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Kapitel 5 : Öko taucht auf

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1.7.2012

Am nächsten Morgen wachen wir etwas mitgenommen auf. An den mitternächtlichen Spuk der Mäuse müssen wir uns erst einmal gewöhnen. Mareike ist etwas verärgert. Es sind nachts nur ein paar leichte Schauer über der Hütte niedergegangen. Sie hätte eigentlich doch im Zelt schlafen können. Aber es war zweifellos vernünftig, den gutgemeinten Rat der Rangerin ernst zu nehmen. Mathias will sich etwas Warmes zu trinken zubereiten. Gerade noch rechtzeitig entdeckt er Mäuseköttel in seiner Tasse, weiß diesen Kaffeebohnenservice der kleinen Nager aber nicht sonderlich zu schätzen.

Wir frühstücken ein wenig und begeben uns dann wieder auf Wanderschaft. Langsam beginnt der ungewohnte Tagesablauf zur Normalität zu werden. Der Trail geht steil bergauf und bergab. Schon früh am Vormittag zeigt das Thermometer bereits wieder 35 Grad Celsius. Das alles ist schon sehr strapaziös. Wir werden dafür mit großartigen Panoramen belohnt.

Mittags teilen uns Mareike und Mathias mit, dass sie ein etwas langsameres Tempo anschlagen werden. Darüber hinaus wollen sie versuchen, ein paar Kilometer per Anhalter zu fahren. Hier müsste das noch gut möglich sein. Der Trail kreuzt ab und zu den „Skyline Drive“. Der „Skyline Drive“ ist eine Panoramastraße, die es den etwas bequemeren Besuchern des Nationalparks, dass dürften über 99 % der Besucher sein, erlaubt, die faszinierende Natur vom vollklimatisierten Fahrer- bzw. Beifahrersitz aus zu bewundern.

Wir vereinbaren eine Uhrzeit, zu der wir uns in einigen Tagen in Front Royal am Post Office treffen wollen. Front Royal ist die erste, kleine Ortschaft, die wir erreichen werden, nachdem wir den Shenandoah Nationalpark durchwandert haben.

Pascal und ich wandern im gewohnten Tempo weiter und beschließen, einen kleinen Umweg in Kauf zu nehmen, da wir dann an einem Campingplatz mit einem Store vorbeikommen. Am Eingang des Campingplatzes darf Pascal sich ausruhen, während ich ohne Gepäck einige hundert Meter zur Rezeption gehe. Dort teilt man mir mit, dass sich das Lebensmittelgeschäft etwas außerhalb des Campingplatzes befindet. Man erklärt mir den Weg dorthin.

Nun darf ich unter einem Baum am Straßenrand rasten. Pascal geht alleine zum Store. Ich freue mich schon auf die vielen tollen Sachen, die er mitbringen wird.

Während ich warte, hält ein PKW auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ein freundlicher Mann winkt mich zu sich herüber und fragt, ob ich Wasser haben möchte. Ich lehne dankend ab, und sage ihm, dass wir noch genügend Wasservorräte bei uns haben. Der Fremde lacht und entgegnet „but not this kind of water“. Er steigt aus dem Auto und reicht mir eine eiskalte Flasche Wasser. Er hat recht, das ist mittlerweile ganz gewiss etwas ganz Besonderes für uns. Ich bedanke mich, wir unterhalten uns kurz, dann wünscht er mir „good luck“ und steigt wieder in seinen wohltempe- rierten, klimaanlagengekühlten Mikrokosmos ein. Ich bleibe bei nunmehr fast 40 Grad Celsius schwitzend zurück.

Mein Hunger wird nun langsam sehr groß. Voller Freude sehe ich Pascal an der Straßenbiegung auftauchen. Mit schnellen Schritten nähert er sich meinem schattenspendenden Baum. Was mag er wohl aufgetrieben haben? Welche Delikatessen warten auf meinen ausgetrockneten Gaumen? Ätsch, es gab fast gar nichts zu kaufen, weil auch hier auf Grund des Unwetters der Strom ausgefallen war. Die Kühltruhen waren leer. Pascal hat aber zwei Müsli-Riegel und zwei wunderschöne Äpfel ergattern können. Ein kleiner Schatz in unseren Augen. Die Riegel verzehren wir sofort, auf die Äpfel werden wir uns bei unserer nächsten Rast stürzen.

Nach wenigen Metern sind wir wieder auf dem Appalachian Trail Durch den Schutz der Bäume ist es hier ca. 5 Grad kühler als auf der Landstraße. Das empfinden wir zunächst als wohltuend, aber mit jedem Meter wird die Hitze auch hier im Wald wieder unerträglicher.

