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KAPITEL 2

DAS UNERKLÄRLICHE ERKLÄREN – GEHT DAS ÜBERHAUPT?

Weder mysteriös noch übernatürlich

Jede Sekunde senden unsere Sinne etwa elf Millionen Informations-Bits an unser Nervensystem. Bewusst werden uns davon nur 0,0004 Prozent. Denn mehr als 40 Bits kann unser Verstand nicht auf einmal bewältigen. Unser Verstand ist nämlich ein bisschen wie ein behäbiger Bürokrat. Er schaut sich alles ganz genau an, manchmal aber auch erst, nachdem ein Antrag auf Prüfung mehrmals gestellt wurde. Für blitzschnelle Entscheidungen ist diese Arbeitsweise unbrauchbar. Deshalb treffen wir Entscheidungen zum Beispiel beim Autofahren hauptsächlich aus dem Bauch heraus. Denn unsere Intuition beantwortet Fragen mit einem Wimpernschlag, binnen 200 Millisekunden.

Das Unterbewusstsein entlastet uns zudem von der bewussten Verarbeitung aller Sinneseindrücke, die gerade nicht sonderlich relevant sind. Stellen Sie sich mal vor, Sie müssten ständig bewusst an den Druck des Stuhls unter Ihnen denken, an das Gefühl der Armbanduhr und an die wechselnden Lichtverhältnisse draußen, wenn die Wolken vorbeiziehen. Und an Millionen andere Dinge gleichzeitig.

Wir könnten kaum einen klaren Gedanken fassen, würden uns wahrscheinlich schon eine halbe Stunde nach dem Aufstehen urlaubsreif fühlen. Auf jeden Fall könnten wir unsere eigentlichen Aufgaben wesentlich langsamer bewältigen. Damit wir gut vorankommen, übernimmt unser Unterbewusstsein den überwiegenden Teil der Wahrnehmungs-, Informations- sowie Gedächtnisprozesse, damit wir in jeder Situation auf passende Gedächtnisinhalte schnell zugreifen können. Gleichzeitig steuert es noch unsere Motorik, sodass wir nicht darüber nachdenken müssen.

Wie mühselig es ist, wenn man das doch tun muss, weiß jeder, der schon einmal in einem Tanzkurs ein paar neue Schritte gelernt hat. Irgendwann sinken die Inhalte ins Unterbewusstsein, und plötzlich geht es scheinbar ganz von allein. Sogar beim Sprechen denkt wohl kaum jemand darüber nach, wie er gerade die Zunge, Lippen und Kiefer bewegt, um ein Wort oder ganze Sätze herauszubekommen. Das alles macht das Unterbewusstsein für uns. Alles, was geht, versucht unser Gehirn, möglichst zu automatisieren. So schafft es Platz für Neues im Bewusstsein und kann die automatisierten Prozesse effizienter bearbeiten. Sogar die Deutung eines Wortes oder einer Situation findet im Regelfall im Unterbewusstsein statt. Das ist die Krux an der Geschichte. Manchmal speichern wir Bedeutungen ab, die nicht ganz passend sind, zumindest nicht für jede ähnliche Situation im Leben.

Während unser bürokratisches Bewusstsein immer nur eins nach dem anderen abarbeitet, greift unser Unterbewusstsein auf Bilder von Szenen zu, die wir schon einmal erlebt haben. Wie eine riesige Foto- und Videosammlung liegen diese in unserem körpereigenen Speicher und werden zum Abgleich herangezogen. Das Unterbewusstsein sucht dabei gezielt nach Mustern, die der aktuellen Situation möglichst ähneln. Dann formuliert es aus seinen Fundstücken Faustregeln, die in den meisten Situationen gut funktionieren. Je mehr Erfahrung wir also mit einer Sache haben, desto präziser kann das Unterbewusstsein arbeiten.

Dennoch hat das bewusste Prüfen von Informationen absolut seine Daseinsberechtigung: Immer dann, wenn wir uns in einer völlig neuen Situation befinden, für die es noch keinen adäquaten Datenbankabgleich gibt. Oder wenn irgendetwas an einer sonst bekannten Situation anders ist als sonst und vom Regelfall abweicht.

Die Wahrscheinlichkeit von Konsequenzen kann in solchen Fällen unser Bewusstsein besser berechnen. Meldet sich dann aber im Zuge einer bewussten Entscheidung doch wieder die Intuition, vielleicht mit einem flauen Gefühl im Magen, könnte es sein, dass wir ein Kriterium bei der bewussten Prüfung nicht bedacht haben. Das kann Anlass dazu geben, in Ruhe noch einmal über die Entscheidung nachzudenken. Der Psychologe Dr. Wim De Neys entdeckte sogar einen physisch nachweisbaren Alarmknopf in unserem Kopf: In der Mitte des Stirnhirns gibt es ein Areal, das immer dann aktiv wird, wenn eine Entscheidung in Konflikt mit etwas anderem steht, das wir wollen oder benötigen.1 2

De Neys beobachtete bei Probanden im Hirnscanner, dass dieses Alarmzentrum auch das autonome Nervensystem beeinflusst. Immer wenn ein Konflikt entdeckt wurde, begannen die Teilnehmer beispielsweise, etwas stärker zu schwitzen, ihre Körpertemperatur veränderte sich und damit auch die elektrische Hautleitfähigkeit.3

Wir sehen also: Das vermeintlich Mysteriöse ist tatsächlich etwas absolut Handfestes und Greifbares. Weder ist die Intuition spezifisch weiblich – obwohl Frauen aufgrund ihrer Aufmerksamkeit soziale Reize intensiver verarbeiten, dazu später mehr – noch handelt es sich um einen übernatürlichen sechsten Sinn.

Das Wort »Intuition« leitet sich vom lateinischen »intuitio«, also der »unmittelbaren Anschauung« ab. Sie ist nicht das Gegenteil von Rationalität, sondern eine sehr nützliche Ergänzung. Sie erlaubt es, komplexe Sachverhalte und komplizierte Vorgänge schnell zu erfassen und zu reagieren, während unser bewusster Verstand gerade erst in die Gänge kommt.

Neben dieser unmittelbaren Überlebenssicherung, die uns alle vermutlich mehrmals am Tag vor Verkehrsunfällen bewahrt, erlaubt sie aber auch ein ganzheitlicheres komplexes Einschätzen unserer Gesamtsituation. Irgendwie fühlen Sie sich unzufrieden, können aber nicht klar sagen, warum? Nehmen Sie sich Zeit, und gehen Sie ausgeruht an die Sache heran. Viele von uns setzen sich erst dann hin und machen eine Pause, wenn sie vom Alltag schon fix und fertig sind. Dann brauchen wir aber von unserem Nervensystem auch nichts Großartiges mehr zu erwarten.

Behandeln Sie den Check-in bei sich selbst deshalb wie ein regelmäßiges Team-Meeting auf der Arbeit. Da versuchen Sie ja nach Möglichkeit auch, wach und präsent zu sein. Intuitives Arbeiten sieht von außen aus, als würde der Betreffende gerade nichts tun. Dabei kann es richtig anstrengend sein. Immerhin werden sehr viele Daten abgerufen, miteinander abgeglichen und geordnet. Geben Sie Ihrem Unterbewusstsein genügend Raum dafür. Gehen Sie spazieren. Machen Sie etwas, das nicht viel bewusste Aufmerksamkeit erfordert, aber sie dennoch mit frischem Input versorgt. Wer dauernd dieselben Wände seiner Wohnung anstarrt, kommt nicht so leicht auf neue Ideen. Aus dem Abwägen und Neusortieren der Daten gibt das Unterbewusstsein dann irgendwann eine Intuition frei. Diese kann sich klar und prägnant oder auch zart und unsicher anfühlen.

