Читать книгу Bolan und der Sturm auf Seattle: Ein Mack Bolan Thriller #21 - Don Pendleton - Страница 7
Kapitel 1: Weicher Kontakt
ОглавлениеBolan trug Kampfschwarz und eine modifizierte Fallschirmjägerausrüstung, eine am Halsriemen getragene MP als Hauptwaffe – momentan für den Sprung gut gesichert – und eine .44 AutoMag als Backup an der rechten Hüfte; an Gurten, die die Brust unter dem Fallschirmgeschirr kreuzten, war eine Vielzahl von harter Munition befestigt. Das waren jedoch Waffen "für alle Eventualitäten", denn im Prinzip war die Mission als weiche Aufklärung geplant; es kursierten auch "Soft-Touch"-Waffen im militärischen Netz. Die heftigeren Sachen waren nur dafür gedacht, im Notfall hart zuschlagen zu können.
Jack Grimaldi, ein alter Freund aus früheren Missionen, saß am Schaltknüppel der für Fallschirmsprünge umgerüsteten Cessna.
Die Konversation zwischen den beiden beschränkte sich auf ein Minimum und konzentrierte sich nur auf die gegenwärtige Aufgabe.
Jetzt räusperte sich Grimaldi und rief: "Wir drehen auf Gegenwind. Höhe zwölfhundert. Überprüf die Markierung!"
Bolan beugte sich zur Sprungluke nach unten, dann wandte er sein geschwärztes Gesicht wieder zum Cockpit und rief zurück: "Fünf Grad nach Steuerbord korrigieren!"
Der Pilot nahm die notwendige Anpassung vor und bestätigte: "Check! Der Kurs ist jetzt zwei-acht-fünf!"
Sie hatten bereits die Windgeschwindigkeit gemessen (scheinbarer Wind minus Flugbewegung über Grund) und den Winddrift-Effekt berechnet. Die Abwurfzone war festgelegt. Die Zeit: wenige Minuten vor zwei Uhr morgens. Es war eine mondhelle Nacht mit durchlässigen Wolken in einer Höhe von zweitausendvierhundert Metern. Eine dünne Stratus-Schicht hatte sich weit unten über die Dächer gelegt, wie leichter Bodennebel. In zwanzig Minuten würde das gesamte Gebiet davon eingehüllt sein.
Das Ziel war eine kleine Insel im oberen Puget Sound, relativ nah an den Schifffahrtswegen, mit einer Gesamtfläche von weniger als 500 Quadratmetern. Noch kleiner war der gewünschte Landebereich – ein Gelände von etwa 90 Metern Breite und 180 Metern Länge, streng gesichert mit Elektrozäunen und patrouillierenden Wachen.
Nach Ermittlungen in Behördenkreisen schätzte man, dass sich auf der Insel ständig ein Trupp von etwa dreißig Mann aufhielt. Sie waren noch nicht lange dort, genau wie die Sicherheits-Einrichtungen. Bis vor kurzem hatte Insel einem Millionär aus dem Einzugsgebiet von Seattle als Residenz gedient. Dessen Umbauten hatten sich auf ein kleines, modernes Herrenhaus und einige Gästehäuser, einen kurzen Steg und ein Bootshaus mit zwei Liegeplätzen beschränkt. Doch plötzlich war das Eigentum auf einen obskuren Mafia-Strohmann übergegangen, die Sicherheitsmaßnahmen hatten sich ausgeweitet, finstere Kerle waren eingetroffen, und ein geheimnisvoller Bautrupp von außerhalb hatte rund um die Uhr offenbar nach einem strammen Zeitplan daran gearbeitet, mehrere neue Gebäude in Fertigbauweise zu errichten. Der Pier war verlängert worden, und dem Bootsbereich war ein Lagergebäude hinzugefügt worden.
Fast über Nacht war eine neue Verbrecher-Zentrale entstanden.
Der Zugang war ausschließlich per Boot oder Hubschrauber möglich, und das auch nur mit einer Einladung von ganz oben. Bolans Quellen zufolge kamen solche Einladungen nicht von irgendwo im Bundesstaat Washington oder angrenzenden Gebieten, sondern direkt vom Mafia-Hauptquartier in New York – von La Commissione, der Kommission.
All das weckte natürlich die Neugier eines Mannes wie Mack Bolan, immerhin so weit, um die Dienste von Jack Grimaldi in Anspruch zu nehmen und einen Crashkurs im Präzisions-Fallschirmspringen zu belegen.
