Читать книгу Leben unter Daikims Sternen - Dorylis Romahn - Страница 5

Kapitel 2

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Es ist die erste, die dunkle Jahreszeit, und es ist ruhig in Beth’lai. Es sind kaum Reisende auf den Straßen unterwegs, es werden keine Märkte abgehalten, auf den Feldern und Hainen wird nicht gearbeitet. Die Frauen sitzen in ihren Häusern an den Webstühlen, sie machen die Decken, Laken, Stoffe und Teppiche, die sie verkaufen werden auf dem Markt zur ersten Tag- und Nachtgleiche, mit den Plättchen, die sie dafür erhalten, werden sie einkaufen, was nötig ist, um die Felder für die neue Ernte zu bestellen. Saatgut für Getreide und Gemüse, und das irdene Geschirr ersetzen, das zerbrochen ist, wenn jemand im Haus unachtsam war. Die Pferde, Schafe und Milchtiere verbringen sie auf Koppeln oder in Pferchen, das Gras auf den Weiden ist schlaff und braun geworden, sie fressen das duftende Heu, das die Männer während der hellen Jahreszeit geschnitten haben. Nur die Kinder gehen in die Schule, und sie knurren und murren, wie es jedes Kind tut, das sitzen muss und etwas lernen, wenn es doch draußen so viel anderes gibt, das ihnen wichtiger erscheint. Es hat geschneit im Gebirge, im Drat’kalar liegen in jedem Jahr die hohen Gipfel der Berge verborgen unter der weißen Pracht, in Beth’narn ist es eher selten. Die Gebirgskette, die die westliche Grenze bildet, ist nur halb so hoch, meist regnet es in der dunklen Jahreszeit, umso mehr und begeisterter sind die weichen Flocken begrüßt worden. Und auch Tenjen würde viel lieber seine Fußstapfen darin hinterlassen auf den Hängen, aber die Garde des Marun achtet darauf, dass er nicht entwischt. Er hüpft immer noch gern herum wie eine Springbohne, er kann jetzt gut reiten, manchmal besucht er das Totenhaus für Kasiro, das in dem kleinen Wäldchen steht, und er protzt immer noch nicht mit Säbel, Peitsche und Lanze, die Geschichte, die ihm sein Vater damals erzählt hat, wie der kleine Junge zu Tode gekommen ist und was daraus entstanden ist, hat ihn tief beeindruckt. Er sieht die Schwerter hängen in den Hallen, hinter dem Sessel des Thain, und auch in der Halle der Residenz des Mar’thain über der Feuerstelle, er betrachtet sie gern, aber er wird sie nicht anrühren. Und bald wird auch ihr neues steinernes Haus fertig sein, aber über ihrem Feuer wird kein Schwert hängen. Sein Vater hat nie gelernt, damit zu kämpfen, und jetzt will er es nicht mehr. Wozu auch, es gibt keine Bedrohung mehr, gegen die es gilt sich zu verteidigen, und auch auf den Steppen und Ebenen, auf denen sie einst gelebt haben, herrscht wieder Ruhe.

Mar’thain Kastir hat eine Versammlung einberufen mit den Pferdeherren, die die Angriffe aus Tien’sa überlebt haben, und er hat ihnen gesagt, sie können zurückkehren auf ihre angestammten Plätze, das große Tor im Norden wird sich nicht mehr öffnen. Es wird bewacht, und wenn es sich doch öffnet, erfährt er davon, dann werden die drei leuchtenden Schwerter wiederkommen und es endgültig schließen. Und dass sie auch untereinander Frieden halten sollen, sich nicht mehr befehden, lernen miteinander zu leben, es liegen schon viel zu viele Menschen tot auf den Ebenen. Seine Grenzforts werden nicht mehr besetzt sein bis auf fünf, sie werden zu ihnen kommen und handeln um das, was sie benötigen für das Leben auf der Steppe. Dann müssen sie nicht mehr versuchen, es zu stehlen, sie werden schon etwas finden, das sich eintauschen lässt gegen irdene Schälchen, eiserne Töpfe und warme Decken. Pferde nicht, davon gibt es in Beth’nindra genug, und auch noch genug Reiter mit Lanzen, die kommen werden, wenn kein Frieden herrscht auf den Ebenen. Das kleine Volk, das gelebt hat an einem Fluss nicht weit entfernt von den beiden Statuen, die in einer Nische im Fels stehen, wird nicht zurückkehren, sie haben eine neue Heimat gefunden.

Sie würden dort auch nicht mehr leben können, einer der Pferdeherren, der nördlich davon seinen angestammten Platz hat, berichtet es Mar’thain Kastir. Es leben jetzt andere Menschen dort, böse Menschen, sie sind durch den Pass über die Betain’it’Dromar gekommen, und sie bedrohen jeden, der ihnen zu nahe kommt. Das Lager des kleinen Volks ist verwüstet, das Wasser im Fluss kann man nicht mehr trinken, und die beiden Statuen stehen nicht mehr in der Nische. Sie sind herausgezerrt worden mit Pferden und Seilen, hinter ihnen hat sich ein Eingang befunden zu dem Loch in den Bergen, aus dem die weichen gelben Steine herausgespült worden sind in den Fluss. Es leben kaum noch Tiere an den Hängen, sie töten sie, um sie zu essen, und sie töten sich auch gegenseitig, wenn sie in Streit darüber geraten, wem die meisten der gelben Steine gehören, die sie aus den Wänden brechen. Die Goldmine, auf der Ginjens Volk einst gelebt hat, stiftet viel Unfrieden auf der Ebene. Das Gold, das sie aufklauben daraus, wird mit Blut bezahlt.

Aber Ginjens Volk will gar nicht mehr zurückkehren, sie haben sich eingewöhnt in ihre neue Heimat und ihr neues Leben. Sie wohnen jetzt in Häusern, sie schlafen noch auf den dicken warmen weichen Fellen der großen Tiere, die an den Hängen der Betain’it’Dromar zuhause sind, aber sie liegen jetzt auf hölzernen Bettgestellen. Ihre eisernen Töpfe stehen nicht mehr in einem Ring aus Steinen, sie hängen an einem Haken über dem Herdfeuer in der Küche, und ihre irdenen Schälchen stellen sie auf Tische, an denen sie auf Stühlen sitzen. Wie die Kinder in der Schule, lesen und schreiben ist eine Fertigkeit, um die sie beneidet werden von ihren Eltern. Der Lehrer der Schule hat es ihnen angeboten, er lehrt es auch sie, manche haben es angenommen, andere nicht, es fällt ihnen nicht leicht, aber der Lehrer schmunzelt, wenn er das Leuchten in ihren Augen sieht, wenn sie das erste Mal ihre Namen geschrieben haben. Sie haben gelernt, wie man mit Plättchen bezahlt und wie man ihren Wert bemisst, sie brauchen die weichen gelben Steine nicht. Sie haben viel Hilfe erfahren von den Menschen in Beth’narn und denen, die aus Beth’anu gekommen sind auf den Ruf des Nun’thain, sie haben es ihnen vergolten damit, dass sie die Hilfe willig angenommen haben und gelernt zu leben wie die Menschen in Beth’narn. Und sie sind stolz darauf, jetzt eine Marunan zu sein mit dem Mann als Herrscher, der ihr Da’in gewesen ist, und in der großen Schlacht auf den Ebenen haben sie ihre neue Heimat verteidigt.

Der zweite Mond ist schon in seinem letzten Drittteil, die Tage werden spürbar länger, nicht mehr lange bis zur ersten Tag- und Nachtgleiche, dann wird das Leben wieder lebhafter werden in den Ländern. Es sind klare Tage und Nächte, die sie erleben, Regen und Schnee sind kaum mehr gefallen im zweiten Mond, es wird heller und wärmer. Es fehlen nur noch acht Tage bis zum Beginn des dritten Mondes, und dann geschieht das, was große Veränderungen bringt in Beth’anu und Beth’narn.