In der Regel dringt nur das in unser Bewusstsein, was unser Unterbewusstsein als besonders wichtig oder dringend erachtet. Oder wenn es sich um ein unbekanntes Problem handelt, mit dem unser Unterbewusstsein noch nichts anfangen kann. Oder wenn etwas wirklich komplex ist. Eine komplizierte mathematische Formel wird wohl von allen Menschen im Bewusstsein gelöst. Sollte das bei Ihnen anders sein, schreiben Sie mir, ich wäre gespannt, von Ihnen zu lesen.

Der kanadisch-amerikanische Psychiater Eric Berne (1910–1970) betonte immer wieder, dass jeder Mensch dazu in der Lage ist, sein Leben schöpferisch, zuträglich und konstruktiv zu gestalten. Nun macht aber jeder von uns unterschiedliche Erfahrungen im Leben – und nicht alle davon sind auf den ersten Blick beflügelnd. Schon in der Kindheit ergeben sich erhebliche Unterschiede. Während glücklicherweise die meisten Menschen geborgen aufwachsen und ein sogenanntes Urvertrauen entwickeln können, bleiben Kinder, die mit schwierigen Bedingungen zu kämpfen hatten, oft lebenslang misstrauisch. Das trübt dann auch ihre Intuition.

Die Intuition ist nicht unfehlbar oder das ultimative Instrument. Und sie ist schon gar kein magisches Mittel. Sie ist das, was unser System für die höchste Wahrscheinlichkeit hält, basierend auf unserer individuellen Erfahrung. Damit kann sie richtig oder falsch liegen. Deshalb ist es sinnvoll, unsere intuitiven Annahmen mit genügend Zeit immer mal wieder mit dem Intellekt zu überprüfen und zu hinterfragen.

Bis zu 100.000 Entscheidungen treffen wir pro Tag, wobei viele so banal sind, wie was wir gleich essen wollen oder wie wir uns hinsetzen.4 Wer versucht, all diese Dinge möglichst mit der Ratio abzuwägen, bewegt sich eher langsam vom Fleck und kann andere mit seiner zögerlichen Art auch schon einmal auf die Geduldsprobe stellen. Vor allem aber bleibt dann vielleicht nicht mehr ausreichend Zeit und Energie für die Entscheidungen, die wirklich bewusstes Hirnschmalz brauchen.

Der Psychologe Prof. Gerd Gigerenzer argumentiert, dass uns Entscheidungen, die wir aus rein rationalen Beweggründen treffen, oft unglücklich machen. Wer dies tut, ist oftmals auf der Suche nach Perfektion, nach der perfekten Lösung. Weil wir aber nie alle Informationen haben werden und die Zukunft nicht vorhersehen können, ist allein diese Anspruchshaltung zum Scheitern verurteilt. Das Ergebnis wird nie ganz perfekt sein, und wer sich etwas anderes versprochen hatte, reagiert dann enttäuscht. Lassen Sie ein kleines bisschen Luft fürs Leben, damit Dinge geschehen können, wenn Sie sich auf den Weg machen.

Noch handelt es sich bei der Intuition zudem um eine Art Tabuthema, das viele völlig zu Unrecht in die Esoterik-Ecke schieben möchten. »So gut wie jeder Manager und Arzt trifft ständig Bauchentscheidungen, aber man hat Angst, das öffentlich zu sagen. Intuition wird immer noch mit Willkür, einem sechsten Sinn oder weiblicher Natur gleichgesetzt«, schrieb Prof. Gerd Gigerenzer in einer Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts.5 Zeit, die Fahne zu hissen für eines der wichtigsten Instrumente der Macher und Verantwortlichen in unserer Gesellschaft!

Füllen Sie Ihren Wissensspeicher, und trainieren Sie Ihr Einschätzungsvermögen!

Machen Sie mehr aus Ihrem gigantischen Potenzial. Auf je mehr Daten Sie in Ihrem Wissensschatz zugreifen können, desto präziser können Sie verschiedene Situationen einschätzen und reagieren.

➤ Lesen Sie viel, und schauen Sie hochwertige Dokumentationen im Fernsehen oder Internet an!

➤ Beobachten Sie andere Menschen. Nutzen Sie die Zeit in der U-Bahn oder im Café, um dezent die kleinen Gesten und feinen Veränderungen in den Gesichtsausdrücken wahrzunehmen. Wie stehen diese im Verhältnis zu den großen, leicht sichtbaren Handlungen?

➤ Welche Leute an der Bushaltestelle steigen in eine bestimmte Linie? Wohin möchten sie wohl, und was haben sie dort vor?

➤ Schauen Sie sich auf sozialen Netzwerken wie Instagram die Kommentare der Nutzer an, und versuchen Sie, daraus zu folgern, wie deren eigenes Profil wohl aussieht. Welches sind die Themenschwerpunkte, wie präsentiert sich dieser Mensch? Schauen Sie nach, wie präzise Ihre Vorhersage zutrifft!

➤ Schauen Sie sich mit Ihren Eltern oder Großeltern alte Fotoalben an, und treffen Sie dann unbekannterweise Aussagen über deren Freunde auf den Bildern. Lassen Sie sich dann die Geschichten dazu erzählen!

➤ Beobachten Sie bei der Arbeit, wann welcher Kollege das Wort ergreift! Wie reagieren jeweils die anderen?

➤ Wenn Sie den Raum bei einer Party betreten, schauen Sie sich kurz um, und treffen Sie dann Annahmen darüber, wer im Lauf des Abends miteinander plaudern oder flirten wird. Wenn Sie dies öfter machen, wird Ihre Trefferquote immer besser!

Fehlerquellen und Irrwege

Unsere Intuition trifft dann Fehleinschätzungen, wenn eine neue Situation einer anderen auf den ersten Blick zwar sehr ähnelt – sich dann aber doch in entscheidenden Punkten anders gestaltet. Diese Standardmethode unseres Unterbewusstseins, nämlich zu generalisieren, sollten wir im bewussten Hinterkopf behalten, selbst wenn wir glauben, eine bestimmte Situation schon hundertmal erlebt zu haben. Noch mehr dann, wenn wir eine Situation zu selten erlebt haben, um daraus eine gute Wahrscheinlichkeitsrechnung abzuleiten. Nutzen Sie Ihre Intuition als mächtiges, aber nicht als allwissendes Instrument.

Achten Sie auf Ihre Körpersignale. Wenn ich Sie nun frage: »Wie fühlen Sie sich gerade?«, antworten Sie vielleicht gewohnheitsmäßig mit »gut« oder »schlecht«. Doch spüren Sie einmal genauer in sich hinein. Sind Ihre Muskeln eher entspannt, oder gibt es An- oder gar Verspannungen? Wie fühlt sich Ihr Bauch an? Und Ihr Kopf? Wie schlägt Ihr Herz? Nehmen Sie das alles erst einmal urteilsfrei wahr. Achten Sie auch auf Ihre emotionale Gefühlslage, ohne zu schnell nach Gründen dafür zu suchen.

