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Tyler saß auf dem Beifahrersitz, Barry folgte der im Audi vorausfahrenden Kelly, beide mit etwa fünfzig, vor Temposchwellen bremsend und an Ampeln haltend. Tyler hätte am liebsten geschrien. Er spürte, wie die Frau ihn vom Boden aus anstarrte, ihr Blick leer. Während Barry fuhr, nahm Tyler das Telefon der Frau heraus. Es war nicht gesperrt. Er ging in die Einstellungen, deaktivierte die Ortungsfunktion, schaltete es dann aus. Sie befanden sich jetzt in Cameron Toll, womit das der letzte rückverfolgbare Ort war, bis es wieder aktiviert wurde. Sie fuhren Richtung Craigmillar, vorbei an der Abfahrt nach Niddrie, waren auf dem Weg zu Wee Sams Werkstatt in Pinkie, direkt hinter Musselburgh.

»Ein echtes Prachtstück«, meinte Barry und deutete mit einem Kopfnicken auf das vor ihnen fahrende Auto. »Der bringt uns ein pralles Sümmchen.«

»Scheiße, Barry.«

Barrys Hände umklammerten das Lenkrad fester. Er biss die Zähne zusammen und schluckte schwer. Er fuhr schweigend weiter, bis sie am Fort vor einer roten Ampel halten mussten. Er zog den Schalthebel in Leerlaufstellung, betätigte die Handbremse und packte Tyler am Hals, stieß ihn gegen die Sicherheitsgurthalterung und würgte ihn. Tyler zerrte mit den Fingern an Barrys Hand, versuchte, den Hals frei zu bekommen, fand aber keinen richtigen Ansatzpunkt. Seine Luftröhre war blockiert, er röchelte, versuchte verzweifelt, Luft einzusaugen.

»Vorhin in dem Haus ist absolut null passiert«, zischte Barry leise. »Hast du mich verstanden?«

Tyler versuchte zu sprechen, bekam aber nur ein Keuchen heraus.

Barry beugte sich ganz dicht zu ihm vor, ließ Tylers Hals immer noch nicht los. »Und? Hast du?«

Tyler war schwindelig, das Licht am Rande seines Blickfelds flackerte. Er versuchte zu schlucken, konnte aber nicht. Aus seiner Nase löste sich ein Geräusch, ein Würgereflex in seinem Hals. Er nickte, soweit das möglich war mit Barrys Fingern, die sich unter seiner Kinnlade in den Hals gruben.

Hinter ihnen hupte ein Auto. Barry lockerte den Griff, ließ aber noch nicht los. Tyler schnappte nach Luft. Barry drehte sich um, sah nach hinten. Ein Kerl in einem Toyota zeigte an ihnen vorbei auf die Ampel, die inzwischen auf Grün umgesprungen war. Kelly hatte die Kreuzung bereits überquert.

Barry starrte den Mann in dem Auto hinter sich einen langen Herzschlag an, dann ließ er Tylers Hals los. Tyler japste und riss die Hände hoch, berührte die Haut an seinem Hals, während Barry einen Gang einlegte und losfuhr. Er entschuldigte sich bei dem anderen Kerl mit einer erhobenen Hand und beschleunigte, um zu Kelly aufzuholen. Er warf einen Blick in den Rückspiegel zu dem Auto hinter sich.

»Schwanzlutscher«, schimpfte er leise.

Tyler blinzelte benommen, versuchte, die Lichtpunkte loszuwerden, die vor seinen Augen tanzten. Er starrte nach vorn auf das Nummernschild des Audis, MH 100. Ein personalisiertes Nummernschild an einem Oberklasse-Audi, das noble Haus, die Frau auf dem Boden. Eine Schublade voller iPhones und Designeruhren, eine abgesägte Schrotflinte unter dem Bett. Nichts davon verhieß Gutes.


Der Škoda stand vor einer Reihe niedriger Betongaragen, die Tore geschlossen. Licht sickerte unter dem Wellblech hervor. Verblasste Beschriftung über den Toren, die Tyler nicht lesen konnte. Es gab keine Straßenbeleuchtung, und zum ersten Mal an diesem Abend bemerkte Tyler den Mond, verschwommen hinter Wolkenstreifen. Der Geruch von Motoröl hing in der Luft. Kelly trat breit grinsend aus einem der Tore. Barry drehte den Kopf zu Tyler.