Ginjen wundert sich, als er aus dem Bett steigt und aus dem Fenster des Schlafzimmers schaut, es ist klar gewesen in der Nacht, er hat den Mond deutlich gesehen, er sieht auch die Scheibe der Sonne, aber sie ist verschwommen, als ob ein feiner Dunst in der Luft liegt, wie ein Schleier, der den Blick verhängt. Es ist noch früh, sie ist noch kaum gestiegen über den Drat‘kalar, und doch regt sich schon etwas im Haus. Er hört leise Waniris Stimmchen aus dem Nebenzimmer, sie wird zwei im nächsten Mond, sie singt ein Liedchen, das Tenjen sie gelehrt hat. Ginjen erkennt es wieder, es ist das von der kleinen Spinne, das Danima ihm einmal vorgesungen hat, damit ihm die Zeit im Sattel nicht lang wird auf dem Weg von der Feste des Thain zum Haus des Barar von Beth’kalar. Zwei Tage, bevor er am Ufer des Sees mit einem Messer gekämpft hat gegen eine große Echse, weil sie Marino angegriffen hat, den jüngsten Sohn von Barar Metiro. Er ist ohne Sinne liegen geblieben danach, und als er wieder erwacht ist, ist er ein Marun gewesen. Aber sie wohnen immer noch in dem großen Holzhaus, das Tonwin für ihn gebaut hat, und wenn es nach ihm ginge, würden sie hier auch bleiben, es ist Merenos Einfall gewesen, eine steinerne Residenz für ihn zu bauen. Er hört den Riegel gehen an Tenjens Tür, er will sich davon machen, der kleine Schlingel, aber zwei Männer der Garde werden sich an seine Fersen heften, sie werden ihn schon rechtzeitig zur Schule bringen. Er ist sechs geworden im letzten elften Mond, er besucht sie jetzt wie alle Kinder im Dorf. Bis er zehn ist, und danach wird er einen eigenen Lehrer haben, er ist sein Erbe, er soll einmal mehr wissen als seine Untertanen, wenn er der Marun ist. Schreiben, lesen und rechnen sind Fertigkeiten, die sie nicht gekannt haben in ihrer alten Heimat, er hat es selbst erst gelernt, als er schon dreiundzwanzig war, es ist ihm nicht leicht gefallen. Es lernt sich leichter, wenn man jung ist, und auch wenn er jammert wie alle Kinder, Tenjen geht zur Schule.

Er hört Danima erwachen hinter sich, und ein Lächeln geht über sein Gesicht. Sie haben miteinander gelegen in der Nacht, sie hat lustige Einfälle auch ohne Badehaus. Er spürt noch ihre sanften Hände auf seinem Körper, er liebt sie innig, seine junge Frau. Sie hat geweint in seinen Armen, als er zurückgekommen ist aus der Schlacht und sie ihm hat sagen müssen, dass sie kein Kind mehr haben werden, dass sie ihm nur eine Tochter wird geben können, aber keinen zweiten Sohn. Er hat sie liebevoll getröstet, es ist doch nicht ihre Schuld. Und er hat einen Sohn, wenn Tenjen und Waniri ihre einzigen Kinder bleiben, dann hat Melak es eben so bestimmt für sie. Sie ist ihm wertvoller als noch ein Sohn oder noch eine Tochter, der Arzt hat auch ihm gesagt, ein neuer Versuch kann sie ihr Leben kosten, das ist es ihm nicht wert. Dafür liebt er sie viel zu sehr, die junge Frau, die sich einmal still neben ihn gesetzt und seine Hand ergriffen hat, als er geweint hat vor einer Statue des Melak, weil er geglaubt hat, er hätte seinen Sohn verloren.

Und da ist es wieder, dieses leichte Zittern, das er in letzter Zeit so oft gespürt hat, mehr erahnt als gefühlt, aber diesmal wird es stärker. Nicht viel, nur ein wenig, aber es ist mehr als eine Ahnung. Eine der Leisten, die die Platte Glas im Fenster halten, ein Luxus, den sie sich geleistet haben für jedes Haus im Dorf, ist nicht richtig befestigt, er hört sie leise klirren, aber sie fällt nicht heraus. Und dann hört es wieder auf. Danima ist hinter ihn getreten, sie legt ihre Arme um seine Mitte und ihren Kopf zwischen seine Schulterblätter, und er spürt das Verlangen nach ihr mit jeder Faser seines Körpers. Es steht nicht geschrieben, dass man nur in der Nacht liegen darf bei seiner Frau, er möchte sie jetzt in seinen Armen halten. Aber Waniri ist schon wach, sie kann allein heraus aus ihrem Bett und plötzlich durch die Tür kommen, Tenjen ist schon fast aus dem Haus, und was, wenn er zurückkommt, weil ihm einfällt, dass er etwas vergessen hat? Und das Morgenmahl wird schon bereitet in der Küche, er seufzt. Aber so lang sind die Tage ja noch nicht, sie werden früh zu Bett gehen, und dann wird er haben, wonach ihm verlangt. Und Tonwin wird auf ihn warten, sie wollen gemeinsam reiten zu der Stelle, an der seine steinerne Residenz gebaut wird, sehen kann er sie nicht, aber er reitet gern mit ihm. Und er behauptet, die Steine reden mit ihm, er hört es, wenn eine Mauer nicht gerade steht oder ein Balken schief an seinem Platz liegt. Sie lachen dann gemeinsam darüber, aber manchmal scheint es fast, als ob er es tatsächlich kann.

Es ist ein seltsames Licht, wie verschleiert, die Luft still und drückend, als ob sich ein Donnersturm zusammenbraut über ihren Köpfen. Aber es ist nicht ihre Zeit, sie kommen im siebten und achten Mond, wenn die Luft heiß ist, und immer aus dem Süden. Dann sehen sie sie heranziehen, dunkle Wolkenberge, die sich schier endlos auftürmen am Himmel, mit Lichtern darin, die die Bäume an den Hängen des Gebirges in Brand setzen, wenn sie gleißend herabfahren. Es knallt und rumpelt, als ob der Himmel einstürzt über ihren Köpfen, Windböen pfeifen um die Häuser, Sturzregen, manchmal versetzt mit Kügelchen aus Eis, prasselt hernieder, aber so plötzlich, wie es gekommen ist, ist es auch wieder vorbei. Wasser tropft von den Traufen der Dächer und den Ästen der Bäume, Kinder platschen lachend durch die Lachen, die auf den Wegen stehen, Pferde und Hunde schütteln sich, dass es nur so spritzt. Das Gras richtet sich wieder auf, und die Luft ist klar und schmeckt sauber. Aber es ist nicht die Zeit dafür, am Himmel sind keine der bedrohlichen Wolkenberge zu sehen, es ist ein seltsames Licht, das über dem Tag liegt.

Und auch die Tiere wirken verschreckt. Die Pferde in ihren Koppeln stehen kaum still, sie galoppieren von einer Seite auf die andere, die Milchtiere stehen gedrängt in ihrem Pferch und rufen mit ihren dunklen Stimmen, die Schafe laufen dicht geballt längs des Zauns, der sie hält, als ob sie einen Weg heraus suchen. Die Hühner wollen nicht aus ihren Schlafhäusern, es sitzen keine auf den Zäunen oder scharren im Gras nach Futter. Es sind keine Hunde zu sehen auf der Straße oder in den Gärten, sie haben sich verkrochen unter die Treppen, die von außen in die Häuser führen, oder sie stehen mit eingezogenem Schwanz winselnd an den Zäunen. Es sitzen keine Katzen an den Wegrändern, erbost fauchend über die Störung ihrer Jagd auf die allgegenwärtigen Mäuse. Ginjen führt Tonwins Pferd am langen Zügel neben sich, die Stute ist gewöhnt daran, sie reiten oft zusammen, sie ist ein sanftes ruhiges Tier, aber heute scheint sie ihren eigenen Kopf zu haben. Sie will nicht laufen in die Richtung, in die sie geführt wird, und sie scheut, als ein Schwarm Vögel mit lautem Gezeter über sie hinwegfliegt. Tonwin ist ein guter Reiter, er kann sich halten auf ihr, aber sie reißt Ginjen fast den Führzügel aus der Hand, als plötzlich eine Gruppe der scheuen Tiere mit den großen braunen Augen aus dem Wald bricht, angeführt von den Männern unter ihnen, die Hörner tragen wie das Geäst eines Baumes, die weiblichen und die Kinder, die geboren sind im letzten Jahr und noch mit ihren Müttern laufen. Und auch sie schlagen die Richtung ein, in die heute scheinbar alle Tiere streben, sie laufen nach Süden. Als sie ankommen an der Stelle, an der die steinerne Residenz gebaut wird, erzählt ihnen der Baumeister, dass es schon seit gestern so geht, es ist sehr still in den Wäldern an den Hängen der Hügel. Es ist nichts mehr zu hören vom Krakeelen der Vögel, das Schnarren der Baumhörnchen, wenn sie sich um die wenigen Samenzapfen streiten, die noch zu finden sind, ist verstummt. Und die heiße Quelle ist versiegt, die Männer, die die Steine und Balken setzen, vermischen ihr Wasser mit dem aus dem Brunnen, es ist angenehmer zum Säubern der Hände und Leiber, das Brunnenwasser ist sehr kalt. Aber es ist weniger geworden seit ein paar Tagen, und seit gestern tröpfelt sie nur noch.

