Читать книгу Medikamenten-Monopoly - Dr. Franz Stadler - Страница 9

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WER SIND DIE TREIBENDEN KRÄFTE IM SPIEL? Wer treibt die Preise nach oben und wer verfolgt hier welche Interessen? Und wer spielt überhaupt welches Spiel? Wer ist Verlierer, wer Gewinner? Bevor wir uns dem Spiel mit und um Arzneimittel im Detail zuwenden, wollen wir unseren Blick auf die Spielerinnen und Spieler des laufenden Medikamenten-Monopolys richten. Diese halten sich gern im Hintergrund, ihr Einsatz und ihre Strategie bleiben nebulös, und doch eint sie alle der feste Wille, aus jedem Zug das für sie Beste herauszuholen. Planung und Vorgehen der Spieler sind komplex und schwer zu durchschauen, ihr Beziehungsgeflecht undurchsichtig. Allein deshalb ist es immer wieder notwendig, sich den jeweiligen Beteiligten zuzuwenden und vielleicht gerade den Spieler aufzuspüren, der dabei ist, im Spiel massiv dazwischenzugrätschen.


Der Patient (auch: der Beitragszahler)

Der Patient steht (eigentlich) im Mittelpunkt des Systems. Er ist es, um den sich vermeintlich alles dreht. Sein Anliegen, sein Interesse, sein Bedarf sollten Antrieb und Kern des Systems sein. Tatsächlich aber ist der Patient im besten Fall ahnungsloser Beteiligter, im schlechteren Versuchskaninchen und Goldesel. Er selbst greift eigentlich nie ins Geschehen ein, ja kann im Rahmen der ihm zu Gebote stehenden Mittel nicht wirklich eingreifen. Bei den politischen Wahlen spielt die Gesundheitspolitik meist eine untergeordnete Rolle. Nach Lage der Dinge wird der Patient erst aufwachen, wenn es zu spät ist.


Die Leistungserbringer

Zu den Leistungserbringern zählen Ärzte, Zahnärzte, Kliniken, Heilmittelerbringer und natürlich Apotheken. Sie alle stehen im direkten Kontakt zum Patienten und im Zentrum jener Kreise, die etwas verdienen wollen. Die meisten sind bemüht, die Kundenwünsche zu erfüllen und ihre Kunden (Patienten) möglichst wenig zu übervorteilen – schließlich will man sie sich als solche erhalten. Und doch gibt es immer wieder Leistungserbringer, die mit ihrer Art, Geschäfte zu machen, das System, von dem sie ja leben, gefährden.

Die (fast) rein heilberuflichen Leistungserbringer wie die Ärzte spielen zwar eine herausragende Rolle beim Empfehlen und Verordnen von Arzneimitteln, sind aber nur am Rande Gegenstand dieses Buches, dessen Rahmen ansonsten gesprengt würde. Die mehr kaufmännisch orientierten Leistungserbringer wie die Apotheken sind als Teil der unmittelbaren Arzneimittelversorgung, dem Hauptthema dieses Buches, zu unterscheiden in:

1. Öffentliche Apotheken: Ganz Deutschland wird von 19 000 Apotheken versorgt, die circa 16 000 Apothekern gehören. Ihre Zahl ist seit Jahren rückläufig. Die Spitzenorganisation stellt die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. (ABDA), für wirtschaftliche Belange ist der Deutsche Apothekerverband e. V. (DAV) zuständig. Obwohl natürlich nicht jede Apotheke ist wie andere – die einen (so wie meine) bieten auch die Herstellung von Zytostatika-Infusionen, also spezielle Krebsmedikamente, an, andere haben sich weitgehend auf Naturheilverfahren spezialisiert –, werde ich im Text durchgehend von »den Apotheken« sprechen.

