Читать книгу Aus der Sicht eines Mädchens - Dr. Annie Zac Poonen - Страница 6

3. Eine hilfreiche Leiterin und ein Vorbild

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Als Teenager wurde mir zunehmend bewusst, dass ich mich zu einer Frau entwickelte. Alle Arten von Gefühlen kamen mir in den Sinn. Ich, die ich geliebt werden wollte, stellte nun fest, dass ich Verlangen nach der Liebe eines Mannes hatte! Ich fing an, von einem netten Mann zu träumen, der mich lieben würde. Solche Gedanken schossen manchmal ins Kraut.

Ich sah, dass diese Fantasiewelt wie ein mächtiger Riese in meinem Leben war, der meine Gemeinschaft mit Gott hinderte. Ich stellte fest, dass ich das Fantasieren dem Gespräch mit Jesus, der der einzige Freund war, den ich hatte, vorzog. Ich war nicht in der Lage, mich von dieser Gewohnheit zu befreien.

Ich bemerkte, dass einige Mädchen im Wohnheim eine unnormale Bindung zueinander hatten und einander „besitzen“ wollten. Es war mir peinlich, die Art und Weise zu sehen, in der sie ihre Zuneigung zueinander ausdrückten. Sie gingen für sich allein weg in ihre Zimmer und sperrten die Türen zu. Ich weiß nicht, was sie dort taten. Später entdeckte ich, dass sie sich dem „Lesbianismus“ (homosexuelles Verhalten von Mädchen) hingaben – etwas, was Gott hasst und in seinem Wort klar verboten hatte (Röm 1,26-27). Ich mied die Gesellschaft dieser Mädchen.

Die meisten Mädchen im Wohnheim hatten ihr Leben nicht Jesus hingegeben. Sie waren gewohnt, miteinander zu streiten und sie redeten wochenlang nicht miteinander.

Im Wohnheim fiel mir auf, dass eine unserer Lehrerinnen ein auffallendes Strahlen auf ihrem Gesicht hatte. Ich fand heraus, dass sie eine hingegebene Christin war, die den Herrn Jesus liebte. Ich teilte ihr einige meiner Probleme mit, da sie sehr verständnisvoll zu sein schien. Sie gab mir immer guten Rat. Ich entdeckte, dass Jesus ihre Stärke und ihre Weisheit war.

Diese Lehrerin wurde danach jahrelang mein Vorbild, sogar nachdem ich das Wohnheim verlassen hatte. Ich erkannte erst viel später, dass sie mein Leben so stark beeinflusst und dass ich so viel von ihrer Gesinnung aufgesogen hatte. Ihr Vorbild wurde die Grundlage für viel Gutes in meinem Leben.

Sie redete mit uns über einfache Dinge. Wenn sie beispielsweise in der Wissenschaftsklasse über Blumen sprach, erwähnte sie die Lilie als eine Blume, die für Reinheit stand. Sie sagte, dass unser Leben auf Erden wie eine Lilie sei, die an einem Tag lebendig und strahlend und am nächsten Tag verwelkt war. Sie sprach über die Rose, die ihren Duft meistens abends und nachts versprüht – ein Bild dafür, dass wir freundlich und strahlend sein können, auch wenn wir durch dunkle Prüfungen gehen. Das Veilchen, so sagte sie, blüht meistens an schattigen Orten – ein Bild für Demut und Niedrigkeit. Viele Blumen, sagte sie uns, blühen dort, wo sie kein Mensch jemals sieht. So müssen auch wir leben, um Gott allein zu gefallen und nicht um Menschen zu beeindrucken. Viele Blumen werden zertrampelt, aber keine von ihnen übt Vergeltung. So sollten auch wir von ihnen lernen, wie man Beleidigungen erträgt, ohne einen Groll zu hegen, und wir sollten bereit sein, anderen schnell zu vergeben. Solche Lektionen machten auf meinen jungen Verstand einen tiefen Eindruck – und sie formten meinen Charakter.

Diese Lehrerin war auch unsere Herbergsmutter. Sie lehrte uns, auf uns selbst Acht zu geben, als wir heranwuchsen. Sie lehrte uns, allezeit auf Hygiene bedacht zu sein, regelmäßig zu baden, besonders sorgfältig die Teile unseres Körpers zu waschen, die dreckig geworden waren und wo wir am meisten geschwitzt hatten. Sie lehrte uns, die monatliche Periode [Menstruation] nicht als eine Krankheit, sondern als einen normalen Teil der wunderbaren Art und Weise, wie Gott unseren Körper gemacht hatte, zu betrachten. Sie brachte uns bei, mit allem, was uns im Leben begegnet, gelassen und auf natürliche Weise umzugehen und uns körperlich zu bewegen, z.B. durch Spaziergänge oder Spiele, um den Körper fit zu halten. Sie sagte, wir sollten schlank und klug sein, nicht fett und träge! Sie machte auch bei unseren Spielen mit.

