Читать книгу Eden ohne Gott? - Dr. René-Lou van Brock - Страница 5
A. EDEN HEUTE Das traditionelle Deutungsmonopol der Kirche und die Alternative
ОглавлениеDie Geschichte von Eden, von Adam & Eva und von den andern Beteiligten sind (ähnlich wie z. B. die von Sodom oder Babel) gesellschaftliches Gemeingut, Mythologie. Mit all ihren gängigen Interpretationen sind sie über Jahrhunderte vielfach zur Folklore geronnen — oft im Kinderformat. Allen diesen Deutungsmustern ist eins gemeinsam: Sie kranken an religiös geprägter Einseitigkeit. Im Rahmen des sog. Christlichen Abendlandes scheinen wir uns daran gewöhnt zu haben. Es mangelt daher erheblich an rein weltlicher Sicht auf die Bibel!
Die abrahamitischen (mediterranen) Religionen und ihre Kirchen gängeln uns schon seit langem mit religiösen Gehorsamserwartungen. Das wird von einer alten Forderung flankiert, die uns in der Spur halten soll. Und die heißt: 'Du sollst glauben – nicht wissen‘ (s. u.). Wir nennen dieses Verdikt das 'Eden-Prinzip', weil wir dieser Kernbotschaft der Bibel in der Eden-Story zum ersten mal begegnen, und zwar am 'Baum der Erkenntnis' (Mose 1; 2,17: '… aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen …') D. h. wir sollen bestimmte Erkenntnisse nicht haben. Eigentlich ist das erstaunlich, denn frische Erkenntnisse sind doch erst einmal gut und bringen uns oft auch vorwärts. Soll uns hier vielleicht etwas verheimlicht werden, was wir nicht wissen sollen? — Aber wir werden dahinterkommen. Denn welcher Art diese Erkenntnisse sind, das wird uns noch ganz ausführlich beschäftigen.
Heute zwingt uns niemand mehr, den dunstigen Himmel über Eden den mediterranen Religionen und das in der Bibel berichtete Geschehen dem Klerus, den Religionslehrern und Theologen zu überlassen. Und trotzdem tun wir das. Und wir hören von den kirchlichen Exegeten immer wieder, all die Bibel-Texte seien ja metaphorisch oder allegorisch zu verstehen. Dabei haben wir nicht selten den Verdacht, es geht wohl eher um die Verschleierung eklatanter Widersprüche und Ungereimtheiten und um die Hütung von 'letzten Geheimnissen'. Wir müssen uns auch nicht immer wieder ein paar tausend Jahre 'dümmer' stellen — nur, um im Sinne der Kirchen 'ordentlich' glauben zu können. Wir sollten bei der Lektüre der Bibel unser selbständiges Denken und unser Wissen nicht aus dem Hinterkopf verbannen. — Es wäre ja auch schade ums Schulgeld.
Unser Anliegen wird vielleicht langsam deutlich: Wir wollen eine ganz neue Lesart der Eden-Geschichte erzählen. Wir bemühen uns hier um ein alternatives Verständnis von Eden, indem wir eine ausschließlich säkulare, weltliche Sicht auf Eden versuchen. Den eigentlichen Text der Bibel verlassen wir dabei kaum. Der Wortlaut der Geschichte bleibt im Großen und Ganzen derselbe, aber wir interpretieren sie völlig neu — ganz konkret auf der Basis unseres heutigen Wissenskanons.
Mit dieser Geschichte wollen wir noch etwas: Wir wollen den mediterranen Religionen in Bezug auf Eden ihr reklamiertes Deutungsmonopol streitig zu machen: Ja. Wir fordern sozusagen die Herausgabe der Eden-Geschichte an unser aufgeklärtes Jahrhundert. Alles andere mögen die Gottesfürchtigen 'in Gottes Namen‘ gern behalten.
