Читать книгу Das Ende des Tunnels - Dr. med. Daniel Dufour - Страница 5
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Bereits in meiner Autobiografie1 habe ich erzählt, dass ich an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) gelitten habe, und zwar nach verschiedenen Erlebnissen im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit. Mit diesem Buch wollte ich die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass man auch als Mediziner und sogar Chirurg sehr wohl davon betroffen sein kann. Und natürlich darauf, dass Heilung möglich ist.
Millionen Menschen auf der ganzen Welt leiden an diesem Krankheitsbild. Leider sind aber die heutigen Behandlungsmethoden nicht sehr wirksam. Sie helfen den von einer PTBS Betroffenen höchstens dabei, irgendwie durchzukommen. Die Symptome, welche die Diagnose rechtfertigen, bleiben aber weiter bestehen. Manche werden vielleicht ein bisschen schwächer. Aber allzu häufig bleiben sie oder werden mithilfe pharmazeutischer Mittel unterdrückt. Die Medikamente machen das Leben zwar leichter, bringen den Opfern aber keine wirkliche Heilung.
Die PTBS wird von der breiten Öffentlichkeit unterschätzt: Ein Mensch hat nach einem oder mehreren traumatischen Erlebnissen womöglich seelische Wunden davongetragen, aber die werden mit der Zeit sicher weniger oder verschwinden ganz. Mit ein bisschen gutem Willen oder Ausdauer wird der- oder diejenige schon wieder auf die Beine kommen, das Ganze abhaken oder sich damit „arrangieren“, um, so gut es geht, klarzukommen. So denken viele. Sogar die Opfer teilen diese Überzeugung, denn auch wenn sie davon sprechen, was ihnen widerfahren ist und woran sie leiden, merken sie doch sehr schnell, dass es besser ist zu schweigen, alles für sich zu behalten und sich so zu geben, dass alle in ihrer Umgebung beruhigt sind. Ganz zu schweigen von den Millionen, die sich einfach nur schämen und gar nicht erst davon reden wollen, was ihnen zugestoßen ist …
Und der breiten Öffentlichkeit gefällt es gar nicht, wenn man sie mit der Realität konfrontiert, denn das rüttelt an der Illusion, die sie sich gern von unserer Gesellschaft macht. Bestimmte Medien schließen sich dem nur zu gern an und tragen so dazu bei, den Leidensdruck einer erschreckend großen Zahl von Opfern zu bagatellisieren.
Bei der Benennung der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) herrscht eine gewisse Schwammigkeit. So werden in der Literatur oft auch andere Bezeichnungen verwendet wie PTBR (Posttraumatische Belastungsreaktion), PTSS (Posttraumatisches Stresssyndrom) oder auch das englische PTSD (posttraumatic stress disorder). In diesem Buch bleiben wir bei dem Ausdruck PTBS, der auch von der Weltgesundheitsorganisation WHO (vgl. ICD 10 F43.1) verwendet wird und die aktuellste Bezeichnung ist.
Die PTBS wird erst seit relativ kurzer Zeit von der Ärzteschaft anerkannt. Zum ersten Mal sprach man bei amerikanischen Veteranen, die am Vietnamkrieg (1965–1975) teilgenommen hatten, davon. Die Vereinigung amerikanischer Psychiater (APA – American Psychiatric Association) hat diese Störung erstmals 1994 in den DSM-IV aufgenommen und sie dabei den Angststörungen zugeordnet. Erst 2013 hat eben diese Vereinigung die PTBS als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt und als solches in die jüngste Ausgabe des Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen DSM-5® aufgenommen.
Die Symptome der Betroffenen sind schon lange bekannt und können einzeln mehr oder weniger wirksam behandelt werden. Im Fall einer traumatisierten Person, welche all diese Symptome zeigt, erweisen sich diese Behandlungsmethoden jedoch als unwirksam. Dann kann es zu Teildiagnosen kommen, weil man sich auf einzelne statt auf alle Symptome stützt, oder schlimmer noch zu Fehldiagnosen. Diese ziehen dann Behandlungen nach sich, die entweder völlig ungeeignet sind oder nur auf die Linderung eines einzelnen Symptoms abzielen. Diese Behandlungen gehen oft an der wahren Ursache der Leiden vorbei: dem schmerzlichen Erlebnis des Traumas.
Einen weiteren Punkt gilt es hervorzuheben: Eine PTBS tritt häufig bei Menschen auf, die sogenannte Risikoberufe ausüben, also bei Soldaten, Polizisten, Gefängniswärtern, Feuerwehrleuten, Notärzten, Rettungssanitätern, Lokführern, Mitarbeitern von Hilfsorganisationen, Sozialarbeitern, Menschen also, die üble Geschichten erleben oder zu hören bekommen. Aber auch Richter, Rechtsanwälte, Staatsanwälte, Gerichtsschreiber und viele andere sind davon betroffen. Diese Tatsache wird immer noch viel zu häufig kleingeredet, hauptsächlich natürlich von den Vorgesetzten und dem System selbst, aber auch von den Betroffenen.
Meist begnügt man sich damit anzuerkennen, dass die PTBS existiert, um dann festzustellen, dass sie statistisch gesehen selten ist. Und Angestellten, die sich darauf berufen wollen, stellt man natürlich diverse Hilfsangebote und Krisengespräche in Aussicht. Auch wenn manche Führungskräfte sehr wohl das Ausmaß des Problems und der daraus resultierenden Kosten für die Allgemeinheit erkennen, scheint man in den oberen Etagen die Konsequenzen nicht hinnehmen zu wollen. Diese sind Öffentlichkeitsarbeit und Prävention oder auch die Unterstützung betroffener Angestellter, damit sie von den Beschwerden geheilt werden können, die durch traumatische Ereignisse im Rahmen ihrer Arbeit ausgelöst wurden. In solchen beruflichen Milieus herrscht oft das Gesetz des Schweigens. Es trägt in hohem Maße dazu bei, dass die PTBS auch weiterhin belastend bleibt.
Jetzt ist die Zeit gekommen, klar aufzuzeigen, was mit einer PTBS gemeint ist, Anzeichen derselben sowie die Therapien zu beschreiben, die derzeit verfügbar sind, wobei auch ihre Wirksamkeit zu beurteilen ist.
Vor allem aber soll eine Behandlungsmethode vorgestellt werden, die sich seit dreißig Jahren bewährt hat. Sie ist aus dem selbst Erlebten hervorgegangen, denn ich habe alles getan, um von dieser Störung geheilt zu werden, statt nur irgendwie weiterzumachen und mich mit ihr zu arrangieren.
Auf den folgenden Seiten werde ich gelegentlich Kommentare einstreuen, die auf meinen persönlichen Erfahrungen beruhen, aber auch auf den Erfahrungen, die ich mit allen Patienten machen konnte, die ich in den letzten dreißig Jahren begleitet habe.