Sie lehrte uns auch, unser Haar sauber und frei von Läusen zu halten – was unter den Mädchen im Wohnheim oft vorkam. Wir mussten die Dinge auf unseren Zimmern in ordentlichem Zustand und das Gelände um das Wohnheim herum sauber halten. Wir mussten unsere Kleider regelmäßig waschen und flicken, wenn nötig.

Sie zitierte oft einige weise Worte aus dem biblischen Buch der Sprüche und ermutigte uns, Verse aus der Bibel auswendig zu lernen. Wir liebten die Singstunden und lernten viele schöne Lobpreislieder, die ich öfters dem Herrn vorsang, wenn ich allein war. Diese Refrains halfen mir jedes Mal, wenn ich entmutigt war, meinen Geist zu erheben. In jener Zeit lernte ich die gewaltige Kraft, die darin besteht, Gott allezeit zu loben.

Unsere Herbergsmutter ermutigte uns, regelmäßig zu studieren und nicht das ganze Studieren bis kurz vor den Prüfungen aufzuschieben. Sie hielt uns an, vor Prüfungen keine Angst zu haben, sondern fleißig zu lernen, niemals zu schummeln und den Rest Gott zu überlassen. Sie brachte uns einen Bibelvers bei, der besagte, dass Gott uns in vollkommenem Frieden erhalten würde, wenn unser Sinn auf ihn gerichtet ist (Jes 26,3). Viele waren in den Prüfungszeiten unnötigerweise gestresst. Aber unsere Heimleiterin half uns, entspannt zu sein.

Im Geschichtsunterricht lehrte uns unsere Heimleiterin nicht nur über die Könige, die Indien regierten, sondern auch über die Missionare, die ihr Leben aufgeopfert hatten und in unser Land gekommen waren, um Indien zu einem besseren Ort zu machen.

Sie erzählte uns von William Carey, der in England bloß ein Schuster war, der jedoch nach Indien kam und viele Opfer brachte, um unseren Landsleuten das Evangelium zu bringen. Er nahm in unserem Land viele Härten auf sich, aber schließlich vollbrachte er die erstaunliche Aufgabe, die Bibel in viele indische Sprachen zu übersetzen. Es war durch diesen Mann, dass viele Inder das Wort Gottes in ihrer Muttersprache erhielten.

Dann erzählte sie uns von Amy Carmichael, die von Irland gekommen war, und an einem Ort namens Dohnavur in Tamilnadu ein Waisenheim gründete. Sie hatte weibliche Babys gerettet, die von ihren Eltern weggeworfen worden waren und verbrachte ihr Leben damit, diese Mädchen zu gottesfürchtigen Frauen zu erziehen.

Sie erzählte uns auch von John Hyde (der auch als „betender Hyde“ bekannt ist), der als Missionar in den Punjab kam und viele Seelen zu Christus führte.

Diese Geschichten forderten mich mehr heraus als der Geschichtsunterricht über Ashoka [ein Herrscher der altindischen Dynastie der Maurya] und Shahjehan [ein Großmogul von Indien]!

Ich war so dankbar, dass sich unsere Heimleiterin mit einer jeden von uns so viel Mühe gab. Wir redeten mit ihr über vielfältige Themen. Ich wünschte mir oft, dass meine Mutter so wie sie gewesen wäre.

Eines Tages sagte mir die Heimleiterin, dass sie selbst ein Waisenkind war, das von Amy Carmichael in Dohnavur aufgezogen worden war. Sie hatte dann ihre Ausbildung zur Lehrerin gemacht und ihre Arbeit im Wohnheim aufgenommen.

Sie war eine wahrlich unparteiische Dame und liebte uns alle sehr.

Sie ermutigte mich oft persönlich, disziplinierte Gewohnheiten in meinem Leben zu entwickeln. Sie sagte mir, dass sie großen Wert darin gefunden hatte, jeden Tag eine regelmäßige Zeit des Bibellesens und des Gebets zu haben – eine tägliche stille Zeit mit dem Herrn. Sie ermutigte mich, den Herrn um Hilfe bei der Überwindung der Kämpfe, die ich erlebte, zu bitten – um die Fantasiewelt meines Gedankenlebens und den Groll, den ich gegen einige meiner Mitbewohnerinnen im Wohnheim hatte, zu überwinden.

Ich hatte meinem Vater längst vergeben. Aber nun gab es andere, gegen die ich nach und nach bitter geworden war. Ich erkannte, dass der Kampf gegen Bitterkeit ein Kampf ist, den wir während unseres ganzen Lebens haben – denn Menschen verletzen uns immer wieder. Aber Gott kann uns Gnade schenken, um ihnen zu vergeben und um sie zu lieben.

Das ist die wunderbare Kraft, die das Evangelium Christi beinhaltet.

Aus der Sicht eines Mädchens

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