Unser bewusster Verstand liebt es, mit logischen Verknüpfungen zu arbeiten. Das ist aber auch gleichzeitig seine Schwäche. Aus den beiden Informationen »Ich bin traurig« und »Mein Partner hatte heute Morgen keine Zeit für mich« bastelt der Verstand gern: »Mein Partner hatte keine Zeit für mich, deshalb bin ich traurig.« Durch das Benennen der vermeintlichen Kausalität kann der Fall abgehakt werden. So kann sich unser Bewusstsein schnell wieder in den Energiesparmodus begeben.

Dabei könnte es auch anders sein. Vielleicht ist der Grund für Ihre Traurigkeit, dass sich Ihr Leben momentan unerfüllt anfühlt. Und Ihr Partner hatte heute Morgen einfach keine Zeit. Diese beiden Dinge müssen nicht unbedingt miteinander verknüpft sein. Schon gar nicht ursächlich. Dass Ihr Verstand möglicherweise etwas vorschnell war, merken Sie spätestens dann, wenn Ihr Partner am nächsten Tag Zeit für Sie hat und Sie sich immer noch traurig fühlen. Es sei denn, Sie finden dann schnell etwas anderes, das Ihnen an seinem Verhalten nicht passt. So müssen Sie den wahren Grund für Ihre Trauer nie anschauen. Dann brauchen Sie auch nie etwas zu ändern. Ist das nicht herrlich bequem, so einen Sündenbock zu haben?

Stolpersteine für unser tägliches Denken und Verhalten sind innere Konflikte, die nicht ausreichend verarbeitet, sondern verdrängt wurden. So nach dem Motto: »Deckel drauf und weg damit!« Sie haben sich quasi nicht in die Einzelteile der Erfahrung assimiliert, sondern behindern als Brocken unser Denken und unser Verhalten. Mit solchen Brocken können wir nur noch wie ferngesteuert reagieren, wie ein programmierter Roboter. Aber wenn wir diese Konflikte auflösen, können wir wirklich frei sein. Wir verdrängen Erfahrungen, wenn wir uns nicht dazu in der Lage fühlen, sie zu verarbeiten. Vielleicht waren wir damit überfordert, weil wir zum Zeitpunkt des Geschehens noch Kinder waren. Oder ein Trauma im späteren Lebensalter war so intensiv, dass wir damit nicht umzugehen wussten.

Check-in bei sich selbst

Unser Unterbewusstsein redet zwar mit uns, aber es schreit nicht. Deshalb sollten wir das Zuhören üben und uns dafür ausreichend Zeit nehmen.

➤ Schlafen Sie sich mal aus! Wir müssen wenigstens halbwegs ausgeruht sein, wenn wir unsere innere Stimme zu komplexeren Themen befragen wollen.

➤ Machen Sie Sport! Ausdauersport baut Stresshormone ab, die sonst bewusste Denkprozesse blockieren und den Zugang zum Unter- bzw. Vorbewussten regelrecht verstopfen können. Ein bisschen anstrengend sollte das Training schon sein – das macht es leichter wirklich abzuschalten. Und lassen Sie unbedingt währenddessen Ihr Handy ausgeschaltet. Sie müssen nicht immer und überall für jeden erreichbar sein und zur Verfügung stehen.

➤ Machen Sie einen festen Termin mit sich selbst, an dem Sie sich Zeit und Ruhe gönnen, um Ihre Gefühlslage und Körpersignale wahrzunehmen.

➤ Reflektieren Sie abends: Welche Entscheidungen haben Sie im Lauf des Tages intuitiv getroffen? Auf welche Signale aus Ihrem Inneren haben Sie dabei reagiert? Wie war das Ergebnis? Wann haben Sie sich lieber auf die bewusste Analyse der Fakten verlassen? Wie war da das Ergebnis?

Unsere erste emotionale Reaktion auf etwas oder jemanden ist immer das Resultat unterbewusster Einschätzungsprozesse. Auf Psychologen-Deutsch heißt das »emotional-evaluative Erstreaktion«. Die hängt maßgeblich vom emotionalen Erfahrungsgedächtnis ab. Welche Wünsche und Pläne wir für unser Leben hegen, ja sogar Gedanken und Ideen, nehmen ihre Gestalt so an, wie es unserem Erfahrungsgedächtnis entspricht.

Sie sehen also, dass es vollkommen sinnlos ist, sich mittels Positiven Denkens und Affirmationen etwas einreden zu wollen, wenn das Unterbewusstsein der festen Überzeugung ist, dass etwas schon immer doof war und es deshalb auch doof bleibt. Dennoch können wir unser Leben umgestalten und aus negativen Gedankenschleifen ausbrechen.

Wann wir keine Entscheidungen treffen können

Wenn wir in einem Leben gefangen sind, das nicht zu uns passt, befinden wir uns in einem chronischen Stresszustand. Je nachdem, wie schlimm dieser ist, handelt es sich nur um einen kleinen Schwelbrand in unserem Inneren oder aber um größere, vernichtend um sich greifende Flammen, die uns innerlich aushöhlen, wenn wir nichts dagegen unternehmen. Das Problem ist dabei der Teufelskreis, in dem wir uns befinden.

Denn chronischer Stress lässt einen wichtigen Teil vom Gehirn schrumpfen: den präfrontalen Cortex.6 Das ist ausgerechnet der Teil, der dafür zuständig ist, wie wir Entscheidungen treffen. Sicher, innerhalb unserer täglichen Anforderungen kriegen wir das schon noch hin, auch wenn wir unter Strom stehen. Aber große, lebensverändernde Entscheidungen – die bekommt ein dauergestresster präfrontaler Cortex kaum noch auf die Reihe. So kommt es, dass sich Betroffene nicht angemessen in anhaltend belastenden Situationen verhalten. Das kann zum Beispiel eine Beziehung sein, die nur noch aus Zank und Streit besteht. Oder ein Arbeitsverhältnis, das den eigenen Fähigkeiten in gar keiner Weise gerecht wird. Situationsangemessen wäre es, eine solche Situation aus eigener Kraft zu verändern. Dazu fehlen den Betroffenen aber tatsächlich unter Umständen die neurologischen Ressourcen.

Auch das Gedächtnis verändert sich durch Stress. Ein fortlaufendes Bombardement mit Stresshormonen führte bei jungen Ratten im Versuch dazu, dass der präfrontale Cortex unempfindlicher für Hirnbotenstoffe wurde. Das schildern Forscher von der State University of New York in Buffalo. Wichtig zu wissen: Der präfrontale Cortex ist ebenfalls wesentlicher Sitz des Kurzzeitgedächtnisses. Die Zahl der Andockstellen für einen bestimmten Botenstoff, das sogenannte Glutamat, nahm unter chronischem Stress ab, die Ratten wurden dadurch gleichsam »stumpf«.7 Erinnert Sie das an den Eindruck, den Sie von manchen Menschen morgens in der Bahn haben?

Chronischer Stress führt außerdem dazu, dass wir geistig weniger flexibel sind – und dazu, dass wir weniger Informationen von der Außenwelt aufnehmen und abspeichern, sofern sie uns nicht gerade lebenswichtig erscheinen. Das führt dazu, dass wir in einem solchen Zustand viele Möglichkeiten übersehen, die sich uns eigentlich bieten würden. Das reicht vom interessierten Blick eines attraktiven Menschen bis hin zu einem Jobangebot, das eigentlich wie für uns gemacht wäre.