Dies hier sollte allerdings Bolans erster Nachtsprung werden. Und er führte in feindliches Gebiet, nur geleitet von seinem einzigartigen Kampfinstinkt und ein paar schwachen Lichtern auf einem winzigen Stück Boden zwölfhundert Meter unter ihm.
*
Und jetzt war der Moment da.
Grimaldi legte die Hand an den Mund und rief über den Motorenlärm hinweg: "Tally ho!"
Bolans einzige Reaktion war ein Aufblitzen in den eisigen Augen – dann stürzte er sich im Schwalbensprung durch die Luke und raste durch die schwarze Leere der Nacht.
Er passierte sechshundert Meter im freien Fall und manövrierte mit den ausgestreckten Gliedmaßen in die gewünschte Drift, und während die dunklen Wasser des Puget Sound ihm entgegenkamen, wurde, was an den vorherigen Übungssprüngen der Spaß gewesen war, jetzt durch grimmige Konzentration ersetzt und den eisernen Vorsatz: "Mach's oder stirb!"
Die blinkenden Lichter der Zielzone befanden sich weit flussabwärts, und direkt unter ihm war nichts als Wasser, als er an der Leine zog und den Ruck spürte, der ihn in einen kontrollierten Abstieg mit dem Abwind geradewegs in Richtung auf sein Ziel gleiten ließ.
*
Es handelte sich um einen kleinen, präzise steuerbaren Fallschirm aus schwarzem Nylon, der ihn unter normalen Umständen mit einer Geschwindigkeit von knapp 20 km/h sinken ließe. Mit der Nutzlast, die Bolan mit sich führte, lag die Geschwindigkeit wahrscheinlich eher bei 24 bis 29 Stundenkilometern.
Er erreichte festen Boden unter sich in einer Höhe von etwa 150 Metern, bewegte sich in Abwindrichtung über das äußere Ende des Geländes hinaus, kreiste vor dem eigentlichen Touchdown im Aufwind – und dieses Manöver ermöglichte ihm eine ausgezeichnete Sicht aus der Vogelperspektive auf die Anlage dort unten, während er lautlos darüber glitt.
Das Haupthaus stand sehr nah am vorderen Zaun, und in einer Entfernung von vielleicht 30 Metern von der Bootsanlegestelle, ziemlich hoch über dem Meeresspiegel. Auf dieser oberen Ebene erstreckte sich ein gepflegtes Terrain, auf dem überdachte Gänge zu den im hinteren Teil liegenden Gästehäusern führten. Etwa fünfzehn Meter Rasen und Sträucher trennten die Bungalows von der neuen Baustelle: drei lange, nebeneinander liegende Gebäude, die aussahen wie kleine Lagerhäuser aus Wellblech. Weitere knapp dreißig Meter Rasen und Blumenrabatten erstreckten sich von diesem Punkt bis zum hinteren Zaun.
Bolans Annäherungswinkel führte ihn direkt an der Küste entlang zur Seite, er kreiste zum Aufsetzen knapp innerhalb der hinteren Umzäunung zurück und landete mit einem ruckartigen Aufschlag, der Füße und Beine kribbeln ließ.
Sekunden später war es ihm gelungen, den Fallschirm zusammenfallen zu lassen, ihn zu einem halbwegs handhabbaren Bündel zu rollen und über den Zaun zu hieven. Er fiel hinunter, blähte sich auf, von Neuem mit Wind gefüllt, und flog knatternd in die Nacht davon, in Richtung der Rückseite der Insel. Mit etwas Glück würde er in den Sund getragen werden und dort weiter dahintreiben.
*
Bolan ging leise in die entgegengesetzte Richtung, bevorzugte die dunkelsten Stellen, wo immer es möglich war, und folgte den Schwaden von wolkigem Bodennebel, prüfte, hielt hin und wieder inne, um die Geräusche der Nacht in sich aufzunehmen – bewegte sich dabei aber stetig auf die funzeligen Außenleuchten der "Lagerhäuser" zu.
Dort lungerten zwei Männer mit Knarren im Schatten des hintersten Gebäudes herum und spähten nervös in die neblige Dunkelheit am Ende des Geländes. Als Bolan in Hörweite kam, bestand gerade der eine leise darauf: "Ich sag dir, ich hab da hinten was gehört."
"Also bitte, dann schau doch nach", antwortete der andere mit leisem Sarkasmus.
