Читать книгу Die Suche - Eckhard Lange - Страница 6

3.

Оглавление

Als der dritte Monat des Frühlings anbrach, waren sich die beiden Planeten tatsächlich schon recht nahe gekommen, und Nabu-Nassir und ich beschlossen, nun auch die anderen Freunde einzuweihen in das, was bald geschehen musste. Wir trafen uns im Hause von Vasileios, dem Hellenen, der uns zu einem festlichen Mahl geladen hatte. Nach griechischer Sitte lagen wir auf den Polstern um die kleinen Tische, auf denen seine Haussklaven allerlei Köstlichkeiten abgestellt hatten und dazu unsere Becher immer wieder mit dem schweren süßen Wein füllten, den man in Hellas so liebt. Für mich waren diese Einladungen immer ein besonderes Erlebnis, konnte ich mir doch solche Dinge kaum jemals leisten. Allerdings hätten sie mir wohl auch nicht so trefflich gemundet, würde ich sie täglich vorgesetzt bekommen.

Nachdem wir alle gesättigt waren, bat mein Freund Nabu-Nassir um Gehör und berichtete von dem, was da auch zu dieser Stunde sich über uns am nächtlichen Himmel vollzog. Sofort beschloß der Kreis, in den weiten Innenhof hinauszutreten, um selbst in Augenschein zu nehmen, wovon wir berichtet hatten. Die meisten fanden sich nicht sofort zurecht dort oben unter den unzähligen Sternen, die scheinbar unverrückbar an der großen Kuppel des Himmels hingen, doch der Freund verstand es, ihre Aufmerksamkeit zunächst auf Marduk zu lenken. Und er bat die anderen, sich seinen Standort inmitten einiger anderer Sterne einzuprägen, damit sie später selbst erkennen können, daß er sich über den Himmel hinweg bewegte. Sicher war es allen als gebildeten Männern bekannt, daß es neben feststehenden Sternen wandernde Planeten gab, aber selbst beobachtet hatten sie das noch nicht.

Als wir uns wieder auf den Polstern im Speiseraum niedergelassen hatten, begann Bel-Simanni, unser anderer Babylonier – so nannten wie die beiden Freunde aus dem Süden der Einfachheit halber – von dem geheimen Wissen der Alten zu berichten, die vor Hunderten von Jahren bereits das Himmelszelt beobachtet und seine Gesetze erkannt hatten. So können die Gelehrten bis auf diesen Tag den Stand eines Planeten berechnen, lange ehe er dort oben sichtbar wird, sie wissen um die zwölf Häuser, in die sich das Himmelsgewölbe teilt, und sie erklärten damals all das, was sie beobachteten, als Abbild göttlichen Waltens.

Und sie haben in vielen Generationen von Priestern und Deutern erkannt, welche Ereignisse sich häufig wiederholen, konnten nicht nur das Jahr und seine Zeiten wie Aussaat und Ernte bestimmen, sondern auch weit in die Zukunft schauen, so wie wir es jetzt können, wenn wir der Begegnung von Marduk und Kajamanu entgegensehen. Immer aber gab es auch Dinge am Himmel, die plötzlich, unerwartet und erschreckend geschahen, Unheil verkündeten oder auch Heil und ein neues Zeitalter. Manchmal aber gelang es sogar, die Zeichen für eine neue Weltepoche zu verstehen und so für eine ferne Zukunft vorherzusagen, prophetisches Wissen also für den Unkundigen, göttliche Fügung für den Wissenden.