Chronisch gestresste Menschen laufen weniger aufmerksam durch die Welt. Vielleicht erklärt das auch die ein oder andere Situation beim Autofahren, bei der man sich fragt, wie der Fahrer vor einem eigentlich an seinen Führerschein gekommen ist. Weil chronisch gestresste Menschen aber auch ihr Kurzzeitgedächtnis nur eingeschränkt nutzen können, neigen sie darüber hinaus dazu, Gesprächsinhalte gleich wieder zu vergessen. Was nämlich nicht im Kurzzeitgedächtnis abgespeichert und verarbeitet wird, hat erst gar keine Chance, im Langzeitgedächtnis zu landen.

Dramatisch in diesem Zusammenhang: Das Gehirn von Jugendlichen ist für diesen Effekt besonders anfällig. Das bedeutet, dass nicht nur ihre aktuellen schulischen Leistungen leiden, wenn sie innerlich anhaltend gestresst sind, prägende Erfahrungen in dieser Phase können sich zudem bis weit ins Erwachsenenalter hinein auswirken. Störungen der Glutamat-Übertragung können dann anfälliger machen für psychische Erkrankungen wie Depression, aber auch für die Entwicklung von Demenz in späteren Jahren. Zwangsstörungen, wie zum Beispiel endloses Händewaschen, können ebenso mit einer gestörten Glutamat-Übertragung zusammenhängen.8

Übrigens: Kurzzeitiger Stress hat diesen Effekt nicht. Beim Lernen für eine Prüfung mal Gas zu geben, ist vollkommen okay! Solange sich der Stress dabei moderat anfühlt und eher wie eine Herausforderung, die man mit gebührender Anstrengung bewältigen kann, fördert er sogar die Gedächtnisleistung. Der Unterschied ist folgender: Wenn man denkt: »Oha, ich muss jetzt vier Stunden richtig konzentriert lernen, dann habe ich den ganzen Stoff durch«, dann beflügelt der Stress die eigene Leistung. Wenn man aber denkt: »Mensch, das schaffe ich nie, ich bin ein Versager«, dann erreicht der Stress ein Niveau, bei dem er hemmend auf die Leistung wirkt. Mal ganz abgesehen davon, dass diese Beschäftigung mit sich selbst und dem vermeintlichen »Versager-Status« völlig vom Lernstoff ablenkt.

So kommt es mit hoher Wahrscheinlichkeit zur sogenannten sich selbst erfüllenden Prophezeiung: Die Person versagt bei der Prüfung, hat womöglich vor lauter Stress auch noch einen Blackout – weil sie vorher eben geglaubt hat, sie würde versagen. Der Blackout hat aber gar nichts mit der Person an sich zu tun, er ist eine ganz normale physiologische Reaktion, denn große Cortisolmengen legen den Hippocampus in unserem Gehirn lahm. Daten, Fakten, Zahlen sind in so einem Moment nicht mehr zugänglich, auch wenn sie dort eigentlich gespeichert sind.

Nun ist es leider so, dass wir unser Selbstbild und unsere Identität aus der Summe unserer Erlebnisse bauen – besonders eindrückliche Erfahrungen wiegen dabei natürlich entsprechend schwer. Das heißt, in diesem Beispiel wird das Selbstbild des »Versagers« weiter verfestigt und zementiert – umso stärker, je länger diese Spirale fortläuft. Und umso schwieriger ist es später auch, ein solches Bild dann wieder aufzulösen. Schwierig, aber nicht unmöglich!

Bei der Definition von Stress möchte ich mich gern Prof. Oliver T. Wolf, Kognitionspsychologe der Ruhr-Universität Bochum, anschließen. Er sagt: »Stress ist ein Ungleichgewicht zwischen Belastungen und den Möglichkeiten, diese zu bewältigen.«9 Nicht jede Situation ist für jeden Menschen gleich stressig. Die Frage ist: Glaubt dieser Mensch, über die nötigen Ressourcen zu verfügen, um die Situation in den Griff zu bekommen? Wenn ja, dann spürt diese Person nur den leichten, beflügelnden Stress, der besonders wach macht und die Leistung fördert. Wenn sie aber glaubt, zu schwach, zu dumm, zu dick, zu dünn, zu sonst irgendwas zu sein – dann spürt sie starken Stress, also die Sorte, die lähmt.

Der Neurowissenschaftler Prof. Bruce Sherman McEwen von der Rockefeller University in New York drückt es so aus: »Das Gehirn ist das Organ, das entscheidet, welche Erfahrungen stressig sind.«10 Und obwohl unsere Gehirne natürlich grundsätzlich gleich aufgebaut sind, sind manche Strukturen eben bei manchen Menschen größer oder kleiner, dichter oder weniger dicht von Nervenzellen durchzogen.

Das Angstzentrum im Gehirn, die Amygdala, wird durch anhaltenden und intensiven Stress größer. Ein Mensch, der lange Zeit mit mehr belastet wurde, als er ertragen oder bewältigen konnte, neigt in der Folge dauerhaft dazu, mehr Angst und auch mehr Aggressionen zu empfinden als der Durchschnitt. Dabei werden die Aggressionen allerdings aus Angst vor Konsequenzen oft auch unterdrückt und gegen sich selbst gerichtet. Das kann unter anderem die Entstehung von Depressionen begünstigen.

In einer bedrohlichen – oder als bedrohlich wahrgenommenen – Situation, meldet die Amygdala dem Hippocampus jedenfalls schon mal gleich, er solle sich das Erlebte gut merken. Denn so sind wir bei erneutem Auftreten der Bedrohung gewappnet und können schnell reagieren. Sie legt sich also ihre eigene Gefahren-Datenbank an, anhand derer sie alles abgleicht, was an Sinneseindrücken aus der Außenwelt einströmt. Das bedeutet aber auch, dass eine ähnliche Situation in der Zukunft noch schneller zu einer Stressreaktion führt. »Ähnlich« kann sogar einfach nur heißen, dass ein Mensch beispielsweise einem anderen optisch ähnelt, der Ihnen einmal Schaden zugefügt hat. Schwupps, spüren Sie eine massive innere Unruhe und Ablehnung diesem neuen Menschen gegenüber, obwohl der arme Tropf doch gar nichts gemacht hat.

Die Amygdala stört das nicht. Sie ist nicht die Diplomatin, sondern quasi die Gefechtsleitzentrale unseres Gehirns, wie Diplompsychologe Martin Hess es treffend ausdrückt.11 Die aufmerksame Besatzung eines U-Boots löst ja auch erst Alarm aus und weckt nicht gleich den schlafenden Kapitän, wenn etwas Verdächtiges auf sie zukommt. Also drückt die Amygdala ebenso erst einmal auf den roten Alarmknopf und löst damit eine Überlebensreaktion aus: Fight or Flight, Kampf oder Flucht. Adrenalin pumpt durch unsere Adern und versetzt die Muskeln in Spannung. Das wir dann nicht wirklich zuschlagen oder weglaufen, verdanken wir der Großhirnrinde, die ein wenig träge nachzieht und der Instinktreaktion quasi im letzten Moment einen Riegel vorschiebt. Sie hat nämlich die Daten mittlerweile eingehender analysiert und hält ein anderes Verhalten für angemessener. Nun stehen wir da, mehr oder weniger regungslos, mit Stresshormonen im Blut und starren unseren Chef an. Oder wer auch immer sonst der Trigger war.

