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2 JENNY

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Dorothy hob ihr Glas. »Auf Jim.«

Die drei Frauen stießen miteinander an und tranken in kleinen Schlucken Highland Park. Jenny spürte beim Schlucken das Brennen. Normalerweise trank sie jeden halbwegs anständigen Gin, aber Dad liebte Whisky, und das hier war für ihn. Sie stellte ihr Glas auf den Küchentisch und fuhr mit einem Finger über die Maserung der Eiche, dachte an die Tausende von Mahlzeiten, die sie als Kind hier gegessen hatte.

Dorothy trank einen Schluck Whisky und spielte mit einer Tonschale in der Mitte des Tischs, die Hannah in der Grundschule gemacht hatte, die mit den Yin- und Yang-Symbolen. Sie hatte die Schale für Dorothy gemacht, schon damals an Omas Weltsicht interessiert, an der Balance und den inneren Zusammenhängen der Welt. In der Schale befand sich ein heruntergebranntes Teelicht, und Jenny musste an ihren Dad im Garten denken, der noch vor sich hin schwelte, während sie hier oben saßen. Sie trank einen weiteren Schluck.

Archie war noch unten und kümmerte sich um das Feuer. Als er anfing, mit dem Schürhaken an Jims Körper herumzufuhrwerken, hatten sich die drei Frauen nach oben in die Küche zurückgezogen, während Indy sich davonstahl, um die Rezeption zu besetzen. Der Empfang war für beide Firmen da, das Bestattungsunternehmen und die Detektei, jede mit einer eigenen Telefonnummer, aber beide erreichten dasselbe Telefon.

Jenny sah sich in der großen Wohnküche um. Sie saßen an dem alten Tisch neben dem normalen Zeug einer Küche – Herd, Kühlgefrierkombination, Schränke – an zweien der Wände. Die angrenzende Wand besaß zwei große Erkerfenster mit Blick auf den Bruntsfield Links. Von hier konnte Jenny die Zinnen von Edinburgh Castle geradeaus und die Kuppe von Arthur’s Seat auf der rechten Seite sehen. Dazwischen lag der von Bäumen gesäumte Park, den ein stetiger Strom von Studenten und Schulkindern von Bruntsfield nach Marchmont und zurück durchquerte.

Auf der letzten Wand des Raums hingen große Weißwandtafeln. Am oberen Rand der einen stand in fetten Buchstaben »BU«, auf der anderen »PD«. Die Küche diente auch als eine Art Gefechtsstand, von dem aus beide Unternehmen in den letzten zehn Jahren geleitet worden waren, seit Jim alle mit der Ankündigung überrascht hatte, dass er beabsichtige, seine Aktivitäten vom Geschäft mit dem Tod auf Privatermittlungen auszudehnen. Vielleicht überraschte es ja nicht jeden. Dorothy zuckte nicht mit der Wimper, aber Jenny hatte Probleme damit, es zu begreifen, und Jim wich all ihren Fragen aus.

Auf der Tafel des Bestattungsunternehmens war derzeit mehr los. Vier Namen waren mit schwarzem Stift unter »BU« geschrieben worden: Gina O’Donnell, John Duggan, Arthur Ford und Ursula Bonetti, alles in Dorothys ordentlicher Handschrift. Unter den Namen standen jeweils verschiedene Details. Wo die Leiche abzuholen war und ob das schon erledigt war, also stand unter einem Namen zum Beispiel RIE für das Royal Infirmary of Edinburgh in Little France, unter einem anderen hieß es Marie Curie für das Hospiz in Frogston, beim Dritten war es die städtische Leichenhalle. Die Leichenhalle bedeutete, dass die Polizei beteiligt und eine Obduktion durchgeführt worden war. Jenny war überrascht, dass sie sich an all das erinnerte, obwohl sie nie etwas mit dem Geschäft zu tun gehabt hatte und seit fünfundzwanzig Jahren nicht mehr hier lebte.

