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Kapitel 2

Fips

Als der Wecker klingelte, saß ich schon auf der Bettkante und rieb mir die Augen. Vielleicht hatte ich das alles nur geträumt?

Aus dem Gemeinschaftsraum kam der Duft von Kaffee und frisch geröstetem Toast gezogen.

Beim Frühstück wurden lautstark Pläne für das bevorstehende verlängerte Wochenende gemacht. Heute war der letzte Schultag.

„Ich bin für Filme schauen und essen bis wir platzen.“, gab Ben von sich.

„Du platzt wirklich irgendwann nochmal.“, entgegnete Charly.

„Wir waren ewig nicht mehr shoppen.“, sagte Elisa und biss noch einmal von ihrem Marmeladentoast ab. Ein kleiner Klecks Marmelade hing ihr am Kinn und wackelte hin und her wenn sie sprach oder kaute, das merkte sie aber nicht. Ich verkniff mir das Lachen und versteckte mein Grinsen hinter meiner Kaffeetasse.

„Wie wäre es mit einem Ausflug?“, fragte Larry, „Wir waren ewig nicht aus dieser Stadt draußen.“

Larry war ein kräftiger aber gemütlicher langer Kerl mit schwarzer Beanie (er nahm sie nie ab, ich glaube sie war fest gewachsen, )breiten Schultern, grünen Augen und einem Lächeln, bei dem man all seine Zähne sehen konnte. Über sein Alter sprach er nicht, aber er wird wohl so Ende dreißig gewesen sein.

Alle stimmten zu. Nur ich saß, an meinem Toast knabbernd am Tisch, schlürfte meinen Kaffee und hielt mich raus. Mir war es egal was wir anstellten, ich hatte eh nur noch eine Sache im Kopf: Raus finden wer Damian war.

Der Weg zur Schule war heute einfacher. Der Boden war halbwegs trocken und der Himmel strahlte in seinem schönsten Blau über uns.

Plötzlich blieb Charly stehen, er lauschte kurz in den Wald und rannte auf einmal los.

Als wir ihn ein gutes Stück weiter einholten, stand er über einem verwundeten Hirsch. Das arme Tier röchelte ganz schlimm und war von oben bis unten mit Blut beschmiert, auch das Moos um ihn herum war damit getränkt.

Seine Augen waren weit aufgerissen und schauten ängstlich und Schmerz verzerrt. Dicke Tränen liefen aus ihnen heraus. Für einen Engel war das ein besonders schmerzvoller Anblick. Schließlich sind wir auf der Erde, um alle Lebewesen vor dem Bösen zu beschützen. Dieser arme Hirsch brauchte unsere Hilfe im Moment mehr, als alles andere.

Alle drei hielten wir die Hände über das verletzte Geschöpf und heilten ihn. Dabei glühen wir übrigens auch. Aus unseren Händen kommen helle lang gezogene Wellen, die in die Körper derer eindringen, die wir heilen.

Ich liebte das. Nach ein paar Minuten war es geschafft. Der Hirsch stand auf. Völlig angstfrei blieb er vor uns stehen und schaute uns in die Engelsaugen.

Er verbeugte sich als Dankeschön, und trabte tief in den Wald hinein.

„Ob das ein normaler Tierangriff war.“, murmelte Charly und sah sich vorsichtig um. Ben zuckte nur mit den Schultern.

Wir setzten unseren Weg zur Schule fort. Unterwegs unterhielten wir uns darüber, was den Hirsch wohl angegriffen hatte. Von verrückten Teenagern, über betrunkene Jäger bis hin zu einem Blitzeinschlag während des Sturms gestern, war alles dabei. Aber nichts schien der Wahrheit nahe zu kommen.

Auf dem Schulhof, welcher direkt am Waldrand lag, waren eine Menge Schüler zu einer großen Traube versammelt. Alle redeten wild durcheinander und betrachteten irgendetwas, das am Boden lag.