Weil sie nach dem Ähnlichkeitsprinzip arbeitet, hat die Amygdala kein Problem damit, in Schubladen zu denken und alle Menschen oder Dinge mit einem bestimmten Merkmal über einen Haufen zu scheren. Sie generalisiert, was das Zeug hält. Und ihre Datenbank reichert sie nicht bloß durch selbst gemachte Erfahrungen an. Angstauslöser können auch gelernt sein. Schreckhafte, zögerliche Eltern geben dieses Muster an ihren Nachwuchs weiter. Teilweise muss man sagen: zum Glück. Denn sonst wäre die Menschheit schon längst ausgestorben, weil die Kleinen geradewegs ins Maul eines Säbelzahntigers gestapft wären.

Tatsächlich hat sogar unser Medienkonsum Auswirkungen auf unsere Ängste. So halten es Menschen, die abends vor dem Fernseher Krimis gucken, für wahrscheinlicher, dass sie einmal Opfer eines Gewaltverbrechens werden könnten. Deswegen kommt Filmemachern auch eine besondere Verantwortung zu. Bedienen sie zu viele Klischees – etwa: Der Bösewicht ist ein dunkler Typ mit Lederjacke –, wird genau dieses Erscheinungsbild bei den Zuschauern Unbehagen auslösen, wenn sie einer solchen Person auf der Straße begegnen.12

Menschen, die in ihrer Kindheit und Jugend intensivem und anhaltendem Stress ausgesetzt waren, neigen im Erwachsenenalter zu einer schnelleren, stärkeren Stressreaktion als der Durchschnitt.13 Neue Situationen, die nicht vorhersehbar und mit Unsicherheit verbunden sind, werden von ihnen eher als besonders bedrohlich empfunden. Haben wir also Nachsicht mit der Generation, die noch den Krieg oder dessen Folgen miterleben musste. Dass sie am liebsten in festgefahrenen Bahnen vor sich hin lebt, hat neurologische Gründe. Doch dieses Muster kann sich auch über Generationen fortsetzen.

Bereits in der Schwangerschaft haben die Cortisolausstöße der Mutter einen prägenden Einfluss auf die Stressanfälligkeit des kindlichen Gehirns, denn sie bestimmen, wie viele Cortisolrezeptoren das junge Gehirn ausbildet. Stand die Mutter während der Schwangerschaft anhaltend und stark unter Druck, wird das Kind sensibler auf Stress reagieren. Das kann aber leicht zu einer unglückseligen Spirale führen. Dieser junge Mensch wird öfter und schneller mit Cortisolausschüttung reagieren als der Durchschnitt. Dabei wird aber gleichzeitig das Glückshormon Dopamin gedrosselt. Der Mensch fühlt sich unglücklich und spürt keine eigene Kraft, um seine Situation zu verändern. Bis zur Depression ist es dann nicht mehr weit, zumal anhaltender Stress dann auch noch den anderen Glücksbotenstoff, das Serotonin, niederdrückt.

Weil auch das Noradrenalin gebremst wird, fällt es den Betroffenen schwerer, sich zu konzentrieren. Das Schlimmste, was man in so einem Fall machen kann: bis tief in die Nacht im Internet surfen oder fernsehen. Schlafmangel verstärkt das Problem!

Ein fester Tagesrhythmus hingegen mit täglicher körperlicher Aktivität, mehrmals pro Woche Sport, mehreren Pausen täglich, erholsamen Wochenenden und Urlauben schafft überhaupt erst die Voraussetzung, dass ein solcher Mensch seine Vorbelastung überwindet und in seine Kraft kommt.

Wer über einen längeren Zeitraum starken Stress empfunden hat, bei dem hat möglicherweise das Stresshormon Cortisol die Neubildung von Nervenzellen im Hippocampus behindert. Das legen Studienergebnisse von Prof. Robert Sapolsky von der Stanford Universität nahe.14 Der Hippocampus hat aber nicht nur mit unserem Gedächtnis zu tun. Er ist auch derjenige, der die Stressreaktion des Körpers wieder abstellt. Für Menschen, die also eine stressige Jugend hatten, ist es klug, sich Unterstützung beim Coaching oder bei einer Therapie zu holen. Dort lernen sie, Stress wieder abzubauen. So werden sie nicht permanent von ihrer überschießenden Stressreaktion gehemmt. Meine eigenen Methoden zum Stressabbau vor aufregenden Momenten verrate ich in Kapitel 9.

Ein Tipp vorweg: Treiben Sie Sport! Bewegen Sie sich möglichst häufig körperlich. Denn das hilft, die Stressresistenz des Gehirns zu erhöhen. Ein Wissenschaftlerteam um Dr. Nicole Berchtold von der University of California15 hat herausgefunden, dass bei Bewegung der BDNF (brain-derived neurotrophic factor) ausgeschüttet wird. Ein Wachstumsfaktor, der auch die Entwicklung von gesundem Gehirngewebe fördert. Dann bilden sich auch wieder mehr Neuronen im Hippocampus.

Natürlich sind es nicht nur Situationen, bei denen ein Säbelzahntiger auf uns zugerannt kommt oder jemand eine Keule schwingt, die unsere Stressreaktion triggern. Als soziale Lebewesen steckt das Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu einer Gruppe tief in unseren Genen. Sozialer Ausschluss bedeutete zu Urzeiten auch oft den Tod – oder zumindest große Gefahr. Deshalb reagieren Menschen so heftig mit Angst und Stress, wenn sie den Verlust ihres sozialen Status fürchten.16 Beispielsweise weil sie gerade betriebsbedingt gekündigt worden sind und im mittleren und höheren Alter länger nach einer neuen Chance suchen müssen. Oder weil sie vielleicht auf der Bühne einen Vortrag halten sollen und Angst haben, sich zu blamieren.

Unseren präfrontalen Cortex brauchen wir für das Denken, für die logische Analyse, für das Bewerten unserer Emotionen und für die Impulskontrolle. Unter chronischem Stress schränken wir allerdings seine Fähigkeit ein, sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Deswegen ist es klug, sich zwischendurch immer mal wieder »abzuregen«. Die Lösung lautet: unstrukturierte Zeit. Also Stunden, Tage oder gar Wochen, die nicht durchgetaktet und verplant sind. Momente, in denen Sie einfach nur Ihrer spontanen Intuition folgen können. Dadurch entspannt sich der Körper. Und nach einer mehrwöchigen Erholungspause regenerieren sich auch wieder Neuronen.

Wenn Sie in einem Angestelltenverhältnis arbeiten, bei dem Sie sich immer wieder aufreiben, aber wenig Lohn und Anerkennung bekommen: Entfernen Sie sich nach Möglichkeit davon! Keine andere Art zu arbeiten löst so viel Stress aus, auch nicht die Selbstständigkeit. Als Selbstständiger können Sie Ihre Situation immer verändern und aktiv gestalten. Sich gegen die eigene Überzeugung unterwürfig zeigen zu müssen, erzeugt dagegen massive Spannung in Ihrer Psyche.

Die »Sandwich-Position« im mittleren Management ist dabei besonders anstrengend. Sich zwischen den Ansprüchen des Chefs und den Mitarbeitern aufzureiben, sollten sich nur Menschen zumuten, die eine extrem hohe natürliche Stressresistenz haben! Für alle anderen ist das nämlich ein ziemlich guter Weg in den Burn-out – natürlich je nach Firmenkultur und Branche.