"Schätze, es waren nur Möwen", ruderte die erste Wache zurück.
"Nein, das waren wahrscheinlich die Bullen. Check das lieber mal."
"Ach fahr doch zur Hölle", meckerte der erste Kerl.
Bolan war währenddessen noch näher geschlichen und befand sich nun im toten Winkel ihres Sichtfeldes, gerade in der richtigen Reichweite für "weiche“ Waffen. Er war schließlich als Kundschafter unterwegs und wollte keinen Blitzkrieg anzetteln, keine Beweise für seinen Besuch hinterlassen – noch nicht einmal den Verdacht, dass da jemand gewesen sein könnte. Die kleinen Spritzen, die seine TranGun verschoss, dieses doppelläufige Druckluftwunder amerikanischer Technologie, würden ein sofortiges K.O. hervorrufen, einen schnellen Rausch, die Schlaffheit eines Dämmerschlafs für mehrere Stunden und nichts Schlimmeres als einen Whiskey-Kater in der Folge.
Bolans Herausforderung bei der Anwendung der Betäubungspfeile bestand darin, nahe genug heranzukommen, ohne gesehen zu werden, und die Typen mit dem Zeug vollzupumpen, bevor einer der beiden den Angriff überhaupt bemerkte .
Genau das machte er, indem er jedem Wachposten in einem schnellen Doppelschlag die kleinen Pfeile direkt unter das Ohr schoss. Sie taumelten gleichzeitig rückwärts, die Hände gingen reflexartig zu den Hälsen und blieben dort, als beide Männer gegen das Gebäude sackten und zu Boden rutschten.
Einer von ihnen gab mit dicker Zunge ein paar betrunkene Laute von sich und tastete an seiner Pistole herum, während Bolan die Pfeile einsammelte; der Mann sah Bolan, das schon, doch in seinen trüben Augen war kein Aufflackern von Gewahrsein. Sollte der sich überhaupt an irgendetwas erinnern, dann höchstens an einen vagen Traum.
Bolan ging weiter, traf auf noch zwei Wachen, die einzeln über das vordere Gelände patrouillierten, und ließ ihnen die gleiche sanfte Behandlung angedeihen.
Als Nächstes drang er in das Haus ein, entdeckte einen Aufpasser bei seiner einsamen Nachtwache in der Küche, mit einem Sechserpack Hamm's bei leise eingestelltem Transistorradio, und auch ihn legte er ebenso ruhig schlafen.
Bei einer schnellen Durchsuchung des Hauses war keine weitere menschliche Präsenz festzustellen. Keine Kleidungsstücke in den Schränken oder Schubladen – keine persönlichen Gegenstände in den Badezimmern außer versiegelten, unbenutzten Toilettenartikeln – keinerlei Anzeichen dafür, dass irgendjemand hier hauste.
Als er in die Küche zurückkehrte, fand Bolan Bier, Cola und eingeschweißte Sandwiches im Kühlschrank – sonst nichts. Eine Speisekammer war gut gefüllt mit Konserven und haltbaren Lebensmitteln; eine große Gefriertruhe war dicht bepackt mit Steaks und Koteletts – aber all das sah eher danach aus, als wartete es darauf, genutzt zu werden, als dass es aktuell gebraucht wurde.
Die Gästebungalows schienen einfach nur Schlafplätze für die Wachen zu sein. Bolan beschloss, sie zu vernachlässigen und sich gleich die drei langen Gebäude aus Wellblech vorzunehmen.
Jedes von ihnen war doppelt verschlossen.
Er fand mehrere Schlüssel bei seinen ersten Opfern und hatte Glück, sie passten. Aber was er im ersten Gebäude fand, versetzte ihn in Erstaunen.
Überall aufgetürmte Hügel aus lockerem Erdreich – Steinhaufen – schweres Gerät jeder Art – offene Schächte, die in die Erde hinabführten.
Das Gebäude war nichts weiter als Tarnung für eine fantastische Art von Ausgrabungsprojekt.
Im zentralen Gebäude erschloss sich ihm der Sinn des Ganzen. Es war sauber darin – wie eben noch geputzt – und roch nach frischer Farbe. Bolan fand eine Treppe und stieg in stygische Schwärze hinab, seine kleine Taschenlampe mit ihrem bleistiftdünnen Strahl wies ihm den Weg.
Sechs Meter tiefer fand er ihn.
Einen Bunker.