Ginjen macht sich Gedanken, als sie ihre Pferde wieder in Richtung des Dorfes lenken, er wird noch heute einen Boten senden an die Residenz des Mar’thain, Mereno hat ihn darum gebeten. Wenn etwas geschieht in seiner Marunan, was er sich nicht erklären kann, soll er eine Nachricht an ihn senden, etwas geht vor in Beth’narn, und er will herausfinden, was es ist. Und Tiere, die scheinbar nur noch eine Richtung kennen, eine Quelle, die ohne Grund versiegt, diese Zittern unter ihren Füßen, kaum wahrnehmbar, das alles kann er sich nicht erklären.

Sie sehen schon das Banner auf dem Dach des Hauses, es hängt schlapp herab in der unbewegten Luft, blau und weiß mit einem blutroten Streifen an der freien Seite. Die Farbe, die noch Thain Deramo der Marunan gegeben hat, damals nach seinem Kampf mit der großen Echse, sie soll wie der Name Beth’lai erinnern daran, dass es Ginjens vergossenes Blut war, die sie ihm eingetragen hat. Selbst die Männer der Draq’ona, die gelernt haben, die wilden Bestien zu töten mit ihren Draq’ir’lai, sind wie ein Mann vor ihm auf ein Knie gesunken, als er das Haus das erste Mal wieder verlassen hat, als seine Wunden geheilt waren. Das Messer, das ihm aus der Hand geglitten ist, als er ohne Sinne gelegen hat am Ufer, haben sie mitgenommen und aufgehängt in der Halle ihrer Garnison, noch mit dem Blut des Tieres daran, zur Erinnerung an den Mann, der ihnen gezeigt hat, dass auch die großen Echsen, die so lange als unbezwingbar gegolten haben, eine schwache Stelle haben.

Sie sind gerade angekommen vor dem Tor, Ginjen schon abgestiegen von seinem Pferd, als das Zittern unter ihren Füßen wieder beginnt, und diesmal wird es stärker und stärker, bis der Boden bockt wie ein Pferd, das zum ersten Mal den Sattel spürt. Er fällt, aber er lässt den Führzügel nicht los, Tonwin kann nicht sehen, wenn die Stute durchgeht mit ihm, wird er nicht wissen, wohin sie ihn trägt, nicht ausweichen können, nicht sehen, wenn sie ansetzt zu einem Sprung. Aber er kann nicht verhindern, dass sie steigt, Tonwin fällt, er schreit leise auf, als er auf den harten Boden schlägt. Und dann ist der Boden wieder still.

Danima kommt aus dem Haus gelaufen, sie trägt Waniri auf dem Arm und führt Safira an der Hand, sie ruft voll Entsetzen nach Tenjen, er sitzt noch in der Schule. Ginjen hat die Geräusche gehört aus dem Haus, Stühle, die umfallen, irdenes Geschirr, das auf dem Boden zerschellt, Platten aus Glas in den Fenstern, die brechen und klirren, als sie auf den Boden fallen. Das Knistern von Feuer und das Knacken von brennendem Holz, das Herdfeuer in der Küche hat die glühenden Scheite verteilt auf dem hölzernen Fußboden. Obida kommt aus dem Garten gelaufen, sie hat Wanjen bei sich, Melak sei Dank. Ginjen läuft in die Küche, es steht immer ein großes Fass Wasser bereit, das Feuer ist schnell gelöscht. Und gerade, als sie denken, dass sie es überstanden haben, sich ansehen und ein erstes zaghaftes Lächeln über ihre Gesichter geht, Obida versucht, Tonwin aufzuhelfen, er hält seinen rechten Arm, der Knochen im unteren Teil ist gebrochen, beginnt es von neuem. Und diesmal ist ihnen, als ob ihre Welt untergeht.

Es ist ein schreckliches Bild, das sich Ginjen bietet, als die Welt wieder zur Ruhe kommt. Tonwin liegt ohne Sinne vor ihm, er ist noch einmal auf den rechten Arm gefallen, jetzt spießt der Knochen aus dem Fleisch. Obida kniet neben ihm, aber sie sieht ihn nur an aus schreckgeweiteten Augen, Wanjen weint in ihren Armen, weil sie ihn viel zu fest umklammert hält. Danima sitzt nicht weit von ihr entfernt, ihre Augen wirken wie Glas, Waniri und Safira drängen sich jammernd an sie, aber auch sie kann noch nicht fassen, was geschehen ist, was hereingebrochen ist über sie. Sie hören die Stimme eines Vogels aus dem Garten, er sitzt in ihrem Pirsi-Baum, aber sie werden keine Früchte ernten von ihm in diesem Jahr. Er ist umgefallen, seine Äste haben den Zaun eingerissen, die Sträucher, an denen süße Beeren wachsen, die Obida so liebevoll hochgebunden hat nach der letzten Ernte, sie sind zerstört. Ein Teil der Holzplättchen, mit denen sie das Dach gedeckt haben, Ginjen hat viele Reihen von ihnen selbst genagelt auf den Balken, ist herabgerutscht, der steinerne Kamin der Feuerstelle in der Halle umgestürzt, aber die Wände des Hauses haben der Erschütterung standgehalten. Es ist das letzte im Dorf, es steht ein wenig abseits, wie mag es aussehen in den anderen?

Sie machen sich auf den Weg zum Versammlungshaus, Ginjen führt Tonwin mit einem Arm über seiner Schultern gezogen, im Dorf lebt eine weiße Schwester, er will ihn zu ihr bringen, damit sein Arm gerichtet wird. Er blutet, Danima hat eine Windel von Wanjen vorsichtig darum geschlagen, sie ist schon vollgesogen mit seinem Blut. Und mit jedem Schritt, den sie tun, wird deutlicher, was über sie hereingebrochen ist.

Ein Riss verläuft quer über die schmale Straße, er ist gefüllt mit Wasser aus dem Fluss, er staut sich, weil ein Baum hineingestürzt ist. Das Dach des Schulhauses ist eingebrochen, die Kinder haben nicht mehr darin gesessen, Melak sei Dank, sie sitzen weinend auf einem Stück Gras und rufen nach ihren Eltern. Aber sie kommen nicht, die Menschen stehen vor ihren Häusern, sie wirken wie erstarrt, sie können nicht fassen, was geschehen ist. Tenjen kommt zu Danima gelaufen, als er ihrer ansichtig wird, er ist nicht verletzt, aber er kann kaum sprechen, er zeigt auf die Kinder, zwei von ihnen haben blutüberströmte Gesichter, sie sind von Holzplättchen getroffen worden, als sie begonnen haben, herabzuregnen auf sie. Dann hat der Lehrer sie aus der Tür getrieben, er hat darauf geschaut, dass keines zurückbleibt, aber er ist ihnen nicht gefolgt. Sie finden ihn später im Schulhaus, die große graue Scheibe, auf die er die Wörter schreibt, ist auf ihn gefallen und zerbrochen, eine scharfe Kante hat seinen Hals aufgerissen, er liegt tot in einer Lache von Blut. Einige der Häuser stehen schief, Balken sind gebrochen, als die Erde sich erst aufgebäumt hat wie ein bockendes Pferd und dann wieder zurückgefallen ist, an einigen Stellen klaffen Löcher und Risse im Boden, Rauch liegt in der Luft, das Haus der weißen Schwester brennt. Sie ist daraus entkommen, aber sie ist selbst verletzt, ihr Arm verbrüht von der Medizin, die sie gekocht hat auf ihrem Herd, der Kessel ist umgestürzt. Ein Haus ist auseinandergebrochen, es steht nur noch eine Wand, nicht einmal die Platte Glas im Fenster ist gebrochen, und inmitten der Trümmer liegt die Hausfrau mit ihrem jüngsten Kind im Arm, erschlagen vom Firstbalken des Hauses. Sie und der Lehrer werden die einzigen Toten sein, die sie zu beklagen haben, aber es ist ein Bild der Zerstörung, die sich dem Auge bietet.