An einer Stelle mit grandiosem Ausblick rasten wir. Das Panorama ist einmal mehr atemberaubend. Grüner Wald und leuchtend blauer Himmel so weit das Auge reicht! Pascal beißt herzhaft in seinen Apfel, schlagartig fällt ihm die Kinnlade herunter! Gen-Food, genetisch manipulierte Lebensmittel! Willkommen im Amerika des 21. Jahrhunderts! Der Apfel ist äußerlich perfekt, ich habe selten einen so schönen Apfel gesehen. Innen drin ist der Apfel dagegen vollkommen verfault. Pascal hatte das Thema vor kurzem im Schulunterricht durchgenommen und erkennt sofort den Hintergrund für die perfekte Täuschung: Genmanipulation. Zweifellos hätten wir den Apfel beim Händler zurückgeben können, aber dafür waren wir inzwischen schon zu weit gewandert. Vorsichtig öffnen wir den zweiten Apfel mit einem Taschenmesser. Er hat noch ein paar kleine, halbwegs genießbare Stellen. Mit „langen Zähnen“ essen wir den Apfel aus Frankensteins Labor.


Bald gibt es diesen „Müll“ garantiert auch in Deutschland. Früher oder später kommt alles über den „großen Teich“ zu uns. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich vor 30 Jahren in Florida das Fußballendspiel der American Soccer League im Fernsehen angeschaut habe. Es spielte Cosmos New York gegen eine andere Mannschaft, ich glaube es war Fort Lauderdale. Kurz vor Schluss erhält Cosmos New York beim Stande von 0:0 einen Elfmeter zugesprochen. Der Schütze legt den Ball auf den Elfmeterpunkt, konzentriert sich, nimmt Anlauf …... und dann ????? WERBUNG !!!!!!! Mitten in der wichtigsten Szene des ganzen Spiels wird Reklame für ein Produkt, das die Welt nicht braucht, gemacht. Das war damals unfassbar für mich. Wie froh war ich seinerzeit, dass bei uns das Fernsehen in öffentlicher Hand war. Und wie sieht es heute auch bei uns aus? Auf etlichen Sendern Dauerwerbeberieselung und „Asi TV“ rund um die Uhr. Arme Welt.

Inzwischen gehen wir unentwegt an steilen Klippen entlang. Überall laden riesige Steine zum verweilen ein. Immer wieder nehmen wir auf ihnen Platz und erfreuen uns für ein paar Augenblicke an der faszinierenden Landschaft. Die Stimmung steigt schnell wieder. Beim nächsten „Outlook“ kreisen nicht weniger als fünf Adler direkt vor uns in Augenhöhe über der Schlucht, „what a beautiful life“.

Nach ca. 20 Kilometern erreichen wir die Rock Spring Hut. Wir sind alleine an der Hütte. Nach den Schlaf raubenden Erfahrungen mit den hyperaktiven Nagern in der letzten Nacht, beschließen wir, heute im Zelt zu schlafen. Wir bauen unsere beiden superleichten Einmannzelte auf. Unsere Lebensmittel sichern wir dieses Mal in einigen Metern Höhe an einer in der Nähe der Hütte aufgestellten Metallstange. Diese Bärensicherungen findet man an nahezu allen Schutzhütten.

Nachts werde ich von einem rasselnden Geräusch geweckt. Irgend ein größeres Tier schleicht um unsere Zelte. Ein Bär ist es zweifellos nicht, das kann man auf jeden Fall heraushören. Trotzdem überlege ich eine ganze Weile, ob ich draußen nachsehen soll. Schließlich nehme ich allen Mut zusammen und öffne vorsichtig das Zelt. Im Schein der Taschenlampe erkenne ich ein Stachel- schwein auf nächtlicher Erkundungstour. Ich mache die Taschenlampe aus, um den stacheligen Nachtwanderer nicht zu stören. Auch ohne technische Hilfsmittel kann ich die nachtaktive Rassel auf vier Beinen noch eine Zeit lang beobachten, bevor ich mich erneut zur Nachtruhe begebe, die nächtlichen Geräusche noch im Ohr.

Ich hole unsere in der Nacht gesicherten Lebensmittel aus 3 Metern Höhe herunter und will mich wieder in Richtung Zelt begeben. Da versperrt mir ein großer Schwarzbär den Weg. Ich bleibe wie angewurzelt stehen. Nach einer kurzen Schrecksekunde nimmt das Gehirn wieder seine Tätigkeit auf. Instinktiv klatsche ich in die Hände. Der Bär bewegt sich keinen Millimeter. Am liebsten würde ich weglaufen. Ich bin ein Weltklassesprinter - jedenfalls in solchen Situationen. Aber das ist aussichtslos und es wird dringend davon abgeraten, damit der Bär einen nicht als Beute betrachtet.

