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Kapitel 2 : Was schenkt man zum 18. Geburtstag?

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Das war die Frage, die sich mir stellte als mein Sohn volljährig wurde. Was schenkt man seinem Kind an der Schwelle zum Erwachsenwerden? Da es in unserer Kultur keine Initionsriten mehr gibt, musste ich mir selbst etwas zum rituellen Eintritt in Pascals neues Lebensstadium ausdenken. Es sollte etwas sein, dass meinen Sohn physisch und psychisch ein wenig an seine Grenzen bringt. Da Pascal in jeder Hinsicht sehr belastbar ist, konnte ich ihm das ohne weiteres zumuten.

Pascals 18. Geburtstag kam nicht allzu überraschend für mich, somit hatte ich einige Wochen und Monate Zeit zum Überlegen. Heraus kam ein All-Inclusive-Gutschein für einen Monat Abenteuer-urlaub mit vier Vorschlägen:

1. Wanderung durch die Slowakei von den Kleinen Karpaten bis zur Hohen Tatra

2. Wanderung auf dem Jakobsweg, dies hätte den Vorteil, dass Pascal seine Spanisch-Kenntnisse

vertiefen könnte

3. Mit einem Boot die Donau von Passau bis zum Mündungsdelta in Rumänien erkunden

4. Wanderung auf dem Appalachian Trail

An seinem Geburtstag fiel Pascal die Entscheidung nicht schwer. Ohne auch nur den Bruchteil einer Sekunde zu überlegen, fiel seine Wahl auf den Wanderweg der Superlative, den Appalachain Trail, einem der längsten Fernwanderwege auf unserem Globus. Bis zu unserem Start sollte noch über ein Jahr vergehen. Als der Abflugtermin in greifbare Nähe kam, begannen wir, das Training zu intensivieren. Wir liefen zusammen einen Marathon und dann stand eine 30-Kilometer-Wanderung mit leichtem Gepäck an. Mein jüngster Sohn Marcel, damals 13 Jahre alt, wollte unbedingt dabei sein. Ich nahm sein Angebot zunächst nicht ganz ernst, da Marcel nicht gerade ein Freund körperlicher Anstrengungen ist. Da er aber darauf bestand, ging es eines Morgens zu dritt in den Wald. Bereits nach ca. 15 Kilometern fing der Erste an zu schwächeln. Richtig, ich war der Klotz an den Beinen meiner Söhne. Ich hatte meine nagelneuen Wanderschuhe zum ersten Mal an. Eine clevere Entscheidung. Sollte ich weiterhin „so viel“ Umsicht an den Tag legen, werden wir uns auf dem Trail wohl zum Gespött machen.

Selbstverständlich hätte ich die neuen Wanderschuhe erst einmal vorsichtig einlaufen müssen. Nun bekam ich zu spüren, dass es kaum eine Stelle am Fuß gab, an dem die Schuhe nicht gescheuert hätten. Vor allem am Knöchel unter dem Schienbein war der Schmerz kaum noch zu ertragen. Zunächst öffnete ich die Schnürsenkel und „schlappte“ mit lockeren Schuhen wie „Frau Surbier“ durch den Wald. Später bin ich auf Socken weitergewandert. Marcel amüsierte sich innerlich mit Sicherheit köstlich. Er ließ sich aber nichts anmerken. Immerhin habe ich die 30 Kilometer durchgehalten und keine einzige Blase an den Füßen gehabt. Man muss die Dinge immer positiv sehen. Abends lieferten zwei gutgelaunte Jungs ihren abgekämpften Vater wieder zu Hause ab.

Mitte Mai starten Pascal und ich zu einer Generalprobe ins Oberallgäu. Wir beabsichtigen eine viertägige Hüttenwanderung mit vollem Gepäck, also unter den Bedingungen, wie sie uns auf dem Appalachian Trail erwarten würden. Zunächst soll es von Hinterstein aus zur Willersalpe gehen. Wir reisen mit der Deutschen Bahn an. Da der Zug erhebliche Verspätung hat, verpassen wir am späten Nachmittag in Sonthofen unseren Bus nach Hinterstein. Immerhin erwischen wir noch einen Bus nach Bad Hindelang und beginnen so bereits von dort aus unsere Wanderung. Als wir Hinterstein zu Fuß erreichen, ist die Zeit schon sehr weit fortgeschritten. Daher nehmen wir ohne größere Pausen den anderthalbstündigen Aufstieg zu der auf 1456 Metern gelegenen Willersalpe in Angriff. Es ist ein nicht übermäßig schwerer Aufstieg durch eine sehr schöne Landschaft. Je höher wir kommen, umso mehr Schmelzwasser fließt uns auf dem Wanderweg entgegen. Als wir die Baumgrenze verlassen, dämmert es schon. Es wird höchste Zeit, dass wir unser Ziel erreichen. In den höheren Lagen hat die Landschaft noch ihr Winterkleid an.


