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Inzwischen lag der ballistische Bericht vor. Dave Oaktree, unser Chefballistiker schneite in das Dienstzimmer, das Milo und ich uns teilten.

„D’Andrea und die Frau sind mit demselben Kaliber, aber mit verschiedenen Waffen getötet worden“, sagte Dave. „Beverly Reynolds wurde mit einer Automatik mit Schalldämpfer in den Kopf geschossen. Es gibt zweierlei Riefen, also besteht an der Verwendung eines Schalldämpfers kein Zweifel. Das Projektil, das Sonny D’Andrea getötet hat, wurde jedoch mit Sicherheit aus einem Gewehr abgefeuert. Vermutlich eine Spezialanfertigung. Beide Waffen sind leider bisher nicht aktenkundig.“

„Ein Profi!“, lautete Milos Schluss. „Aber das haben wir ja ohnehin schon vermutet.“

„Zwei Morde an einem Tag – und er hat immer die richtige Waffe dabei. Das ist auch nicht alltäglich!“, meinte ich.

Eine halbe Stunde später erfuhren wir von unserem Kollegen Max Carter, dass der Ford Maverick höchstwahrscheinlich einem Mann aus Paterson gestohlen worden war. Allerdings konnte dieser keine weiteren sachdienlichen Angaben machen.

Unser Termin auf Rikers Island ließ uns Zeit genug, um die Mittagszeit noch einen Snack zu nehmen. Wir kauften uns einen Hot Dog an der Worth Street, ganz in der Nähe des Bundesgebäudes an der Federal Plaza. Zurück schlenderten wir jeder mit einem Hot Dog in der Hand durch den Thomas Payne Park.

„Ich bin mal gespannt, ob Buscella heute den Mund aufmacht“, sagte Milo.

„Und ich bin gespannt, wer sein Anwalt ist und ihn bezahlt“, gab ich zurück.

„Du meinst, da hat jemand Angst, dass Buscella etwas Verkehrtes sagt?“

„Natürlich! Buscella selbst hat doch nichts mehr zu verlieren. Er ist an der Todesstrafe vorbeigekommen und sitzt lebenslänglich ohne Aussicht auf Bewährung. Wozu braucht der einen Anwalt, wenn er mit uns redet?“

Zehn Minuten später saßen wir im Sportwagen und fuhren richtig Norden, um unseren Termin auf der Gefängnisinsel wahrzunehmen.

Wir trafen Tom Buscella in einem karg eingerichteten Verhörraum. Er war ein Hüne von fast zwei Metern mit breitem Gesicht und kurz geschorenen Haaren. Die Unterarme waren voller Tätowierungen. Er trug Hand- und Fußfesseln.

„Ich denke, die können Sie abnehmen“, wandte ich mich an einen der Wachleute.

„Der Letzte, der das gesagt hat, war sein Psychologe und der liegt jetzt mit gebrochenem Rückgrat im Bethesda Hospital“, erwiderte der Wachmann. „Mister Buscella neigt nämlich zu einem aufbrausenden Temperament.“

„Er wurde provoziert!“, mischte sich ein kleiner, dunkelhaariger Mann im kobaltblauen Dreiteiler ein, der sich als letzter in den Raum gedrängt hatte.

Er gab mir die Hand und drückte sie übertrieben fest.

„Brian Reddick von Reddick, Cameron & Partners, New York City. Ich vertrete Mister Buscella.“

„Freut mich Sie kennen zu lernen. Ich bin Agent Trevellian und dies ist mein Kollege Milo Tucker. Für Ihren Mandanten steht hier nichts auf dem Spiel, wie Sie bedenken sollten!“

Reddick grinste raubtierhaft und entblößte dabei zwei Reihen weiß blitzender und völlig gleichmäßiger Zähne. „Wollen Sie mir jetzt etwa vorschlagen, meine Arbeit nicht so gut wie möglich zu machen!“

„Ganz bestimmt nicht!“

„Dann ist es ja gut!“

Wir setzten uns.

„Hängen Sie mir ruhig noch etwas an, wenn Sie wollen“, knurrte Buscella. „Früher dachte ich, es sei ein Erfolg meines Anwalts, die Todesstrafe abzuwenden – heute denke ich, ich hätte es auf die Giftspritze ankommen lassen sollen...“

„Dieses Problem sollten Sie mit Mister Reddick besprechen“, schlug ich vor. „Sie haben seinerzeit vor Gericht zugegeben, im Auftrag von Tony Damiani einen Mord begangen zu haben.“

„Richtig. Die Kanaille, die ich niedergemacht habe, hieß Lee Kim – ein mieser koreanischer Drogenbaron. Die Justiz hätte mir eigentlich dankbar sein sollen, dass ich den aus dem Verkehr gezogen habe!“

„Agent Trevellian, ich weiß nicht, wohin diese Befragung führen soll“, mischte sich Reddick ein. Es hielt ihn nicht auf seinem Platz. Er stand auf, ging hin und her und verbreitete dadurch eine nervöse Atmosphäre. „Wenn Sie versuchen wollen, meinen Mandanten zu Aussagen zu provozieren...“

„Ich denke nicht, dass sich Ihr Mandant provozieren lässt“, erwiderte ich und wandte mich Buscella zu. „Mister Buscella, Ihr damaliger Auftraggeber wurde in einem See an der Grenze zwischen New York State und New Jersey gefunden.“

Das Erstaunen in Buscellas Gesicht schien mir echt zu sein.