2. Klinikapotheken: Sie versorgen Kliniken und deren Ärzte mit Arzneimitteln. Sie unterliegen hierbei nicht der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV), weshalb es getrennte Warenströme für Klinikapotheken und öffentliche Apotheken gibt, die unterschiedlich bepreist sind und jeweils nur dort eingesetzt werden dürfen. Dachorganisation ist der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker e. V. (ADKA), der als Fachgesellschaft für Klinische Pharmazie und Krankenhauspharmazie auftritt. Er hat etwa 2400 Mitglieder, die als Apotheker und Apothekerinnen in Krankenhäusern arbeiten.

3. Versandapotheken: Es gibt insgesamt 3500 zum großen Teil inländische, in einigen Fällen ausländische Arzneimittelversender, von denen nur wenige in nennenswertem Umfang aktiv sind. Diese sind dann aber oft fremdfinanziert und eher Logistikunternehmen als Pharmazeuten. Besonders niederländische Versender verzichten ganz auf Präsenzapotheken und sind eigentlich Großhändler, die am Rande der Legalität agieren. Es existiert eine sehr heterogene Vertretung der zugelassenen deutschen Versandapotheken durch den Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA). Zugelassene deutsche Versandapotheken sind Apotheken, die eine gesonderte Versanderlaubnis nach § 11a Apothekengesetz besitzen.


Die Krankenkassen

Die Krankenkassen stehen zwischen den Leistungserbringern und den Patienten, für die sie deren Beiträge verwalten. Nach allem, was man weiß, leben sie davon ganz gut und neigen zur Überschätzung ihrer Kompetenzen.

Wir unterscheiden in:

1. Private Krankenversicherungen (PKV): In Deutschland gibt es circa 40 verschiedene Krankenkassen, die erstaunlicherweise das Recht haben, ihre Beitragsforderung entsprechend ihren Ausgaben anzupassen, und deshalb immer Gewinn machen. Der Verband der privaten Krankenversicherung hat 42 ordentliche und acht außerordentliche Mitglieder. Die Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten und die Postbeamtenkrankenkasse sind verbundene Einrichtungen des PKV-Verbandes.

2. Gesetzliche KrankenVersicherungen (GKV): Wir sprechen hier von circa 120 verschiedenen Orts-, Ersatz-, Innungs-, Betriebs- und anderen Krankenkassen, die vom Gesetzgeber gedeckelt sind und deshalb über potenziell wettbewerbsschädliche Einsparungen und Zusatzbeiträge ihre Ausgaben refinanzieren müssen. Der GKV-Spitzenverband ist die zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland und auf europäischer sowie internationaler Ebene. Der Verband vertritt derzeit die Interessen von rund 73 Millionen Mitgliedern, was in etwa 90 Prozent der Bevölkerung entspricht.

Die Wahlmöglichkeit zwischen privater und gesetzlicher Krankenkasse besteht nur, wenn das jährliche Bruttoeinkommen des Versicherungspflichtigen über der Versicherungspflichtgrenze (seit 2020: 62 550 Euro) liegt. Ausgenommen davon sind Beamte und Selbstständige, die sich einkommensunabhängig privat versichern können. Die private Krankenversicherung verspricht beste Behandlung und anfangs auch günstige Beiträge, die im Alter aber stark steigen können. Gerade für junge und gesunde Menschen lohnt sich die private Krankenversicherung daher. Allerdings sollte die Entscheidung gut überlegt sein. Der Weg zurück zu einer gesetzlichen Krankenkasse ist nämlich schwierig und in vielen Fällen nicht möglich.


Die pharmazeutischen Unternehmen (PU)

Das Tätigkeitsfeld der Unternehmen beginnt bei der Arzneimittelforschung und -produktion, sie organisieren die Medikamentenverpackung und den Warenverkehr. Nicht alle PU sind in jedem Tätigkeitsfeld aktiv. Sie haften normalerweise für Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel und gehören insgesamt zu den profitabelsten Unternehmen weltweit. Global agierende Konzerne wie Pfizer, Roche oder Novartis liegen mit ihren weltweiten Umsätzen jeweils bei weit über 40 Milliarden US-Dollar. Dabei ist die Herstellung von Arzneimitteln ein arbeitsteiliger Prozess, der meist weltweit angelegt ist. Das originär deutsche Pharmaunternehmen gibt es praktisch nicht mehr. Wichtige Verbände, die die Interessen der Pharmaindustrie vertreten, sind der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland (vfa) und der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e. V. (BAH), der mitgliederstärkste Branchenverband der Arzneimittelindustrie in Deutschland (vertritt die Interessen von rund 400 Mitgliedsunternehmen, die in Deutschland circa 80 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen).