Wichtig zu wissen: Jede Angst ist heilbar, auch die vor großen Veränderungen. Allerdings lautet das Grundprinzip beim Überwinden von Ängsten, dass wir uns ihnen stellen müssen. Bei einfachen Phobien, wie etwa der Angst vor Spinnen, schaffen es Verhaltenspsychologen binnen weniger Stunden, die Patienten von dieser Einschränkung zu befreien. Indem sie sich ihrer Angst stellen, lösen sie diese auf. Der begleitende Psychologe hilft ihnen dabei, Angstsymptome wie Herzrasen oder gar eine Panikattacke zu regulieren. Nach einigen Minuten, maximal zwei Stunden in einer vermeintlich gefährlichen Situation beginnt auch das aufgebrachteste Gehirn, sich zu entspannen. Wenn es nämlich nach dieser Zeit merkt, dass es völlig sinnlos Energie verschwendet, regelt es sich von allein langsam wieder herunter.

Das ist aber gleichzeitig ein Problem. Zu oft bleiben Menschen in für sie untragbaren Situationen stecken und versuchen, irgendwie »damit klarzukommen«. Was nützt es, wenn Menschen zwar Medikamente gegen ihre Depressionen einnehmen, jedoch ihre krank machenden Umstände und Verhaltensmuster nicht ändern? Verstehen Sie mich nicht falsch: Hat ein Arzt Ihnen Medikamente verschrieben, nehmen Sie diese unbedingt ein, und setzen Sie sie nicht ohne Rücksprache mit ihm ab. Aber die medikamentöse Behandlung allein braucht noch etwas anderes, damit die Ursache tatsächlich behoben werden kann. Depressive Menschen müssen ihre übererregte Amygdala in den Griff kriegen. Denn die ist darauf geeicht, möglichst alles Negative aus der Umwelt herauszufischen und es dann mit Pauken und Trompeten dem Bewusstsein zu präsentieren: »Sieh her, so schlecht ist die Welt! Verkriech dich lieber, damit dir nicht noch mehr Schlimmes passiert!« Die Betroffenen fühlen sich runtergezogen, sitzen fast nur noch zu Hause und vereinsamen. Dieses Vermeidungsverhalten macht die Stimmung nur noch schlechter.

Wenn Sie sich länger als einen Monat niedergeschlagen fühlen, sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt oder einem Psychotherapeuten darüber, und entwickeln Sie individuelle Lösungsstrategien, denn nach etwa sechs Wochen beginnen Depressionen, sich zu chronifizieren. Dann wird es zäher, sie wieder aufzulösen.

Wer aufgrund seiner Kindheit in jungen Jahren kein Selbstwertgefühl, keinen Optimismus und keinen Glauben an die eigene Kraft entwickeln konnte, kann das im Erwachsenenalter zum Glück immer noch nachholen. Am wichtigsten ist es, das Selbstvertrauen zu stärken, und zwar in kleinen Schritten. Das funktioniert sogar in krassen Lebenssituationen.

Stellen wir uns einen jungen Mann vor, der versucht hat, seinen seelischen Schmerz mit Drogen zu betäuben. Deshalb hat er im Berufsleben nie Fuß gefasst. Wenn er eine Stelle bekam, hat er sie kurz darauf wieder verloren. Irgendwann ist er Mitte 30 und glaubt, nun erst recht keine Chance mehr im Leben zu haben. Was aber, wenn er es schafft, den Drogen fernzubleiben? Das ist ein massiver Erfolg, den dieser Mensch da erreicht – und von dort aus ist quasi alles möglich. Wenn er sich seiner enormen inneren Kraft bewusst wird, kann er danach so gut wie alles schaffen. Was, glauben Sie, ist schwieriger: einen Wanderweg einfach entlangzuspazieren oder aber zu stolpern, eine Böschung ganz tief hinunterzufallen und dann mühsam wieder nach oben zu kraxeln?

Es gibt Menschen in der Wirtschaft, die eine Drogenabhängigkeit überwunden und es noch ganz nach oben geschafft haben. Um von seinem Drogenproblem wegzukommen, kann sich der junge Mann in diesem Beispiel erst einmal das Ziel setzen, jeden Tag spazieren zu gehen. In dem Bewusstsein, sich und seinem Körper etwas Gutes zu tun. Allein das kann unter Umständen schon revolutionär wirken. Er kann sich vornehmen, während des Spaziergangs beispielsweise keine Zigarette zu rauchen. Mit der Zeit dehnt er dies aus: Eine Stunde vor dem Spaziergang und eine Stunde danach wird nicht geraucht. Was für ein wunderbares Gefühl, wieder Kontrolle über das eigene Verhalten zu erlangen! Aus den Spaziergängen können längere Radfahrten durch die Natur werden. Plötzlich gibt es wieder andere Inhalte im Leben, Abwechslung, Freude. Zart regen sich die ersten Glücksbotenstoffe, auch ohne dass sie von Drogen hochgepeitscht wurden. Für den tatsächlichen Drogenentzug ist in aller Regel professionelle Unterstützung notwendig. Doch wer erst einmal so ein Hindernis vollständig überwunden hat, hat bewiesen, dass er zu den starken Menschen dieser Gesellschaft gehört, und verdient den größten Respekt.

Ob wir eher ein ängstlicher oder draufgängerischer Typ sind, ist teilweise genetisch begründet. Ein bestimmtes Temperament ist uns in die Wiege gelegt. Eine weitere große Rolle spielen unsere Lebenserfahrungen in den ersten drei Jahren. Dabei sind die Reaktionen der Eltern wichtig: Lassen sie das Kind auch einmal voranpreschen, oder schweben sie immer sorgsam darüber? »Nicht so schnell, nicht so hoch auf dem Klettergerüst, Timmy!«

Der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth erklärte es bei ZEIT ONLINE so:17 Wer die Anlage zur Schüchternheit in sich trägt, kann sich in dieser Phase zum freundlich zurückhaltenden oder auch zum misstrauisch zurückgezogenen Charakter entwickeln – je nachdem, was er erlebt. Denn in dieser Zeit ist das limbische System, also unsere Gefühlszentrale, noch sehr stark formbar. Später kostet es uns mehr Kraft, es zu verändern. Haben sich die neuronalen Pfade besonders ungünstig ausgeprägt, sind wir also durchgängig übermäßig misstrauisch, traurig oder wütend, ist eine Veränderung dieser Strukturen vor allem mithilfe von außen möglich. Unsere Hirnstrukturen bleiben plastisch, also veränderbar, zum Beispiel durch eindrückliche Erlebnisse oder durch intensive gute Gespräche.

Angst zu haben ist uns angeboren. Es ist völlig menschlich und natürlich. Und es ist ein Gefühl in zahllosen Abstufungen. Dabei gibt es allerdings verschiedene Arten von Angst: nützliche und unnütze. Die meisten Menschen haben ganz besonders viel Angst davor, zu verlieren oder sich vor anderen Menschen zu blamieren. Genau das schränkt sie ein, sodass sie nie wirklich sie selbst sein können. Lernen Sie deshalb, die Angst für sich selbst statt gegen sich selbst zu nutzen. Haben Sie Angst davor, nicht alles zu erleben, was sie hätten erleben können? Haben Sie Angst vor Reue? Nutzen Sie diese Angst als einen Ihrer Antreiber.