Unter den Angaben zum Abholen jeder Leiche standen Uhrzeit, Datum und Ort der Beerdigung, eine Vielzahl an Kirchen, Friedhöfen und Krematorien verteilt über die ganze Stadt. Zum einen das Warriston Crematorium, zum anderen das Morningside Crematorium. Es gab weitere Kürzel für jeden Gottesdienst, wie viele Fahrzeuge benötigt wurden, wer der Zelebrant war, um welche Art von Gottesdienst es sich handelte. An der Wand neben dem Whiteboard hing ein großer Stadtplan von Edinburgh, übersät mit verschiedenfarbigen Nadeln. Eine Karte der Toten dieser Stadt. Jenny stellte sich das Muster vor, das sich ergab, wenn man all diese Punkte miteinander verbinden würde.

Die Tafel der Detektei war im Vergleich ziemlich leer. Sie war auch weniger klar strukturiert, erinnerte ein wenig an die Tafeln in Kriminalfilmen, allerdings ohne die Fotos verstümmelter Frauen mit roten Verbindungslinien zu Serienkillern oder mutmaßlichen Terroristen. Stattdessen stand ganz oben ein Name, Jacob Glassman, direkt darunter ein weiterer Name, Susan Raymond. Dazu Gekritzel in Jims Handschrift, das Jenny nicht entziffern konnte. Sie starrte auf die Schrift, ein Faden, der ihren Dad mit einer Welt verband, die sich nun ohne ihn weiterdrehte. Vor dem Fenster kickten Schulkinder mit einem Fußball, eine alte Frau ging mit ihrem Dackel Gassi, zwei Radfahrer in Rennbekleidung schossen über den Weg zu den Meadows, und keiner von ihnen wusste von dem Mann, der im Garten unten zu Asche zerbröselte. Ihr Dad, für immer unersetzlich.

»Ich glaub’s einfach nicht, dass Grandpa tot ist«, sagte Hannah. Sie hielt ihr Glas an die Brust. Sie trank nicht viel, was Jenny freute. Die Einstellung gegenüber Alkohol in Schottland hatte sich seit ihrer Jugend sehr verändert. Als Teenager schmuggelte Jenny Halbliterflaschen hinaus auf die Links, um mit ihren Kumpeln zu trinken, ohne dass Dorothy und Jim davon etwas mitbekamen. Der Alkohol hatte Spuren in ihren Adern hinterlassen. Kein Problem, so würde sie es nicht nennen, aber der Alkohol war so etwas wie die Hintergrundbeleuchtung ihres Lebens, eine Spur davon in allem.

Sie trank ihren Highland Park aus und schenkte sich und Dorothy nach.

»Ich weiß«, sagte sie.

Dorothy atmete durch die Nase ein und durch den Mund aus, ein wohlüberlegter Ablauf nach jahrzehntelangem Yoga.

»Er hatte ein gutes Leben«, sagte sie, wobei nach all den Jahren immer noch ein Hauch ihres kalifornischen Akzents vorhanden war.

»Ich bin noch nicht so weit, ihn gehen zu lassen«, sagte Jenny.

Dorothy lehnte sich zurück, und ihr Stuhl knarrte. »Können wir wohl nichts gegen tun.«

Jenny schüttelte den Kopf und nippte an ihrem Whisky.

»Was sollte das alles überhaupt?«, fragte sie und neigte ihr Glas zur Tür.

»Was meinst du?«, fragte Dorothy.

»Das menschliche Barbecue da unten.«

Dorothy zuckte mit den Achseln. »So hat er’s haben wollen. Er war den ganzen förmlichen Kram leid, das Zeremonielle.«

Hannah runzelte die Stirn. »Aber er hat doch immer gesagt, Menschen brauchen klare Regeln und Struktur, um abschließen zu können.«

»Vielleicht dachte er, wir brauchen es nicht«, sagte Dorothy.

Am liebsten hätte Jenny ihren Stuhl zurückgestoßen und aus dem Fenster gebrüllt, ihr Glas gegen die Beerdigungstafel geknallt, den Whisky über diese anderen Toten verspritzt. Doch sie blieb still sitzen.

»Aber es war illegal«, sagte sie. Sie wusste genug über Bestattungen, um zu wissen, dass es absolut nicht in Ordnung war, eine Leiche in seinem Garten zu verbrennen.

