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Februar/​März, Mittelitalien, im Gebirge

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Filippo läuft in Richtung Nord-Nord-Ost. Es ist sehr schönes Wetter bei klarer Spätwintersonne. Er läuft frühmorgens, in den kältesten Stunden des Tages, um sich aufzuwärmen, macht in der prallen Mittagssonne ein Nickerchen, wäscht sich gelegentlich, nicht oft, in eiskalten Flüssen und sucht nachts Unterschlupf in verfallenen Hütten, unter Büschen, um zu schlafen so gut es eben geht. Er hält sich am Hang, ohne sich allzu weit von der Ebene zu entfernen. In den Dörfern, durch die er kommt, kauft er Brot und Käse. Pro Tag legt er gut zwanzig Kilometer zurück. Die Wege sind steil, das Laufen ist beschwerlich, zumal für ihn, der nie einen anderen Sport getrieben hat als den hektischen Sprint durch die Straßen von Rom, um den Bullen zu entwischen, aber es macht ihm ganz unerwartet Freude. Nach dem Lärm, in dem er die ganzen letzten Jahre gelebt hat, erst in den besetzten Häusern Roms, dann im Gefängnis, entdeckt er jetzt die Stille des Mittelgebirges, gewöhnt sich nach und nach daran, empfindet sie als schützenden Kokon, in den er sich schmiegt, horcht darauf, was sein Körper ihm sagt, seine sich ausbildenden, kräftiger werdenden Muskeln, seine sich tief mit Luft füllende Lunge. Er horcht auf die Wörter und Sätze, die in seinem Kopf Gestalt annehmen, ohne Ordnung und ohne Ziel, und frohlockt darüber, sich frei zu fühlen, ohne Bindungen und ohne Zukunft.

Eines Tages, er ist schon über eine Woche unterwegs, erblickt er hinter einer Wegbiegung am Übergang zwischen Ebene und Gebirge, gestochen scharf in der Sonne, wie ein zum Greifen nahes Spielzeug die strenge Silhouette einer ganz aus Stein erbauten Stadt, ein von Mauern umringter Wald aus Türmen, ein steinernes Universum in Gelb- und Weißtönen, aus dieser Entfernung keine Spuren menschlichen Lebens.

Ein Gefühl großer Vertrautheit. Er hat diese Stadt, oder ihren Zwilling, schon einmal gesehen, auf einem großen gerahmten Foto. In der Kneipe Guidoriccio da Fogliano, wo seine Mutter ihn regelmäßig hinschickte, seinen Vater holen, wenn der zu voll war, um allein nach Hause zu finden, hing es hinter der Kasse an der Wand. Auf dem Foto bildeten die steinernen Städte den Gegenpart zu einem Eroberer in Rüstung und seidenem Waffenrock, aufrecht auf seinem Ross, das einzige menschliche Wesen weit und breit in einer mit Befestigungsbauten und Lanzen gespickten weißen Felsenlandschaft vor schwarzem Himmel, im Krieg gegen die ganze Erde und gegen alle Götter, eine bewusste Pose für die Ewigkeit. Die Einsamkeit war sein Reich. Dieser Eroberer menschenleerer Landstriche und verlassener Städte hatte lange Zeit die Tagträume des nach einer Identität suchenden Kindes Filippo bewohnt. Maßlos bewunderte er den großartigen siegreichen Krieger und zugleich Todesengel, der jede Form von Leben um sich herum auslöschte. Wenn er ihn neben sich heraufbeschwor, empfand er eine Mischung aus Angst und Sehnsucht, die ihn wohlig erschauern ließ. Seine besten Kindheitserinnerungen.

Jetzt, am Ende der Welt auf einer unglaublichen Flucht, holen ihn diese Erinnerungen ein, und auch wenn heute die Angst vor den verlassenen Städten den Ruhm des Eroberers überstrahlt – eine Frage des Standpunkts –, macht dieses vertraute Bild Filippo Mut, gibt ihm das eigentümliche Gefühl, nicht ganz verloren zu sein. Er grüßt die Stadt von fern und setzt seinen Weg fort.

Ausbruch

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