Читать книгу Mördersuche am Strand: 10 Ferienkrimis - Don Pendleton - Страница 20
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ОглавлениеDas Blatt hatte sich unerwartet gewendet. Statt Roland Thoburn steckte jetzt Roberto Tardelli in der Klemme. Die beiden vierschrötigen Freunde des Hausherrn stellten nicht erst lange Fragen, sondern gingen sogleich zum Angriff über. Roberto warf sich ihnen entgegen.
Seine Faust traf den ersten Gegner gut. Der Mann wankte zwei Schritte zurück. Aber der zweite Schläger hatte genügend Zeit, um Roberto hart zu attackieren.
Die Kerle verstanden mehr vom Kämpfen als Roland Thoburn, der sich allmählich wieder erholte. Soeben stand er auf. „Gebt es ihm tüchtig. Macht ihn fertig, Jungs!“, rief er. „Und dann schafft diese Schmeißfliege aus meinem Haus!“
Roberto wehrte sich heldenhaft. Er bekam auch für kurze Zeit Oberwasser, aber dann hechtete er sich in die Flugbahn eines Aufwärtshakens, und die Lampen gingen für ihn aus.
Er merkte nicht mehr, wie er fiel, und er bekam auch nicht mit, was danach mit ihm passierte.
Übler Geruch weckte ihn. Er schlug benommen die Augen auf und hörte das Summen von Fliegen. Einige saßen sogar auf seinem Gesicht. Er verscheuchte sie mit einer müden Handbewegung, setzte sich auf und blickte sich um.
Er war auf einer Mülldeponie gelandet. Ein weites Feld voller Unrat, den die Wegwerfgesellschaft produziert hatte.
„Nun, zum Wegschmeißen bin ich aber doch wirklich noch nicht“, brummte Roberto und stand ächzend auf. Eine alte, rostzerfressene Waschschüssel rutschte ein Stück von ihm fort. Ihr Scheppern schmerzte ihn in den Ohren.
Er war noch nicht ganz auf dem Damm. Während er sich um die eigenen Achse drehte, versuchte er sich zu orientieren. Sobald er wusste, welche Richtung er einschlagen musste, verließ er die Deponie. Stolpernd ging er seinen Weg über den Abfall.
Eine dreispurige Straße führte am Müllgelände vorbei. Roberto klopfte sich den Schmutz von den Kleidern, stellte sich an den Straßenrand und wies mit dem Daumen in die Richtung, in die er wollte.
Mindestens zehn Wagen rauschten an ihm vorbei, ohne von ihm Notiz zu nehmen. Dann stoppte ein klappriger Chevrolet, an dessen Steuer ein hübsches brünettes Mädchen saß.
„Autofahrerinnen haben ja doch das weichere Herz“, sagte Roberto lächelnd.
„Wohin wollen Sie?“, fragte das Mädchen. Sie trug Jeans, einen hautengen weißen Pulli und keinen BH, wodurch ihre Brustspitzen vorwitzig durch das Gewebe lugten.
„Wir sind hier in Morton Grove, nicht wahr?“
„Ja“, sagte das Mädchen.
„Und wohin fahren Sie?“
„Nach Evanston.“
„So weit will ich gar nicht. Es würde mir genügen, wenn Sie mich in Skokie absetzten.“
„Okay. Steigen Sie ein.“
Roberto setzte sich neben das hilfsbereite Mädchen, und sie fuhr weiter.
„An und für sich nehme ich keine Autostopper mit“, sagte das Girl. „Aber bei Ihnen dachte ich, eine Ausnahme machen zu können. Sie machen einen seriösen Eindruck.“
„Vielen Dank. Wenn man bedenkt, dass Sie mich bei der Mülldeponie aufgelesen haben, muss meine Seriosität ja kolossalen Eindruck auf Sie gemacht haben.“
Das Mädchen wurde rot. Sie blickte starr nach vorn. „Hatten Sie Pech mit Ihrem Wagen?“
„Nein. Aber Pech mit zwei Kerlen. Sie haben mich zusammengeschlagen und auf den Müll geworfen.“
„Warum denn das?“
„Wahrscheinlich hat ihnen meine Nase nicht gefallen.“
„Werden Sie Anzeige erstatten?“
Roberto schüttelte den Kopf. „Nein. Ich werde mir die Brüder persönlich vorknöpfen.“
Sie erreichten Skokie. Das Mädchen hielt den klapprigen Wagen an. Roberto stieg aus. Er bedankte sich fürs Mitnehmen.