Die Menschen erwachen aus ihrer Starre, viele der Frauen beginnen zu weinen, und auch die Kinder erhalten endlich den Trost, dessen sie bedürfen. Sie streben zum Versammlungshaus, auch Ginjen bringt seine Familie dorthin. Er möchte bei ihnen bleiben, aber er ist der Marun, es ist seine Verantwortung, er muss sich kümmern um alle Menschen. Auch um das zweite Dorf, Ter’to, es liegt eine Wegstunde entfernt, wie mag es dort aussehen?

Es zeigt sich, dass er der Herausforderung gewachsen ist, und auch die Männer, die er eingesetzt hat als Dorfvorsteher, sind sich ihrer Verantwortung für die Menschen bewusst. Und er kann sich stützen auf die Krieger seiner Garde, sie sind ebenso erschüttert wie alle Menschen im Dorf, aber sie helfen, wo sie können. Es haben sechs von ihnen in ihren Häusern gelegen, sie haben Wache gestanden in der letzten Nacht, nur drei von ihnen sind verletzt. Einer hat eine Wunde auf der Stirn, er ist gegen den Türrahmen gestolpert, als er vor Schreck nur noch herausgewollt hat aus dem Haus. Und sie sitzen im Hemd auf den Stufen ihres Hauses, Ginjen und ihrem Kommandierenden geht schon wieder ein Grinsen über das Gesicht, als sie ihrer ansichtig werden. Hosen sind schnell gefunden für sie, dann helfen auch sie dabei, die Menschen zu versorgen. Zwei der Männer sind in der Armee ausgebildet worden zu Helfern der Ärzte, sie übernehmen mit der weißen Schwester die Versorgung der Verletzten. Auch Tonwins Arm wird gerichtet, er knirscht heftig mit den Zähnen, als sie ihn strecken, damit der Knochen zurückrutscht, aber er muss es ertragen, die Medizin ist verbrannt. Mitsamt dem Haus der weißen Schwester, der Dorfvorsteher hat eine Eimerkette aufgestellt zum Fluss, es ist nicht zu retten gewesen. Aber sie haben verhindern können, dass das Feuer sich ausbreitet, die Menschen werden die Nacht verbringen können unter ihren Dächern.

Ginjen muss nicht reiten nach Ter’to, ihrem zweiten Dorf, die Menschen kommen zu ihm. Sie treffen spät am Abend ein, als sie noch im Schein von Fackeln und großen Holzfeuern versuchen zu retten, was zu retten ist, die Frauen eine einfache Mahlzeit bereiten im Haus ihres Marun, Kohlsuppe mit Rauchfleisch, und sie werden Brot haben, der Ofen, in dem sie es backen, hat einen Riss, aber er steht noch. Der hölzerne Fußboden der Küche ist ein wenig angesengt und sehr nass, Ginjen hat das Fass einfach umgeworfen, um die Flammen zu löschen, aber das Herdfeuer hat sich wieder entfachen lassen, der Rauch zieht gut ab durch die Esse, und der Baumeister hat entschieden, dass es das Haus ist, das noch am sichersten steht. Er ist gekommen mit seinen Männern, sie können nicht mehr arbeiten an der steinernen Residenz, sie ist zerstört. Zwei Mauern sind eingefallen, das Gerüst des Daches, das schon gezogen war über einen Teil, ist eingefallen, und viel hat ein Felsrutsch zerschlagen, der aus dem Hang hinter dem Haus herabgepoltert ist. Heißes Wasser ist aus dem Felsen gesprüht, aus dem die Quelle gelaufen ist, er ist zerborsten, und der Brunnen ist zerstört. Sie haben zwei Männer verloren, sie haben auf dem First des Daches gesessen, als es eingefallen ist, fast jeder von ihnen hat eine Wunde davongetragen, sie sind versorgt worden im Versammlungshaus. Die Kinder im Dorf, die noch Windeln tragen, werden sich sehr feucht finden in der nächsten Zeit, sie sind zerschnitten worden zu Verbänden, sie sind aus dem gleichen Stoff gemacht, den auch die Ärzte verwenden, um Wunden abzudecken. Die, die zu schwer verletzt sind, um noch auf ihren Füßen zu stehen, werden in der Halle des Marun auf die warmen weichen Felle gebettet, die sie haben retten können, viele werden heute Nacht nicht in ihren Häusern bleiben, sie befürchten, dass sie im Schlaf über ihnen zusammenfallen. Die Erde hat sich noch zweimal bewegt, nicht so wie die beiden Male zuvor, eher so wie ein Hund zuckt, der Beißfliegen in seinem Fell hat, aber es hat ihnen Angst gemacht.

Die Menschen aus Ter’to kommen über den Weg gezogen, der die Dörfer verbindet, mit fünf hoch beladenen Wagen, das ist alles, was sie haben retten können aus ihrem Dorf. Es sind keine Häuser eingestürzt, sie haben keine Toten zu beklagen, und ihre schlimmste Verletzung ist der gebrochene Knochen im Bein eines Kindes, aber sie können nicht bleiben dort, Ter’to steht jetzt in einem Teich. Die Erde hat sich verschoben, der Fluss seinen Lauf geändert, und er fließt nicht weiter, weil er versperrt ist durch einen Erdrutsch. Ihre Gärten, die sie so liebevoll angelegt haben in der letzten hellen Zeit, ihr Lagerhaus, in dem Fass um Fass mit Rasi und Gemüse gestanden hat, die Stätte, an der das Spielzeug geschnitzt wird, das ihnen viele Plättchen eingebracht hat, sie versinken im Wasser, und es steigt, weil es noch keinen Abfluss gefunden hat. Sie haben viel verloren, die Menschen aus Ter’to, aber sie werden willkommen geheißen von denen in Ter’sa. Ihnen geht es auch nicht besser, aber das Wenige, das sie haben, werden sie teilen mit ihnen.

Aber Hilfe ist auf dem Weg, sie trifft ein drei Tage später, als die Sonne schon hoch am Himmel steht. Ein Trupp Soldaten der Armee von Beth’narn, Sumwin ist bei ihnen, er hat darum gebeten, weil er hat sehen wollen, wie es seiner Familie geht. Es ist ihm erlaubt worden, er ist der Bruder des Marun, der noch dazu ein bewunderter Mann ist, ein wenig Bevorzugung wird ihm zugestanden. Die Armee von Beth’narn ist noch nicht groß, nur zwei Einheiten, die Besatzungsarmee, die Thain Deramo einst im Land gelassen hat, ist abgerückt in die Schlacht auf den Ebenen, es sind die Männer, die sich entschlossen haben, zurückzukehren und zu dienen in der Armee der neuen Maran. Sie haben sich gewöhnt an das Leben in der Provinz, manche haben Familien gegründet, sie nicht herauszerren wollen aus ihrem gewohnten Leben. Mit dem Segen ihres neuen Thain, die Sechzehn-, Siebzehn- und Achtzehnjährigen, die ihren Pflichtdienst ableisten in den Garnisonen, müssen mit ihnen ihren Mann stehen nach dem Unheil, das hereingebrochen ist über Beth’narn, und ihren Befehlen gehorchen. Sie machen sich auch um ihre Familien Sorgen, wie wird es ihnen ergangen sein?