„AUSEINANDER!!“, schrie der Müller, und bückte sich zu dem, was da von allen angeschaut wurde. Nun konnten auch wir einen Blick darauf werfen.

Es war ein Rehkitz. Genauso wie der Hirsch ein paar Minuten zuvor, war es verletzt und atmete schwer. Es war schlimmer zugerichtet, als sein Artgenosse und war kaum noch am Leben.

„Wir bringen es zum Tierarzt.“, sagte Charly laut, und hob das vor Schmerzen wimmernde Kitz mit Leichtigkeit aber sehr vorsichtig vom Boden auf.

Alle schauten überrascht und fragend, sowas hatte man von uns Außenseitern wohl nicht erwartet.

Langsam liefen wir davon. Der Anblick dieses kleinen hilflosen Wesens war noch schlimmer, als der vom Hirsch. Es trieb mir die Tränen in die Augen das kleine Reh Baby so wimmern zu hören. Als wir außer Reichweite der anderen Schüler und dem Müller waren, legten wir das Kleine sanft ins Moos.

„Beeilt euch!“, sagte ich zu Ben und Charly, „Es stirbt.“

Wieder hielten wir unsere Hände heilend über das verletzte Wesen. Aber diesmal dauerte es länger um es zu heilen. Seine Verletzungen waren sehr schwer. Lange ließen wir unsere leuchtenden Wellen in seinen Körper eindringen.

Endlich atmete es wieder richtig und stand langsam auf. Es schaute immer noch sehr traurig und ängstlich aus seinen großen braunen Reh Augen.

„Wir können es nicht allein lassen, ohne seine Mutter ist es schutzlos.“, Ben schaute besorgt, „Geht ihr zurück, ich bringe es zu uns nach Hause.“

Das war wohl das Beste. Also gingen Charly und ich zurück zur Schule.

Alle waren auf einmal freundlich zu uns, grüßten, winkten, fragten wie es uns ging. Gruselig war das. Aber irgendwie auch angenehm.

Bio stand auf dem Plan, der Unterricht hatte gerade angefangen, und Schmidti, eigentlich Herr Schmidt, begann über Nahrungsketten zu erzählen. Wahrscheinlich fand er das angebracht nach dem Vorfall auf dem Hof.

Schmidti war ein Netter. Er sprach ruhig und verständlich, meckerte fast nie, war klein, schlank und seine Laufbahn als Lehrer hatte gerade erst angefangen.

Er hatte eine schwarze Elvis Tolle und viel zu enge Jeans. Ein hübscher eigentlich, wenn man nach der Meinung der weiblichen Schüler ging, die ihn regelrecht anschmachteten. Auch in dieser Stunde.

„Denen sollte mal jemand den Sabber vom Kinn wischen.“, flüsterte es hinter mir.

Es durchzuckte mich und ich fing unweigerlich ich an zu lächeln, DAMIAN.

Ich drehte mich um, da saß er wieder. Heute die Deckhaare zu einem Zopf gebunden. Der Rest seiner schwarzen Mähne lag glänzend über seinen Schultern.

Er grinste und seine Augen strahlten. „Ganz schön beeindruckend von euch.“, sagte er ruhig.

Ich zuckte mit den Schultern. „Kann schon sein.“, sagte ich schüchtern.

Jeder Blick in seine Honigfarben durchzogenen Augen, brachte mir ein Kribbeln in der Magengegend, meine Wangen fingen an zu glühen als ob ich Fieber hätte, mein Herz klopfte wie wild und ich wurde unheimlich nervös.

Er senkte den Kopf und kritzelte auf seiner Bank. Verstohlen sah er mich von unten nach oben an, ohne dabei den Kopf zu heben.

„Was hatten denn die armen Geschöpfe?“

Geschöpfe? Mehrzahl? Woher wusste er von dem Hirsch? War er auch da?

„Meinst du, der Hirsch war der Vater von dem Kleinen?“

Ich schaute ihn fragend an.

„Weißt du was darüber?“, fragte ich ihn vorsichtig? Ich wollte ihm schließlich nichts unterstellen.