Soll ich versuchen, ihn mit unseren Lebensmitteln zu bestechen? Schade, dass wir keine Gen-Äpfel mehr haben, die würde ich bereitwillig opfern. Ich mache noch mehr Krach und schließlich kommt Pascal aus seinem Zelt. Bevor er überhaupt begreift, was los ist, setzt der Bär sich behäbig in Pascals Richtung in Bewegung, wird dann immer schneller um letztendlich mit voller Wucht seine 300 Kilo auf meinen Sohn zu stürzen. Urplötzlich zerreißt ein lauter Knall die morgendliche Stille, der Schwarzbär wird von einer Kugel getroffen, Pascals Freund Öko (der angekündigt hatte, unterwegs zu uns zu stoßen) taucht zwischen den Bäumen auf, und ich erwache.

Ich bin schweißgebadet, bin mir noch nicht ganz sicher, ob es Traum oder Wirklichkeit war und werde langsam richtig wach. Puuuh, gut dass das nur meine Fantasie in Form eines Traumes war, die mit mir durchgegangen ist. Wie kann man denn solch einen Blödsinn träumen? Der Trail beeinflusst die Gedankenwelt offensichtlich gewaltig. Wie oft habe ich vor der Abreise darüber nachgedacht, wie man sich verhalten soll, wenn man einem Bären begegnet, und die Situation in Gedanken immer wieder durchgespielt.......

Um es an dieser Stelle vorab schon einmal richtig zu stellen: die Schwarzbären sind absolut friedfertige Waldbewohner bei denen „Ragout a la homo sapiens“ nicht auf der Speisekarte steht. Unfälle mit Schwarzbären sind praktisch unbekannt. Leider gibt es immer wieder unvernünftige Touristen, die Bären füttern. Dass die schwarz bepelzten Tiere dadurch ihre Scheu vor dem Menschen verlieren, birgt zweifellos eine gewisse Gefahr. Hin und wieder soll es schon 'mal zu kleineren Problemen gekommen sein, wenn man dem vom Duft saftiger Schinken und köstlicher Süßspeisen angelockten, ungebetenen Gast die verlockenden Leckerbissen aus dem Picknickkorb vorenthalten hat.

Wir werden in den nächsten Tagen mehrmals Schwarzbären, sogar Muttertieren mit Jungen, begegnen. Es waren immer einmalige, vollkommen ungefährliche Augenblicke. Der Schwarzbär gilt nach unseren Erfahrungen zu Recht als der friedfertigste Großbär.

Auszug aus dem Buch „Gespräche mit Gott“, Band 1 Seite 18 und 19, von Neale Donald Walsch, deutsche Übersetzung, erschienen im Goldmann Verlag

WILLST DU WIRKLICH EINE ANTWORT auf all diese Fragen oder nur Dampf ablassen?

Ich blinzelte – und dann stieg eine Antwort in mir auf. Ich schrieb auch sie nieder.

Beides. Klar, ich lasse Dampf ab, aber wenn es Antworten auf diese Fragen gibt, dann will ich sie, so gewiss wie es eine Hölle gibt, hören!

DU BIST DIR EINER MENGE DINGE – „so gewiß wie der Hölle“. Aber wäre es nicht nett, „so gewiß wie des Himmels“ zu sein?

Und ich schrieb:

Was soll denn das heißen?

Und noch bevor ich begriff, wie mir geschah, hatte ich eine Unterhaltung begonnen, wobei ich eigentlich nicht von mir aus schrieb, sondern ein Diktat aufnahm.

Dieses Diktat dauerte drei Jahre, und zu jenem Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung, worauf das Ganze hinauslief. Ich bekam erst dann Antworten auf meine Fragen, wenn ich sie vollständig zu Papier gebracht hatte. Oft erhielt ich die Antworten schneller als ich schreiben konnte, und schmierte sie hin, um mitzuhalten. Wenn ich durcheinandergeriet oder nicht mehr das Gefühl hatte, daß die Antworten aus einer anderen Quelle kamen, legte ich den Stift beiseite und nahm Abstand von diesem Dialog, bis ich mich wieder inspiriert fühlte (tut mir leid, aber das ist das einzig wirklich passende Wort) zu meinem Notizblock zurückzukehren und das Diktat wiederaufzunehmen.

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