Wir unterscheiden in:

1. Wirkstofflieferanten: Sie liefern die wesentliche Komponente des Arzneimittels, das API (Active Pharmaceutical Ingredient). Häufig sind diese Lieferanten in Asien lokalisiert.

2. Originalhersteller: Meist globale Unternehmen, die die Patente der Wirkstoffe (APIs) innehaben und die Produktion und Verteilung der Originalpräparate steuern. Sie sind ohne Konkurrenz und politisch meist sehr gut vernetzt. In Deutschland sind sie weitgehend frei in ihrer Preisgestaltung.

3. Lohnhersteller: Die eigentlichen Hersteller des Arzneimittels, die diese als sogenannte »Fertigarzneimittel« produzieren.

4. Generische Hersteller: Oft Tochtergesellschaften der Originalhersteller, manchmal aber auch freie Unternehmen. Vertreiben Arzneimittel, deren Wirkstoffe nicht mehr patentiert sind, agieren meist länderspezifisch und stehen unter massivem Konkurrenz- und Preisdruck. Wichtiger Spezialverband ist Pro Generika e. V. (Verband der Generika- und Biosimilar-Unternehmen in Deutschland).

5. Parallel- und Reimporteure: Eigentlich keine pharmazeutischen Unternehmen, da sie Arzneimittel nur von einem Land in ein anderes verbringen. Ihre Leistung besteht im geschickten Einkauf und länderspezifischen Umpacken und Beschriften. Sie verdienen an Preisdifferenzen zwischen den Ländern. Als wichtiger Spezialverband vertritt der Verband der Arzneimittel-Importeure Deutschlands e. V. (VAD) die Interessen von führenden Arzneimittelimporteuren in Deutschland.


Die Aufsichtsbehörden

Um den großen Bereich der Herstellung und des Vertriebs von Arzneimitteln zu überwachen, sind eine Reihe von Behörden zuständig. Ihre Ausstattung an Material und Mitarbeitern sowie ihre verfügbaren Mittel sind sehr unterschiedlich – ihre Erfolge auch.

Wir unterscheiden in:

1. Zulassungsbehörden: Es gibt die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das Paul-Ehrlich-Institut für Impfstoffe (PEI) sowie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit für Tierarzneimittel (BVL), die europaweit oder länderspezifisch Arzneimittel zulassen und dabei (und danach) überprüfen sollen, ob alles mit rechten Dingen zugeht.

2. Aufsichtsbehörden der Krankenkassen: Umfasst der Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen Krankenkassen mehr als drei Bundesländer, ist das Bundesamt für soziale Sicherung zuständig, ansonsten die Sozialministerien der jeweiligen Bundesländer. Die PKV sind privatrechtliche Organisationen, deren Aufsicht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) innehat.

3. Aufsichtsbehörden der Leistungserbringer: Obwohl alle maßgeblichen Gesetze wie beispielsweise das Arzneimittelgesetz (AMG) Bundesgesetze sind, sind für die Anwendung und Umsetzung die Länder zuständig. Deshalb gibt es viele Varianten, deren Darstellung den Rahmen dieses Buches sprengen würde. Interessant in unserem Zusammenhang ist, dass Teile der Aufgaben auch auf die Selbstverwaltung (zum Beispiel Kammern) übertragen wurden.