Sumwin ist erleichtert, als er Obida und Danima antrifft im Versammlungshaus von Ter’sa. Ginjen nicht, er ist mit den Männern aus Ter’to geritten, sie wollen sehen, ob sie dem Wasser, in dem das Dorf steht, einen Abfluss schaffen können, erst dann werden sie die Stauung des Flusses hinter ihrem Dorf beseitigen können. Sonst würde Ter’to bald bis zu den Dächern im Wasser stehen, das Land ist wellig, der dicke Stamm des Baumes, der hinter Ter’sa im Fluss liegt, hat das Schlimmste verhindert. Tonwin liegt in Tenjens Bett, er fiebert, die weiße Schwester fürchtet, dass die Wunde in seinem Arm entflammt ist, wo der Knochen aus dem Fleisch getreten ist. Sie hat die Wunde genäht mit einfachem Wollstrauchfaden, er hat nicht in kochendem Wein liegen können, so wie es die Ärzte tun mit dem Sedo, mit dem sie Wunden nähen, und sie hat keine Medizin, sie ist verbrannt mit ihrem Haus. Sie seufzt erleichtert, als sich auf den Wagen, die die Soldaten mit sich führen, auch ein Korb mit Medizinfläschchen findet, der Arzt der Garnison hat seine Vorräte geteilt und sie mitgeschickt mit den Trupps, die die Bezirke von Beth’narn abreiten. Es ist erbärmlich wenig, aber es findet sich ein Fläschchen mit dem gemahlenen Pulver aus einem getrockneten Pilz, das man auf entflammte Wunden streut, und das manchmal vermag sie zu heilen.

Sie sitzen am Abend beim Nachtmahl zusammen, Ginjen ist zurückgekehrt, mit matschigen Kleidern, nass bis auf die Haut, aber das Wasser in Ter’to fließt wieder. Und nicht mehr durch das Dorf, bald werden die Häuser wieder auf trockenem Grund stehen, dann werden sie sehen, ob sie zu retten sind, und morgen werden sie auch die Stauung hinter Ter’sa entfernen, dann werden sie bald wieder sauberes Wasser zu trinken haben. Ginjen hat Männer aus seiner Garde den Fluss hinaufgeschickt, sie haben berichtet, dass er aus den Hügeln läuft wie immer, es ist der Stamm des Baumes, der es nicht weiterfließen lässt in seinem Bett. Und sie haben die Nachricht gebracht, dass das kleine Totenhaus auf der Lichtung in einem Ring aus Bäumen eingestürzt ist, Ginjen hat geseufzt, aber es ist seine geringste Sorge. Kasiro spürt den Druck der Steine und Balken nicht in seinem steinernen Sarg, es sind die Menschen, denen Ginjens Bestreben gilt. Dass die Verletzten gut versorgt sind, sie bald wieder ein Dach über dem Kopf haben, es genug Nahrung gibt für alle, sie sauberes Wasser trinken, damit sie nicht krank werden davon, das ist es, was ihn bewegt, ein Kind, das schon seit vierhundert Jahren nicht mehr unter den Lebenden weilt, wird warten können, bis es an der Reihe ist.

Aber sie sind erschüttert, als Sumwin berichtet, was er gesehen hat auf dem Weg zu ihnen. Die Marunan Beth’lai liegt im Süden von Beth’narn, zwischen der Grenze zu Beth’nindra und dem Ausläufer des Gebirges, an dessen Ende die Residenz des Mar’thain steht, im Westen begrenzt von der niedrigen Gebirgskette, weit ab vom See. Und es scheint, dass ihre Lage sie geschützt hat vor Schlimmerem. Dörfer, in denen kein Haus mehr steht, mit leeren Brunnen, Menschen, die sitzen wie versteinert, weil sie nicht wissen, wie sie sich selbst helfen sollen, Bäche, die zu reißenden Strömen geworden sind, Risse, die das Land durchziehen, bodenlos und kaum zu überbrücken. Tote, die liegen, wie sie gefallen sind, Verletzte, um die sich keiner kümmert, es sind die Trupps der Soldaten, die Hilfe bringen. Aber sie sind so wenige, sie können nicht überall zugleich sein. Und sie wissen nicht, was aus den Dörfern am See geworden ist, aus dem Hafen, in dem die Fischerboote liegen und die Händlerboote aus Beth’kalar anlegen. Der Garnison der Draq’ona, die mit ihren Draq’ir’lai die Menschen am Ufer des Sees geschützt hat vor den großen Echsen, die darin leben. Sie können sich dem See nicht nähern, eine riesige Wolke liegt darüber wie ein Schleier, Rauch, oder eher Dampf, wie der Dunst, der sich im elften Mond manchmal über das Land legt. Die Luft ist heiß und feucht, schwer zu atmen, wie durch ein nasses Tuch aus Strauchwolle, und Pferde scheuen vor ihr zurück. Manchmal glüht es rot darin, als ob ein Feuer schwelt unter ihr, aber Wasser brennt doch nicht. Man sieht kaum die Hand vor Augen, und es wird schlimmer, je weiter man vordringt auf den See. Es ist still, als ob nichts mehr lebt unter der Wolke, nur manchmal hört man ein Zischen, als ob eine riesige Echse als Ufer gesprungen ist. Oder ein Rumpeln und Donnern, wie Wasser, das aus großer Höhe fällt.

Der Trupp, mit dem Sumwin gekommen ist, rückt bald wieder ab, es gibt noch viele Dörfer in Beth’narn, die auf Hilfe warten. Er geht mit ihnen, aber er verspricht, Nachricht zu geben in der Residenz des Mar’thain, dass es ihnen gut geht, dass Beth’lai zurechtkommt, Mereno keinen Gedanken verschwenden soll an sie, sich um die kümmern, die seiner Hilfe dringender bedürfen als die kleine Marunan. Sumwin hat das Banner mit dem blauen Streifen an der freien Seite reiten sehen in der Ferne im schnellen Galopp Richtung Norden, also scheint es gut zu stehen in der Residenz, es war nicht gesenkt, und Mereno würde Selima nicht allein lassen, wenn ihr oder Kirini etwas zugestoßen ist.

Es zeigt sich, dass die Menschen von Ginjens Volk aus zähem Lehm geknetet sind, es braucht nur ein paar Tage, dann machen sie sich daran, ihre neue Heimat wieder aufzubauen. Das Leben auf der Ebene hat sie abgehärtet, der lange Marsch nach Beth’anu hart gemacht, sie finden sich ab mit dem, was geschehen ist. Sie begraben ihre Toten, sie pflegen ihre Verwundeten, Nahrung haben sie genug, auch in Ter’to lässt sich viel retten, als das Wasser abgeflossen ist. Und sie erhalten Hilfe von einer unerwarteten Seite.

Auch in Beth’nindra ist die Erschütterung zu spüren gewesen, die Erde hat gezittert, in der Feste des Mar’thain sind ein paar irdene Gefäße in der Küche zerbrochen, mehr Auswirkungen hat sie nicht gehabt, aber Mar’thain Kastir hat sich Sorgen gemacht. Tenaro und Mereno sind seine Schwestersöhne, und als der Bote gekommen ist zehn Tage später, als Thain Tenaro ihn um Hilfe gebeten hat, da hat er nicht lange gezögert. Hundertschaften auf den Weg gebracht, mit Wagen voll mit Zelten und Decken, mit Nahrung, Medizin, mit allem, was gebraucht wird nach der Zerstörung, die die Erschütterung angerichtet hat. Nach Beth’anu, nach Beth’kalar, und auch nach Beth’narn. Und nach Beth’lai, Mar’thain Kastir mag den ruhigen Mann, dessen Marunan es geworden ist nach seiner tapferen Tat am Ufer des Sees. Und er schuldet ihm etwas, in seinen Armen ist Katiro gestorben, der gefallen ist, als die Schlacht schon gewonnen war, niedergestreckt von einem verirrten Pfeil. Sein geliebter Sohn ist nicht allein gewesen in seinem Tod, und Ginjen hat ihnen gesagt, dass seine letzten Worte seiner Mutter gegolten haben, dass sie nicht weinen soll um ihn, es Melaks Wille ist, dass er nicht heimkehrt zu ihr. Mar’thain Kastir kann nicht so recht daran glauben, dass Katiro sie tatsächlich gesprochen hat, es redet sich schlecht, wenn einem ein Pfeil in der Kehle steckt, aber es hat Trost gebracht zu einer verzweifelten Mutter. Und wenn es das ist, was Ginjen hat erreichen wollen damit, dann sei es ihm verziehen. Er ist ein tapferer Mann, er hat nie gelernt, mit einem Schwert zu fechten oder sich mit einem Säbel zu verteidigen auf dem Rücken eines Pferdes, und doch ist er mit ihnen geritten und hat mit Dolch und Lanze den Rücken gedeckt derer, die sich aufgemacht haben, die Schlacht zu beenden mit ihrem Sturm auf den goldenen Wagen des Shat’a‘drak. Hinter Kasrim, seinem Thronfolger, neben Kassio und Katiro, seinen beiden Söhnen, die an einem Tag geboren sind und sich gleichen wie ein Ei dem anderen. Er hat Katiro aufgefangen, als er getroffen worden ist, in seinen Armen hat er gelegen, er hat ihn getröstet, bis er seinen letzten Atemzug getan, seine Augen sich für immer geschlossen haben. Dafür schuldet er ihm etwas, dem jungen Marun von Beth’lai, und er trägt einen Teil der Schuld ab damit, dass er auch ihm beladene Wagen schickt mit allem, dessen Menschen in Not bedürfen. Und er ist sicher, wenn es nicht benötigt wird in Beth’lai, wenn die Erschütterung sie wider Erwarten nicht so hart getroffen hat wie Beth’anu, wird ihm seine Ehre gebieten, es nicht für sich zu behalten. Er wird es weitergeben an die, die es nötiger haben.