Er zwinkerte mir nur lächelnd zu und kritzelte weiter auf dem Tisch. Das brachte mich auch nicht weiter.

Noch einmal drehte ich mich zu ihm um. Aber wie sollte es auch anders sein, er war weg. Immer mehr Fragen hatte ich an ihn, immer neugieriger wurde ich.

Ich sah auf das Gekritzel auf seinem Tisch. „Wir sehen uns, Emma.“, stand da, und daneben zwei kleine Engelsflügel. Ich musste lächeln.

Die restlichen Unterrichtsstunden konnte ich mich nur wenig konzentrieren. Zu viele Gedanken waren in meinem Kopf. Immer wieder schaute ich mich um, ob Damian nicht irgendwo auftauchte. Aber er kam nicht wieder.

Nach der Schule zu Hause angekommen, wartete Ben schon vor der Kirche auf uns.

Stolz zeigte er uns das Gehege, das er für das Rehkitz gebaut hatte.

Das Kleine lag geschützt in einer Ecke, und schlummerte in der Sonne vor sich hin.

Elisa hatte ihm frische Beeren und etwas Salat hingelegt, aber es wollte nichts fressen. Immer mal wieder hob es seinen Kopf, blinzelte in die Sonne und winselte.

Wir sahen das Kleine eine Weile an, und erst da bemerkte ich, dass Fips, so nannten wir ihn, auf der Stirn einen sternförmigen weißen Tupfen hatte. Er war so niedlich.

Während des Essens unterhielten sich alle wieder über das bevorstehende Wochenende. Da wir nun doch alle annahmen, dass es sich bei den Tierangriffen nur um einen hungrigen Wolf handelte, wurde einstimmig ein Ausflug beschlossen, der über das ganze Wochenende gehen sollte.

Ich meldete mich freiwillig zu Hause zu bleiben, schließlich musste sich jemand um Fips kümmern.

Nach dem Essen begannen alle ganz hektisch ihre Sachen zu packen.

Sie wollten alle ans Meer fahren. Dort gab es eine andere Gruppe Engel, die wir ab und an besuchten, wenn wir dem dauerhaft schlechten Wetter hier entkommen wollten.

Als endlich alle aus dem Haus waren, machte ich es mir mit einem Buch auf der Fensterbank gemütlich.

Was war das? Eine Art Schatten huschte am Gehege vorbei. Fips erschrak so sehr, dass es anfing wild herum zu hüpfen.

Blitzschnell war ich bei ihm, um ihn zu beruhigen. Ich schaute mich um, konnte aber nichts entdecken.

Fips zitterte.

„Dem Kleinen sitzt der Schreck noch ganz schön tief in den Knochen.“

Ich fuhr herum, da stand Damian, auf einem Grashalm kauend, ans Rehgehege gelehnt.

Fips rastete total aus. Seine Augen waren vor Angst weit aufgerissen, er sprang so wild herum und schrie, dass ich ihn nicht mehr halten konnte.

Damian kam ins Gehege, und lief auf das panische Kitz zu.

Er sah ihm tief in die Augen, sein honiggelber Ring blitzte auf, und urplötzlich stand Fips still, als stünde er unter einem Bann. Kurz darauf legte es sich erschöpft hin und schlief ein.

Ich konnte es gar nicht glauben.

„Alles gut, ich hab ihm nur gesagt, dass es keine Angst haben muss und ich ihm nichts tue.“

„Aber wie?“, fragte ich verdutzt, „Ich habe dich gar nicht sprechen hören.“

„Durch meine Gedanken.“ Und da sah ich, dass er seinen Mund in diesem Moment beim Sprechen gar nicht bewegte. Er kam mir ganz nah, lächelte sanft, schaute mir von oben tief in die Augen. Er stand so nah bei mir, dass ich seinen Atem auf meinem Gesicht spüren konnte.

„So wie du Gedanken lesen kannst, kann ich in Gedanken mit jedem Wesen sprechen.“, sagte er ruhig.