Kaum zu glauben – ein verdammter Bunker. Und zwar ein sehr VIP-mäßiger. Aufwändig ausgestattet, Schlafgelegenheiten für acht Personen, voll ausgestattete Kombüse, komfortables Spielzimmer mit Dartscheiben und Kartentischen, große Fernsehkonsole. Tunnel, die in verschiedene Richtungen abgingen.
Das Ganze war in soliden Fels gebaut.
Welcher paranoide ...?
Bolan machte ein paar schnelle Skizzen und haute ab. Er steckte den Wachen die Schlüssel wieder in die Hosentaschen und zog sich leise zum Haupttor zurück, wo ihm ein weiterer Schlüssel einer anderen friedlich schnarchenden Wache durch den elektrischen Zaun auf den Bootsanleger verhalf.
Er ging bis zum Ende des Piers und schoss eine Leuchtkugel in den Himmel. Wenn das Glück ihm treu blieb, würde Grimaldi genau sechzig Sekunden später seinen Tiefflug beginnen und fünfzig Meter vor der Küste ein Gummiboot abwerfen. Bolan würde es in Empfang nehmen und zur nächsten flussabwärts gelegenen Insel driften, die zufällig eine kleine Landebahn hatte.
*
Aber der Verstand des Vollstreckers befasste sich in diesem Augenblick nicht mit den Einzelheiten eines Routinerückzugs. Er dachte stattdessen über gewisperte Worte nach, die er bei der elektronischen Überwachung der letzten Monate im ganzen Land ab und an aufgeschnappt hatte.
Das Wort "Seattle" tauchte immer wieder in streng geheimen, verschlüsselten Gesprächen auf ... und, ebenfalls im Kontext dieser Machenschaften, das Wort "Stützpunkt".
Und nun war Bolans Verstand dabei, das alles zusammenzufügen.
Im Mob braute sich in oder um Seattle etwas Großes zusammen.
War Langley Island das, worum es in den Gerüchten ging?
Er blies einen wasserdichten Schwimmbeutel auf, sicherte seine Waffen darin, hievte ihn in den Sund, sprang ebenfalls hinein und begann zu schwimmen.
Nun ja. Ein Stützpunkt kann für verschiedene Leute eine unterschiedliche Bedeutung haben. Ein Posten für eine Artilleriekompanie. Eine Art Basislager für marodierende Banden von vorgeschobener Infanterie, mit Artillerieunterstützung.
Aber interessant. Ein interessanter Ausdruck, ganz allgemein.
Auch für Mack Bolan war er interessant.
Der Mob hatte etwas Großes am Laufen, etwas richtig Großes. Groß genug, um Langley Island in geheimen Botschaften als "Stützpunkt" zu chiffrieren und Gott weiß wie viele Millionen Dollar dafür auszugeben. Solider Fels – wie ein Kommandobunker ausgestattet.
Und das wars wohl. Musste es sein.
Die Kerle wollten das große Ding drehen. Sie bereiteten sich darauf vor, aufs Ganze zu gehen. Cosa di tutti Cosi – das Ding der Dinge – sie bereiteten es vor, ausgerechnet auf Langley Island, unfassbar.
Und warum nicht? Seattle war ein wichtiger Seehafen. Kanada war nur wenige Kilometer entfernt und auf dem Wasserweg gut erreichbar. Wichtige Handelsrouten nach Alaska führten direkt an der Insel selbst vorbei. Alaska!
Einige große Dinge zeichneten sich ab für Alaska – spektakuläre Dinge, Milliarden Dollar Gewinne inklusive. Nicht zu vergessen den Orient und die vielen neuen Handelsrouten, die sich von diesem Teil der Welt aus öffneten.
Stützpunkt Seattle?
Sicher, warum nicht – das würde viele merkwürdige Entwicklungen in der Welt der Mafia in den letzten Monaten erklären. Sie bereiteten sich darauf vor, die Welt in den Schwitzkasten zu nehmen. Der pazifische Nordwesten war mehr oder weniger Neuland. Gab es einen besseren Ort, um geheime Operationen zu verbergen? Wer, außer Bolan, würde sie hier vermuten? Und wer, außer Bolan, könnte sie aufhalten?
Stützpunkt, in der Tat! Eine Kommandozentrale für die gesamte verdammte Unterwelt-Infrastruktur, das sollte hier entstehen – die neue multinationale Hauptstadt des Planeten Erde.
Irgendwie musste Mack Bolan sie aufhalten.
Verdammt, irgendwie würde er sie aufhalten!