Aber Ginjen braucht es selbst, nicht für die Menschen aus Beth’lai, für sie gibt es genug, und sie beginnen schon damit, auf den Feldern und in den Gärten zu säen und neues Gras anzupflanzen am Ufer ihres Flusses, sie werden ernten am Ende der hellen Zeit. Er braucht es für die, die gekommen sind zehn Tage nach der Erschütterung. Sich in das Dorf geschleppt haben, mit verzweifelten Augen, die nur noch das besessen haben, was sie am Leib und in ihren Händen tragen. In zerrissenen Kleidern, mit ihren Kindern auf ihren Armen, halb verhungert, viele mit Wunden von Verbrühungen an Händen und Gesicht. Es sind Menschen, deren Dörfer am Ufer des Sees gelegen haben, und erst als er hört, was sie berichten, versteht er, wie schlimm das Land wirklich getroffen worden ist von dem, was sich ereignet hat. Und es stürzt Danima in tiefste Verzweiflung, sie ist eine Prinzessin aus Beth‘kalar, das Haus des Barar steht am Ufer des Sees. Wenn es noch einen See gibt unter der Wolke aus Dampf, der über seinen Ufern liegt.

Auch in den Dörfern am See hat es harmlos begonnen, mit Brunnen, die plötzlich leer gewesen und am nächsten Tag übergelaufen sind, mit Wellen, die an die Ufer geschwappt sind, höher als sie es gekannt haben, mit Stellen im See, die aufgewallt sind wie Wasser, das in einem Topf kocht. Die drei roten Pfähle, die nicht weit vom Hafen entfernt im flachen Wasser stehen, zur Erinnerung an die Kinder einer Familie, die an dieser Stelle einmal hingeschlachtet worden sind von den großen Echsen, sind umgefallen, die Fischer fahren nicht mehr hinaus, sie fangen keine Fische mehr. Sie haben tote Echsen gefunden, manchmal weit ab vom See, sie können nur in ihm leben, es tötet sie, wenn sie sich zu weit davon entfernen. Zehn Längen, weiter dringen sie nicht vor auf dem Land, die Männer der Draq’ona machen es sich zunutze. Die Binsenfelder, die sich in einem breiten Gürtel um das Südufer des Sees ziehen, sind verdorrt, sie haben keine Binsen schneiden können in der hellen Jahreszeit, die ärmeren Familien in den Dörfer benutzen sie getrocknet für ihr Feuer, wenn sie sich das teure Holz nicht leisten können, so manches Haus ist kalt geblieben in der dunklen Zeit des Jahres. Die Ränder des Sees sind manchmal weggebrochen, wo die Ufer steiler sind, einmal hat es einen Mann mit herabgerissen, aber er hat sich retten können, sein Planschen hat keine große Echse zu ihm gelockt, und sie liegen immer auf der Lauer.

Und immer wieder haben auch sie das Zittern gespürt unter ihren Füßen, ein Stück der Mauer um den Hof des Heermeisters ist eingefallen, es ist jetzt ein armes Haus, die Hausfrau hat den Mann nicht mehr bezahlen können, der dafür sorgt, dass sich die Steine nicht lockern. Im Haus des ehemaligen Schatzkanzlers von Beth’narn, auch mit ihm geht es bergab, weil er sich nicht mehr bereichern kann an den unehrlichen Plättchen, die immer um ein weniges zu leicht gewesen sind, sind in den Fenstern einer Wand alle Platten aus Glas gesprungen, weil sich plötzlich ein Riss hindurchgezogen hat, als ob die Mauer abgesackt ist an einer Ecke. Er hat sehr geschimpft, aber noch liegen ein paar der Barren aus Gold mit dem Siegel des Fürsten in seinem Gewölbe, er wird schon einen Käufer finden dafür, und dann wird er sein Haus wieder richten lassen. Er hat es nicht gebraucht, es ist eingefallen über ihm und seiner Frau, als die große Erschütterung gekommen ist, sie haben sie erschlagen gefunden inmitten all des Prunks, den die Untertanen des Fürsten bezahlt haben für sie.

Vor zehn Tagen, als das Zittern wieder gekommen ist und nicht nachgelassen hat dieses Mal, als es immer stärker geworden ist und die Erde sich geschüttelt hat wie ein Hund, der aus dem Wasser kommt, da sind sie voller Angst aus ihren Häusern gelaufen. Haben nach ihren Kindern gegriffen, nach dem, dessen sie habhaft werden konnten, nicht immer ist es etwas gewesen, das ihnen Nutzen bringt. Der Mann, der am Tisch der Halle sitzt und sein jüngstes Kind füttert mit Brei aus Milch und Rasi, erzählt Ginjen, dass seine Frau zurückgelaufen ist in ihr Haus, als sie schon glücklich entkommen waren, sie hat nicht lassen wollen von der Truhe mit Plättchen, die unter ihrem Bett steht. Das Dach ist eingefallen über ihr, sie liegt tot, erschlagen, noch mit der Truhe im Arm, die ihr wichtiger gewesen ist als der Korb mit Getreide, der in ihrer Küche stand. Das Kleine auf seinem Schoß ist erst sechs Monde alt, es wird aufwachsen können mit dem Brei, in den Obida ein paar Löffel Mus aus Pirsi gerührt hat, aber die Liebe einer Mutter wird es nicht mehr kennen. Ginjen legt eine Hand auf die Schulter des Mannes, als ihm Tränen aus den Augen laufen, er hat nichts retten können außer seinen Kindern, es sind noch zwei, die schon größer sind, sie stehen neben ihm mit Augen voller Angst. Sie werden nicht hungern in Ter’sa, und der Mann ist ein Handwerker, der mit Holz arbeitet, es wird genug zu tun geben für ihn in der nächsten Zeit.

Auch sie haben geglaubt, dass sie es überstanden haben, als der Boden wieder ruhig geworden ist unter ihren Füßen. Dann sind die Wellen gekommen, hohe Wellen, höher als die, die der Wind manchmal treibt auf den schmalen Streifen Sand vor ihrem Dorf. Höher als ein Mann, und sie sind weiter heraufgelaufen als sie es kennen, es hat sie weggetrieben vom Ufer und von ihren Häusern, es hat viele Leben gerettet. Denn als der zweite Stoß gekommen ist, und das Rumpeln, lauter als jeder schwere Wagen, der die Stämme bringt, wenn neues Holz gebraucht wird für ein Haus, das lauter und lauter geworden ist, bis es nur noch das Geräusch gegeben hat um sie herum, die Erde sich wieder geschüttelt, da haben nicht mehr viele Menschen gestanden am Ufer, als mit einem Schlag, lauter als jeder Donner, den sie je gehört haben, das Wasser des Sees geworden ist zu einer riesigen Wolke aus siedend heißem Dampf. Sie ist aufgequollen aus dem See, sie hat sich ausgebreitet über seine Ufer, und sie hat rot geleuchtet, als ob etwas brennt unter ihr, aber Wasser brennt doch nicht. Sie sind weggelaufen, weiter ins Innere des Landes, gerannt und gerannt, und sie haben die Schreie derer hinter sich gehört, die nicht schnell genug gewesen sind. Spalten haben sich aufgetan zu ihren Füßen, manche sind hineingestolpert, und wenn sie sich wieder geschlossen haben, sind die Menschen erdrückt worden darin. Und als sie nicht mehr haben rennen können, als sie zu Boden gefallen sind, erschöpft von der Anstrengung und dem Entsetzen, das sie gepackt hat, da ist es still um sie gewesen. Kein Laut hat in der Luft gelegen, keine Stimme eines Vogels, kein Bellen eines Hundes, kein Plätschern von Wasser. Nur das angestrengte Keuchen der Menschen ist zu hören gewesen, und als sie die Wolke hinter sich gesehen haben, da sind sie einfach weiter gegangen. Nach Westen, immer weiter nach Westen, bis sie getroffen sind auf Männer aus Ginjens Garde auf dem Weg zum Abfluss des Kalar’terla, er hat sie geschickt nach Beth’kalar um Danimas Willen, sie sollen nachsehen, wie es steht um ihre Familie. Sie haben ihnen gesagt, nicht mehr lange, sie sind in der Marunan Beth’lai, nur noch zwei Wegstunden, dann wird ihnen Hilfe zuteil. Und als sie hineingestolpert sind in das Dorf, Ter’sa, so wird es genannt von den Menschen, die dort wohnen, da ist ihnen geholfen worden. Sie haben Wasser bekommen, das frisch geschmeckt hat, Nahrung, ihre Wunden sind versorgt worden, sie haben liegen können in Zelten mit einem hölzernen Boden, es sind die der Garde des Marun, sie haben sie nicht gebraucht, weil sie in den Häusern der Männer gewohnt haben, die noch ihren Pflichtdienst ableisten in den Garnisonen des Landes, bis sie ihre eigenen gebaut haben.