»Niemand wird es erfahren«, sagte Dorothy. »Oder sich dafür interessieren.«

»Meinst du?«, schnappte Jenny. Sie hasste es, dass sie klang wie die kleine Bratze, die sie als Teenager war, als sie genau an diesem Tisch saß und darüber stöhnte, dass Dorothy und Jim ihr nicht erlaubten, mit dreißigjährigen Männern, die sie nur flüchtig kannte, zu einem die ganze Nacht dauernden Rave nach Ingliston zu fahren. Hier war sie nun, eine fünfundvierzigjährige geschiedene Frau mit einer erwachsenen Tochter, und sie fühlte sich immer noch wie ein verzogenes Gör. Vielleicht lag es daran, dass Dads Beerdigung alles wieder hochkommen ließ, vielleicht lag es aber auch einfach nur daran, jetzt wieder hier in diesem Haus des Todes zu sein.

»Ich weiß, dass es schwer für dich ist«, sagte Dorothy. »Für euch beide.«

Jenny schämte sich. Es ging hier immerhin um Dorothys Mann, mit dem sie fünfzig Jahre verheiratet gewesen war und von dem sie sich verabschiedete, sie hatten alle einen wichtigen Teil ihres Lebens verloren. Es war kein Wettbewerb.

»Und für dich, Mum«, sagte sie und streckte die Hand über den Tisch aus.

Dorothy kaute auf der Innenseite ihrer Wange und nahm Jennys Hand. Mit siebzig hatte sie immer noch eine weiche Haut. Sie wirkte überhaupt viel jünger und hatte immer einen Ausdruck auf dem Gesicht, selbst jetzt, als sei sie im Reinen mit der Welt.

Hannah legte ihre Hand auf die von Jenny und Dorothy, wodurch es sich anfühlte, als wären sie eine Gang, die gleich einen Überfall durchziehen würde. Sie zogen ihre Hände genau in dem Augenblick zurück, als es unten an der Tür klingelte.

Dorothy seufzte und schob ihren Stuhl zurück, doch Hannah hob eine Hand, um sie aufzuhalten.

»Indy erledigt das«, sagte sie. »Das weißt du doch.«

Dorothy zögerte, nickte schließlich.

Hannah war so verliebt, dass Jenny das Herz aufging. Jenny hatte die überwältigende Macht der Liebe bislang nur einmal erlebt, bei Craig. Und nun, tja …

Sie hörte eine gedämpfte Unterhaltung unten, dann Schritte auf der Treppe und ein Klopfen an der offenen Küchentür.

»Dad, du bist gekommen!« Hannah sprang auf, schrammte ihren Stuhl über den Boden und rannte zu Craig hinüber, der in der Tür stand. Er hatte einen Strauß roter Lilien in der Hand und machte ein ernstes Gesicht. Hannah nahm ihn in die Arme und drückte ihn, und er umarmte sie ebenfalls.

»Hi, Angel«, sagte er.

Hannah ließ ihn los, und er sah zum Tisch und nickte. »Jen.«

»Craig.«

Er kam ganz herein, hielt den Strauß Lilien vor sich. »Die sind für dich, Dorothy. Das mit Jim tut mir sehr leid. Hannah hat es mir erzählt, und ich möchte mein Beileid aussprechen. Er war ein guter Mann.«

Er sah kurz zu Jenny, die die Augen verdrehte. Scheiße, er sah immer noch gut aus. Er schien anders als die meisten Typen seines Alters überhaupt keinen Bauch anzusetzen, und die grauen Strähnen in seinen Haaren machten ihn irgendwie nur noch attraktiver. Vielleicht hielt es ihn jung, dass er mit der kleinen Sophia wieder Dad geworden war, vielleicht war es aber auch der Sex mit Fiona, diesem blonden Energiebündel und jetzt die zweite Mrs McNamara. Das war das Ärgerlichste an allem, dass er Jenny mit einer Gleichaltrigen betrogen hatte, einer zierlichen Reese Witherspoon, tatkräftig und ehrgeizig.

Genug. Sie widerstand dem Bedürfnis, etwas Bissiges zu sagen. Es war zehn Jahre her, und er war Hannah immer ein guter Vater gewesen. Was es auch nicht einfacher machte.