Ich klebte immer noch an seinen Augen und bemerkte gar nicht, dass ich ihn verträumt anstarrte. Er wurde immer faszinierender, auch wenn irgendwas in mir sagte, dass er nicht gut für mich war.

Wie konnte es sein, dass er alles über mich wusste, ich aber praktisch gar nichts über ihn?

Da schnippte er mir auf einmal frech, aber ganz sanft gegen die Stirn und holte mich aus meinem Tagtraum. Voll peinlich..

Wir setzten uns neben Fips und ich streichelte dem kleinen Kitz vorsichtig über den Kopf. Das Fell war so weich, nur der sternförmige Fleck war ein wenig borstig.

„Hast du keine Angst hier allein zu bleiben?“, fragte er, während er mit einer meiner Haarsträhnen spielte.

Warum sollte ich hier Angst haben? Wir sind gut versteckt, ich hatte Gaben die mich beschützen konnten. Ich schüttelte nur mit dem Kopf.

„Es ist nicht sicher hier im Wald.“, er deutete auf Fips, „Was, wenn es kein Tier war?“

Fragend hob er eine Braue.

„Weißt du mehr als ich?“, ich wich seinem Blick nicht aus. Ein seichter Windhauch blies von ihm zu mir herüber und ich bemerkte, dass er einen ziemlich anziehenden Duft hatte. Ich fühlte mich plötzlich sicher und geborgen und hätte mich am liebsten an seine breiten Schultern gelehnt um dem Duft noch näher sein zu können.

„Du bist doch bei mir.“, sagte ich leise und schaute ihm weiter verträumt in die Augen.

„Was, wenn du bei mir nicht sicher bist? Was wenn ich gefährlich bin?“

Wie meinte er denn das? Soweit ich wusste, hatte er ähnliche Fähigkeiten wie ich, er schien mich zu mögen, und ich hatte nicht die geringste Angst, dass er mir Böses antun könnte. Ich schüttelte wieder mit dem Kopf.

„Du solltest vorsichtig sein, wem du vertraust.“, sagte er und hielt eine Hand an meine langen schwarzen Haare. Während er mir frech zu zwinkerte, fingen meine Haare an sich zu bewegen, und ehe ich begriff was passierte, hatten sie sich von selbst zu einem langen Zopf geflochten. Nur die kleinen Haare an meinen Schläfen standen wie Miniantennen von meinem Kopf ab.

Er grinste und ließ seine Hand sinken.

So langsam dämmerte es, und Damians honiggelber Ring verfärbte sich in ein mandarinenfarbenes Orange. Er schien zu bemerken, dass mir das auffiel und stand schnell auf. Sich nervös den Hinterkopf reibend, schaute er sich um.

„Ich muss dann los.“, sagte er eilig, „Nimm Fips heute Abend mit rein, er ist hier nicht sicher so allein, vertrau mir.“ Während er mir das sagte, nahm er meine Hand und schaute mir tief in die Augen. „Pass auf dich auf und schließ ab.“, sein Gesicht kam mir näher. Mit weichen Knien und Ameisen im Bauch, schloss ich die Augen. Ich spürte, wie er nah an mich heran kam, nicht mal ein Blatt hätte mehr zwischen unsere Körper gepasst. Mein Herz klopfte laut und ich hielt die Luft an. „Wir sehen uns.“, flüsterte er ehe sich unsere Gesichter berühren konnten und die Sonne verschwand am Himmel. Er ließ meine Hand los.

Ich öffnete die Augen und …er war weg, genauso schnell wie gestern, ohne ein Wort.

Ich schaute in die Dunkelheit, aber er war nirgends zu sehen.

Drinnen bereitete ich am Kamin einen Schlafplatz für Fips vor bevor ich ihn zu mir herein holte. Ich kuschelte mich zu ihm auf den Boden, schloss die Augen und ließ mir noch einmal den ganzen Tag durch den Kopf gehen.

Bei jedem Gedanken an Damian musste ich lächeln, und so schlief ich ein….

Engelsdämon

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