Die Männer, die Ginjen nach Beth’kalar geschickt hat, um zu sehen, wie es der baranischen Familie ergangen ist, sind zurückgekommen, aber sie haben entsetzliche Nachrichten gebracht. Das Haus des Barar am Ufer des Sees steht nicht mehr. Sie sind über Land geritten, die unheilverkündende Wolke über dem See ist zu sehen selbst noch in Beth’lai, und auch das rote Glühen in ihr, wie ein Feuer, das im Kamin langsam erlischt für die Nacht. Sie sind ihr lieber nicht zu nahe gekommen, auch ihre Pferde haben sie nicht gemocht, sie sind zurückgescheut davor, sie hätten sie nicht hineingebracht in die Wolke. Und sie haben sich gewundert, als sie sich dem Abfluss des Kalar’terla genähert haben, sie hören das Rauschen des Wassers nicht. Die Tenjen’sa-Brücke steht noch, eine der langen Ketten, die an den Ufern befestigt sind, um den Druck des Wassers auf die hohen Pfähle in der Mitte zu mindern, ist gerissen, sie sieht nicht aus, als ob sie zusammenfällt, wenn sie über sie reiten, es erspart ihnen einen Tagesritt. Aber sie führt nicht mehr über Wasser, es gibt keine Schnellen und Wirbel mehr, nur noch ein trockenes felsiges Bett, in dem der wilde Fluss einst geflossen ist. Sie sind weitergeritten am Ostufer des Ir’kalar, wie sie ihn jetzt nennen, hinein in den Dampf, der immer noch über dem Land liegt, er ist kühl hier und legt sich feucht auf die Haut, wie der Dunst, der manchmal im elften Mond das Land überzieht, an ihn sind die Pferde gewöhnt. Das Haus des Barar liegt nur einen Tagesritt entfernt von der Brücke, aber sie haben kein Haus mehr gefunden. Nur noch die Krieger der Draq’ona, ihre Garnison ist halb zerstört, aber sie sind zurückgeblieben, es werden noch Männer vermisst aus ihrer Einheit, sie hoffen, dass sie den Weg zurück finden zu ihnen. Sie werden ausharren, bis sie wissen, was aus ihnen geworden ist, die Wolke ist abgekühlt in den letzten Tagen, und der Wind, der von den Gipfeln des Drat’kalar weht, beginnt sie auseinanderzutreiben. Bald wird der See wieder zu sehen sein, dann werden sie wissen, was geschehen ist damit.

Und auch sie berichten Schreckliches. Schon das erste Rütteln der Erde hat einen Teil des Ufers wegbrechen lassen, an dem das Haus gestanden hat, der Kai, an dem damals das Boot angelegt hat, das Tenaro in den Armen Metús zurückgebracht hat aus Beth’narn, hat auf hohen Pfählen im seichten Wasser gestanden, er ist zuerst verschwunden, und dann ist das ganze Haus ins Rutschen geraten. Es hat sich geneigt wie ein Betrunkener, der aus einem Wirtshaus torkelt, sich lehnt gegen einen Gartenzaun als Stütze, aber es hat keinen Zaun gegeben, es zu halten. Die meisten Menschen sind da schon heraus gewesen aus dem Haus, sie sind in den Garten gelaufen, als die Erde begonnen hat, sich zu schütteln, aber der kleine Prinz Marino ist von dem Pfahl eines Banners getroffen worden, der vom Dach gestürzt ist. Er hat noch gelebt, als sie ihn in die Kutsche getragen haben, die die Barari mit ihren Töchtern weggebracht hat, aber er hat geschrien und seine Beine nicht mehr bewegen können. Die Kutsche hat es noch geschafft über die Brücke, die über den Fluss neben dem Haus führt, bevor sie zusammengefallen ist beim nächsten Rütteln, bevor das ganze Haus hinabgestürzt ist in den See. Aber Barar Metiro, er ist mit Daneto und seinem zweiten Sohn Damiro ausgeritten am Tag zuvor, sie haben in das Dorf im Norden von Beth’kalar gewollt, in dem die irdenen Schüsseln und Becher gemacht werden, und sie sind bisher noch nicht zurückgekehrt.

Die Männer aus Beth’lai haben beraten, ob sie reiten sollen zur Feste des Thain, vielleicht finden sie die baranische Familie dort, Barar Metiro ist der Vaterbruder des Thain, sie werden dort Schutz gesucht haben. Aber es ist ein Dreitagesritt bis dorthin, sie wissen nicht, was sie erwartet auf dem Weg und Maruni Danima wartet auf Nachricht, sie haben sich auf den Rückweg gemacht. Sie hat geweint in Ginjens Armen, auf der Stelle aufbrechen wollen, um sie zu suchen, er hat sie liebevoll getröstet und abgehalten davon. Es erscheint ihm zu gefährlich, sie wissen nicht, ob nicht noch eine Erschütterung kommt, sie wissen nicht, was vorgegangen ist am See, und er kann sie nicht begleiten, er ist der Marun, die Menschen in Beth’lai brauchen ihn. Und auch Mar’thain Mereno braucht seine Hilfe, sie sind glimpflich davongekommen, die Menschen in den Bezirken von Beth’narn hat es schlimmer getroffen. Und was geschehen ist im Norden in der Wüste, er kann es immer noch nicht fassen. Aber er bringt sie in die Residenz, Danima wird in Selimas Armen ein wenig Trost finden, und er weiß seine Familie dort gut aufgehoben. Er nimmt auch Tonwin und Obida mit ihren Kindern mit, seinem Bruder geht es besser, die Entflammung ist aufgehalten worden von dem Pulver des getrockneten Pilzes, aber noch ist sein Arm nicht geheilt, und Obida ist sehr erschüttert von dem, was geschehen ist. Sie schreckt immer noch weinend aus dem Schlaf, sie ruft nach ihren Kindern, dort wird sie mehr Hilfe erfahren. Und vielleicht ist schon Nachricht eingetroffen aus der Feste des Thain, dann wird Danima erfahren, ob es ihrer Familie gut geht.

