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Gute Lehrkraft

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Terhart u. a. (1994) befragten in ihrer Studie über Berufsbiografien, die sie an 1200 Lehrern aus drei unterschiedlichen Altersgruppen an unterschiedlichen Schularten durchführten, die Lehrer, welche Aspekte des Lehrerberufs ihnen besonders wichtig seien (S. 115 ff.). Aus den Antworten der Befragten auf zwölf vorgegebene Items ergibt sich folgende Rangfolge der sechs bedeutsamsten Aspekte:

1. Gutes Verhältnis zu Schülern

2. Persönliche Atmosphäre im Unterricht

3. Geschickte Unterrichtsgestaltung

4. Engagement für den einzelnen Schüler

5. Selbstreflexion bei unerwünschtem Schülerverhalten

6. Informiertheit über persönliche Probleme.

Spitzenreiter in der Wichtigkeitszuschreibung sind pädagogische Aufgaben, während die Kenntnisvermittlung ganz am Schluss liegt (Rangplatz 12: Konzentration auf den Lehrplan).

Mithilfe einer Clusteranalyse lassen sich zwei »Lehrertypen« identifizieren, der eine mit einer deutlichen Akzentsetzung im »persönlich-erzieherisch-involvierten« Bereich (Cluster I) und ein zweiter, der diesen und einen »objektivierend-unterrichtlich-distanzierten« Bereich (Cluster II) für etwa gleich bedeutsam hält. Dabei sind in der Grundschule und auch Hauptschule jene Lehrer überrepräsentiert, die besonderes Gewicht auf Erziehung und persönliche Beziehung legen (Cluster I). Solche Lehrer finden sich auch häufiger in der jüngsten (30- bis 35-jährige) und mittleren (40- bis 45-jährige) Altersgruppe. Dagegen finden sich in Cluster II eher Lehrer von Realschulen und Gymnasien und Lehrer im Alter von 55 bis 60 Jahren.

Sauter (1989) betrachtete die Schülersicht über Lehrkräfte. Er gab Studierenden die Aufgabe, aus ihrer Schulzeit einen »guten und einen schlechten Lehrer« zu beschreiben. Insgesamt wurden ca. 280 Interviews ausgewertet.

Mit Abstand am häufigsten, mit 69,9 %, wurde bei einem guten Lehrer die Kategorie »paidotrope Einstellung« genannt. Der Name wurde aus der Typologie des Lehrers von Caselmann (1949) entlehnt. Die paidotrope Einstellung zeigt sich in einer positiven Zugewandtheit zum Schüler: Der Schüler steht im Mittelpunkt des Interesses, nicht der Stoff. Danach folgten die Merkmale Fachkompetenz (43,9 %), kompetente Unterrichtsgestaltung (41,9 %), objektive Benotung (41,3 %) sowie die Fähigkeit zu motivieren (38,9 %).

Die heutige Professionalitätsdebatte setzt die traditionsreiche Diskussion um die Frage nach dem spezifischen Können einer Lehrkraft zur Erfüllung ihres Auftrags fort (vgl. Haag, 2013). Bauer, Kopka und Brindt (1996) entwickeln einen Begriff der pädagogischen Professionalität, der Elemente des kriterienbezogenen Ansatzes und der auf Arbeitsaufgaben bezogenen Forschung miteinander verbindet.

Pädagogen sind Spezialisten für das Schaffen von Lerngelegenheiten, die nicht zufällig entstehen und die geeignet sind, subjektive und kulturelle Ziele und Werte zu vermitteln (Bauer, 2000).

»Pädagogisch professionell handelt eine Person, die gezielt ein berufliches Selbst aufbaut, das sich an berufstypischen Werten orientiert, die sich eines umfassenden pädagogischen Handlungsrepertoires zur Bewältigung von Arbeitsaufgaben sicher ist, die sich mit sich und anderen Angehörigen der Berufsgruppe Pädagogen in einer nichtalltäglichen Berufssprache zu verständigen in der Lage ist, ihre Handlungen aus einem empirisch-wissenschaftlichen Habitus heraus unter Bezug auf eine Berufswissenschaft begründen kann und persönlich die Verantwortung für Handlungsfolgen in ihrem Einflussbereich übernimmt« (Bauer, 2000, S. 32).