Sein breiter Kinnladen fiel herunter und er vergaß für einige Augenblicke, den Mund wieder zu schließen. „Ich dachte, Damiani hätte es geschafft und sich irgendwo in den sonnigen Süden oder so abgesetzt. Hier in Rikers Island hört man ja eine Menge Gerüchte. Und von Big Tony hieß es immer, dass er gerade noch rechtzeitig das Land verlassen hätte! Marokko, glaube ich! Genau, das war es!“ Buscella lachte heiser. „Ich habe mich oft bei dem Gedanken schwarz geärgert, dass der feiste Sack seine Millionen irgendwo am Strand mit einem Tequila in der Hand genießt, während ich hier lebenslänglich abbrummen muss! Aber wenn ich jetzt überlege, dass er in Wahrheit die ganze Zeit in diesem Wasserloch vor sich hinfaulte...“ Er verzog das Gesicht. „Will mir noch gar nicht in den Kopf.“

„Ich denke, Mister Buscella hat gesagt, was er zu dem Thema zu sagen hat“, machte Reddick erneut einen Versuch, die Befragung abzubrechen.

Es hing tatsächlich alles von Buscella ab. Wir hatten keine Möglichkeit, ihn zu einer Aussage oder gar zur Zusammenarbeit zu zwingen – und mehr Vergünstigungen, als er schon bekommen hatte, waren für einen wie ihn nach Lage der Dinge nicht drin.

Aber Tom Buscella schien heute seinen redseligen Tag zu haben und gar nicht daran zu denken, der Linie seines Anwalts zu folgen.

„Hören Sie, G-man, es ist alles so, wie ich es damals ausgesagt habe! Tony Damiani hat mir 50 000 Dollar für den Mord an Lee Kim gegeben. Dessen Drogenring überschwemmte damals New York mit billigem Stoff und drohte die alteingesessenen Bosse aus dem Geschäft zu drängen! Ich brauche Ihnen doch wohl nicht zu erzählen, wie das läuft! Man hat von Big Tony erwartet, dass er etwas tut, bevor das Geschäft völlig ruiniert ist. Und Big Tony ist zu mir gekommen, so war das!“ Er lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf. „Ist schon seltsam, dass Sie jetzt nach all den Jahren seinen Mörder suchen...“

„Wer käme denn da in Frage – Ihrer Meinung nach?“

„Ist das Ihr Ernst? Na, der Clan von Lee Kim natürlich! Diese Koreaner halten viel auf Familienzusammenhalt. Ich hätte allerdings nicht gedacht, dass Tony so unvorsichtig ist, dass sie ihn gleich erwischen.“

„Hatte er weitere Feinde, von denen Sie wissen? Feinde in der eigenen Organisation zum Beispiel?“

„Mein Mandant wird dazu nichts sagen“, erklärte Reddick.

„Natürlich sage ich was dazu“, rief Buscella. „Tony Damiani war für alle wie ein Vater! Ein echter Patron, auf dessen Hilfe man sich verlassen konnte und der außerdem noch dafür sorgte, dass die Geschäfte gut liefen! Wenn Sie denken, dass ihn jemand aus den eigenen Reihen in der Versenkung verschwinden lassen wollte, dann sind Sie auf dem völlig falschen Weg.“

„Ihre Zeit ist um, Agent Trevellian!“, brach Reddick das Gespräch ab. „Wir haben Ihnen nichts mehr zu sagen!“

Buscella hob die Schultern. „Tja, ich höre wohl besser auf Agent Trevellian – sonst versuchen Sie mir am Ende noch irgendetwas anzuhängen und ich lande doch noch in der Todeszelle...“

„Ich dachte, das würden Sie bevorzugen – oder war das nur Gerede?“, fragte Milo.

„Nein, das ist kein Gerede. Aber meine Schwester braucht mich noch. Sie ist schwer krank und wird wahrscheinlich bald sterben. Wie sähe das für sie denn aus, wenn ich mich in meiner Zelle erhängen oder ein paar weitere Morde gestehen würde, damit man mir doch noch die Spritze setzt? Ich muss ihretwegen am Leben bleiben, weil ich ihr einziger Halt bin.“

„Sie haben regelmäßig Kontakt zu ihr?“, fragte ich.

„Wir telefonieren und sie kommt mich besuchen. Krebs bedeutet nicht unbedingt, dass man nicht mehr laufen kann – aber er bringt einen trotzdem um.“

Buscella erhob sich.

„Wenn Sie Jimmy Kim sehen, dann grüßen Sie ihn von mir. Er war damals die Nummer zwei bei den Koreanern und stand eigentlich auch noch auf meiner Liste, wenn meine Verhaftung nicht dazwischen gekommen wäre... Sagen Sie ihm: Tom Buscella kriegt ihn jetzt doch noch – mit einer Aussage vor Gericht!“ Buscella lachte rau.

Reddick gab erst Milo und dann mir noch einmal die Hand. „Sie haben gesehen, dass mein Mandant zu Ihrem Fall substantiell nichts beitragen kann“, erklärte er. „Ich gehe daher davon aus, dass dies das letzte Gespräch Ihrerseits mit ihm im Rahmen Ihrer Ermittlungen ist und wir uns nicht wieder sehen.“

„Man sollte niemals nie sagen“, gab ich zurück.

Der 12 Romane Krimi Koffer Juni 2021

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