Angst als Empfindung entsteht durch ein komplexes Zusammenspiel aus Sinnesorganen und verschiedenen Hirnarealen. Sehen wir beispielsweise auf einem Herbstspaziergang etwas Langes, Glänzendes im Laub, reagieren wir erst einmal reflexartig. Der Sehnerv meldet das Bild an den visuellen Cortex des Großhirns. Der »sieht« das Bild und schickt die Information weiter an einen anderen Hirnteil, den Thalamus. Dieser leitet die Bildinformation an den Mandelkern und den Hippocampus weiter. Während der Hippocampus Bescheid gibt, ob wir ein solches Objekt schon einmal gesehen haben, bewertet der Mandelkern die Sinnesinformation mit einer Emotion. Der Hippocampus kann also beim Vergleich feststellen, dass »lang und glänzend im Laub« eine Schlange sein könnte. Das wertet der Mandelkern als Gefahr – und löst die Angstreaktion aus.

Damit diese uns nicht immer wieder lahmlegt, haben wir eine Kontrollinstanz, den Gyrus cinguli. Er bewertet die Information noch einmal und untersucht, ob »Schlange« das einzige Fazit aus dem Gesehenen sein kann. Da das Objekt weder einen Kopf hat noch sich bewegt, bewertet er schließlich das Fazit zu »nasser Stock« um. Der ist nicht gefährlich, also ebbt die Angstreaktion ab.

Wovor wir Angst haben und wie intensiv wir sie erleben, ist individuell sehr unterschiedlich. Heute geht es nur noch selten um Lebensgefahr. Doch auch weniger greifbare Bedrohungen machen uns Angst. Zwei von drei Deutschen etwa haben Angst vor den Auswirkungen der Politik Donald Trumps. Rund die Hälfte fürchtet sich davor, einmal zum Pflegefall zu werden und auf Hilfe angewiesen zu sein.18 Wir sollten uns allerdings immer daran erinnern, dass Angst eine Eigendynamik entwickeln kann und dann zu sehr unguten Ereignissen führen kann, besonders wenn sie die Masse ergreift.

Der Schwarze Freitag – der größte Börsencrash der Geschichte – war (auch) ein Produkt der Angst. Dabei fing alles so rosig an. Es waren die Goldenen Zwanziger, und die Stimmung in Bevölkerung und Wirtschaft war positiv wie nie. Die Börse brummte, und so mancher nahm sogar einen Kredit auf, um auch einen Teil des Kuchens abzubekommen. Doch dann kippte im Jahr 1929 die Stimmung. Erst machte man sich Sorgen, später hatten viele wirklich Angst um ihr Geld – und verkauften, was noch zu verkaufen war. Es kam, wie es kommen musste. Im Oktober nahm die Börse eine rasante Talfahrt auf. Die Preise rutschten immer weiter in den Keller, und mehr und mehr Anleger versuchten, irgendwie noch mit einem blauen Auge davonzukommen. Die Angst wurde zur Panik und gipfelte im Börsencrash am 24. Oktober 1929. Und so ging dieser Tag als Schwarzer Freitag in die Geschichte ein. Die Auswirkungen unserer Ängste sind natürlich längst nicht immer so dramatisch. Nachhaltig bemerkbar können sie sich trotzdem machen.

Bauen Sie Ihre Ängste ab!

Manche Ängste sind sinnvoll. Andere sind einfach nur Bremsklötze auf Ihrem Weg. Wer zum Beispiel Angst hat, vor Kollegen das Wort zu ergreifen und sich dabei zu blamieren, wird es nicht tun. So kann er aber auch nicht positiv auffallen und seine Karriere befeuern. Räumen Sie unnütze Alltagsängste deshalb aus dem Weg!

➤ Die Angst erleben

Nehmen Sie sich eine halbe Stunde Zeit, und stellen Sie sich am besten einen Timer, um sich ganz auf die Übung konzentrieren zu können. Setzen Sie sich gemütlich hin. Atmen Sie tief und gleichmäßig in den Bauchraum. Die Redewendung »tief durchatmen« ist mehr als bloß ein Klischee. Wenn Sie spüren, dass Sie innerlich zur Ruhe gekommen sind, stellen Sie sich Ihre Angst vor: Sie sind in den Sitzungsräumen. Das Meeting läuft, und alle, inklusive Ihrem Chef oder Ihrer Chefin, sind anwesend. Dann kommt der Moment, wo Sie Ihre Idee anbringen könnten … Was fühlen Sie? Wie reagiert Ihr Körper? Schwitzen? Schnelle Atmung?

Machen Sie diese Übung zwei- bis dreimal, und notieren Sie anschließend Ihre Eindrücke.

➤ Sich mit der Angst konfrontieren

Beim nächsten Schritt endet in Ihrer Vorstellung die Szene nicht bei der Gelegenheit zu sprechen. Jetzt bringen Sie Ihren Vorschlag an. Alle schauen auf Sie. Gestalten Sie Ihren Auftritt dabei möglichst selbstbewusst. Wie er ausgeht – ob Ihr Vorschlag also ankommt –, ist noch unwichtig. Notieren Sie hier wieder Ihre Eindrücke. Haben Sie vielleicht einen Kloß im Hals? Sind Ihnen die Blicke unangenehm? Wiederholen Sie diesen Schritt so lange, bis Sie in Ihrer Szene den Vorschlag selbstbewusst und ohne zitternde Stimme mit gutem Gefühl vorgetragen haben.

➤ Erfolgreiches Ende

Mit dem selbstbewussten Vortrag ist Ihre Angst vor der Szene schon ordentlich geschrumpft. Stellen Sie sich das Geschehen jetzt noch weiter vor: Sie tragen den Vorschlag nun mit fester Stimme vor – der Vorschlag bekommt ein positives Feedback und wird angenommen.

Notieren Sie Ihre Eindrücke, und genießen Sie diesen Ausgang ruhig. Sie dürfen sich gut fühlen.

➤ Scheitern ist nicht schlimm

Nachdem Sie das positive Ende erlebt haben, wenden Sie sich nun dem negativen zu: Ihr Vorschlag wird abgelehnt. Vielleicht passt er doch nicht so gut, wie Sie dachten, oder ein anderes Hindernis steht im Weg. Das ist kein Weltuntergang und nicht persönlich gemeint. Betrachten und drehen Sie diese Version Ihrer Szene so lange, bis Sie mit gutem Gefühl wissen, dass auch dieser Ausgang gut ist – immerhin haben Sie Engagement für Ihr Unternehmen oder Ihre Abteilung gezeigt. Darauf dürfen Sie auch in dieser Szene stolz sein.

Notieren Sie in diesem Schritt ebenfalls bei jedem Mal Ihre Eindrücke.

➤ Und nun noch mal von vorn

Inzwischen dürfte sich einiges an Notizen angesammelt haben. Lesen Sie diese jetzt in chronologischer Reihenfolge noch einmal.

Sie werden sehen, wie sich sowohl Ihre rationale als auch Ihre emotionale Sicht auf das Geschehen gewandelt hat. Die Angst ist vielleicht nicht ganz weg – aber nun keine Bremse mehr.

➤ Von der Vorstellung zum Alltag

Ihr Gehirn hat nun gelernt, keine Angst mehr vor der Situation zu haben. Zeit also, aus Ihrem Kopfkino Tatsachen zu machen. Wenn Sie etwas zu sagen haben, ergreifen Sie künftig das Wort. Zu Beginn muss es ja nicht gleich das wichtigste Meeting sein. Auch das kleine Montagmorgen-Kickstartmeeting mit dem eigenen Team bietet schon einen guten Rahmen für reale Gehversuche. So können Sie Ihren Erfolg aus der Szene in den Alltag holen.

