend. Halbgötter wie Herkules gehörtem zum Personal ebenso dazu wie die Vergötterung von Tyrannen, zu denen auch Größen wie Pythagoras sich zählten.


Plato trennt das Göttliche vom Menschlichen

Erst mit Plato kam etwas grundlegend Neues dazu: Die Götter hoben sozusagen ab, entschwebten in einen immer abstrakteren Himmel. Die Ideenleere Platos sagt: von allem, was ist, gibt es eine Idee. Das ist die reine Form, sie ist einzigartig und göttlich. Was wir sinnlich erfahren, sind nur (irdische) Abbilder dieser Idee. Damit prägt er das Bild von einer reinen, göttlichen Idealwelt, die aber für alles irdische Leben unerreichbar ist. Es gibt also die Idee einer Katze und es gibt Katzen, die herumlaufen, die aber sterblich sind und verschwinden, nur der Ideenanteil bleibt. So entstand im Weiteren die Trennung zwischen Leib und Seele.

Platos strenges Konzept hat die späteren fast 2000 Jahre geprägt, unter anderem das Christentum, das vieles von Plato übernommen hat, dieser Prozess zog sich aber einige hundert Jahre hin.


Der Jenseitsbonus der Christen

Das kleinstaatlich geprägte antike Griechenland, wurde von den sehr viel unkultivierteren Römern abgelöst. Sie waren hervorragende Organisatoren. Metaphysisch trugen sie nicht viel bei, sondern übernahmen das Griechische. Sie führten über viele Jahrhunderte pragmatisch ihr Imperium auf hohem Niveau bis sie am eigenen Erfolg scheiterten. Die unterdrückten Germanen wurden immer gebildeter und selbstbewusster und waren in der Mehrzahl Christen: Der Jenseitsglaube machte es leichter, Unterdrückung im Diesseits auszuhalten. Gleichzeitig wuchsen sie als Söldner zur Mehrheit im römischen Heer.

Die zunehmende Unlust der gebildeten Römer, sich mit dem Zusammenhalten der Republik zu befassen, ließ zudem das Heer immer mächtiger werden. Schließlich sah sich Kaiser Konstantin gezwungen, zum Christentum zu konvertieren, um seine Truppen hinter sich zu behalten.

Das war der Durchbruch eines christlich geprägten Abendlandes, das sich mit einer klaren Päpstlichen Autorität und streitbaren Kaisern erfolgreich 1000 Jahre hielt. Geist und Bildung der Antike zogen sich nach Byzanz zurück. Die westliche Welt unterwarf sich und war eindeutig aus dem Jenseits bestimmt. Das Diesseits war nur ein Übergang und es galt, auf Erlösung zu hoffen. Das hielt sich, bis die Wissenschaft in der Renaissance dem Mittelalter ein Jähes Ende setzte.

Auslöser war die Eroberung von Byzanz durch die Türken 1453. In Byzanz hatten sich Kultur, Literatur und Geist der Antike gehalten und eine Humanistische Bildungsschicht etabliert. Ihre Vertreter flohen mit den Dokumenten der Antike nach Norditalien und lösten dort einen Bildungsboom aus, der einen tausendjährigen Dornröschenschlaf beendete.


Mit Gallilei erwachten Wissenschaft und Technik

Gallilei rückte die Erde aus dem Mittelpunkt, die Erde wurde endgültig zur Kugel, Amerika entdeckt und die christliche Welt, allen voran die Italienische, erwachte zu neuer Blüte, ja Hochmut. Das brachte Luther und auch andere auf und das Machtgefüge der Katholiken über das Abendland wurde schwer angeschlagen. Könige und Kaufleute kamen zu neuer Macht und in lokalen Zentren entstand ein wahrer Bildungsboom.

Stück für Stück wurde das Weltenrätsel gelöst. Wenn sich auch lange kaum ein Philosoph traute, Gottes Rolle offen anzuzweifeln, so wurde sie doch immer weiter zurückgedrängt.


Emanzipation von Gott in der Französischen Revolution

Mit Rousseau begann die Gottlosigkeit. Man nennt die Zeit die Romantik, in der der Mensch sich in einer maßlosen Weise seiner Freiheit und offensichtlichen Herrscherrolle über die Natur erfreut. Daraus entwuchsen zwei Linien der menschlichen Hybris: die Romantische, die sich als Allmachtsgefühl (ich bin bzw. wir sind auserwählt) über Nietzsche bis zu Hitler aufschaukelte und heute immer wieder im Autoritären Populismus hochkocht, und die rationalistische, die sich über Robespierre und Marx bis zum Stalinismus entwickelte, im Glauben, ein rational beherrschbares Staatensystem konstruieren zu können.

Gleichzeitig entwickelte sich der Liberalismus, der schließlich zu demokratischen Systemen und Kapitalismus führte.


And the winner is:

Ob die Welt aus dem Jenseits oder aus dem Diesseits gelenkt wird, ist immer noch umstritten. Nach einem starken Hang zum Diesseits seit der Französischen Revolution ist der Trend der Zeit heute in großen Gruppen auch wieder stark Jenseitsgeprägt.

Keine der Formen, die die Vertreter einer diesseitigen Schicksalsbestimmung erfunden haben, war zudem wirklich erfolgreich. Zwei führten zu grandiosen Katastrophen, der Liberalismus ist gerade dabei, sich selbst zu besiegen.

Das Ablehnen einer Ordnung hat zu einer Ordnung geführt, die keiner mehr zu beherrschen scheint. Die Rolle der Technik bei letzterem ist mit ein Grund, warum es gerade für Techniker wichtig ist, sich jetzt mit Philosophie zu befassen.


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