»Die sind wunderschön«, sagte Dorothy, nahm die Blumen und einen Kuss auf die Wange an. Sie holte eine Vase aus dem Schrank. »Bleib auf ein Glas.«

Craig sah Jenny an. »Ich will mich nicht aufdrängen.«

Dorothy füllte die Vase mit Wasser und arrangierte die Lilien. Jenny zog der Duft der Blumen in die Nase, intensiv und moschusartig. Lilien hatten immer etwas Maskulines für sie.

»Bleib, Dad«, sagte Hannah.

Craig sah Jenny mit gehobenen Augenbrauen an und wartete auf ihr Okay.

Sie machte eine großzügige Handbewegung über den Tisch hinweg. »Setz dich.«

Als er Jenny sagte, dass er eine Affäre habe und sie verlassen werde, hätte der Versuch sie fast zerrissen, vor Hannah nicht einfach auszurasten. Aber sie wollte verflucht sein, wenn sie sich von Hass und Verbitterung auffressen ließ, und sie wollte nicht, dass all diese toxische Scheiße ihre Tochter infizierte. Mit den Jahren war es leichter geworden, sehr zu Jennys Überraschung. Man kann sich anscheinend an alles gewöhnen. Aber sie musste sich immer noch auf die Zunge beißen, um nicht zur bösartigen Hyäne zu werden, zur Frau, der Unrecht angetan worden war. Was ihn natürlich aus der Verantwortung nahm.

Dorothy stellte die Lilien auf den Tisch, holte einen Tumbler aus dem Schrank und schenkte Craig ein.

»Und wann ist die Beerdigung?«, fragte Craig und trank einen Schluck.

Hannah runzelte die Stirn. »Haben wir gerade gemacht.«

»Wann?«

»Eben, im Garten.«

Craig sah verwirrt aus. »Moment, kommt daher der Rauch über dem Haus?«

Hannah nickte. »Nur wir, kein Gottesdienst.«

»Dürft ihr hier Leute einäschern?«

Hannah schüttelte den Kopf, während Dorothy sich setzte und ihr Glas nachfüllte.

Jennys Telefon vibrierte in ihrer Tasche, und sie zog es heraus. Kenny vom The Standard. Er rief nie an. Immer nur E-Mail, ein kurzes Hin und Her wegen ihrer Kolumne, danach Ablieferung pünktlich zu Redaktionsschluss.

Sie stand auf und ging zur Tür. »Ich muss da rangehen.«

Auf dem Flur drückte sie auf Annehmen. »Kenny.«

»Hi, Jenny.« Er hörte sich nicht gut an.

»Meinen Text muss ich erst in ein paar Tagen abliefern.«

Sie ging zu ihrem alten Kinderzimmer, das zu einem minimalistischen Gästezimmer umfunktioniert worden war, Kiefernbett, nackte Holzdielen, ein schmales Regal mit den überzähligen Büchern aus Dorothys Sammlung.

Sie hörte einen Seufzer am anderen Ende der Leitung. »Es gibt keine einfache Art, dir das jetzt zu sagen. Wir stellen deine Kolumne ein.«

»Was?«

»Du weißt selbst, wie’s hier ist, eine Mischung aus Geisterschiff und Titanic. Die Zahlen bringen’s einfach nicht.«

Es überraschte sie nicht, aber darauf vorbereitet war sie auch nicht. Jeder, den sie kannte und der zur gleichen Zeit wie sie als Journalist angefangen hatte, hatte sich eine Ausstiegsstrategie zurechtgelegt, war wie Craig in die PR gewechselt oder in die Ausbildung, Beratung oder sogar in die Politik gegangen. Eine Karriere im Journalismus war so was wie ein Tod durch tausend Schnitte, und das hier war jetzt der letzte Messerstich in ihren Bauch.

»Wann?«

»Sofort.«

»Kenny, ich brauche das, es ist der einzige regelmäßige Job, den ich noch hab, das weißt du doch.«

Sie betastete ein Buch auf dem Regal, zog es heraus. Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten. Sie erinnerte sich, es im Haus gesehen zu haben, als sie aufwuchs, auf dem Cover eine Blume, deren Blüte ein Schraubenschlüssel war. Sie hatte es nie gelesen.

»Tut mir leid«, sagte Kenny.