Übrigens, wer mag, kann die Eden-Story auch als allererste Sci-Fi-Literatur über extraterrestrische Intelligenzen nehmen — je nachdem, worauf man den Akzent legen will. Wir wundern uns seit eh und je darüber, dass es so wenig Sci-Fi-Literatur auf der Basis der biblischen Geschichten gibt … Dabei gäbe es dutzende Ansätze, nur z. B. Mose 1; 19; 9ff, 21; 18 f oder 24; 15 ff u. v. a. dieses andauernde Auf und Ab in Rauch- und Lichtersäulen und andere Erscheinungen …? Das erinnert durchaus an Spielbergs 'Close Encounter of the Third Kind' und andere Streifen der Art. (Ausführlichere Diskussion über die Existenz-Wahrscheinlichkeit außerirdischer Intelligenzen müssen wir hier nicht führen. Darüber können wir uns im Netz kundig machen; Stichworte sind z. B. die 'Drake-Gleichung' oder 'SETI', über die man eine Fülle von Links erreicht.)
Nun sind wir an der Stelle angekommen, wo wir einen schwerwiegenden Eingriff vornehmen müssen. Um nämlich die Eden-Geschichte konkretisieren zu können, kommen wir nicht umhin, 'Gott‘ und seine Allmachts-Aura aus der Geschichte herausnehmen. Wir entmythologisieren die Story rigoros. Damit bekommen wir einen freien Blick auf die dahinter vermuteten Realitäten, und wir kommen dabei vor allem den Akteuren näher. Denn: Einerseits glauben wir zwar nicht an Existenz und Wirken eines biblischen 'Gottes‘ in Eden, andererseits kommen wir an den Jahrtausende alten Schriften der Bibel gar nicht vorbei. Sie liegen ja vor uns. Wir halten diese Berichte im Prinzip für 'wahr' im Sinne von authentischen, sozusagen 'gutgläubigen' Darstellungen überlieferter Ereignisse im Verständnishorizont damaliger Epochen.
Der universale Gott als Allmachts-Fantasie ist so unspezifisch, dass es generell nicht weiter auffällt, wenn man ihn für sich ganz persönlich aus der real existierenden Welt herausnimmt. Es 'fehlt' dann sozusagen nichts. Denn Gott fällt im Alltag nicht andauernd so ins Auge, dass sein 'Fehlen' gleich bemerkt werden würde. Wenn es um allgemeine Fragen geht, lässt Gott sich relativ leicht ignorieren. Gut, für die 'Berufenen' ist er deutlich mehr — aber im Grunde ist 'Gott' schließlich doch nur eine Behauptung. Es gibt genügend Agnostiker, die ihre Haltung im Stillen praktizieren. Und an diesen gedanklichen Orten müssen sie Gott auch durch nichts ersetzen.
In Bezug auf den konkreten Bibel-Text der Eden-Story verhält sich das aber völlig anders. In Eden tritt erstmals ein kommunizierender und handelnder 'Gott' auf, dessen Interaktionen Wirkungen und Folgen haben. Diese Folgen lassen sich konkret darstellen. Aber liest man die Eden-Geschichte genau, fällt auf: Zwar sind die Handlungen und die Worte dieses 'Gottes' ziemlich konkret, aber als Handelnder selbst ist er völlig anonym und körperlos.
Wenn wir 'Gott‘ jetzt aus der Eden-Story des AT herausnehmen, entstehen da selbstverständlich Leerstellen, Lücken im Handlungsgefüge der Geschichte. Wir können z. B. Faust nicht aus dem Dialog mit Mephisto entfernen, ohne dass nicht das ganze Drama wirkungslos wird. Es erhebt sich also ganz zwangsläufig die Frage, wen oder was setzen wir sinnstiftend an die Stelle 'Gottes‘ — speziell in der Eden-Story? Wer handelt denn da, wenn 'Gott' nicht mehr mit im Spiel ist?