Eine entscheidende Stellung in dieser Definition nimmt das berufliche (professionelle) Selbst ein, das den übrigen Komponenten der Professionalität übergeordnet ist. Der Autor wählt diesen Begriff anstelle des Begriffs der Persönlichkeit. Damit will er die Differenz zwischen Persönlichkeit im Ganzen und dem für berufliches Handeln relevanten Teil der Person deutlich machen. Das professionelle Selbst ist mehr als eine Ansammlung von Repertoires und Kompetenzen, es ist aber weniger als der Persönlichkeitskern eines Pädagogen. Es ist eine integrierende und auswählende Instanz, die die Aufmerksamkeit eines Pädagogen so steuert, dass Informationen verarbeitet und Handlungsmuster ausgewählt werden, die im Hinblick auf pädagogische Ziele relevant sind.

Das heißt, dass neben dem unabhängigen Wissen weiterhin die Individualität des Lehrers gesehen werden muss. Doch während der Begriff der Persönlichkeit in der Psychologie auf wenig veränderliche Seiten des Menschen verweist, bringt der Begriff des Selbst das dynamische Moment im Menschen zum Ausdruck. Der Mensch ist nicht als Substanz zu begreifen, sondern als ein relationales Wesen, das reflexiv auf dreifache Weise in Beziehung steht: in Beziehung zu den Dingen, in Beziehung zu anderen Lebewesen und in Beziehung zu sich selbst. Indem es die Momente der Reflexivität und Individualität in sich vereint, tritt das professionelle Selbst an die Stelle der Kategorie der Lehrerpersönlichkeit (vgl. Herzog, 2001).

Eine weitere wesentliche Komponente ist das pädagogische Handlungsrepertoire. Unter Handlungsrepertoires versteht der Autor hoch verdichtete Verknüpfungen kognitiver Strukturen mit motorischen Abläufen, die es Handlungsträgern ermöglichen, rasch, sicher und zielstrebig in komplexen Situationen zu agieren. Zwischen pädagogischem Wissen und pädagogischem Können besteht eine erhebliche Differenz. Erst deren Überbrückung führt zu einer professionellen pädagogischen Kompetenz. Das Handlungsrepertoire ist individuell und führt zu einem persönlichen Stil.

Somit besteht auch zwischen Professionalität und Individualität kein Gegensatz, denn idiosynkratische Momente spielen bei jeder pädagogischen Handlung eine Rolle. Lehrerpersönlichkeit oder nun das professionelle Selbst stellt nicht die Folie für das pädagogische Wissen dar, sondern das pädagogische Wissen steht in Wechselwirkung mit den individuellen Ausprägungen der Person.

Von hier aus könnte man nun einen Bogen spannen zur Lehrerpersönlichkeit. Dies führte hier zu weit, Sachers Gedanken sollen hier genügen (1980). Es gehört zum Menschsein, die personalen Möglichkeiten der Persönlichkeit zu aktualisieren, dies vollzieht sich darin, dass man Persönlichkeit wird als tätiger Mensch. Von diesem Standpunkt aus ist die Frage uneingeschränkt zu bejahen, ob der Lehrer eine Persönlichkeit sein müsse (vgl. Sacher, 1980).

Doch ein paar Gedanken zum pädagogischen Bezug und zum pädagogischen Eros müssen im Buch schon vorne erwähnt werden: Klassenführung darf nicht zu einer Überhöhung des Lehrerberufes führen. Gegen eine Überhöhung des Lehrerberufes, gegen die charismatische Führerfigur und letztendlich zugespitzt den Begriff der pädagogischen Liebe als der höchsten Tugend wendet sich Brezinka (1969). Er wandelt den Augustinischen Satz »Ama et fac quod vis« (Liebe und tue, was du willst) in »Behaupte zu lieben und tue, was du willst« und fährt fort: »Da es von der Liebe bekanntlich heißt, sie decke eine Menge Sünden zu, konnte man sich mit der Behauptung, sie zu besitzen, jeder Kritik entziehen« (S. 272).

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