Da erhob sich einer der Freunde, Kagba, der Armenier. Er war ein hochgewachsener, hagerer Mann mit einem niemals beschnittenen Bart. Seine dunklen Augen, tief in die Höhlen gebettet und von sehr dichten Brauen überschattet, gaben ihm ein düsteres, ja furchteinflößendes Äußeres, und es konnte geschehen, daß empfindsame Kinder erschrocken davonliefen, wenn sie ihm zum ersten Male begegneten. Wir aber wussten, daß er eine große Seele hatte, und viele hatten seine helfende Hand erfahren. Man sagt, er stamme aus einem alten Priestergeschlecht, das vor undenklichen Zeiten schon dort, wo der Tigris seinen Ursprung nimmt, früheren Göttern gedient hat. Er kannte noch viele der alten Legenden, und gerne lauschten wir, wenn er mit seiner wunderbar melodischen Stimme aus uralten Tagen erzählte.

Nun also winkte er uns, damit wir uns ihm zuwenden sollten, und sprach in die Stille hinein: „Mein Freunde, ich weiß, daß ihr alle am meisten die Weisheit schätzt, das Wissen aus vielen Völkern, und wenn wir auch in manchen Dingen verschiedener Ansicht sind gemäß den Überlieferungen, von denen wir herkommen, so sind wir stets doch begierig, auch von den anderen zu lernen. Was also diese Zeitenwende angeht, die unsere Babylonier uns nun ankündigen, so mag es dahingestellt bleiben, ob unsere Sterne den Göttern gleichzusetzen sind, göttlich erscheinen sie mir allemal. Und darum deuten wir himmlische Erscheinungen zu Recht als Hinweise aus dem Reich der Unsterblichen, damit wir Menschen nicht unvorbereitet dem Neuen gegenüberstehen. Soweit, denke ich, herrscht auch bei uns Übereinstimmung.“

Er blickte in die Runde und wartete, bis wir ihm alle zunickten. Dann fuhr er fort: „In meiner Heimat, und nicht nur dort, waren solche Zeitenwenden stets mit großen, auch politischen Ereignissen verknüpft. Ein neuer Fürst erhob sich, ein Herrscher, weder durch Herkunft noch Erwählung zur Führung bestimmt, oft unbekannter, ja niedriger Geburt, und doch machtvoll alles Gewesene besiegend. Göttlicher Abkunft, sagen die einen, oder doch von den Göttern berufen, die anderen. Und alle erwarteten von ihm eine glückliche Zukunft: Frieden und Gerechtigkeit die Unterdrückten, Reichtum und Wohlstand alle, die sich schon des Reichtums erfreuten. Nicht immer geschah, was alle erhofften, und nicht immer waren es die Götter, die uns solche Männer schickten, und wenn, dann eher zur Strafe, denn die neuen Herrscher waren oft grausamer als die alten. Darum bitte ich euch, prüft sorgfältig beides: Ob diese himmlischen Zeichen wirklich eine neue Zeit verkünden, ein goldenes Zeitalter sogar, und ob sie einen solchen Herrscher ansagen, der die Reiche eint, die Menschen zur Menschheit verbindet, der gerecht regiert und ohne das Schwert uns Frieden beschert. Viele Völker hoffen darauf, und ich weiß von unserem Freund Elieser, der heute leider nicht unter uns weilt, weil seine Gebote ihm das verbieten, daß auch das jüdische Volk solch einen gottgesandten Retter erwartet.“

Ja, es stimmte: Elieser konnte an diesem Treffen nicht teilnehmen, denn es fand zufällig am Tag des Kajamanu statt, oder wie man inzwischen auch sagt, am Saturnus-Tag. Die Juden nennen ihn Schabbat, und er gilt ihnen als heilig, denn – so erzählte uns Elieser einmal – an diesem Tage hätte ihr Gott sich nach der Erschaffung der Welt ausgeruht, und fortan sollten auch die Menschen, oder doch wenigstens jene, die dem jüdischen Gott anhängen, ebenfalls ausruhen. Und die Israeliten nehmen dieses Gebot so ernst, daß sie nicht nur keine Arbeit ausführen, sondern sogar die Zahl ihrer Schritte einschränken. Es war schon merkwürdig, dachte ich damals, daß ausgerechnet Kajamanu diesem Tag seinen Namen gegeben hat.


Die Suche

Подняться наверх