Um uns gedanklich zu sammeln, sollten wir an dieser Stelle zunächst noch einmal einen Schritt zurückgehen: Tun wir einmal so als wüssten wir gar nichts von 'Eden', von einem 'Paradies-Garten', von dem 'Erdenkloß' (Adam) und von der 'Rippe' (Eva) und von der 'Schlange' am 'Baum der Erkenntnis' (Seraphim). Und gehen wir jetzt einfach mal ganz unbefangen davon aus, in Eden wurde tatsächlich ein Mensch 'gefertigt'. Dann wird uns nach und nach deutlich: Das ist doch wohl ein ganz ungeheuerlicher Vorgang! — Halten wir inne, und lassen wir das einmal auf uns wirken …
Man kommt trotz aller Verwunderung dann doch relativ bald zu dem Schluss: Wenn nun die Rolle 'Gottes' in diesem Drama nicht mehr besetzt wird, dann muss es folglich in Eden andere hochentwickelte 'Wesen‘ gegeben haben, die in der Lage waren, z. B. einen Menschen zu 'erschaffen'. Diese Wesen müssen damals in ihrer Entwicklung nur ein klein wenig weiter gewesen sein als wir selbst es heute sind. Daran führt kein Weg vorbei. Und mit diesem Gedanken wird uns noch etwas bewusst: Was diese 'Wesen' (wer auch immer sie waren) damals konnten, das können wir heute im Prinzip auch. Wir könnten heute — oder zumindest demnächst — Menschen erschaffen, in vitro, im Reagenzglas. Wir machen es aus verschiedenen Gründen derzeit nicht.
In der Konsequenz heißt das nun aber: Um die 'Schöpfung' des Menschen zu verstehen, brauchen wir heute wie damals keinen 'Gott' und keinen Glauben. Und um diese 'Schöpfung' auszuführen auch nicht. Wir könnten es tatsächlich tun — ähnlich wie z. B. die erste Herztransplantation natürlich auch nicht von 'Gott' sondern vom südafrikanischen Herzchirurgen Christiaan Barnard (1967) wirklich durchgeführt worden ist. Da war auch kein Gott im Spiel. Wir wären also theoretisch in der Lage, heute (oder in ein paar Jahren) die Rolle der 'Götter‘ von Eden zu übernehmen. Wir hätten sicher einen genauen Plan (allein schon für die Investoren!), und wir könnten auch in etwa beschreiben wie wir diese Aufgabe gelöst hätten, wenn wir mit unseren Kompetenzen damals in Eden gewesen wären und ein Motiv dafür gehabt hätten. Das Konstrukt eines 'Allmächtigen Gottes' ist hierfür nicht notwendig.
Legen wir nun diese Erkenntnis-Matrix auf den Bibeltext, können wir ziemlich genau das Muster identifizieren, das sich da in einigen Punkten plastisch abzeichnet. Wenn wir diese Punkte schließlich miteinander verbinden, und wenn wir dann auch noch in der komfortablen Lage sind, eins und eins zusammenzurechnen, dann ergibt sich daraus ein plausibles Bild von den Ereignissen in Eden. Im Prinzip verhält es sich hier etwa analog der Anwendung der Psychoakustik in der mp3-Technik: Trotz der kargen Datenlage der Files hören wir am Ende doch die ganze Musik — oder eben die ganze Eden-Geschichte.
Und wenn wir nun Menschen machen können, ohne 'Götter' zu sein, warum sollten dann ausgerechnet die 'Menschenmacher' von Eden 'Götter' gewesen sein? Oder anders herum gedacht: Wenn 'Gott' heute noch nicht erfunden wäre, und in der Eden-Story der Bibel stünde anstelle der Bezeichnung 'Gott' ein anderer Name, z. B. Dr. Christiaan Barnard, oder Captain Kirk, dann würden wir angesichts der biblischen Erzählung von Eden doch nicht im Traum darauf kommen, hier einen Gott zu konstruieren, der das alles bewerkstelligt hat. Das müssten wir dann konsequenterweise bei anderen Eingriffen dieser Art auch machen. Unter dem Namen 'Barnard' würden wir die Eden-Geschichte und die 'Erschaffung' Adams heute (wie aus einer Wochenzeitschrift) zur Kenntnis nehmen, ohne uns zu einem Glauben durchringen zu müssen. Deshalb spricht rein gar nichts dafür, dass in Eden 'Götter' am Werk waren. — Warum denn auch! — Wir werden später noch ausführlich darauf zurückkommen.
