Читать книгу Der Bruch - Doug Johnstone - Страница 11
6
ОглавлениеEr hörte den Fernseher, sobald er die Wohnungstür öffnete. Sein erster Gedanke war Bean, aber als er das Wohnzimmer betrat, war da nur seine Mum allein in der Dunkelheit, während das Licht des Bildschirms über ihr Gesicht flimmerte. Sie hatte auf einen bescheuerten Shoppingkanal geschaltet, wo gerade Pullover mit Darstellungen von Wölfen angeboten wurden.
Er ließ die Beute ihrer Einbrüche fallen und nahm die Fernbedienung, um den Fernseher leiser zu stellen.
»Mum, du weckst noch Bean.«
Angela lag auf dem Sofa, hatte den Kopf abgewinkelt. Ihre Augen waren fast zugefallen, aber noch nicht ganz, zwischen den Fingern ihrer rechten Hand glimmte ein Joint. Auf dem Boden neben ihr stand eine Flasche Wodka mit einem Rest von zwei, drei Zentimetern, daneben ein Löffel mit einem benutzten Wattebausch, einem Feuerzeug und einer Spritze. Der Gürtel lag locker um ihren Oberarm.
»Scheiße«, sagte Tyler und hob ihr Heroin-Besteck auf. »Du kannst das hier nicht einfach so rumliegen lassen.«
Träge drehte Angela den Kopf vom Bildschirm zu ihm.
»Schmeiß das nicht weg.« Ihre Stimme klang rau und belegt. »Ist meine letzte Nadel.«
Ihre Haare waren fettig, blond an den Spitzen, graue Strähnen an den dunkleren Stellen an ihrem Schädel. Sie war klein und ausgemergelt, Gliedmaßen wie Zweige, die Arme übersät mit vernarbten Einstichen. Sie trug ein schmuddeliges One-Shoulder-Top mit dem Aufdruck Pineapple!, keinen BH darunter, die Leggings überzogen mit der Asche des Joints und anderen Flecken.
Tyler stellte sich vor, wie er sie packte und schüttelte, ihr ins Gesicht brüllte, sich endlich zusammenzureißen und ihren Scheiß auf die Reihe zu bekommen.
Sie drehte sich wieder zum Fernseher, hob eine Hand an den Mund und nahm einen Zug vom Joint.
»Sieh dir die Scheiße an«, murmelte sie und wedelte mit einem Finger Richtung Bildschirm. Eine viel zu stark geschminkte Frau redete über eine Tagesdecke mit einer Bärenfamilie darauf.
Tyler brachte die Spritze und den Rest in Angelas Schlafzimmer, legte alles in die Schublade neben ihrem Bett, kehrte dann ins Wohnzimmer zurück. Er holte eine Decke von dem Stuhl vor dem Fenster, schlug sie auf und deckte sie zu. Er achtete darauf, dass der Stoff nicht zu nahe an ihrer Hand mit dem Joint war, fand einen alten Teebecher und stellte ihn als Aschenbecher auf den Boden. Sie seufzte dankbar.
Er griff in seine Hose und nahm das Geld heraus, zog einen Zwanziger ab und steckte den Rest wieder ein.
»Hier«, sagte er und hielt ihr den Schein hin.
Sie drehte sich zu ihm, sah das Geld, lächelte und nahm es.
»Mein Süßer«, sagte sie. »Komm her.«
Er setzte sich aufs Sofa, allerdings nicht nahe genug, dass sie ihn umarmen konnte. Sie stopfte das Geld in ihre Leggings und berührte seine Hand auf der Decke. Ihre Finger fühlten sich schweißig an.
»Mum«, sagte er und starrte auf den Bildschirm.
»Ich weiß«, sagte sie. Es war kaum zu spüren, als sie nun seine Hand drückte, fast als wäre sie ein Geist. »Ich versuch’s ja.«
Er schloss die Augen und stellte sich die Frau in dem Haus vor, wie sie auf dem Boden lag und zu ihm hinaufstarrte. Als er die Augen wieder öffnete, blinzelte Angela schon wieder auf den Bildschirm.
Er ging in Beans Zimmer. Sie lag quer über dem Bett, ihre Füße hingen über die Kante, die Decke lag auf dem Boden. Sie hielt Panda mit beiden Armen umklammert, drückte das Stofftier fest an ihre Brust. Ihr Nachtlicht brannte, warf einen blauen Schatten über ihr Gesicht.
Tyler schob sie richtig rum aufs Bett und deckte sie wieder zu. Sie schlief immer sehr unruhig und würde sich wahrscheinlich sowieso in spätestens fünf Minuten wieder frei gestrampelt haben, aber es war gut zu spüren, dass man irgendwas tat. Ihr Mund war schlaff und sie atmete ein wenig rau, während sie sich an ihr Kuscheltier schmiegte. Tyler starrte sie lange an, dann ging er und zog hinter sich die Tür fast ganz zu.
Er verließ die Wohnung, ging den Korridor entlang und zog die Leiter zum Dach herunter. Stieg hinauf und saugte in tiefen Zügen die kalte Luft ein, als er oben die Tür öffnete, ging dann an die westliche Kante und schaute hinunter. Sechsundvierzig Meter bis zum Boden. Hoch genug.
Er blickte hinaus. Schon komisch, dass diese beiden Gebäude als einzige stehen gelassen worden waren, wie zwei Späher, die die Augen nach Ärger aufhielten. Er sah zu den Lichtern des Krankenhausgeländes hinüber. Er fragte sich, ob sie wohl schon dort war, von einem Krankenwagen in die Notaufnahme gebracht, vorbei an den Fußballverletzungen und den Opfern häuslicher Gewalt, den verstauchten Knöcheln und allergischen Entzündungen. Bereits versorgt. Oder vielleicht hatten sie ihm ja auch nicht geglaubt, dachten, es wäre nur ein Telefonstreich, und hatten sich nicht weiter gekümmert. Er hatte null Ahnung, welche Verhaltensregeln die hatten.
»Tyler?«
Bean stand hinter ihm an der Zugangstür, den Panda im Arm.
Er ging zu ihr. »Wieso bist du auf?«
»Ich hatte einen bösen Traum«, sagte sie mit gerunzelter Stirn. »Barrys Hunde waren hinter uns her. Sie haben dich verjagt und ich konnte dich nirgends finden.«
Er hob sie hoch und streichelte ihren Kopf.
»Ist nur ein blöder Traum.« Er trug sie zurück die Leiter hinunter und lächelte sie beruhigend an.
»Aber es hat alles so echt gewirkt«, sagte sie.
Er spürte die Anspannung in ihrem Körper, aber sie ließ bereits nach.
Er sprach ruhig weiter. »Keine Angst, mich wird nie irgendwas von dir verjagen können.«