„Keine Ursache“, sagte das Girl. „War nett, mit Ihnen zu plaudern. Viel Glück für das, was Sie vorhaben.“
„Danke.“
„Und passen Sie besser als beim ersten Mal auf sich auf. Ich komme heute nicht noch mal bei der Mülldeponie vorbei.“
Roberto grinste. „So etwas passiert mir immer nur einmal, dann nicht mehr.“
Das Mädchen setzte die Fahrt fort. Der kleine Fußmarsch, den Roberto danach absolvierte, brachte seine Lebensgeister wieder auf Vordermann. Als er seinen blauen Pontiac erreichte, den er in der Nähe von Roland Thoburns Haus abgestellt hatte, fühlte er sich wieder fit.
Bevor er das Grundstück betrat, zog er die Luger, die ihm die Schläger gelassen hatten. Diesmal saß Thoburn nicht am Swimmingpool. Roberto lief an einer Buschreihe entlang.
Er trachtete, vom Haus aus nicht gesehen zu werden. Es gelang ihm, die Terrasse zu erreichen, ohne dass jemand von ihm Notiz nahm. Sein Plan war, zuerst die beiden Schläger auszuschalten und sich dann noch einmal Roland Thoburn vorzunehmen. Diesmal würde ihm der Heroinpartylöwe auf alle seine Fragen eine erschöpfende Antwort geben müssen, sonst würde er sein blaues Wunder erleben.
Beide Terrassentüren waren geschlossen. Auch alle Fenster waren zu. Roberto schlich um das Gebäude herum und stellte enttäuscht fest, dass Roland Thoburn mit seinen Schlägern verschwunden war.
Die Galgenvögel waren ausgeflogen. Roberto zuckte gleichmütig mit den Achseln und murmelte: „Na schön, dann komme ich eben morgen wieder.“
Er fuhr zu seinem Hotel und stellte sich unter die Dusche, um den Geruch der Mülldeponie loszuwerden, der ihm – das bildete er sich jedenfalls ein – anhaftete.
Nachdem er seine Kleider gewechselt hatte, wollte er sich in die Hotelbar begeben und sich da mit einem Drink stärken, doch er kam nicht dazu, das Zimmer zu verlassen, denn in dem Augenblick, wo er zu gehen im Begriff war, läutete das Telefon.
Er nahm den Hörer ab. „Hallo!“
Am anderen Ende der Leitung war Colonel Myer, der Chef von COUNTER CRIME, jener geheimen Organisation, die im Auftrag des Justizministeriums das organisierte Verbrechen in den Staaten bekämpfte.
Auch das FBI war dafür zuständig, aber den COUNTER CRIME-Agenten stand zumeist mehr Bewegungsfreiheit zur Verfügung.
„Sind Sie in Chicago, Colonel?“, fragte Roberto.
„Nein, ich befinde mich in unserer Zentrale in Washington.“
„Und Sie sind scharf auf einen Zwischenbericht. Nun, allzu viel Erfreuliches kann ich Ihnen leider noch nicht liefern. Ich krebse noch durch die Gegend, bin nach wie vor auf der Suche nach einem Mann, den ich soweit bringen kann, dass er gegen Matania aussagt. Mit Jack Johnston hatte ich kein Glück. Er hat sich mit einem goldenen Schuss ins Jenseits befördert. Seine Freunde waren nicht sehr ergiebig, und als ich einen Mann, der so Partys wie Johnston veranstaltet, aufsuchte, droschen mich seine Schutzengel zusammen und warfen mich auf den Müll. Der Name des Mannes ist Roland Thoburn. Ich war noch mal bei ihm, konnte ihn aber nicht mehr antreffen. Also werde ich morgen mein Glück noch mal bei ihm versuchen. Matania ins Gefängnis zu bringen erfordert einen enormen Einsatz, aber das wussten wir schon, als wir die Sache anpackten.“
„Soeben habe ich erfahren, dass Matania heute für kurze Zeit eingesperrt war“, berichtete der Colonel seinem Topagenten. Roberto erfuhr, wer sich den Mafioso geschnappt hatte, und wie das Ganze dann weitergegangen war.
„So ein Pech“, sagte der COUNTER CRIME-Agent enttäuscht, als Colonel Myer eine Pause machte.