»Platztausch.«

Tyler verließ den Beifahrersitz und kletterte in den Fond, während sich Kelly nach vorn setzte.

»Fünfzehnhundert«, sagte sie und wedelte mit einem Bündel Zwanziger.

Barry lächelte. »Ich scheiß mich ein!«

Sie fuhren zurück durch Musselburgh und Fisherrow, dann westlich vorbei an Newcraighall. Tyler warf einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett. Fünfunddreißig Minuten, seit sie das Haus in der St. Margaret’s Road verlassen hatten. Er stellte sich den Ausdruck auf ihrem Gesicht vor, das dunkle Rot des Bluts, viel dunkler, als er jemals erwartet hätte, dunkler als das Zeugs, das man für Halloween kaufen konnte. Er stellte sich vor, das alles wäre nur ein ausgeklügelter Streich, Barry und Kelly hätten ihn reingelegt, würden sich jetzt jeden Moment zu ihm umdrehen und »Reingelegt!« brüllen, ihm die versteckten Kameras zeigen. Du glaubst, wir hätten jemanden umgebracht, aber das war alles nur ein Jux und sie war mit von der Partie.

Wie sonst ließ sich ihr Verhalten da vorn erklären? Kelly bereitete auf ihren Knien neue Lines vor, Barry summte mit, als ein Blues-Typ im Radio davon sang, in die Kirche zu gehen. Als ob das noch irgendwer machte. Kelly sah von ihrem Koks auf und lächelte Barry an, streckte eine Hand aus und streichelte seinen Nacken.

Tyler sah aus dem Fenster. Vorbei an der Abzweigung auf The Wisp und dem Jack Kane Centre, dann waren sie auf der Greendykes Road und wieder in heimischem Revier. Vor Greendykes House hielten sie an, und Tyler dachte an Bean, die oben schlief und träumte.

Sie saßen im Schatten des Hochhauses, der Motor im Leerlauf.

»Wir ziehen noch um die Häuser«, sagte Barry. Damit meinte er das Casino am Ocean Way in Leith, wo sie bis morgens um sechs saufen und so viel wie irgend möglich von dem Geld verprassen konnten.

Barry deutete mit dem Kopf auf das gestohlene Zeug auf dem Rücksitz neben Tyler. »Hast du auch Bares?«

Tyler erinnerte sich an die Geldklammer. Er wühlte in dem Kissenbezug und gab sie ihm, dachte dabei an die Scheine, die er in der Hose versteckt hatte.

Barry warf einen Blick auf die Klammer und pfiff. »Die Fotze hatte echt Schotter, hä?«

Tyler zuckte mit den Achseln.

»Nimm den Rest mit nach oben«, sagte Barry. »Wir gehen morgen alles durch und bringen’s dann rüber zu Fluff.«

Tyler blieb noch einen Moment sitzen.

»Mach hinne, Arschloch, schwirr ab.«

Tyler stieg aus und schleifte seine Beute hinter sich her.

Barry rief ihm nach: »Schlaf schön, Alter.«

Tyler warf die Tür zu und wartete noch ab, während Barry den Motor auf Touren brachte und dann mit quietschenden Reifen abdüste.

Er sah zum Greendykes House hinüber, ganz schwindelig angesichts der Höhe aus dieser kurzen Entfernung. Er stellte sich vor, bis ganz hinauf fliegen zu können, mit der Thermik aufzusteigen und dann aufs Dach hinabzuschießen.

Er zog das Handy der Frau aus der Tasche. Bei deaktivierten Ortungsdiensten waren die Teile nur lokalisierbar, wenn sie eingeschaltet waren, das wusste Tyler nach all den Telefonen, die sie bei ihren Brüchen eingesackt hatten.

Er verstaute das ganze gestohlene Zeug hinter den Mülltonnen und entfernte sich langsam von dem Hochhaus, ging zehn Minuten durch den Park dahinter und über die Fußballplätze, bis er auf der Rückseite der Eiscremefabrik am The Wisp war. Hier gab es keine Videoüberwachung. Er schaltete das Telefon ein und wählte die 999.

»Krankenwagen, bitte.«

Er wartete. Fragte sich, ob es wohl schon zu spät war.

»Ja, da ist so eine Frau mit einer lebensgefährlichen Messerverletzung. Sie liegt in Nummer vier St. Margaret’s Road. Hausnummer vier, okay?«

Er beendete den Anruf und schaltete das Telefon aus, dann trottete er zurück nach Hause.

Der Bruch

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