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1. September

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Sie sind wieder da, sitzen wie eh und je an ihrem angestammten Platz, schweigen und warten, essen und schweigen. Soll ich sie fragen, warum sie gestern ausgeblieben sind? Die Antwort interessiert mich brennend, ich gebe es zu. Aber die Frage würde mich verraten, weitere Beobachtungen unmöglich machen. Sie wären gewarnt, daß es einen gibt, der ihr Dasein niederschreibt. Sie könnten sich entziehen, und ich könnte nicht über sie schreiben.

Komme ich deshalb täglich an diesen Platz zurück? Es gibt doch auch anderes, was geschrieben werden muß. Ich könnte meine Erinnerungen notieren, wenn sie durch irgendetwas geweckt werden. Nur die beiden dort wecken keine Erinnerungen. Dabei hätte ich doch genug zu berichten. Schließlich war ich ja nicht ein Leben lang allein, habe ebenso an einem Tisch gesessen, einem anderen Menschen gegenüber. Merkwürdig, daß ich mich nicht erinnern kann, ob wir damals auch geschwiegen haben. Aber ich habe nicht auf einen Kaffeefleck geblickt und auch nicht aus dem Fenster geschaut. Ich habe sie angesehen, das weiß ich genau. Und doch ist da kein scharfes Bild mehr in meiner Erinnerung.

Warum sind es immer die unangenehmen Dinge, an die ich mich erinnere? Sie haben sich ins Gedächtnis gebrannt, lassen mich aus dem Schlaf aufschrecken, werden durch nichtige Anlässe wieder lebendig. Muß man denn immer nur an die Kränkungen zurückdenken? Es wird doch so oft gesagt, daß die Zeit alles Erinnern vergoldet, daß die Vergangenheit zum Paradies wird, aus dem wir vertrieben wurden. Aber mir wird die Erinnerung zum Stachel im Fleisch, lässt mich eher ins Vergessen flüchten. Dabei gibt es sicher so viele schöne Dinge, irgendwo tief im Gedächtnis abgespeichert. Warum kehren sie nicht zurück, warum muß ich sie mühsam suchen und zweifeln, ob sie auch einmal Wirklichkeit waren?

Habe ich mich deshalb entschlossen zu schreiben, weil ich das Schöne dokumentieren will, um es nicht zu vergessen? Damit es schwarz auf weiß zu lesen ist, unabänderlich festgehalten, mit akribischem Geist niedergeschrieben. Nur erlebe ich solche Stunden plötzlich nicht mehr, bleibt das Schöne mir fern, gibt es nichts zu notieren.

Verändert Schreiben Wirklichkeit? Entflieht alles Zarte, Wunderbare, Angenehme, sobald ich es in Worte fassen will? Schreiben ist ein nüchternes Geschäft, erfordert genaue Beschreibung, exakte Formulierung – da hat das Zauberische nichts verloren. Nein, da geht es verloren. Ist es nicht so? Das Zauberische braucht Farben, Töne, Melodien, keine groben Worte. Die Buchstaben sind stets die gleichen, ob sie nun das Grauen oder das Wunder beschreiben sollen, das Sterben oder die Liebe. Wie sollen sie da dem Unbeschreiblichen zu Diensten sein? Schon die Worte verraten es: Was man in tausend Farbtönen malen, mit den zarten Schwingungen einer Saite zum Klingen bringen kann, ist unbeschreiblich – unschreibbar, entzieht sich dem Wort.

Das Tagebuch

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