Nichts kann uns zurückhalten, wenn wir wirklich vorwärtswollen

Um die Anatomie und Funktionsweise unseres Gehirns zu verändern, müssen wir es in systematischer Weise aktivieren. Vereinfacht gesagt: Stellen Sie sich vor, Sie gehen mit Ihren Neuronen ins Fitnessstudio, wo sie diejenigen, die zu schwach ausgeprägt sind, gezielt trainieren. Das funktioniert beim Gehirn genau wie bei unserer Muskulatur, denn unser Gehirn besitzt eine lebenslange Plastizität.19 Es kann sich ein ganzes Leben lang anpassen, wenn wir es nur lassen.

Vergangenheitsbewältigung kann von Vorteil sein, wenn sie hilft, Erfahrenes neu zu bewerten. Beispielsweise: Mir ist etwas Schlimmes passiert, aber ich habe die Situation überlebt. Ich war schlau genug und habe Ressourcen entwickelt, die mich da durchgebracht haben. Alles, was Sie durchgestanden haben, ist ein Hinweis auf Ihre Stärke! Mindestens ebenso wichtig – und auf Dauer sogar wichtiger – ist es, nach vorn zu blicken. Was wir alle brauchen, sind positive Erfahrungen. Also schaffen wir uns welche!

Eine Person, die es von ganz unten nach ganz oben geschafft hat, ist Oprah Winfrey. Wir alle kennen sie, Amerikas berühmteste Talkshowmoderatorin, Schauspielerin und Unternehmerin. Oprah hat sich ein Imperium geschaffen, ist extrem einflussreich und verfügt über ein geschätztes Vermögen von drei Milliarden Dollar.20 Die Übermutter der USA, wie sie manchmal genannt wird, wuchs in sehr, sehr armen Verhältnissen auf. Sie trug teilweise sogar Kartoffelsäcke, weil echte Kleidung nicht ins Familienbudget passte. Sie wurde Opfer von Inzestmissbrauch und körperlichen Misshandlungen.21 Dennoch schlug sie sich durch, war in der Schule sogar Klassenbeste. Im Alter von 15 Jahren gebar sie ein Kind, vermutlich gezeugt von ihrem Onkel, das jedoch wenige Wochen später starb. Auch ihre Halbgeschwister starben, der Bruder an AIDS, die Schwester an Drogenmissbrauch. Oprah entschied sich für einen anderen Weg. Im Lauf der Highschool erkannte sie ihre Leidenschaft für Medien und Kommunikation. Noch während der Schulzeit jobbte sie nebenbei beim lokalen Radiosender und sicherte sich ein volles Stipendium für die Tennessee State University. Doch statt dort anzutreten, folgte sie entgegen aller rationalen Überlegungen ihrem großen Traum und stieg im Alter von 19 Jahren direkt in ihre Medienkarriere ein. So wurde Oprah zur ersten schwarzen Nachrichtenberichterstatterin unter 20 Jahren. Wieder wurde sie sexuell belästigt und unterdrückt. Aber Oprah gab nicht auf. Binnen weniger Monate verwandelte sie die »AM Chicago« von der am niedrigsten bewerteten Talkshow in Chicago zu der am höchsten bewerteten. Drei Jahre später wurde die Show nach ihr benannt: die legendäre Oprah-Winfrey-Show.22 23

Oprah ist ein Extrembeispiel, doch genau das zeigt uns, dass uns nichts, wirklich gar nichts aufhalten kann, wenn wir es anders entscheiden. Doch wie schafft man es, derartige Kräfte zu sammeln und sich sogar aus einer wirklich desolaten Situation herauszuhieven? Es ist tatsächlich wie im Fitnessstudio: Beginnen Sie mit den einfachsten Übungen, um Ihre neuronalen Pfade und Botenstoffe sukzessive zu verändern und positiv aufzubauen. Rufen Sie sich ins Bewusstsein, wofür Sie alles dankbar sind. Können Sie laufen, sprechen, hören, sehen? Fantastisch! Diese Denkübung klingt banal, aber sie zwingt Ihr Gehirn dazu, Serotonin auszuschütten. Das heißt jetzt nicht, dass sie ignorieren sollen, was schiefläuft in Ihrem Leben, und sich quasi mit der Basisausstattung begnügen. Aber ein gewisser Pegel an Botenstoffen macht Sie eben erst handlungsfähig. Und das ist der Startschuss zu größeren Abenteuern.

Nebenbei bemerkt: Eine vergrößerte Amygdala wird auch mit einem verstärkten Lust- und Erregungsempfinden in Zusammenhang gebracht. So kommt es, dass diese Menschen oftmals ein großes und intensives Interesse an Sex haben, das weit über dem Durchschnitt liegt. Das ist wunderbar, wenn man sich die passenden Partner dazu aussucht. Man sollte sich nur nicht von der Amygdala geradewegs in Beziehungen und Begegnungen hineinsteuern lassen, die letztlich nur noch mehr Stress erzeugen.

Techniken gegen die Angst und für mehr Entscheidungsfähigkeit

Die Amygdala ist zwar nützlich, aber nicht unser alles bestimmender Boss. Wenn Sie merken, dass sie durchdreht, können Sie sie gezielt wieder beruhigen.

➤ Atmen Sie tief und langsam, um Ihren Herzschlag zu beruhigen und um die Ausschüttung von Stresshormonen zu drosseln. Bei jedem Ausatmen entspannt unser Körper. Atmen Sie aus, bis wirklich keine Luft mehr in der Lunge ist. Warten Sie dann zwei Sekunden ab, bevor Sie wieder tief einatmen und Ihr Gehirn mit frischem Sauerstoff versorgen. Den braucht es nämlich zum logischen Denken.

➤ Visualisieren Sie das Ziel! Spüren Sie die positiven Emotionen, die sich beim Erreichen dieses Ziels einstellen werden. Ein freudiges Kribbeln durchströmt Ihren Körper wenn Sie beispielsweise Ihren Traumjob an Land gezogen haben oder sich aus einer dauerhaft belastenden Beziehung befreit haben. Auf diese positive Erregung folgt tiefe, glückliche Entspannung. Dieser Ziel-Zustand ist Ihr Anker.

➤ Spielen Sie eine bevorstehende aufregende Situation vorab immer wieder in Ihrem Kopf durch. Denken Sie an jeden Schritt und an jedes Detail. Was müssen Sie tun, um Erfolg zu haben? Wenn die Vorstellung vom perfekten Ablauf sitzt, bauen Sie noch ein paar Variationen ein. Wie verhalten Sie sich am besten bei einer Störung? Spielen Sie mental verschiedene Situationen durch. So sind Sie auf alles vorbereitet.

➤ Wenn Sie Menschen haben, denen Sie vertrauen können, suchen Sie den Körperkontakt. Umarmen Sie sich, oder kuscheln Sie auf dem Sofa. Dabei wird das Bindungshormon Oxytocin freigesetzt, das die Amygdala beruhigt. Kleine Berührungen helfen da schon. Wenn Sie aber gerade etwas sehr in Aufregung versetzt, ist es gut, wenn Sie mindestens 30 Sekunden Körperkontakt spüren.

➤ Sie sind in einem Grübel-Kreislauf gefangen? Gehen Sie zum Sport, und strengen Sie sich dort an. Das löst den Knoten im Kopf. Alternativ verabreden Sie sich mit einer positiv eingestellten Person zum Abendessen.

Die Macht der Intuition

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