Die Zwischenhändler

Die Zwischenhändler stellen weder etwas her, noch verändern sie etwas an den Arzneimitteln. Ihr Geschäft ist die Organisation von Warenströmen. Ihre Rolle ist nicht immer positiv, aber in einem gewissen Umfang notwendig. Es gibt schlicht zu viele verschiedenartige Fallkonstellationen im Arzneimittelhandel, als dass man auf die Dienste der Zwischenhändler verzichten könnte.

Wir unterscheiden in:

1. Vollsortimentergroßhandel: Als zentrale Schnittstelle zwischen den pharmazeutischen Unternehmen und den Apotheken gewährleistet er eine schnelle und flächendeckende Versorgung der Apotheken durch zentrale Lagerhaltung. Wir sprechen hier von elf Unternehmen mit 111 Niederlassungen, die im Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) organisiert sind. Technologisch gut gerüstet, ermöglichen sie im Schnitt drei Belieferungen pro Tag für jede Apotheke Deutschlands.

2. Spezialgroßhandel: Sie haben ein eingeschränktes Sortiment und sind in der Regel spezialisiert auf unzählige Nischen wie Antidiabetika, Impfstoffe, Onkologika, Antibiotika, Medikamente bei Hepatitis oder HIV, bei Kinderwunsch oder Schönheitsbehandlungen. Sie ermöglichen Apotheken, zusätzliche Einkaufsvorteile zu erlangen, die sie bei pharmazeutischen Unternehmen als einzelne Apotheke nicht bekommen, und verdienen dabei mit.

3. Apotheken mit Großhandelserlaubnis: Sie kaufen im Namen der Apotheke Produkte, die sie dann teilweise selbst nutzen und zum Teil in parallele Handelsstrukturen schleusen und als »Absatzpuffer« für Hersteller in den Markt drücken.

4. Im- und Exporteure: Als Unterart der Spezialgroßhändler zählen dazu meist internationale Apotheken, die sich auf Einzelgeschäfte (Einzelimporte nach § 73 Abs. 3 AMG) spezialisiert haben, das heißt, sie importieren in Deutschland (noch) nicht zugelassene Arzneimittel auf Anforderung eines Arztes. Sie unterliegen laut Bundesgerichtshof (BGH) nicht der Arzneimittelpreisverordnung und nutzen diesen Vorteil häufig weidlich aus.


Die Finanzinvestoren

Unter Finanzinvestoren versteht man Private Equity (außerbörsliches Eigenkapital) oder Hedgefonds (riskante Investmentfonds, die aktiv gemanagt werden), die inzwischen, oft zeitlich begrenzt, als renditegetriebene Investoren im Gesundheitsbereich auftreten. Bevorzugte Ziele der Finanzinvestoren sind Rezepturherstellbetriebe, Medizinische Versorgungszentren (MVZ), aber auch immer öfter Arztsitze.


Die Medien

Medien berichten regelmäßig über Themen aus dem Gesundheitsbereich – auch über Arzneimittel und Missbrauchsfälle. Beispielsweise wurde ausführlich über den Apotheker aus Bottrop informiert, der zum Teil völlig wirkungslose Krebsmittel an Patienten verkaufte und später deswegen zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde. Neben solchen personenbezogenen und handfesten Skandalen gehen die weitaus gravierenderen Skandale der Arzneimittelversorgung in den Medien eher unter.


Die Berater

Dabei handelt es sich um externe Dienstleister, die gerne von der Politik oder anderen Spielern beauftragt werden, zielgerichtete Gutachten zu erstellen. Oft weit von der Realität entfernt, wie am Beispiel des sogenannten Honorargutachtens noch gezeigt wird, sind sie eine scharfe Waffe als Lobbyisten diverser Auftraggeber.


Der Gesetzgeber

Im Grunde ist der Gesetzgeber der wichtigste Impulsgeber für Veränderungen. Er zeigt sich auch sehr stark an Daten interessiert. Allerdings steht der gesamte Gesetzgebungsprozess im Gesundheitswesen stark unter Lobbyeinfluss.

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