Die Menschen in Ter’sa und Ter’to haben sich erholt von dem Schrecken, Nahrung haben sie genug, das Wasser im Fluss fließt wieder klar und sauber, jeder schläft unter einem Dach, auch wenn es vielleicht nicht sein eigenes ist. Sie machen sich daran, ihre Dörfer wieder herzurichten, der Baumeister ist mit seinen Gehilfen bei ihnen geblieben, sie helfen mit Rat und Tat. Ginjen hat herzlich gelacht, als er ihn gefragt hat, ob sie zurückkehren sollen an die Stelle, an der die Residenz gebaut werden soll, und sehen, ob noch etwas zu retten ist dort, er hat doch noch ein Haus. Mit einem Loch im Dach und der Fußboden in der Küche ist angebrannt, aber wohnen kann man noch darin. Nein, erst sind die Häuser der Menschen dran, erst wenn jedes Haus in den Dörfern wieder bewohnt werden kann, wird er sich Gedanken machen, ob seine steinerne Residenz wieder aufgebaut wird. Sie haben Glück im Unglück gehabt, die kleine Sägemühle, die ein Stück hinter Ter’to am Fluss steht, hat die Erschütterung unbeschadet überstanden, der Mann, dem sie gehört, hat Ginjen erzählt, dass das eiserne Blatt während der Erschütterung gesummt hat wie eine Frau, die ein Kind in den Schlaf singt, nur sägen kann er nicht mehr damit. Die Mühle steht nicht mehr am Ufer des Flusses, er hat auch hier seinen Lauf geändert, aber es gibt genug Männer mit Schaufeln in den Dörfern, auch die Männer, die gekommen sind aus den Dörfern am See, es gibt ihren Händen etwas zu tun, sie graben dem Wasser einen Kanal, bald sägt sie wieder Balken und Planken für sie. Nur die Kinder murren, muss es ausgerechnet die Schule sein, die als Erste wieder hergerichtet wird? Aber ihre Mütter und Väter wollen sie aus dem Weg haben, es gibt genug zu tun, ohne dass sie ihnen zwischen die Füße geraten, und sie müssen nicht fürchten, dass ihnen wieder hölzerne Plättchen auf den Kopf fallen, wenn die Erde sich noch einmal schüttelt. Sie haben keine Zeit gehabt, neue zu schneiden, sie haben das Dach gedeckt mit dicken Bündeln aus dem Stroh des Getreides, es hat gelegen in einer großen Hütte, sie haben nicht so recht etwas anzufangen gewusst damit, aber es erschien ihnen zu wertvoll, um es einfach zu verbrennen. Jetzt erfüllt es einen Zweck, der Lehrer, der mitgekommen ist aus den Dörfern am See, hat ihnen gesagt, so machen es die Fischer, sie nehmen dafür die Binsen und das hohe Gras, das an seinen Ufern wächst. Es ist einfach, es geht schnell, und es schlägt keine Wunden, wenn es einem auf den Kopf fällt. Sie werden auch die neuen Häuser so decken, die gebaut werden für die Menschen, die aus den Dörfern am See geflüchtet sind, sie werden bleiben in Beth‘lai, es wird bald noch ein Dorf geben, sie werden es der Einfachheit halber Ter’wa nennen, drittes Dorf. Weil es keinen See mehr gibt, so wie sie ihn kennen, sie werden nicht mehr leben können an seinem Ufer.

Die riesige Wolke, die über ihm gestanden hat, ist zu sehen gewesen bis nach Beth’lai, auch das rote Glühen darin, es ist weniger geworden von Tag zu Tag. Sie hat sich ausgebreitet, der Wind, der herabweht aus dem Drat’kalar, hat sie nach Westen getrieben, und als sie abgekühlt ist, hat sich ein feuchter Schleier gelegt über das Land. Und als Mereno und Ginjen gestanden haben am Ufer des Sees, wo früher einmal der Hafen gewesen ist des großen Dorfes, am ersten Tag des fünften Mondes, da haben sie ihren Augen kaum trauen wollen. Es ist nicht mehr der See wie sie ihn kennen, und er wird es nie mehr sein.

Das Wasser ist gefallen, es steht jetzt zehn Längen unter ihnen, und es dampft leicht, so wie das Wasser in den Badehäusern es getan hat. Der Dampf wabert wie ein Schleier darin, fast bis an das alte Ufer, und in der Ferne, kaum zu sehen durch den Dunst, ragt etwas aus dem Wasser. Riesig und dunkel, ab zu blitzt ein rotes Glühen auf, als ob Blasen platzen auf seiner Oberfläche, und es verbirgt den Blick auf den See dahinter, soweit ihre Augen reichen. Nicht weit von ihnen entfernt zu ihrer Linken fällt Wasser in einem glitzernden Strom herab, ein Bogen aus bunten Farben steht darüber, er wird beleuchtet von der Sonne, die aufsteigt hinter dem Drat’kalar, er ist nur zu erahnen in der Ferne. Es ist ein neuer Fluss, der entstanden ist in Beth’narn, der sich durch das Land zieht von den Hügeln ihrer westlichen Grenzen, er wird gespeist durch einen Riss, der sich aufgetan hat im Gebirge. Fast gerade wie eine gespannte Schnur, mal schmaler, mal breiter, sie haben ihn überbrückt an einigen Stellen mit Balken und Planken, damit der Norden des Landes noch zu erreichen ist. Mar’thain Mereno hat Männer ausgeschickt, um das Ufer des Sees zu erkunden, sie haben berichtet, dass das Wasser den Abfluss nicht mehr erreicht, und um das Südufer des Sees zieht sich eine Stufe, kaum eine halbe Länge tief, bedeckt mit den vertrockneten Überresten der Binsen, die dort einmal gestanden haben. Und vielen toten großen Echsen, als ob sie versucht haben zu entkommen aus dem See über die Stufe, die Luft stinkt, sie müssen schon lange tot sein. Die Ufer sind steil, fast wie mit einer Schaufel gegraben, bis zu dem Dorf mit dem Hafen und noch ein Stück darüber hinaus, erst auf der anderen Seite des neuen Flusses fällt es ab in flachen Hängen. Und weiter nördlich, schon in der Wüste, zieht sich in einem weiten Bogen eine Felskante um den See, und über ihn stürzt das, was das Verderben gebracht hat über die Oasen.

Sie können es immer noch nicht fassen, das ist gewesen, was Mar’thain Mereno in höchster Eile hat reiten lassen, als Sumwin das Banner gesehen hat in der Ferne auf seinem Weg nach Ter’sa. Da, wo einst die grüne Perlenschnur der Oasen gelegen hat, in einem leichten Bogen nach Nordwesten, zieht sich jetzt ein Graben durch die Wüste. Breit und tief, und in ihm fließt ein Fluss. Ein gewaltiger Fluss, größer als Mereno je einen gesehen hat, größer als die zwei großen Flüsse in Beth’anu, er wird breiter je näher er dem See kommt, und an seinem Ende stürzt das Wasser über einen gewaltigen Bogen aus Fels. Das Dorf am Rand der Wüste, in das Mereno die beiden Söhne des Heermeisters hat bringen lassen, als Tenaro sie freigesetzt hat von der Strafe, die sie verbüßt haben in den Salzminen von Beth’nindra, ist mit hinabgestürzt, als der Graben sich aufgetan hat, das Dorf mit der Handelsstation, neben dem das Wasser aus der Wüste gelaufen ist, an dem Mereno und Ginjen staunend gestanden haben im letzten Jahr, steht jetzt an seinem Rand. Es ist noch ein Tagesritt bis zum See von dort, aber auch hier liegt eine Ahnung des Donnerns in der Luft, mit der das Wasser hinabfällt in den See.

Ginjen ist geritten an Merenos Seite durch die Bezirke von Beth’narn, und es hat sich gezeigt, was auch zu sehen war in Beth’lai. Die Dörfer sind umso schlimmer getroffen worden je näher sie dem See liegen, die Bezirke, die im Westen schon im Schatten des Gebirgszug liegen, haben kaum Schäden zu vermelden, in einem Streifen einen halben Tagesritt um den See steht fast kein Haus mehr. Das Unheil scheint aus ihm gekommen zu sein, es muss etwas zu tun haben mit dem, was sich jetzt erhebt inmitten des südlichen Ausläufers, an dessen Ufern sich Beth’narn und Beth’kalar gegenüberliegen. Es hat keine Erhebungen gegeben darin, der nördliche Teil des Sees ist nie erkundet worden, wenn dort welche gelegen haben, ist es nie berichtet worden. Aber jetzt gibt es eine, die Sicht ist besser geworden, sie sehen sie deutlicher, als sie drei Tage vor dem längsten Tag wieder am Ufer stehen. Eine Erhebung, sie ragt über das Wasser, und sie erscheint endlos lang. Sie liegt wie eine Mauer zwischen den Ländern, und so werden sie sie auch nennen in Beth’narn, Betain’it‘kalar, die Mauer im Wasser.


Leben unter Daikims Sternen

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