„Kann man wohl sagen“, brummte der Chef von COUNTER CRIME. „Da glaubt man, der Fisch zappelt endlich an der Angel, und dann springt er quicklebendig ins Wasser zurück.“
„Matania wird sich auf die Schenkel hauen und vor Lachen brüllen.“
„O nein, das tut der nicht. Er ist voller Wut und Hass, weil es Truman Tiller gewagt hat, ihn einzusperren und ihm fünf Kilogramm Heroin abzunehmen. Er hat dem Polizisten gedroht. Natürlich unter vier Augen, damit ihm niemand etwas anhaben kann. Er will Tiller umbringen, und wer weiß, was dieser Teufel sonst noch alles plant. Das ist der Grund, weshalb ich Sie anrufe, Roberto. Kümmern Sie sich vordringlich um Truman Tiller. damit ihm nichts zustößt. Und versuchen Sie, diesen gefährlichen Mafioso unschädlich zu machen.“
„Daran arbeite ich“, sagte Roberto. Er bekam Tillers Adresse. Myer wünschte ihm alles Gute und legte auf. Roberto verließ sein Hotel. Tiller war in Harwood Heights zu Hause, nahe dem Ridgemoor Country Club. Roberto setzte sich in seinen Pontiac. Zwanzig Minuten später erreichte er das Haus, in dem Truman Tiller im Erdgeschoss wohnte.
Roberto Tardelli läutete. Tiller kam an die Tür. Er war vorsichtig, öffnete nicht sofort. „Wer ist da?“
„Roberto Tardelli. Ich soll mich um Sie kümmern.“
Tiller war von Colonel Myer informiert worden, dass Roberto zu ihm unterwegs war. Der Cop öffnete die Tür und ließ Roberto Tardelli eintreten. Er führte den Besucher ins Wohnzimmer.
„Wir haben einen gemeinsamen Feind“, sagte Roberto lächelnd. „Massimo Matania.“
Tillers Augen verengten sich. „Ich gäbe Gott weiß was dafür, wenn ich diesen Dreckskerl hinter Schloss und Riegel bringen könnte.“
„Mir geht es genauso“, sagte Roberto.
„Setzen Sie sich“, forderte ihn der Cop auf.
Roberto nahm Platz. „Was halten Sie davon, Urlaub zu nehmen?“
„Nichts“, sagte Tiller trocken. „Matania hat Ihnen Rache geschworen.“
„Ich laufe vor diesem Schwein nicht weg!“ Tiller nahm ebenfalls Platz. „Ich kann Ihnen nicht sagen. wie widerlich ich diesen Mafioso finde. Er bereichert sich am Unglück seiner Mitmenschen. Die Umsätze, die das Syndikat mit dem Rauschgift erzielt, reichen ihm noch nicht. Er will mehr für die Ehrenwerte Gesellschaft herausholen und damit natürlich auch mehr für sich. Garantiert ist er am Umsatz prozentual beteiligt. Man muss dieses Ungeziefer zertreten.“
„Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das mir überlassen würden.“
„Warum ausgerechnet Ihnen?“
„Weil ich – ich will bestimmt nicht angeben – im Kampf gegen die Mafia und ihre hinterlistigen Mitglieder mehr Erfahrung habe als Sie, Tiller.“
Der Cop schüttelte grimmig den Kopf. „Nein, Mister Tardelli. Ich bleibe in dieser Stadt, und ich werde weiter versuchen, Massimo Matania zu Fall zu bringen. Eines Tages wird es mir gelingen, davon bin ich überzeugt.“
Plötzlich klirrte Glas. Etwas kam durchs Fenster geflogen. Roberto reagierte in Gedankenschnelle. Er federte hoch, warf sich auf Truman Tiller und riss ihn mitsamt dem Sessel um. Hart landeten sie auf dem Holzboden.
Der Gegenstand, der durch das Fenster geworfen worden war, flog durch das Zimmer und zerschellte an der Wand. Eine Flasche war es. Ein Molotowcocktail. Das brennende Öl-Benzin-Gemisch spritzte auseinander. Sofort standen Vorhänge und Tapeten in Flammen. Auch auf dem Holzboden brannte es.
Roberto sprang auf. „Decken!“, rief er. „Schnell!“
Truman Tiller war sofort auf den Beinen. Er hetzte nach nebenan, brachte zwei Decken, warf eine Roberto Tardelli zu, und dann bekämpften sie gemeinsam den Brand, der sich qualmend auszubreiten versuchte.
Mit den Decken warfen sie sich auf die Flammen. Immer wieder loderten an einer anderen Stelle Feuerzungen hoch. Die Hitze trieb Roberto den Schweiß aus allen Poren.
Er arbeitete wie wild. Verbissen ließ er dem Feuer keine Chance. Aber es dauerte zehn Minuten, bis die letzte Flamme erstickt war. Tiller blickte Roberto keuchend an.
„Danke“, sagte er.
Roberto blickte zum kaputten Fenster. „Der Krieg hat begonnen.“