Die Kernfrage jetzt lautet: Wenn 'Gott' es nicht war — wer war's denn dann? Machen wir's kurz, denn allein schon in Ermangelung sinnstiftender Alternativen gibt es auf diese Frage eigentlich nur eine Antwort: Es wird sich bei den biblischen 'Göttern‘ in Eden wohl um eine höchstentwickelte, extraterrestrische Gesellschaft handeln, die die nötigen medizinisch-gentechnologischen Kompetenzen mitbringt, das wissenschaftliche Equipment und auch das Motiv (das wir weiter unten noch ausführlich behandeln werden).
Seit den Erzählungen von Dänikens in den endsechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ist die Meinung diesbezüglich hierzulande und darüber hinaus tief gespalten. Darüber wird allerdings kaum direkt gestritten und auch nur wenig argumentiert. Die Fronten sind verhärtet. Die einen fragen sich, wer sonst soll es gewesen sein, und woher sonst sollte diese Spezies kommen? Die andern machen dazu wegwerfende Handbewegungen, begleitet von mitleidig-ironischem Lächeln. Keiner ist wirklich bereit, den andern ernst zu nehmen. Diese Spaltung ist seitdem eingefroren wie eine Eis-Skulptur. Für uns persönlich lautet die Frage heute längst nicht mehr: Ist eine extraterrestrische Spezies in Eden die denkbare Alternative zum 'Gott‘ der Bibel, sondern die Frage ist: Welche Alternative zu extraterrestrischen Akteuren ist in Eden sonst noch denkbar? Treten wir doch einmal einen Schritt über den Kreis unserer Enkulturation zurück, schauen wir uns um, und beantworten wir uns die Frage: Was in unserer Welt kann noch unwahrscheinlicher sein als Gott? Und Wer im Hinblick auf die Existenz extraterrestrischer Intelligenz Beweise anmahnt, darf zuvor gern mit Gott anfangen.
— Da wird es knapp mit Phantasie.
Unser persönliche Verhältnis zu Gott und zum Glauben entstammt im Übrigen einem verblüffenden Paradox: Die Diskussion um Außerirdische hatte uns bis dahin nicht wirklich interessiert — auch von Dänikens nicht. Erst als wir den Eden-Text der Bibel zum ersten mal genauer gelesen haben, sind wir auf die Idee der Existenz extraterrestrischer Intelligenz gekommen. Die Bibel selbst hat uns darauf gebracht. Erst aufgrund des hochsuggestiven Science-Fiction-Charakters der Eden-Geschichte haben wir über Alternativen zum Gott der Bibel nachgedacht.
Mit dem weiter oben beschriebenen Zugang ist es möglich, ein Eden abzubilden, das den heutigen Plausibilitätsprüfungen in den wesentlichen Punkten standhält. Im Hinblick auf die Erschaffung 'Adams' erscheint uns jedenfalls auf dieser Basis das Wirken extraterrestrischer Intelligenz deutlich plausibler als die Annahme eines körperlosen 'Gottes' mit Launen und sonorer Stimme aus dem metaphysischen Off — für dessen Existenz es im Übrigen auch in der Bibel so gut wie gar keine Anhaltspunkte gibt außer seiner Bezeichnung: 'Gott'. Aber was heißt das schon? Es ist nur ein Name ... Wie schon gesagt: Die ihm zugeschrieben Handlungen könnten heute auch von Christiaan Barnards Nachfolgern ausgeführt werden. Wir werden das im Einzelnen noch aufgreifen und weidlich differenzieren.