Vor uns liegt noch ein weitläufiges Schneefeld. Nach einigen Minuten sichten wir am Horizont überglücklich die Willersalpe. Das gibt uns noch einmal Kraft, um die Geschwindigkeit zu forcieren. Die Hütte scheint noch nicht bewirtschaftet zu sein. Wir finden uns damit ab, diese Nacht im Schutz der Hütte in unseren Zelten zu verbringen. Als wir uns nähern, öffnet sich jedoch wie von Geisterhand eine große Tür.. Es ist keine Menschenseele zu sehen. Wir treten ein. Es ist stock- dunkel. An unseren Wanderstöcken haben wir eine kleine LED-Leuchte. Vorsichtig gehen wir weiter und gelangen schließlich zu einer Holztreppe und einem Gastraum aus dem wir Stimmen vernehmen. Wir treten ein. Es herrscht vollkommene Dunkelheit. Lediglich vom Ende des Raumes her, dort wo wir die Stimmen hören, schimmert leichtes Kerzenlicht. Ich trete in den Nebenraum ein. Es ist die Küche. Freudestrahlend begrüßt mich der Eigentümer der Hütte und bemerkt beiläufig, dass es mich eine Runde kosten wird, weil ich die Küche betreten habe. Auf einem Schild, dass ich nun, nachdem ich mich an die Dunkelheit gewöhnt habe, erkennen kann, wird ausdrücklich darauf hingewiesen. Wir sind die ersten Gäste in diesem Jahr. Normalerweise wird die Hütte am 1. Mai geöffnet. In diesem Jahr hat die Schneeschmelze zwei Wochen später als gewöhnlich eingesetzt, dadurch hat sich alles verschoben. Wir sind die Ersten, die sich in diesem Frühjahr hier hinauf getraut haben. Daher machte die Hütte auf uns zunächst den Eindruck, dass sie nicht bewirtschaftet ist. Da keine Gäste mehr erwartet wurden, hatte man bereits abgeschlossen, uns aber dann von oben kommen gesehen.

Schnell sitzen wir mit den drei sympathischen Wirtsleuten bei Kerzenlicht in gemütlicher Runde und genießen das vorzügliche Dunkelbier. Die Hütte wird auf traditionelle Weise per Pferd versorgt. Da die Hütte derzeit auf Grund der spät eingesetzten Schneeschmelze noch nicht einmal per Pferd zu erreichen ist, schleppen die Betreiber der Hütte jedes einzelne Bierfass, sämtliche Lebensmittel und alle Ausrüstung auf ihrem Rücken hier hoch. Ein hartes aber beneidenswert selbstbestimmtes Leben. Die Beleuchtung erfolgt ausschließlich mit Kerzen. Es gibt eine kleine Solarpaneele und ein kleines Windrädchen, um ein wenig Strom für die Küche zu erzeugen. Die Hütte macht auf uns einen ungeheuer romantischen Eindruck. Es wird ein fröhlicher, geselliger Abend und alle gehen wesentlich später zu Bett als ursprünglich geplant. Wir erhalten die Information, dass alle Wege zu den Nachbarhütten noch nicht begehbar sind. Aus der geplanten Hüttenwanderung wird somit nichts. Wir beschließen daher, noch eine Nacht auf der Willersalpe zu bleiben, um wenigstens die umliegende Gebirgswelt zu erkunden.

Nach der Nacht im Matratzenlager wachen wir mit „dickem“ Kopf auf und frühstücken spät. Mit einem Feldstecher können wir Murmeltiere beobachten, die bei tiefblauem Himmel und Sonnenschein ausgesprochen aktiv sind. Unsere Kopfschmerzen sind schnell vergessen. Nach dem Frühstück erklimmen wir einen ca. 400 Meter höher gelegenen Grat. Der Aufstieg fällt mir sehr schwer, die nächtlichen Strapazen in der Dunkelbierrunde fordern ihren Tribut. Ich gehe im Zeitlupentempo. Mein Sohn, der einen wesentlich fitteren Eindruck macht, amüsiert sich gut. Auf dem Gipfel angekommen werden wir von einer traumhaften Kulisse belohnt. Als wir beim Abstieg an einer Gemse vorbeiwandern, fast zum Greifen nah, empfinden wir große Dankbarkeit für unser Leben. Der anschließende Abend wird dann nicht ganz so feuchtfröhlich wie bei unserer Ankunft.

Da die Höhenwanderwege der Umgebung noch geschlossen sind, wandern wir zwei Tage im Bereich des Tannheimer Tales und reisen mit einem guten Gefühl nach Hause zurück. 30 Kilometer am Tag waren für uns kein Problem, wir dürften gut vorbereitet für den Appalachian Trail sein.

Am Ende dieses Kapitels noch ein kleiner Tipp für Reisende in die USA:

Für die Einreise in die USA benötigt man als Deutscher zwar kein Visum, stattdessen aber eine Einreisegenehmigung, die man für 14 US-Dollar im Internet unter www.estaforusa.org beantragen kann. Nun haben sich einige dubiose Unternehmen darauf spezialisiert, dies als Plattform zu benutzen, um ihre Mitmenschen „übers Ohr zu hauen“. Am raffiniertesten ist ein „Anbieter“, der die offizielle Seite in jeder Hinsicht imitiert. Den einzigen Unterschied machen drei Buchstaben aus, die entsprechende Internetseite lautet www.estaforusa.com. Irgendwo, ganz versteckt in den Geschäftsbedingungen, wird darauf hingewiesen, dass für den überflüssigen „Service“ eine Gebühr in Höhe von 52 Euro berechnet wird. Dies erkennt man erst bei der Kreditkartenabrechnung Tage oder Wochen später. Wer nun der Meinung sein sollte, dass dies illegal ist, der täuscht sich gewaltig. Viele Gesetze in unserer westlichen Gesellschaft lassen es durchaus zu, dass der Bürger systematisch ausgeraubt wird. Besonders weit fortgeschritten sind diese Verhältnisse in den USA.

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