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Die Umstände seiner Geburt, seine Kindheit und Jugend, seine Herkunft – nichts wissen wir darüber. Tatsächlich und wirklich: Nichts. Was uns Lukas und Matthäus erzählen, das ist voller Poesie, das ist anrührend, und es sagt manches darüber, wie die frühen christlichen Gemeinden ihren Messias sehen wollten – aber es sagt nichts über die Wirklichkeit.

Was wir mit großer Wahrscheinlichkeit sagen können, ist allein dies: Jesus stammt aus Nazareth, und seine Eltern hießen Josef und Maria – zwei Namen, die damals absolut gebräuchlich und häufig waren. Er stammt aus einem unbedeutenden galiläischen Ort, wo Kleinbauern und Handwerker lebten. Nazareth war tiefste Provinz, war dörflich, sicher sehr traditionell in allem, was Leben, Sitten, Religion angeht. Mehr weiß der Historiker, wenn er denn seinen Beruf ernst nimmt, nicht zu berichten.

Woher also kommen diese Geschichten, die Matthäus und Lukas so wunderbar wiedergeben? Wer hat sie ihnen erzählt, wie sind sie entstanden, welche Absicht steckte dahinter? Da gibt es allerdings manche Vermutung, und da weiß auch der Historiker einiges zu vermelden. Schließlich kennt er ja seine Quellen, weiß von den Aussagen, die in der Antike stets umliefen, wenn es um berühmte Männer ging, Männer, von denen man eine neue Epoche, gar das Heil der Welt erwartete. Und da lässt sich manches aufzählen:

Keiner dieser Heilsbringer – ob Imperatoren wie Augustus, der einmal schlicht Oktavian hieß, ob Könige wie der große Alexander, oder auch manche eher schon vergessene Größen von damals – keiner war einfach so da. Stets wusste man von uralten Weissagungen, die ihn legitimierten als den, der sie nun (endlich) erfüllt.

Und schon ihre Geburt war – wie man dann später berichten konnte, so unbekannt diese Männer manchmal auch noch waren, als sie irgendwo das Licht dieser Welt erblickten – schon diese Geburt war begleitet von kosmischen Ereignissen, von Wundern und himmlischen Vorzeichen, die der Eingeweihte bereits zu deuten in der Lage war.

Ja, mehr noch: Ein ordentlicher Heilsbringer hatte immer auch eine Herkunft, die im Himmel verortet war: Da die Mutter nun einmal meist irdisch war, mußte es schon eine göttliche Vaterschaft sein, in welcher Form auch immer, die ihn schon mit der Geburt zu einem Halbgott, einem Sohn der Unsterblichen machte.

Doch da gab es noch andere Hinweise: Oft war es eine Entbindung an besonderem Ort, geheimnisvoll und mythenumwoben. Beliebt bei denen, die solche Geschichten zu erfinden hatten zur Ehre des Erlösers, waren Höhlen – tief verborgen im Bauch von Mutter Erde. Und wo zeigt man bis heute in Bethlehems Geburtskirche jenen Ort, an dem Maria niederkam? Richtig: in einer Grotte darunter.

Auch ein zweites Motiv wurde gerne gewählt: Wer das Heil herbeizwingen sollte, mußte sich gegen das Böse behaupten, das im Alten verhaftet war. Und das gab sich nicht so einfach geschlagen, darum trachtete es nach dem Leben dieses Neugeborenen, um den eigenen Untergang abzuwenden: Die Gefährdung des Erlösers, aber eben auch seine wunderbare Errettung und Bewahrung gehörten in diesen Lebenslauf hinein.

Das alles wussten auch die Evangelisten, und sie nahmen es ernst: Die jüdische Bibel, die wir gerne Altes Testament nennen, lieferte ihnen genug Material an Prophezeiungen, geheimnisvollen Andeutungen, beispielhaften Abschattungen schon in der Vergangenheit, die die Gegenwart erhellen konnten. Allerdings – Nazareth kam da nicht vor, also mußte man auf Bethlehem zurückgreifen. Schließlich ging es um den Messias Israels, und der gehörte nun einmal zur Nachkommenschaft des großen David.

Und Träume, Engelserscheinungen, der berühmte Stern von Bethlehem – wenn es hier um den Christus, den Menschensohn der Endzeit ging, dann gehörte das alles hinein in eine Geschichte, die von seiner Geburt erzählt.

Aber war er nicht auch Gottessohn? Das machte den ersten Christen schon Kopfzerbrechen, wollte man nicht diese heidnischen Legenden kopieren – schließlich war der Ewige, Jenseitige, von dem man sich kein Bild machen durfte und dessen Namen man nicht einmal auszusprechen wagte, nicht wie Zeus oder Baal und all diese lüsternen Gottheiten. Und doch – irgendwie war eben auch der Christus mehr als bloß Mensch, war er Sohn seines himmlischen Vaters statt nur Geschöpf des Schöpfers wie du und ich.

Und seine Gefährdung war doch auch mit Händen zu greifen, wenn schon Mose in seinem Körbchen so wunderbar gerettet wurde trotz der Befehle des Pharao. Der König Herodes mit seinem mörderischen Umgang mit dem eigenen Nachwuchs bot da einfach eine Steilvorlage – mochte er vielleicht auch schon tot sein, als Maria ihren Sohn zur Welt brachte. Das Datum ist ja leider nicht bekannt.

Übrigens war das alles keineswegs unumstritten unter den Theologen der frühen Kirche. Weder Paulus noch Markus, die ältesten Autoren im Neuen Testament, erwähnen eine Geburt aus der Jungfrau. Für Paulus etwa ist Jesus, der Davidssohn „nach dem Fleisch“ erst durch seine Auferstehung zum Gottessohn geworden (Römer 1,4). Der irdische Jesus dagegen ist ganz und gar Mensch, „von einem Weib geboren“ (Gal. 4,4) – und nicht von einer Jungfrau! Bei Markus beginnt der Bericht über Jesus mit seiner Taufe als erwachsener Mann, und erst dort empfängt er den Geist Gottes und seine Einsetzung zum Sohn des himmlischen Vaters. (Markus 1,10-11). Das ist nahezu die gleiche Formulierung, mit der viele Könige im Altertum ihre Nachfolger nominierten.


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