»Ich kann noch nicht mal meine Miete bezahlen.«

»Es wird dich nicht trösten, aber ich bekomme auch bald die Kugel.«

»Du hast recht«, sagte Jenny. »Das ist kein Trost.«

Sie ging zum Fenster und schaute in den Garten hinunter. Archie kümmerte sich um den Scheiterhaufen, der inzwischen nur noch ein niedriger Haufen schwelender sterblicher Überreste war. Schwarz und weiß und grau, Asche und Knochen. Archie harkte am Rand entlang, Staub rieselte in die Auffangschale darunter. Jenny sah verkohlte Klumpen, wo zuvor Dads Schuhe gewesen waren, und fragte sich, was wohl aus seinen Füßen geworden war. Größe 45,5 und schmal, der zweite Zeh länger als der große, etwas, das sie und Hannah geerbt hatten.

»Wir haben Streichungen überall in der Zeitung«, sagte Kenny.

»Die Freien zuerst.«

»Du weißt, wie’s ist.«

Keine Arbeitsverträge, leicht aufzulösen bei zero Kosten. Vergib die Arbeit, die Seiten zu füllen, einfach hausintern, sollen doch die verbliebenen Festen die Kolumnen und Berichte und überhaupt alles schreiben, und wenn’s nicht gefällt, wird’s schon irgendein kleiner Penner mit glänzenden Augen frisch von der Journalistenschule für umsonst machen, nur, um seinen Namen in die Zeitung zu bekommen.

Aus dem Fenster sah Jenny Schrödinger die Hecke entlangpirschen, die Augen immer auf eine Ringeltaube gerichtet, die in einem Busch hockte. Er griff mit einem Sprung an, doch der Vogel flatterte auf der Hecke ganz nach oben und starrte zu ihm hinunter. Schrödinger war verblüfft, das Leben war nur ein Spiel.

»Lass mich wissen, wenn ich irgendwas tun kann«, sagte Kenny.

»Okay.«

»Ich muss los. Wir bleiben in Verbindung, ja?«

Jenny beendete das Gespräch. Sie hatte immer noch das Buch in der Hand, die Blume und der Schraubenschlüssel, das eine verwandelte sich in das andere, als wäre es so einfach, sein Leben zu ändern. Wenn sie das Buch las, könnte sie vielleicht ihr Leben ändern, bekäme eine andere Sichtweise auf die Welt.

Sie stellte das Buch wieder ins Regal und kehrte in die Küche zurück. Die drei saßen am Tisch und seufzten, wie Leute es tun, nachdem jemand was Witziges, aber auch Ergreifendes gesagt hat. Jenny schien den Witz nie mitzubekommen. Sie hoben gleichzeitig ihre Gläser, als hörten sie eine telepathische Botschaft, für die Jenny taub war.

Craig sah Dorothy an.

»Aber was ist mit den Geschäften?«, fragte er, als setze er eine begonnene Unterhaltung fort.

Dorothy lächelte. »Ich habe Archie und Indy.«

»Indy macht eine Ausbildung zur Bestattungsunternehmerin«, sagte Hannah und strahlte vor Stolz.

»Super«, sagte Craig. Er hob sein Glas und deutete damit auf die beiden Whiteboards an der Wand. »Aber es ist eine Menge zu tun. Jim war …« Vielleicht wollte er die Frauen nicht an ihren Verlust erinnern.

Dorothy nickte, zeigte Anerkennung für Craigs diplomatisches Vorgehen, blickte dann in ihr Glas, ließ den Highland Park kreisen, beobachtete, wie er an den Seiten des Glases Schlieren zog.

Jenny wusste, was jetzt kam, sie hatte damit gerechnet, seit sie die Nachricht von Dads Tod erhalten hatte. Sie war überrascht, dass es nicht schon früher erwähnt worden war, aber hier kam’s, sie war bereit.

Dorothy trank einen Schluck, starrte in ihr Glas. »Ich dachte, vielleicht könnte Jenny mir unter die Arme greifen. Bleibt eine Weile hier, leistet mir Gesellschaft.« Jetzt schaute sie auf. »Nur für eine Weile.«

Jenny dachte an den Anruf, an ihre überfällige Miete, an das blöde Buch mit der Blume auf dem Cover. Sie konnte den Blütenstaub der Lilien riechen und den Whisky, und sie dachte daran, ihren Dad nie mehr zu sehen.

»Klar.«

Eingeäschert

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