Читать книгу Alles über Jesus - Eckhard Lange - Страница 6
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ОглавлениеAber da ist noch jene andere Geburtsgeschichte, die Matthäus erzählt. Hier ist aus der schlichten Legende dann ja auch bald ein ganzes Sammelsurium von Legenden geworden, ein wenig tausendundeine Nacht, ein wenig Politkrimi. Da wurden aus den Magiern im fernen Zweistromland dann später sagenhaft reiche Könige, namentlich bekannt und gleich ganzen Erdteilen zugeordnet.
Dabei hat auch diese Legende eine Botschaft, die Matthäus seinen Lesern aus dem Judentum weitersagen möchte: Haben nicht die Propheten Israels davon geträumt, daß einmal die Völker aus allen Enden aufbrechen werden, um Gott auf seinem heiligen Berg Zion anzubeten, um von dort Weisung zu empfangen und so zum Frieden zu finden? Wenn schon nicht gleich die Völker kommen, so doch diese Männer, stellvertretend und symbolträchtig mit ihren Gaben. Daß Josef und Maria für Matthäus ihren ständigen Wohnsitz in Bethlehem hatten (wo sie als Mitglieder der Davids-Sippe ja auch hingehörten) und nicht in Galiläa, zeigt uns noch einmal, wie unterschiedlich – und auch unvereinbar – vieles an diesen Geschichten war und ist.
Matthäus möchte deshalb auch gerne nachweisen, daß sein Messias tatsächlich aus dem Geschlecht Davids war. Aber all die Mühe, die er – wie übrigens auch Lukas – auf die Ahnentafel Jesu verwendet hat, scheitert am Ende: Denn sie landet bei Josef, doch der sollte und durfte ja nicht Vater sein, wenn Maria jungfräulich den Sohn zur Welt bringen muß. Jungfrauensohn oder Davidssohn – beides geht nicht. Da hätte man sich eigentlich entscheiden müssen. Hat man aber nicht. Doch vielleicht ist das ja auch erst ein Problem für den modernen fantasielosen Verstandesmenschen.
Und dennoch – der biedere Josef als frommer, gehorsamer Ziehvater wurde nun selbst zur Legende und landete nicht nur als bescheidener Mann im Hintergrund auf zahllosen Gemälden, sondern letztlich dann auch mit Schlapphut und Wanderstab in unseren Krippenspielen. Und die Päpste setzten noch eins drauf: Der fromme Zimmermann galt ihnen als Antipode zu den ungläubigen Kommunisten, und seit 1955 darf er den 1. Mai für sich beanspruchen als Tag der Verehrung, nun ganz offiziell zu „Josef dem Werktätigen“ ernannt. Ob die Gewerkschaften es Pius XII danken?
Doch wischen wir all das beiseite, was der schlichten Schönheit jener Geburtslegenden nur geschadet hat, dann bleibt dennoch viel – bleiben die verborgenen Botschaften, zu denen gerade Geschichten fähig sind. Lassen wir also die Historiker streiten und die Kritiker mäkeln – Legenden haben einen Sinn, eine Aufgabe, eine Wahrheit, die jenseits des Faktischen liegt und dennoch genauso wahr und wichtig ist. Wir müssen Weihnachten nicht abschaffen, wir müssen es nur neu entdecken und verstehen.